Ottomar Enking
Familie P. C. Behm
Ottomar Enking

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Als Familie P. C. Behm am nächsten Abend beim Thee saß, sagte Bernhard: »Schelius war heute bei uns. Ich hab' ihn am Stammtisch eingeführt. Das ist lange kein Duckmäuser.« – Frau Behm berichtete: »Er kam heute nachmittag in den Laden und hat Hosenträger zu eine Mark und vierzig gekauft. Er war so höflich.« – »Ich traf ihn zufällig am Hafen,« erzählte Vater Behm. »Er meinte, der Kaiser wird ganz bestimmt auf meine geniale Idee (das Wort war ihm tief haften geblieben!) eingehen. Er hat Vermögen und will sich am liebsten etablieren. Aber vielleicht wird er bald Bureauvorsteher.« – Anna wußte auch von ihm: »Ich bin ihm begegnet.« – So beschäftigte Schelius die gesamte Familie. Sie redeten noch eine Weile von ihm. – »Fabelhaft, was der für Menschen kennt,« meinte Bernhard. »Die halbe Stadt und alle Verhältnisse, ganz genau.« – »Ja, ja, wenn man auf einem Rechtsanwaltsbureau ist,« sagte P. C. Behm. – »Das ist gewiß ein sehr feiner Posten,« fügte die Mutter hinzu, »so diese Herren, die zu thun haben mit das Gericht . . .« – »Ja,« betonte Anna, »und er verkehrt auch viel bei Pastor Borchert.«

Schelius war ein interessanter Mann geworden 184 für die kleine Familie, die wenig Menschen kannte und der leicht Achtung abzugewinnen war. – »Es ist gut, daß er an den Stammtisch gekommen ist,« fuhr Bernhard fort. »Die Gesellschaft wird immer gemischter. Körting kommt nicht mehr – kann er auch eigentlich nicht nach dem, was vorgefallen ist. Er ist überhaupt jetzt höllschen hoch. Schelius sagt, daß er bloß noch mit Off'zieren umgeht. Na, und die andern, die Oberlehrer und Direktor Neußer von der Zuckerfabrik und der Oberzollinspektor, die lassen sich auch nicht sehen. Macht nichts. Man fühlte sich immer etwas bedrückt. Jetzt ist es gemütlicher. Wir von der Post sind mehr unter uns. Aber gerade Leute wie Schelius kann man brauchen. Die bringen geistige Anregung hinein. Ich glaube, mit Schelius werde ich mich sehr anfreunden.«

Das that er redlich. Schelius hier und Schelius da hieß es bei ihm, und es dauerte nicht lange, so war der Herr stellvertretende Bureauvorsteher bei Behms eingeführt. Der Alte fragte ihn um Rat, wie er dies und jenes in seiner Eingabe an den Kaiser ausdrücken könnte, weil er nicht anstoßen wollte, und Schelius wußte die feierlichsten Wendungen mit »seitens«, »mittelst«, »beziehungsweise« und »hinsichtlich derselben« anzugeben, die den Alten schön dünkten, die sich jedoch zwischen dem Chronikenstil, in dem der Brief sonst verfaßt war, wunderlich genug ausnahmen. Und wie in den Brief, so schob Schelius überhaupt ein neues Wesen in die Familie hinein. Er fragte nach allem Möglichen, und die schlichten 185 Seelen offenbarten ihm, was er wissen wollte. Als er seine Neugier gestillt hatte, fing er an, Pläne für Behms zu schmieden. – »Ja, Herr Behm,« rief er, »bauen würde ich an Ihrer Stelle! Was können Sie bei Ihrer Lage für ein Geschäft machen! Kaufen Sie die Nebenhäuser, richten Sie ein Warenhaus ein: Sie sollen sehen, daß Sie in ein paar Jahren das erste Geschäft am Platze sind! Ich kann Ihnen Fabriken nennen – pikfein!« – »Meinen Sie?« fragte P. C. Behm zaghaft. – »Selbstverständlich! Sollen wir denn nicht wuchern mit dem Pfunde, das uns Gott gegeben hat?« – Bei frommen Redensarten blickte er zu Anna hinüber, die wie zustimmend den Kopf neigte, oder er sah Frau Behm an, die gleich die Hände faltete. – »Ich hab' man kein Kapital,« wandte der Alte ein. – »O, das verschaff' ich Ihnen,« entgegnete Schelius, »es giebt Leute genug, die nicht wissen, wohin sie mit ihrem Gelde sollen.« – »Aber wenn es schief geht?« – »Na, dann hat Gott es eben nicht wollen. Dann handeln Sie rechtzeitig ab. Aber es kann gar nicht schief gehen.« – »Wissen Sie, Herr Schelius,« sagte der alte Behm bewundernd, »Sie haben einen riesigen Unternehmungsgeist. Sie müßten an einem anderen Orte stehen.« – »Ich bin zufrieden, wie der Herr mein Geschick lenkt,« erwiderte Schelius und sank bescheiden in sich zusammen. »Aber,« und dabei richtete er sich wieder auf, »ich kann nicht leugnen, daß ich gern ein weiteres Feld für meine Thätigkeit 186 haben möchte.« – »Ja,« fiel hier Bernhard ein, »das verdienten Sie auch. Und famos find' ich es, daß Sie bei all Ihrer Frömmigkeit doch Blick für das Leben haben.« – »Nun,« lächelte Schelius, »der wahre Christ ist allezeit fröhlich in dem Herrn und kann sich wohl um die Dinge dieser Welt bekümmern. Heißt es doch: wirket, so lange es Tag ist, es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.« – Das letzte sagte er langsam in näselndem Kanzeltone. Dabei streckte er die stark gebogene Nase nach oben und schloß die Augenlider halb. Frau Behm faltete die Hände. In Anna wehrte sich etwas gegen diesen Ton und gegen sein Gebahren, aber sie zwang sich, beides als fromm hinzunehmen.

