Georg Ebers
Im Schmiedefeuer
Georg Ebers

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Neunzehntes Kapitel.

Heinz ließ sich die Warnung Cordulas gesagt sein. Im Empfangssaal des Kaisers wäre jeder berechtigt gewesen, ihn für einen recht kühlen Bräutigam zu halten; als er aber mit Eva am Arme der Wohnung des Vetters Maier von Silenen zuschritt, wo sich die Schorlins mit den Ortliebs, mit Wolff und dem Schultheißenpaare zusammenfinden wollten, um die Lautmerung zu feiern, da bekam der Mond, dessen wachsende Scheibe sich wieder am Himmel zeigte, mancherlei zu schauen, was er gern sah.

Heinz und Eva gab der Priester wohl bald genug zusammen; der alte Wanderer in der Höhe aber überließ die Macht, die er auf die Jungfrau geübt, gern ihrem Gemahl, der sie mit so zärtlicher Minne ins Herz schloß.

Auch mit Wolff und Els war er zufrieden.

Später folgte er dem Schicksal beider Paare in Schwaben und Nürnberg, und als er dort das alte prunkende Wappen am Eysvogelhofe entfernen und an seiner Stelle ein bescheideneres anbringen sah, war er damit zufrieden.

Doch er gewahrte bald, daß auch mit dem am Thore des Ortliebhofes eine Veränderung vorgegangen war; denn 323 im Wappen der Ortliebs hatte entsprechend dem Namen des Geschlechtes das Bild einer Katze gestanden, des Tieres, das den Ort, das Haus liebt, zu dem es gehört; Kaiser Rudolf aber hatte am Tage der Hochzeit der beiden schönen E's befohlen, die Ortliebs sollten in Zukunft, zum ewigen Andenken an die beiden holdseligsten seiner Töchter, zwei Lindenblätter unter Ranken, die das treue Festhalten bedeuten, im Wappen führen.

Als wenige Monde nach der Vermählung Wolffs mit der Herzliebsten zu stiller Abendzeit der mit einer stattlichen Krone auf der kostbaren Leichendecke geschmückte Sarg der alten Gräfin Rotterbach hinausgetragen wurde, glaubte er nicht trauern zu sollen.

Dagegen bereitete es ihm Sorge, daß der alte Herr Kaspar Eysvogel, an dessen hoher Gestalt er sich früher gefreut hatte, wenn er in später Stunde so aufrecht und sicheren Schrittes, als könnte der Wein ihm nichts anhaben, vom Herrentrunke gekommen war, sich so lange nicht zeigte. Einmal aber, als an einem warmen Septembermittag seine bleiche, zunehmende Scheibe am blauen Tageshimmel auch den Menschen sichtbar erschien, sah er ihn wieder. Er hielt sich nicht mehr so aufrecht wie früher, doch schien er zufrieden mit seinem Schicksal; denn als ein kühleres Lüftchen den Altweibersommer in dem Gärtlein, wohin man ihn geführt, hin und her schwang, trat seine Schwiegertochter Els zu ihm und umhüllte ihm in liebevoller Sorgfalt die Füße mit der Decke, die sie für ihn mit dem Eysvogelwappen bestickt; er aber küßte ihr dankbar die Stirn.

Erst volle zehn Jahre später sah er auch ihn zu Grabe tragen, und seinem Sarge folgte die Gemahlin, der 324 Sohn und dessen schönes Weib in aufrichtiger Trauer. Die drei wohlbegabten Kinder, die Els ihrem Wolff geschenkt hatte, blieben mit Frau Rickel, ihrer Wärterin, vor dem Hause stehen. Die Botengängerwitwe, die im Beghinenhause zu Schweinau die Gesundheit längst wieder zurückerlangte, hatte die junge Frau Eysvogelin in ihren Dienst genommen. Ihr Pflegetöchterlein Walpurga war eben, kaum siebenzehn Jahre alt, mit dem Ortliebschen Frachtfuhrmanne Ortel in den heiligen Ehestand getreten. Der Mond hörte die Wärterin erzählen, ein wie freundlicher, stiller Mann Herr Kaspar gewesen, und wie er bei seinem bescheidenen Walten, fern von den eigenen Geschäften und denen des Rates, immer nur bestrebt gewesen sei, niemand im Wege zu sein.

Nach Frau Rosalinde auszuschauen, hatte der Mond vergessen. Uebrigens machte sie sich nach dem Tode der Mutter auch den Hausgenossen selten bemerkbar; wenn aber Els in späterer Zeit sie aufzusuchen begehrte, war sie sicher, sie bei den Kindern zu finden. Die Eltern gönnten ihr gern die Freude, die ihr der Umgang mit den Kleinen gewährte; nur ihrem Verlangen, die Enkel prächtig herauszuputzen, mußten sie manchmal entgegentreten.

