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Vision.

Mein Brauner bäumt sich, er schäumt ins Gebiß,
die Luft weht so feucht heut, so kalt.
Unheimlich raunt es zu dieser Stund,
die Nebelfrau braut schon im Wiesengrund,
wie Schleier liegts über dem Wald.

Mein Brauner streckt schnaufend den Widerrist,
er dampft, seine Nüstern gebläht;
komm, Chardas, mein Liebling, wir reiten schnell,
das Käuzchen rief heut schon drei Mal so grell
– – – – – – 's ist spät.

Der Waldweg verengt sich, der Pfad wird steil,
horch, – klang es wie Rossegewiehr?
Dumpf stampfts den Boden wie Hufegetrapp,
als jagte ein Reitersmann in sein Grab,
als folgt er verzweiflungsvoll mir.

Und näher und näher tönt an mein Ohr
ein Schnaufen wie Sterbegestöhn. –
Mich packt das Grausen im finsteren Moor,
ich denk der verwunschenen Spinnlenor,
es schüttelt die Erlen der Föhn.

Ich setz in die Weichen die Sporen ein:
Blut spritzt! Mir gilts einerlei.
Auf Tod und auf Leben geht der Ritt,
ich lasse nicht nach – – – ich halte mit ...
Der Reiter soll mir nicht vorbei! –

Als wäre entfesselt die wilde Jagd
Gott Wotans mit mächtgem Troß,
so folgt es mir durch die Mitternacht –
Da plötzlich, – dicht vor des Berges Schacht,
springt bebend zur Seite mein Roß.

Die Mähne gesträubt und Schaum vor dem Maul
blickts vorwärts. Da wird es mir klar,
wer vorübersprengte am Erlengrund
mit grinsendem Antlitz zur Geisterstund,
ich weiß – wer der Reitersmann war! ...

Verhängt die Zügel, so folge ich ihm
kampfmutig durch Nacht und Graus.
Du Sensenreiter, du Knochenmann,
ich lasse dich nicht an mein Lieb heran,
heut Nacht will ich zu ihm ins Haus ...

Ich gebe die Peitsche, ich gebe den Sporn,
gejagt von der Sehnsucht Macht,
und als ich tret in das Stübchen hinein,
da lag mein Schatz schon im Totenschrein, – –
das grausige Werk war vollbracht.

*


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