Nach solchen Unterredungen war Familie Behm immer von Unruhe gepackt. Der Alte ging vor die Thür und sah sich sein Haus und die Nebenhäuser an, und sein Herz wurde ihm schwer, wenn er daran dachte, daß er das alte Ladenfenster einreißen sollte, in dem er nun alle die Jahre hindurch die roten Taschentücher mit den schönen Kaiserbildern und die Strümpfe und die Zwirnrollen ausgelegt hatte! Frau Behm saß ebenso aufgeregt in ihrem Laden und blickte zu ihrem Pappa hinaus. Sie hatte Angst davor, daß er beschließen möchte zu bauen. Ihr Platz hinter dem kleinen Ladentisch neben dem eisernen Ofen war ihr zu lieb. Auch Mies schnoberte im Laden unten an der Thür herum, als ob sie eine andere Luft hereinströmen witterte.

187 Bernhard war ebenfalls von den Plänen eingenommen, die Schelius spann. Er dachte sogar eine Zeit lang daran, seine schöne Uniform auszuziehen, selbst Kaufmann zu werden und das Geschäft ordentlich in Schwung zu bringen. »Wissen Sie,« sagte er zu Schelius, »das sollte wohl fluschen, wenn ich mit meinem Organisationstalent die Geschichte anfaßte. Und die Kenntnisse des Verkehrslebens, die man sich im Laufe der Jahre angeeignet hat! Ich glaube, ich würde sehr wertvoll, – warum soll man schließlich als Beamter versauern?« – Schelius gab ihm ganz recht, obwohl er gar nichts gegen den Postdienst sagen wollte. Gerade der Postdienst wäre eigentlich das Vornehmste, das man sich denken könne. – »Ja,« entgegnete hierauf Bernhard, »leicht wird es einem sicher nicht, seiner Karriere zu entsagen.« – Selbst Anna war von dem Fieber angesteckt. Sie wäre gern die Tochter eines Großkaufmanns gewesen, denn dann hätte sie Schriftführerin im christlichen Frauen- und Jungfrauenverein werden können, dem nur die »besseren« Damen in Koggenstedt angehörten und der zu Weihnacht in der »Harmonie« immer die schönen Bazare für ungetaufte kleine Negerkinder veranstaltete.

Aber so sehr sich auch alle vier mit dem beschäftigten, was Schelius in sie hineintrug, sie hatten doch sämtlich Furcht davor, daß es einmal anders werden könne, als es jetzt war. Sie vermieden es, mitsammen vom Bauen und Kaufen zu sprechen. Eines Abends. als 188 er neben seiner Frau Bolette im Bett lag, fand jedoch der Alte das Wort dazu. – »Mamma,« fragte er, »wäre es nicht beinah Sünde?« – »Was, mein klein Pappa?« – »Wenn wir hier was abrissen und Häuser kauften und alles Mögliche neu machten?« – »Gott, ich mag da gar nicht an denken!« – »Mamma, laß es man bleiben, wie wir es gewohnt sind. Man denkt sich wohl allerhand große Geschichten aus, aber wenn man sich alles genau überlegt, dann zuckt man zurück. Nein! So lange, als ich lebe, soll hier kein Stein verändert werden. Wir haben unser Auskommen.« – »Das haben wir. Bißchen reichlicher könnte es gut sein.« – »Denn will ich wieder mit meinem Pack zu Lande gehen. Ich thu' es gern!« – »O nein, mein klein Pappa, das darfst du nicht. Wir richten uns immer ein. Bernhard ist auch bald so weit, daß er kriegt die schöne Zulage.« – »Bloß Anna . . .« – »Ja, wenn unsere liebe Anna doch und fände einen recht guten Mann. Ich bin oft rein in Sorge.« – Da sagte der Alte: »Schelius. – Was meinst du zu dem?« – Frau Behm antwortete nur: »Hm.« – Sie hatte auch schon an den neuen Hausfreund gedacht, aber sie mochte keine bestimmten Heiratspläne schmieden. Die gingen so leicht fehl. Deshalb begann sie wieder: »Das kommt alles, wie es best kommen soll.« –»Ja, das wohl. Aber man überlegt doch hin und her.« – Eine Weile lagen sie noch und besprachen allerlei. Dann machte P. C. Behm es dunkel. – »Gute Nacht, Mama.« – 189 »Gute Nacht, mein Pappa.« – Sie krochen unter, daß die Nase recht schön etwas von der Decke abbekam.