Die Zwillinge ihrer Tochter Isabella, die nach dem Tode des Gatten den Schleier nahm, um für seine schwer gefährdete Seele die Gnade des Himmels zu erbeten, bekam Frau Rosalinde selten zu sehen; denn der Ritter Heideck, der Ohm und treue Erzieher der Knaben, schickte sie nur ungern in die Stadt. Er hielt sie streng, bis sie bewiesen hatten, daß der Wunsch Gräfin Cordulas in Erfüllung gegangen war und sie dem unglücklichen 325 Vater nur an Gestalt und Ansehen, an Kraft und Mut ähnlich, sich zu wackeren, ehrenhaften Rittern herangebildet hatten.

Wolff bewährte die Erwartung, die Berthold Vorchtel und der ehrbare Rat auf seine ernste Tüchtigkeit gesetzt. Als acht Jahre, nachdem er die Leitung des Handelshauses allein übernommen, ein neuer Reichstag in Nürnberg tagte, war es die Eysvogelsche Handlung, die dem Kaiser Rudolf, dem es oft an den nötigen Mitteln gebrach, den größten Vorschuß zu bewilligen vermochte.

Auf diesem Reichstage im Jahre 1289, dessen Andenken durch manch traurigen Unfall getrübt wird, waren die meisten wieder vereint, von denen unsere Geschichte berichtet.

Auch Gräfin Cordula, jetzt die zufriedene Gattin des Ritters Altrosen, war gekommen und hatte wieder im Ortliebhofe Quartier genommen. Diesmal aber war der einzige, dessen Huldigungen sie sich gefallen ließ, der greise, doch immer noch rüstige und leicht aufbrausende Herr Ernst Ortlieb.

Nur die Aebtissin Kunigunde fehlte. Als sie nach mancher schweren Anfechtung, besonders von seiten der Dominikaner, die nicht abließen, sie der Lauheit zu zeihen, den Tod nahen fühlte, hatte sie auch ihren Liebling Eva aus Schwaben zu sich berufen, und der Gemahl der jungen Frau, der sie nie verließ, wenn er nicht für den Kaiser das Schwert führte, hatte sie gern nach Nürnberg begleitet.

Mit der Hand Evas in der ihren und von Els gestützt, war die Aebtissin friedvoll und reich an schönen Hoffnungen hinübergeschlummert. Wie oft hatte sie der 326 Schülerin solchen Tod als schönsten Lohn für die Entsagungen, an denen das Klosterleben so reich war, geschildert. Eva aber hatte die Erinnerung an den Hingang ihrer Mutter schon in Schweinau zu der festen Ueberzeugung geführt, daß es auch in der Welt vergönnt sei, ein ähnliches Ende zu finden. Denen, die Treue hielten bis in den Tod, hatte der Erlöser selbst die Krone des ewigen Lebens verheißen, und sie und ihr Gemahl hielten an der Treue gegen den Heiland, gegen einander und gegen jede Pflicht, die der Glaube, das Gesetz und die Liebe ihnen zu erfüllen vorschrieb, unverbrüchlich fest. Warum sollte es ihnen darum nicht vergönnt sein, so froh und zuversichtlich zu sterben wie die Muhme Aebtissin?

Ihr Leben war reich an Glück, und ob auch Heinz Schorlin als Gatte und Vater, als treuer und tapferer Lehnsmann seines Kaisers und als umsichtiger Mehrer und Verwalter seines Gutes, den alten Frohmut zurückgewann und sein Weib ihn teilen lehrte, vergaßen doch beide zu keiner Zeit des schmerzensreichen Ringens, bei dem sie einander gewonnen.

Wenn Eva an der Schmiede des heimischen Dorfes vorbeiging und der Meister das glühende Eisen aus dem Feuer zog und es auf dem Amboß mit harten Hammerschlägen umformte, wie er begehrte, gedachte sie oft der schweren Tage nach dem Tode der Mutter, die aus der »kleinen Heiligen« – sie bekannte es sich nicht selbst, doch die ganze schwäbische Ritterschaft war darüber einig – die treuste der Gattinnen und Mütter gemacht, die Vorsehung der Armen, die eifrige Fördererin des Guten, die schlichteste der Edelfrauen weit und breit, und doch die vornehmste und angesehenste von allen.

327 Den Kindern widmete sie Hand in Hand mit dem Gatten die treuste Sorge; wenn aber Biberli, der Kastellan des Schlosses, und Kätterle, seine Hausfrau, die selbst kinderlos blieben, den Lieblingen gar zu willig jeden Wunsch von den Augen ablasen, rief sie den alten treuen Freunden wohl zu: »Das Schmiedefeuer!« Er aber und Kätterle wußten, was sie damit meinte; denn der frühere Schulmeister hatte es der gelehrigen Frau Liebsten aufs beste erklärt.

 

 


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