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Eduard

Es war einmal ein junger Dichter namens Eduard, der lebte in einem Palast. Und in ihm war nichts als Sehnsucht. Seine Diener aber brachten ihm Schinkensemmeln mit Kaffee. Sehr traurig war der junge Dichter, und seine Sehnsucht ging von einem Zimmer in das andere. Herrliche Bilder konnte er sich vorgaukeln, und das junge Mädchen, das er liebte und haßte: Kunigunde!

Doch wenn sein junger Leib, der sich sehnte, einen Schritt vorwärts tat, die geschaute Gestalt zu umarmen, schwand alles, und seine Lippen, die nach einem Kuß lechzten und glühten, sie sanken kümmerlich zusammen, und sein Kopf fiel schulterwärts … und er war wieder allein mit seinen Zimmern, Dienern und Schinkensemmeln. Haderte der junge Dichter mit Gott und seinem Palast und weinte über sie die Tage und Nächte, daß sie ihm nicht geben wollten, wonach er flammte … und hätte am liebsten die Wände geküßt und die Bäume seines Gartens umarmt: so sehnte er sich. Und er vergoß sieben Tränenströme. Und wollte nichts essen und zerfleischte sich das Gesicht und die lieben Hände und raufte sein Haar und zerriß seine Gedichte und lag wie ein Toter da auf seinen Teppichen.

Sandte der liebe Gott zu ihm in den Traum eine ausgezeichnete Fee – die sprach: »Was gibst du deinem Körper Wunden und üble Farben? Sieh, sei wieder brav und gut – und Gott wird dein Haar streicheln, und dein Haupt soll liegen im Schoß deines jungen Mädchens.« Da sprach der junge Dichter: »Ich will ja gern wieder an den lieben Gott und meinen Palast glauben, aber warum ward ich so schwer geschlagen? Es ist ja wahr, ich hab vor sieben Jahren, zehn Monaten und drei Tagen beinah eine Ameise zertreten!«

Küßte die ausgezeichnete Fee dem jungen Dichter langen Schlaf an und tat von seinem Leib die Wunden und üblen Farben, nahm von seinen Händen die Betrübtheit – und als er erwachte, da taten sich all seine Zimmer auf und strahlten, und sein Haupt lag gebettet in den Schoß des jungen Mädchens, und sie streichelte sein Haar und küßte ihn und klebte seine Gedichte wieder zusammen.

Glaubt ihr das? Ich nämlich glaub es auch nicht! Sondern, als von dem jungen Dichter der Schlaf trat, da stand zu seinen Häupten ein Freund und wies ihm die Kritik, in der Eduard niederträchtigerweise gelobt wurde, ein Briefträger feierte seinen Einzug mit einer Drucksorte, laut der sich Kunigunde mit Archangelus Lardschneider, jenem niederträchtigen Kritiker, verheiratet hatte, und eine jähe Drahtung zwang ihn, die Premiere seines letzten Stückes abzusitzen, des Schiffahrtsaktiendramas »Eduard und Kunigunde«, das ihm vom Lesen her übel bekannt war. Und zu Füßen seines Bettes stand ein Diener, in der Hand haltend den Schierlingsbecher: eine Tasse Kaffee mit Senf.


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