* * *

Der Name Schelius war in Verbindung mit Anna ausgesprochen worden. Niemand hatte ihn zwar gehört als die beiden Alten in ihrem verschwiegenen Schlafkämmerchen, aber seltsam! der Name schwirrte von da an im Hause umher, er huschte durch alle Stuben. Bernhard hatte Duzbrüderschaft mit seinem Freunde getrunken, und nun wurde der Wunsch in ihm rege, ihn auch zum Schwager zu haben. Er rühmte Anna. – »Ja, weißt du, meine Schwester, das ist ein Mädchen nach der alten guten Art. Alles kann sie, selbst waschen, plätten und kochen. Brillant kochen kann sie, und die Handarbeit, die sie macht! Großartig, sag' ich dir. Außerdem ein Charakter – einfach tadellos. Na, sie steht sich auch gut. Sie bekommt mal das Haus. Die braucht nicht zu heiraten, wenn sich nicht eine wirklich passende Partie findet.« – »Gewiß,« lobte Schelius, »deine Schwester ist eine Dame, die man achten kann. Wo findet man heutzutage noch wahre Frömmigkeit? Die jungen Mädchen sind alle in den Lüsten dieser Welt versunken.« – »Faktisch!« meinte Bernhard. »Es ist fabelhaft, was die herumpoussieren!« – Die Augen der beiden jungen Männer leuchteten in dem Gedanken an all die lockende Verderbnis dieser argen Welt.

190 So erhielt Schelius durch Bernhard allmählich eine Richtung auf Anna zu. Er hatte zunächst nicht daran gedacht, ihr nahe zu treten. Sie reizte ihn nicht mehr, als andere hübsche und stattliche Mädchen es thaten. Er wollte eine gute Partie machen. Nun aber ließ man ihm merken, daß Anna solche Partie war, und die Aussicht, vielleicht einmal P. C. Behms Geschäft zu bekommen, zog ihn erst recht an. Da war etwas für ihn zu machen, da konnte er sich hineinmengen und für sich fischen.

Plötzlich wurde er vertraulich und sanft zu Anna und sah mit demütig bewundernden und bittenden Augen zu dem jungen Mädchen hin, das sich seine Huldigungen ein wenig befangen gefallen ließ. Anna mußte viel an Körting denken: das Gefühl, das sie beim Gespräch mit diesem gehabt hatte, das so frei, so jauchzend gewesen war, kam in der Nähe von Schelius nicht in ihr auf, – über all das, was einst ihr Herz bewegt hatte, konnte sie nicht mit ihm reden, und ein leiser Schmerz, ein Mitleid mit sich selbst, zog durch sie hin, als ihr das klar wurde. Sie verglich Schelius mit Körting und behandelte dann wohl beim nächsten Zusammentreffen Schelius recht schlecht, aber der trug es geduldig und lächelnd und tröstete sich mit einem Bibelspruch. Oft schlug sie einen ernsten Ton an und winkte ihm, daß er ihr folgen sollte, aber er verstand sie gar nicht und blieb ruhig, wo er war. Sie vermochte keine Funken aus ihm herauszuschlagen. Die Frömmigkeit, die er 191 zur Schau trug, hatte ihr erst gefallen, jetzt aber weckte sie Widerspruch in ihr, und sie versuchte, ihm entgegen zu treten. – »Soll man alles glauben, was in der Bibel steht?« fragte sie herausfordernd. – »Alles. Es ist das wahre Wort des Herrn.« – »Aber da sind doch Sachen drin, die sich widersprechen.« – »Das ist nur scheinbar, liebes Fräulein. Wir dürfen uns, wie Herr Pastor Borchert noch neulich so schön sagte, nicht vermessen, die heilige Schrift mit dem Verstande ausschöpfen zu wollen. Das Gemüt ist es, das uns die Herrlichkeiten der Bibel offenbaren muß.« – »Ja, aber wenn man nun gewiß weiß, daß die Erde nicht in sechs Tagen erschaffen ist, wie es in der Bibel steht, dann kann man es doch auch nicht glauben.« – »Wer weiß es denn? Ist etwa einer von den Menschen, die stolz thun mit ihrem Wissen, dabei gewesen, als der Schöpfer sein Werk vollbrachte? Sind nicht der Wunder noch viel mehr überall? Warum sollte es also Gott unmöglich gewesen sein, Himmel und Erde in sechs Tagen zu schaffen? Sie hätten nur hören sollen, wie Herr Pastor Borchert Montag in der Bibelstunde darüber sprach, da wären Ihnen alle Zweifel genommen. Ach, liebes Fräulein, unser Wissen ist Stückwerk, und wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes. Darum heißt es bescheiden sein und bedenken: selig sind die geistlich Armen, denn das Himmelreich ist ihr. Wir sehen jetzt in einen dunklen Spiegel, liebes Fräulein Behm, aber 192 wenn da kommen wird das Vollkommene, nicht wahr? Ich glaube, sollen wir sagen: Herr hilf meinem Unglauben.« – Mit solchem Schwall suchte er das zur Ruhe zu bringen, was in Anna aufwallen wollte. Und es gelang ihm, denn sie mochte sich nicht bäumen gegen die Autorität der Bibel, wenn sie auch empfand, wie oberflächlich es war, alle Fragen auf die Art abzuthun und allen Mut, an etwas zu zweifeln, zu erdrücken. Sie fühlte, Schelius war schlau, aber obschon sie ihn zu durchschauen meinte, entzog sie sich dennoch seinem Einfluß nicht; er kam ihr klug und interessant vor, freilich anders als Körting, indessen doch auch klug und interessant. Die Erinnerung an Körting war ihr schließlich bloß noch eine Qual und daher ließ sie sich gern von Schelius in unterthäniger Weise umschmeicheln. Die Familie sprach kein Wort über eine Heirat, man hatte förmlich Furcht davor, das Glück zu berufen, seitdem es sich das erstemal trügerisch erwies, aber alle arbeiteten auf den Bund zwischen Anna und Schelius hin und ebneten ihm langsam, langsam den Weg zu dem Mädchen. Er redete noch nicht von Liebe zu ihr, nur mit Blicken und Bewegungen bat er: darf ich kommen?

