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Dreizehntes Kapitel.

Was Joseph während seiner Krankheit im Wirthshause widerfuhr, nebst einem denkwürdigen Gespräch zwischen ihm und Barnabas, dem Pfarrer des Kirchspiels.


Nachdem Joseph ausführliche Nachrichten über den Raubanfall, so wie einen kurzen Bericht über sich und seine beabsichtigte Reise mitgetheilt hatte, fragte er den Chirurgus, ob dieser ihn in Gefahr glaube; worauf derselbe sehr aufrichtig erwiederte: er besorge es allerdings, denn sein Puls sei sehr aufgeregt und fieberhaft, und sollte sich das Fieber mehr als symptomatisch zeigen, so werde es unmöglich sein, ihn zu retten. Joseph rief mit einem tiefen Seufzer: »Arme Fanny, wie gern hätte ich Dich noch einmal in diesem Leben gesehen; doch Gottes Wille geschehe.« Der Chirurgus rieth ihm nun, falls er noch weltliche Angelegenheiten zu ordnen habe, es sobald als möglich zu thun; denn obgleich er ihm nicht alle Hoffnung benehmen wolle, so halte er sich doch für verpflichtet, ihn auf die große Gefahr, in welcher er schwebe, aufmerksam zu machen; und sollte die bösartige Mischung seiner Säfte eine Incitation des Fiebers veranlassen, so sei sogar ein Anfall von Wahnsinn zu befürchten, mithin die Unmöglichkeit, seinen letzten Willen zu besorgen. Joseph antwortete, es lasse sich kein Mensch in der Welt denken, der ärmer sei, als er, denn seit seiner Beraubung könne er nichts sein Eigenthum nennen –»Ich hatte,« sagte er, »ein kleines Goldstück, das sie mir auch nahmen, und das in allen Trübsalen ein Trost für mich gewesen sein würde; doch gewiß, Fanny, ich habe kein Andenken nöthig, um mich Deiner zu erinnern. Ich trage Dein theures Bild in meinem Herzen, und kein Bösewicht kann es je von dort entfernen.«

Er verlangte jetzt Feder und Papier, um einen Brief zu schreiben, aber man schlug ihm die Bitte ab, und ermahnte ihn, sich ruhig zu verhalten. Die Herren verließen ihn jetzt, und der Wirth ließ den Geistlichen rufen, damit dieser Josephs Seele seine guten Dienste leisten möge, da der Chirurgus alle Hoffnung aufgegeben, den Körper retten zu können.

Herr Barnabas (so hieß der Pfarrer) fand sich bald ein, und nachdem er erst eine Tasse Thee mit der Wirthin, und dann eine Bowle Punsch mit dem Wirth getrunken hatte, trat er in Josephs Zimmer; da er diesen aber schlafend fand, so kehrte er wieder zurück, um sich nochmals zu erfrischen. Als dieses zur Genüge geschehen, schlich er leise hinauf, und nachdem er die Thür geöffnet, vernahm er folgendes Selbstgespräch des Kranken.

»O höchst verehrungswürdige Pamele! erztugendhafte Schwester! Du, deren Beispiel mir allein die Kraft verleihen konnte, allen Versuchungen des Reichthums und der Schönheit zu widerstehen, und meine Tugend für die Arme meiner theuren Fanny rein und keusch zu bewahren, wenn es dem Himmel gefallen hätte, mich je wieder von ihnen umschließen zu lassen. Welche Reichthümer, Ehren oder Genüsse können uns den Verlust der Unschuld ersetzen? – Gewährt uns nicht diese allein mehr Trost, als alle weltlichen Güter? – Was sonst, als Unschuld und Tugend, könnte einen Unglücklichen, wie ich jetzt bin, aufrecht erhalten? – Ja diese sind es, welche dieses traurige Krankenbett mich allen Vergnügungen vorziehen lassen, die ich an der Seite meiner Gebieterin hätte finden können; sie sind es, die mich dem Tod ohne Furcht ins Angesicht schauen lassen, und obgleich ich Fanny mehr liebe, als je ein Mädchen von einem Jüngling geliebt wurde, so lehren diese mich, ohne Murren mich dem göttlichen Willen zu unterwerfen. O Fanny, reizendes, himmlisches Geschöpf! Hätte der Himmel Dich meinen Armen zugeführt, die tiefste Armuth wäre mir durch Dich zum Paradiese geworden; in der niedrigsten Hütte hätte ich mit Dir leben können, ohne je die Paläste, die Leckerbissen, oder die Reichthümer Anderer zu beneiden. Aber ich muß Dich verlassen, Dich für immer verlassen, mein theuerster Engel! – Ich muß mich auf eine andere Welt vorbereiten, und ich bete mit Inbrunst, daß Dich der Himmel stets in dieser in seine heilige Obhut nehmen möge!« –

Barnabas glaubte jetzt genug gehört zu haben; er schlich wieder die Treppe hinab, und sagte dem Wirth; er könne seinem Gast nicht nützlich sein, denn sein Verstand sei verwirrt, und so lange er im Zimmer gewesen, habe er nichts als Unsinn von ihm gehört.

