Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Ludwig Traube

Am 12. Januar 1818 in Ratibor geboren, gestorben am 11. April 1876 in Berlin, wurde er der Begründer der experimentellen Pathologie in Deutschland. Unter Schönleins Einfluß, an dessen Klinik er arbeitete (vgl. Brief), entstanden seine Arbeiten, die einen therapeutischen Ausgangspunkt hatten, besonders über Digitalis und das Fieber. Ein aus jener Zeit (1852) erhaltener Brief gibt »über den veränderten Standpunkt, sowie über die Ideen und Pläne seiner damaligen Fieber-Arbeiten« interessante Aufschlüsse:

 

Mein Ausgangspunkt war ein therapeutischer, derselben Natur ist auch das Ziel. Du weißt, daß ich vor ungefähr ½ Jahre mit hydrotherapeutischen Versuchen begonnen habe. Ich versprach mir viel von dem kalten Wasser bei Krankheiten, teils nach dem, was ich von anderen gehört, vorzugsweise aber nach dem, was ich bereits in vereinzelten Fällen beobachtet hatte. Meine Erwartungen sind in der Tat auch nicht getäuscht worden. Der Abdominaltyphus, bis jetzt eine Krankheit, bei der die Exspectativ-Methode nach vielfältigen Versuchen die einzig rationelle zu sein schien, wird, wie ich anzunehmen berechtigt bin, durch die geschickte Anwendung des kalten Wassers in seinem Verlauf so vorteilhaft modificirt, daß er bald aufhören wird, zu den gefährlichen Krankheiten zu gehören. Ich sage: »modificirt«. Hierin liegt schon das Bekenntnis, daß ich allerdings niemand durch die Hydrotherapie von seiner Krankheit eigentlich befreit, d. h. bei Keinem, wie man zu sagen pflegt, coupirt habe. Wenn dies auch von einem sehr achtbaren, wahrheitsliebenden Arzte aus dem Anfang dieses Jahrhunderts (einem Engländer Namens Currie James Currie (1756-1805).) behauptet worden ist, so ist es mir, wenigstens bis jetzt, nicht gelungen. Aber ich schmeichle mir auch nie, ein dem Currie'schen gleiches Resultat erlangen zu können. Ich war von vornherein damit zufrieden, wenn es mir gelänge, die Krankheit weniger tödtlich zu machen, dadurch nämlich, daß ich mit Hülfe des kalten Wassers die dem Leben am meisten Gefahr bringenden Erscheinungen beseitigte oder milderte. Und dies ist in der Tat möglich. Es sind zweierlei Momente, denen ein uncomplicirter Typhusfall seine Gefährlichkeit zu verdanken scheint. Die unaufhörliche Erregung gewisser Centralteile des Nervensystems bei Gegenwart solcher Bedingungen, welche die Ernährung aller Körperapparate beeinträchtigen, mithin die Energie des Nervensystems herabsetzen, mithin ein abnormer großer Verbrauch an Kräften, während die Zufuhr an Kraft abnorm vermindert ist. Das Herz des Kranken contrahirt sich ½ oder 1mal häufiger als im normalen Zustande, er respirirt doppelt, mitunter 3mal so oft als normal, er schläft nicht, delirirt mitunter noch unaufhörlich, während andererseits die Aufnahme von Getränk und Nahrung durch seinen Stupor vermindert ist und das Aufgenommene vielleicht garnicht verdaut wird. Im Angesicht dieses so gefährlichen Mißverhältnisses kann der Therapeut, vorausgesetzt eben, daß er die Ursache der krankhaften Erscheinungen nicht zu heben im Stande ist, sich nur auf eine von zwei Aufgaben setzen, entweder eine Vermehrung der Zufuhr von Nahrungsmitteln oder Verminderung der Tätigkeit des Nervensystems. Da das erstere ihm nicht möglich ist, so bleibt ihm offenbar nichts übrig, als sich nach Mitteln der Lösung der zweiten Aufgabe umzusehen. Auf den ersten Blick scheinen die Narcotica hierzu am besten geeignet. Aber ihre Anwendung scheitert an einem bis jetzt allerdings noch rätselhaften Umstände, Sie äußern bei einem rein fieberhaften Zustande nur selten ihre gewöhnliche Wirkung und häufig eine ganz entgegengesetzte, wodurch sie die vorhandene Gefahr um ein Beträchtliches vermehren. Ganz anders verhält es sich mit dem kalten Wasser. Dieses wirkt bei einigermaßen vernünftiger Anwendung gewöhnlich beruhigend und nur selten aufregend. Es ist das Verdienst Currie's diese Tatsachen außer Zweifel gesetzt zu haben.

*


 << zurück weiter >>