Es wiederholte sich für Anna jetzt alles, was sie mit Körting erlebt hatte. Sie war mit Schelius auf dem Eise. Aber Schelius lief schlecht, sodaß sie keine Bogen mit ihm schlagen konnte. Er hielt das Schlittschuhlaufen eigentlich für zu weltlich, denn er hatte Beine, die an den Knieen näher bei einander waren 193 als an den Knöcheln. Er wagte sich auch nicht aus der gefegten Bahn heraus. – »Man weiß nicht,« meinte er, »ob dahinten nicht warme Quellen sind. Und ich habe die Pflicht, das mir geschenkte Leben so lange zu erhalten, bis mir der göttliche Ratschluß ein Ziel meiner Tage setzt.« – Verdrossen sah sich Anna an seine Begleitung gebunden. Einmal riß sie sich kurz entschlossen los und segelte fort. Draußen ertönte das Lied der eineisenden Fischer:

»»Haalt Amsterdam, Rotterdam, Schie–dam,
Haalt Schnaps, haalt Köhm, haalt Beer.«

Es war ein Tag wie damals, sonnig und kalt-klar. Aber woher kam das nur? Anna empfand heute nichts bei all dem Schönen. Die kleinen Schneesternchen, die um ihre Füße stäubten, vermochten sie nicht zu entzücken, der Gesang der Männer, das Knirschen der glitzernden Eisschollen kam ihr gewöhnlich vor, als hätte sie es jeden Tag gehört. Die Farben auf dem Eise und am Himmel, am Lande und fern am Horizonte, ja, die sah sie heute gar nicht. Und sie hatte doch einst freudig davon getrunken! Enttäuscht, mit gesenktem Haupt und langsamen, schleifenden Stößen wendete Anna Behm von ihrem Ausflug um und grübelte: woher kommt das nur? Warum schimmert das auf einmal nicht mehr? Warum jubele ich nicht dabei, wie früher? Sie war traurig, als sie zu Schelius zurückkehrte, der sie am Rande der Eisbahn erwartete mit einer Art von mildem Vorwurf 194 im Gesicht. Anna warf ihm nur einen halben Blick zu. Es fröstelte sie. – »Ich will heim,« sagte sie, »es ist nicht schön heute.« – »Ja,« meinte Schelius, »ein ernstes Gemüt kann auf die Dauer nicht Genüge finden in diesem Spiel.« – Ach du! dachte Anna, was weißt du davon? – Und als sie bei sich Schelius das Verständnis absprach für alle die Herrlichkeit, die sie ehedem hier genossen hatte, tauchte Körtings Bild in ihr auf, und sie wußte, warum sie hier nichts mehr fand. Schelius wollte sie heimbegleiten. Sie lehnte heftig ab: »Nein, ich geh' allein.«