Der Chirurgus, der am Nachmittag wiederkam, fand seinen Kranken in einem heftigeren Fieber, wie er sagte, als er ihn verlassen, aber nicht wahnwitzig; denn trotz der Meinung des Herrn Barnabas war Joseph seit seiner Ankunft in dem Wirthshause keinen Augenblick von Sinnen gewesen.

Herr Barnabas ward abermals gerufen, und mit vieler Mühe zu einem neuen Besuch vermocht. Sobald er in das Zimmer trat, sagte er zum Kranken, er komme, mit ihm zu beten, und ihn für eine andere Welt vorzubereiten; daher vor allen Dingen, daß er alle seine Sünden bereut habe. Joseph antwortete, er hoffe das gleichfalls, doch habe er noch etwas auf dem Herzen, wovon er nicht wisse, ob er es eine Sünde nennen könne; sei es eine, so müsse er fürchten, er werde sie mit in das Grab nehmen, den Schmerz nemlich, von einem jungen Mädchen scheiden zu müssen, das er mehr als sein Herzblut liebe. Barnabas führte ihm hierauf zu Gemüthe, das Widerstreben gegen den göttlichen Willen sei allerdings eine der größten Sünden, die er begehen könne; er müsse sich aller fleischlichen Neigungen entschlagen, und an bessere Dinge denken. Joseph erwiederte: weder in dieser Welt noch in jener könne er seine Fanny vergessen, und selbst der schmerzliche Gedanke, sich für immer von ihr zu trennen, sei nicht halb so folternd, als die Angst um Das, was sie leiden werde, wenn sie sein Unglück erfahre. Barnabas versetzte: derartige Besorgnisse zeugten von einem äußerst strafbaren Mißtrauen und Kleinmuth; er müsse alle menschlichen Leidenschaften aufgeben, und seinen Blick nur nach oben richten. Joseph antwortete, das sei auch seine Absicht, und er werde ihm von Herzen Dank wissen, wenn er ihn mit seiner geistlichen Hülfe dabei unterstützen wolle; und Barnabas entgegnete, das müsse durch höhere Einwirkung geschehen. Joseph bat, ihm zu entdecken, wie er dazu gelangen könne. Barnabas versetzte: »Durch Gebet und Glauben,« und fragte ihn dann, ob er den Räubern verziehen habe. Joseph antwortete: er fürchte, das werde ihm nicht möglich sein, indem nichts ihm mehr Freude machen würde, als wenn er vernähme, sie seien gefangen worden. – »Das wünschen Sie nur der allgemeinen Gerechtigkeit wegen, nicht wahr?« fragte Barnabas. – »Ja,« sagte Joseph, »aber träfe ich nochmals mit ihnen zusammen, so würde ich sie angreifen, und, wenn ich könnte, tödten.« –»Schon recht,« entgegnete Barnabas, »es ist nicht ungesetzlich, sich gegen einen Räuber zu vertheidigen; aber können Sie sagen, daß Sie ihnen vergeben, wie es einem Christen gebührt?« – Joseph wünschte zu wissen, was für eine Art von Vergebung das sei. – »Das ist,« antwortete Barnabas, »ihnen zu vergeben, wie – eine Art von Vergebung – kurz, es heißt, ihnen als ein Christ vergeben.« – Joseph erwiederte: er vergebe ihnen nach seinen besten Kräften. – »Gut, gut,« sagte Barnabas, »das ist schon genug.« – Er fragte ihn dann, ob er sonst noch Sünden zu bereuen habe, und wenn es der Fall sei, so möge er sich beeilen, und sie so schnell als möglich bereuen, damit sie noch einige Gebete mit einander hersagen könnten. Joseph erwiederte: er wisse sich keiner großen Verbrechen schuldig, und bereue aufrichtig diejenigen, die er etwa begangen haben sollte. Barnabas sagte, das sei genug, und eilte dann, so schnell er konnte, einige Gebete herzusagen, denn er wußte, daß unten eine Gesellschaft auf ihn wartete, und alle Materialien zum Punsch bereit seien, niemand aber die Zitronen ausdrücken würde, bis er käme.

Joseph klagte über Durst, und verlangte etwas Thee. Als Barnabas dieses der Mistreß Towwouse mittheilte, erhielt er zur Antwort, sie habe eben ihren Thee getrunken, und könne nicht den ganzen Tag das Wasser sieden lassen; doch schickte sie dem Kranken durch Betty ein Glas Halbbier hinauf. Kaum hatte Joseph es gekostet, so sagte er, er fürchte, es werde sein Fieber vermehren und er sehne sich sehr nach Thee, worauf die gutmüthige Betty erwiederte, er solle welchen haben, falls noch Thee im Lande zu finden sei. Sie entfernte sich und kaufte welchen für ihr eigenes Geld, den sie ihm zurecht machte und hinauf trug. Wir wollen sie und Joseph einige Zeit zusammen lassen, um den Leser von andern Dingen zu unterhalten.


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