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Drittes Kapitel.

»Na, Sie fanden ihn natürlich rein wie Schnee?« sagte der Detektivchef, als Sterling von dem Besuch bei seinem Freund zurückkam.

»Wen?« entgegnete Sterling gereizt.

»Nun. den Mörder! Wen denn sonst?«

»Ich kenne keinen Mörder.«

»Ich meine den Ingenieur Röder.« meinte der Beamte und warf Sterling einen spöttischen Blick zu.

»Der hat niemand ermordet,« erwiderte Sterling kalt.

Seit einiger Zeit herrschte zwischen dem Chef der Detektivabteilung und ihm ein gewisser Antagonismus, der davon herrührte, daß Sterling eine Falschmünzerbande aufgespürt hatte, nach der die Polizei schon fast zwei Jahre lang vergeblich suchte. Kommissar Berner hatte die Nachforschungen persönlich geleitet und konnte es nicht verwinden, daß ein Zivilist, ein Liebhaberdetektiv, Erfolg gehabt hatte, wo die Behörde umsonst ihren ganzen Scharfsinn aufgewandt hatte.

Deshalb klang es ein wenig wie Schadenfreude, als der Kommissar Sterling auf seine letzte Bemerkung entgegnete:

»So? Wirklich nicht?«

»Nein,« sagte Sterling gelassen, »ebensowenig wie Sie oder ich.«

»Aber wenn ich nun eine vollkommen klare Beweiskette hätte?« warf der Kommissar mit einem fast lauernden Blick hin.

»Ich bezweifle, daß sie ganz klar ist,« versetzte Sterling achselzuckend.

»Vielleicht würde es Sie interessieren, zu hören, welche Tatsachen wir in Erfahrung gebracht haben?« fuhr der Beamte in herablassendem Ton fort. »Die Detektivs sind inzwischen zurückgekommen.«

Nun hatte Sterling erreicht, was er wollte, und konnte ein leises Lächeln der Befriedigung über seine geglückte List nicht ganz verhehlen. Er hatte von Anfang an gewußt, daß er dem Ergebnis der polizeilichen Untersuchungen nie auf den Grund kommen würde, weil er sich noch immer auf gespanntem Fuß mit Berner befand. Und jetzt hatte dieser sich selbst zu dem Dienst erboten, den er durch Bitten nicht erreicht haben würde.

Er versuchte jedoch, seine Genugtuung zu verbergen, indem er in gleichgültigem Ton erwiderte:

»Na ja. Etwas sonderlich Interessantes wird ja bei Ihren Nachforschungen nicht herausgekommen sein, aber ich bin gern bereit, zu hören, zu welchem Ergebnis Sie gelangt sind.«

»Vor allen Dingen haben wir festgestellt, daß der tödliche Schuß aus einer Pistole abgegeben wurde, die im Schlafzimmer am Boden lag,« begann der Detektivchef.

»Das weiß ich schon,« entgegnete Sterling.

«O. Sie wissen es?«

«Wie ich schon sagte – ja.«

»Wer hat es Ihnen denn erzählt?«

»Der Mörder.« lautete die spöttische Antwort.

»Dann wissen Sie vielleicht auch, wer den Schuß abgefeuert hat?« fragte der Kommissar.

»Nein, das weiß ich nicht.«

»Dann werde ich es Ihnen sagen. Es hat sich herausgestellt, daß gestern abend beim Zubettgehen ein heftiger Streit zwischen dem Ermordeten und dem Mörder stattgefunden hat.«

»Das weiß ich,« warf Sterling ein.

»So? Sie scheinen ja schon fast alles über diesen Fall zu wissen!«

»Na ja. soviel wie die Polizei weiß ich wohl auch ungefähr,« sagte Sterling. »Es würde mich übrigens interessieren, die Mordwaffe zu sehen.«

»Die ist hier,« erwiderte der Beamte und zog ein Schreibtischschubfach auf, aus dem er einen mittelgroßen Browningrevolver hervorholte.

Sterling griff nach der Waffe, die Berner ihm reichte.

»Wie ich sehe, ist das Patronenlager geleert worden.« bemerkte er. »Wie viele Patronen steckten denn drin, als es zuerst nachgesehen wurde?«

»Sechs,« erwiderte der Beamte.

»Und wo im Zimmer fand man die leere Hülse des siebenten Schusses – ich meine, die des abgefeuerten Schusses?«

»Im Zimmer wurde sie überhaupt nicht gefunden.«

»Wo denn aber?«

»Sie steckte noch im Patronenlager, das heißt, der Mörder hatte sie wieder hineingetan – vermutlich in der Absicht, die Polizei zu verwirren. Aber durch so plumpe Versuche lassen wir uns nicht hinters Licht führen. Der Mörder hatte die Waffe sogar gesichert, um das Ganze noch geheimnisvoller zu machen.«

»Wollen Sie damit sagen, daß die Pistole gesichert und mit der leeren Hülse im Patronenlager vorgefunden wurde?« fragte Sterling.

»Jawohl, so verhält es sich.«

»Kann ich die leere Hülse vielleicht zu sehen bekommen?«

»Gern,« sagte der Kommissar und begann in dem Schubfach herumzustöbern.

Nach einigen Sekunden fand er die Hülse und gab sie an Sterling weiter. Dieser nahm sie in die Hand und stieß gleich darauf einen unwillkürlichen Laut der Überraschung aus. Er faßte sich aber sofort und erwiderte auf die Frage des Kommissars, was denn so Merkwürdiges an der Hülse sei. mit möglichst gleichgültiger Miene:

»Ach, nichts! Ich dachte nur, daß es eine gewöhnliche Patronenhülse wäre. Jedenfalls ist sie aber ganz interessant,« fuhr er fort, »und ich würde Ihnen dankbar sein, wenn Sie so freundlich sein wollten, sie mir auf einige Tage zu borgen.«

»Wenn Sie es wünschen, gern,« lautete die Antwort. »Wenn Sie glauben, Ihren Schützling mittels einer leeren Patronenhülse retten zu können, so irren Sie sich sehr,« setzte der Beamte mit einem ironischen Lächeln hinzu.

Befriedigt steckte Sterling die Hülse in seine Westentasche und griff nach seinem Hut.

»Aber Sie kennen noch nicht alle Glieder meiner Beweiskette,« sagte der Kommissar.

»Es gibt also noch mehr Indizien?«

»Und ob! ... Was sagen Sie zum Beispiel dazu, daß ein Zeuge beschwören will, er habe gesehen, daß der Ingenieur im Frühling auf der Schnepfenjagd auf seinen Onkel geschossen hätte ... Der Schuß habe aber nicht getroffen.«

»Wer will das beschwören?«

»Einer der Hofleute. Der Mann heißt Holm.«

»Hm, einer von den Hofleuten,« murmelte Sterling nachdenklich. »Ja, für meinen Klienten sieht es allerdings übel aus.« fuhr er fort. »Aber wir wollen sehen, ob ein Besuch an Ort und Stelle nicht dazu beitragen wird, die Begriffe zu klären.«

»Glückauf!« lachte der Kommissar. »Wir sind natürlich für alles dankbar, was dazu beiträgt, Licht in diese Sache zu bringen.«


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