Das Weinen war ihr nahe, als sie durch die Straßen ging. Hier hatte sie mit Körting geplaudert, die Kniee hatten wohlig gesungen, und heimlich war es zwischen ihnen gewesen. Ihm hatte sie es verdankt, was ihr an Freude ward, und warum nur, fragte sie grollend, warum ließ er sie das alles erst kennen lernen, wenn er es nicht aufrichtig mit ihr meinte? Aufrichtig? Ja, vielleicht war es ihm ernst gewesen, nur die Familie . . . die Familie! Sie wollte es ja selbst, wie es gekommen war. Sie schüttelte den Kopf, um an anderes denken zu können. Und von Körting wanderte ihr Blick zu ihrem jetzigen Freier. Der meinte es sicher aufrichtig. Den würde die Familie nicht abstoßen. Sie verachtete ihn beinahe deswegen. An Schneesternen und Eisblumen würde der sich nie entzücken. Der hatte Bibelsprüche »auf Lager«, wie sie bitter zu sich sagte. Und sie war in dieser Stunde fast bereit, ihn gerade um 195 seiner Bibelfestigkeit willen von sich zu weisen. – Aber dann kam sie zu Mutter nach Hause, in den Laden, und Mies schmeichelte sich an sie an. – »Nu, war es s–chön auf Eis?« fragte Frau Behm. – »Och.« – »War Herr S–cheliüs auch da?« – »Ja.« – »Habt ihr gelaufen zusammen?« – »Nein. Er kann nicht ordentlich.« – »Aber er ist ein reeller Charakter. Herr Pastor Borchert sagt saa maend viel Gutes von ihm.« – Anna schwieg. Ihre Seele lechzte nach ganz anderem als Reellität und Pastorenlob. – Frau Behm fuhr fort: »Und wenn er nun bald wird Bureauvorsteher – ja, das Mädchen, das ihn einmal kriegt, ist so Gott gut versorgt. Daran muß man denken heutzutage, wenn man hat kein großes Vermögen.«

Versorgung. Das war es, womit man Anna kam. Von der Heirat war noch immer keine Rede, aber die Angst, sie könne unversorgt bleiben, flackerte überall auf wie eine Spiritusflamme, die im Zuge herumzüngelt, nur halb sichtbar, aber heiß und hier und dahin leckend. Familie P. C. Behm hatte Fieber, so gespannt waren Mutter, Vater und Bruder, ob es sich wohl machen würde. Schelius' Besuche wurden genau gezählt, und wenn er eine Woche lang weniger oft kam als gewöhnlich, hieß es gleich: Was da wohl sein mag? Hat ihm einer was gethan? – Schelius merkte, wie es stand. Er beobachtete, er erkundigte sich, er forschte. Er wollte ja ursprünglich in seinen Plänen viel höher hinaus, aber er erfuhr, 196 daß die Firma P. C. Behm trotz ihrer Kleinheit solid dastand, und das Haus war fast gar nicht belastet. Da dachte er an den Sperling in der Hand und die Taube auf dem Dache. Als er mit dem Geschäftlichen im reinen war, wirkte Anna auch stärker auf ihn. Sie war groß, hatte breite Schultern und rote Lippen. Er entschloß sich, sie zu gewinnen. Anna indeß war kühl, kühler als in der ersten Zeit ihrer Bekanntschaft. Sie war leid auf seine Bibelsprüche und sagte ihm gerade heraus: »Ach, wenn man was sagt, dann kommen Sie immer mit etwas Frommem. Damit kann man alles beweisen. Lassen Sie uns vernünftig reden.« – »Liebes Fräulein, der Glaube, welcher höher ist denn alle Vernunft.« – »Puh! Wenn ich das hören will, geh' ich in die Kirche!« – Sie war schon wieder nicht mehr das, was sie fromm nannte. Sie hatte nicht in ihr Kinderparadies zurück können und sich deshalb am Äußerlichen gehalten, um etwas zu retten. Nun aber fand sie in Schelius einen Menschen, der auch die Gottesfurcht zur Schau trug, und das Spiegelbild stieß sie ab, sodaß sie mit Absicht andere Züge annahm und die heilige Miene nicht weiter trug. Das gelang ihr leicht, und sie war ehrlich genug gegen sich, um sich einzugestehen, daß ihre Frömmigkeit nur »Thuerei« gewesen war. Gegen religiöse Dinge wurde sie gleichgültig, – sie hörte ja auch immer nur das Wort Versorgung.

