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Finderlohn.

Es steht die Sonne sengend im Zenit.
Kein Luftzug weht heut, selbst der Falter hängt
fast reglos an den Büschen, lebensmüd.
Träg sind die Bienen, die so emsig sonst
ihr Tagewerk vollbracht mit stetem Fleiß.
Heiß atmet heut die Erde, jedes Tier
wird von der hohen Sonne Glut gequält.
Nur unterm Blätterdach des Laubengangs,
dort unter hundertjährgen Bäumen weht
noch eine andre Luft als hier im Park
mit seinem riesenhaften Cottage-Bau.
Da, wo der See von Ahorn überragt
am Waldesrande blinkt, ein Silberstreif,
weht Kühle, und ich flüchte mich zu ihm.
An seinem moosgen Ufer, dicht am Schilf
streck ich mich hin, die Arme unterm Haupt,
die Lippen offen, um die würzge Luft
zu atmen, die dem Boden hier entströmt.
Ein Buch aus der Empire-Zeit, das ich mir
zum Lesen mitnahm, liegt noch unberührt
auf meines weißen Morgenkleides Saum.
Träg wie die Falter selber bin ich heut,
nichts mag ich tun; mein Schimmel scharrt im Stall
und wiehert, bläht die Nüstern, will hinaus.

Die Ruder liegen unberührt im Kahn,
zu schwül ists heut, nicht rühren mag ich mich,
nicht einmal um den Busch Vergißmeinnicht
zu pflücken, der ganz dicht an meiner Hand
im Rohr in üppger Schönheitsfülle sprießt.
Aus halb geschlossnen Augen blinzle ich
verträumt auf Wald und See. Dort auf dem Teich
erblick ich eine Wasserrose, weiß
auf grünem Blätterpfühle ruht sie grad
so still wie ich am Ufer hier im Moos.
Und eh ichs recht bedenke, hab ich schon
den Tennis-Schuh, den weißen Seidenstrumpf
vom Fuß gestreift, dann folgt der andre nach,
jetzt auch das Mieder – und nun Stück für Stück.

*

Dann eile ich zum Teich. Der Jagdhund streckt
den Widerrist, auch er liegt müd und träg
bei meinen Sachen; doch mit klugem Blick
verfolgt er mich, bis schließlich ich im Rohr
verschwinde. Nur mein Bulldogg schleicht mir nach,
der immerdar mir folgt. Wie schön ists doch
hier in der Flut, so kühl, ein leiser Wind
weht übers Wasser und verwirrt mein Haar,
das in dem Sonnenlicht rotgolden glänzt
und von den Tropfen, die ich plätschernd rings
versprüht, wie demant-überschüttet scheint.
Wärs Mondenschein, ich glaub ich käme mir
just wie ein Nixlein vor, das hier zur Nacht
gar bösen Zauber treibt. Doch nun zum Ziel,
der weißen Wasserrose, die ich doch
zu pflücken durch den Teich schwamm, noch ein Stück
liegt sie entfernt von mir. Ich bin schon müd
und werf mich auf den Rücken, unterm Kopf
die Arme, über mir so azurblau
der Himmel, strahlend hell im Sonnenlicht
des Julimittags. Endlich hab ich sie
gepflückt, mit Binsen in mein Haar gesteckt
– dort auf der kleinen Insel hinterm Bruch –
und lachend springe ich vom hohen Steg
hinab. Zwölf schlägts. Ich teil mit kräftgem Arm
die Wellen, denn mein Allerliebster kann
vom Pirschgang längst wohl schon zu Hause sein
und mich vermissen.

Himmel, was ist das?

*

Der Rüde hier, er legt die Ohren an!
Dort, wo die Kleider lagen, liegt nichts mehr ...

*

Verzweiflung packt mich. Tränen steigen mir
jetzt in die Augen, trüben meinen Blick.
Da raschelts leis im Busch, da rauschts im Rohr,
und aus dem Dickicht tritt mein Herzensschatz
mit seiner Forderung »für Finderlohn«,
der Räuber meiner Sachen plötzlich vor. – – –

*


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