Schelius war geschickt und fügte sich geschmeidig 197 ihrer Abneigung. Die Bibelsprüche verschwanden nach und nach, und er wagte statt dessen kleine Scherze, für die Anna freilich noch keinen Sinn hatte. Sein Lieblingsthema wurde jetzt die Liebe, aber nicht mehr die himmlische, sondern die irdische, und Bernhard sagte eines Abends: »Nein, dieser Schelius, was der für Witze macht manchmal! Einfach doll! Zum Schieflachen! Er kommt famos aus sich heraus. Das Duckmäusern hat er aufgegeben. Den hab' ich gut erzogen.« – »Wird er bald Bureauvorsteher?« fragte Frau Behm und warf dabei einen Blick auf Anna. – »Ja,« lautete Bernhards Antwort, »er will das schon erreichen. Da sitzt jetzt ein alter Knacker auf dem Posten, den hat er bald herausgebissen. O, der ist gerieben.« – »Aber das ist doch Sünde, zu bringen einen alten Mann um sein Brot,« konnte sich die Mutter nicht enthalten zu sagen, wenn sie auch ihrer Sache bei Anna dadurch schadete, Sie hatte immer Angst um das bißchen Tägliche. – »Na, um's Brot bringen, – das wohl nicht,« beruhigte Bernhard sie. »Bloß von der ersten Stelle soll der Olle weg. Schelius kann 's eben besser. Und überhaupt, Mudding, im Geschäftsleben giebt 's keine Sünde, da sorgt jeder für sich. Wenn ihr ahntet, was man für Kämpfe durchzumachen hat!« – Und er blies mit dem Rauche seine roten Backen auf, daß er noch wohlgenährter dreinsah als gewöhnlich. – »Tscha, tscha,« sagte der alte Behm. –

Auch Spaziergänge machte Anna mit Schelius. 198 Sie trafen sich nicht etwa heimlich, sondern er holte sie offen ab, und Minna von gerade schräg über vor kaufte eine Unmenge Korsettbänder und Stoßband für ihre flanellenen Unterröcke bei Frau Behm, um nur die erste zu sein, die die Verlobung erfuhr, noch bevor sie in der Zeitung veröffentlicht ward. – Frau Bolette jedoch ließ sich kein Geheimnis entreißen. – Schelius und Anna gingen dieselben Wege, die das Mädchen mit Körting gewandelt war. Es war auch wieder Frühling, und es blühte und sproßte allenthalben, und die Vögel sangen wieder: »Zu zwei, zu zwei, zu zwei!« Aber Anna ging seltsam stumpf durch die Stätten, an denen sie einst mit bewundernden Sinnen und geöffneten Augen ihre Wonne gehabt hatte. Ihr war es nicht einmal klar, ob sie den Mann, der an ihrer Seite schritt, eigentlich leiden mochte. Sie ließ sich alles gefallen: das war das Ganze. – Er erzählte: »Ja, wenn ich nun Bureauvorsteher bin, und das muß ich werden, denn der alte Christiansen macht zu viele Bummel, dann will ich auch nach einer recht gemütlichen Häuslichkeit streben. Ich könnte nur eine Frau nehmen, die vollständig mit mir harmoniert. Wissen Sie, was ich unter harmonieren verstehe. Man ist schließlich ein junger Mensch, und die Stimme des Blutes hat doch ihr Recht, wenn man natürlich als Christ auch strenge Selbstzucht üben und nicht den Lüsten nachgeben soll.« – Das Wort Lüsten sprach er mit einem Tone aus, daß das junge Mädchen ein wenig erschrak 199 und zusammenschauderte. Aber sie horchte weiter auf ihn. Es war etwas Neues, was sie zu hören bekam, etwas Unbekanntes. Schelius rühmte sich: »Ich habe immer ein sehr zurückgezogenes Leben geführt. Wie viele junge Menschen vergeuden leider ihr Bestes im Taumel der Sinne. Das hab' ich nie gethan.« – Was ist das: ihr Bestes? dachte Anna. Ihre Neugier ward immer wacher. Sie hielt den Blick auf den Boden und wartete auf mehr. Es kam. Schelius fuhr fort: »Es giebt viele Abwege, auf denen man straucheln kann. Wie leicht ist die Herzensreinheit verloren. Nun, Gottlob, ich habe sie mir bewahrt. So schwere Kämpfe es mich immer gekostet hat.« – Was waren das für Kämpfe? Anna stieg das Blut in die Wangen. Er war einen halben Schritt hinter ihr und betrachtete sie mit etwas zusammengekniffenen Augen. – »Von solchen Kämpfen ist wohl niemand frei – nicht wahr?« fragte er. – »Ich weiß nicht,« antwortete Anna leise und schnell und ging rascher zu. Er jagte sie vorwärts, und doch band sie etwas an ihn. – »Man kann darüber nicht so sprechen, wenn man nicht sehr vertraut mit einander ist,« sagte Schelius und legte in das Wort »vertraut« einen Sinn, der Anna durchrieselte. Sie zuckte und rief hastig: »Nein davon kann man nicht sprechen . . . bitte nicht!«

Sie strebte voran, aber er folgte absichtlich langsam und zwang sie bald wieder, gleichen Schritt mit ihm zu halten. Er ließ sich nicht beirren von ihrer 200 Angst, er sah seinen Sieg und meinte lauernd: »Aber gerade dies Vertrauen ist das schönste, was es zwischen zwei Menschen geben kann. Ich denke es mir wenigstens wundervoll. Sie nicht, Fräulein Anna?« setzte er keck hinzu. Ihr begann zu schwindeln. Sie nahm auf einer Bank Platz, und er rückte dicht neben sie, daß ihre Kleider sich berührten. Sie sah nichts mehr von dem Frühling. Ihr Auge glitt über den Sandweg hin. Sie schämte sich und vermochte doch nicht, von ihm fortzurücken. Es hielt sie bei ihm fest, gebannt. Da neigte er den Kopf nahe zu ihr hin und flüsterte weich: »Könnten Sie nicht Vertrauen zu mir fassen, liebes Fräulein? Ich weiß, daß ich Ihrer nicht wert bin, aber ich schwöre es Ihnen: gleich beim ersten Male, daß ich Sie sah, ging etwas Wunderbares in mir vor, und eine innere Stimme rief, daß Sie die Dame seien, nach der ich schon lange gesucht hatte. Ich gebe sehr viel auf diese innere Stimme, sie hat mich niemals betrogen. Haben Sie sie nicht vernommen?« – Anna schüttelte den Kopf. –»Nun, dann werden Sie sie noch vernehmen. Vielleicht tönt sie Ihnen sogar in dieser Stunde!« – Schelius setzte sich noch enger an sie und schlang mit erst zaghafter, dann plötzlicher Bewegung seinen Arm um sie. Da sprang sie empört auf: »Herr Schelius!« – Schelius erschrak, faßte sich bald und lächelte wieder demütig. – »Ja, nun bin ich zu kühn gewesen, nicht wahr? Ich weiß wohl. Ich bitte um Verzeihung, innigst bitte ich um 201 Verzeihung. Aber es ist zu gewaltig in mir, was mich zu Ihnen drängt, Fräulein Anna. Ich meine, Sie werden mich verstehen. Ich bin ja bereit, noch heute mit Ihren Eltern . . .« – »Meine Eltern haben dabei gar nichts zu sagen. Und mit Ihnen gehe ich nie wieder spazieren.« Damit ging sie.

Er winselte hinter ihr her. – »Fräulein Anna, liebes Fräulein Behm! Mißverstehen Sie mich nicht. Ich will nichts als nur Ihr Freund sein, bis ich Ihnen mehr sein kann. Ich achte Sie hoch, so hoch wie meine Mutter, ja, noch höher. Ich will mir jede Buße auferlegen, womit Sie mich für meine Kühnheit bestrafen. Nur verlassen Sie mich nicht. Machen Sie mich nicht unglücklich. Haben Sie Mitleid! Ich meine es ehrlich, so ehrlich, Fräulein Anna. Ich kann nicht ohne Sie leben!« – Er verfolgte sie durch den Weg, der sich zwischen den umzäunten Gärten hinzog, und ermüdete sie mit seinem Flehen und seinem Versprechen, daß sie schließlich hochatmend inne hielt. Da blitzte es wie Triumph in seinen Augen auf, aber er bezwang sich und stand in wehmütiger Haltung vor ihr. – »Können Sie mir nicht vergeben, Fräulein Anna? Wenn mich doch die Leidenschaft zu Ihnen hinriß?« – Damit rührte er das Mädchen. – »Herr Schelius, Sie sollen mich in Ruhe lassen. Ich will das nicht.« – »Gewiß nicht, gewiß nicht. Wenn Sie mir nur ein klein wenig gut sind, Fräulein Anna. Das war es nur, was ich hören wollte.«

202 Ein klein wenig gut? Anna dachte gerecht genug, um die Frage bei sich zu bejahen. Sie ging mit ihm aus, – das konnte sie nur mit einem Manne thun, der ihr nicht ganz fern stand. – »Ein klein wenig gut, Fräulein Anna?« sagte Schelius wieder und mit dringender Stimme. – »Meinetwegen – ja, Herr Schelius.« – »Und wenn ich nun, vielleicht nach einiger Zeit, noch eine andere Frage an Sie richte . . .?« – »Herr Schelius, das muß ich mir erst überlegen. Und jetzt möchte ich allein gehen. Adieu.«

Er verließ sie ohne Widerspruch, gebückt. Aber nachher sang er mit pfiffigem Gesicht: »Tätärätä!« – Anna zauderte, in die Stadt zurückzukehren. Ihr war der Kopf voll. Sollte sie den Mann nehmen? Brachte ihr das Glück? Ihre Spaziergänge mit Körting waren anders gewesen, bei ihm hatte sie nie das Dumpfe gespürt, das in ihr aufgekommen war, seitdem sie mit Schelius verkehrte, etwas, das sie häßlich fand und das sie doch gefangen nahm. Das junge Mädchen blickte um sich. Die Sonne wollte sinken, und das Abendrot spielte in den Zweigen, deren Knospen sich eben entfalteten. Das glühte und leuchtete und blinkte goldig und grün in den verjüngten Bäumen und Sträuchern. Alles war ruhig, zuversichtlich in seinem Werden, so friedevoll. Da ward Anna Behm das Herz recht schwer, und in einem stillen Winkel, dort, wo die Dornenhecke die kleine Einbuchtung macht, weinte sie sich aus, weinte noch einmal um all das Herrliche, was sie einst Liebe genannt hatte und was 203 ihr gerade heute mit aller Lebendigkeit vor die Seele getreten war, als ein Mann sie begehrte, der immer vom Heiraten sprach und ihr doch lange nicht so lieb war, wie jener, der das Wort nie in den Mund nahm. Wie sehnte sie sich zurück! Aber dann biß sie die Zähne zusammen und riß die Augen auf, daß sie nicht mehr weinen sollten. Das lag dahinten, und nur die Erinnerung war ihr geblieben. Die sollte ihr Heiligtum sein, mochte sonst kommen, was wollte. Das Grün und das Gold in den Zweigen blaßte ab, der Himmel wurde violett, und graue Töne lähmten schon die Frühlingsfarben. Ein Wind, der Bote des Abends, flog kühl von der See her und ließ die Zweige rauschen. Das junge Mädchen ging heim.

Dem Schmetterling hatte ein Finger auf die Flügel getupft, da waren die Stäubchen verwischt worden. Aber fliegen konnte er noch. Und fliegen wollte er.

* * *

Daheim wurde sie mit traurigen Mienen empfangen. – »Ja, wenn du so thust und stößt dein Glück von dir,« sagte die Mutter und seufzte wehleidig. – »Denke daran, daß wir alte Leute sind, mein Kind,« fügte P. C. Behm hinzu. »Jeden Tag kann uns was passieren, und es wäre solche Beruhigung für uns, dich versorgt zu wissen.« – »Na, überhaupt, wenn einem heutzutage 204 etwas Anständiges geboten wird –« meinte Bernhard unwirsch und paffte auf dem Sofa. – »Was denn?« fragte Anna. – »Ja, Herr Schelius war hier,« entgegnete Frau Behm, »vorhin im Laden. Da schüttete er mir sein Herz aus. Weil du ihn hast so slecht behandelt heute Nachmittag.« – »Ich?« – Anna war erstaunt. »Wenn er kommt und macht dir einen Antrag, und du sagst immer, du mußt dich noch besinnen.« – Frau Behms Ton war tief gekränkt.

Mies blickte vorwurfsvoll aus den Falten von Mutters Kleidern auf das junge Mädchen. Bernhard gestikulierte mit seiner Zigarre: »Du kannst unmöglich die Geschichte jetzt wieder zurückgehen lassen. Du blamierst uns und dich einfach. Denk' an meine Stellung. Alle halten dich für verlobt. Soll es vielleicht ebenso ablaufen wie das erste Mal?« – »Er hat mich wohl verklagt, wie?« – »O nein,« verteidigte Frau Behm ihren zukünftigen Schwiegersohn. »Dazu ist er ein viel zu feiner Mann. Aber er war rein betrübt.« – »Ich kann mich nächstens auf dem Amt nicht mehr sehen lassen, wenn meine Schwester solche Schosen macht.« – Damit verabschiedete sich Bernhard. Auch Anna wandte sich zum Gehen. – »Willst du nichts essen?« fragte die Mutter. – »Nein, ich bin nicht hungrig. Ich will oben noch Handarbeit machen.« – Sie ging hinauf in ihre Stube und versuchte zu sticken. Aber sie hatte zu viele Gedanken, und das Arbeitszeug ruhte auf ihrem Schoße, während sie in die kleine Lampe starrte. So saß sie eine ganze Stunde. 205 Da kamen schlürfende Schritte von unten die Treppe herauf, den kleinen Flur entlang, und ihre Thür wurde geöffnet. Der alte Behm war es, im Schlafrock und die Nachtmütze schon auf dem Kopf. Es war etwas Feierliches an dem kleinen Mann, als er näher trat und seiner Tochter die Hand auf die Schulter legten »Anning, wenn du es kannst, – es soll dich wahrhaftig niemand drängen – aber wenn du es kannst, thu' es. Deinem Vater und deiner Mutter zu Liebe. Daß wir nicht mehr die Sorge zu haben brauchen. Wir sähen dich so gerne glücklich verheiratet.« – Anna ließ ihren Kopf auf die sanfte Hand sinken und sagte müde: »Ich werd' es wohl thun, Vater.« – Der Alte bog sich herab und küßte sie auf die Stirn: »Gute Nacht, mein liebe kleine Deern. Du hast uns immer Freude gemacht.« – »Gute Nacht, Vater.« – Sie sah ihm nach, wie er zufrieden in seinem Schlafrock das Stübchen verließ. – Familie P. C. Behm war wieder verlobt.

* * *


 << zurück weiter >>