Georg Ebers
Eine ägyptische Königstochter Bd. I
Georg Ebers

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Fünftes Kapitel.

Wie die goldene Morgenröthe Regentage bringt, so ist die frohe Erwartung nicht selten eine Vorbotin trüber Ereignisse.

Nitetis hatte sich so herzlich auf diesen Brief gefreut, welcher bittere Wermuthstropfen in ihr süßes Glück zu träufeln bestimmt war.

Wie mit einem Zauberschlage hatte er einen schönen Theil ihres Daseins, die frohe Rückerinnerung an die liebe Heimath und an die Genossen des reinen Glücks ihrer Kindheit vernichtet.

Während sie in ihren Purpurkleidern weinend dasaß, dachte sie an nichts wie an den Gram ihrer Mutter, das Leiden ihres Vaters und die Krankheit ihrer Schwester. Die frohe Zukunft, welche ihr lächelnd mit Glück und Macht und Liebe winkte, entschwand ihren Blicken. Die bevorzugte Braut des Kambyses vergaß des harrenden Geliebten, die zukünftige Königin von Persien empfand heißes Weh über das Unglück des ägyptischen Herrscherhauses.

Die Sonne hatte längst die Mittagshöhe erreicht, als ihre Zofe Mandane wieder in das Zimmer trat, um die letzte Hand an den Schmuck ihrer Herrin zu legen.

»Sie schläft,« dachte das Mädchen; »ich kann sie noch ein Viertelstündchen ruhen lassen; das Opferfest wird sie ermüdet haben, und sie muß beim Schmause in voller Frische und Schönheit prangen, um die Anderen zu überstrahlen wie der Mond die Sterne.«

Ungehört von ihrer Herrin schlich sie aus dem Zimmer, dessen Fenster eine köstliche Aussicht auf die hängenden Gärten, die Riesenstadt, den Strom und die fruchtstrotzende babylonische Ebene darboten, hinaus in's Freie.

Ohne sich umzusehen lief sie einem Blumenbeete zu, um Rosen zu brechen. Ihre Augen waren auf das neue Armband geheftet, in dessen edlem Gestein sich die Strahlen der Nachmittagssonne spiegelten, und wurden eines reichgekleideten Mannes nicht gewahr, welcher mit vorgestrecktem Kopfe durch ein Fenster des Zimmers blickte, in welchem Nitetis weinte. Der gestörte Lauscher wandte sich, sobald er es gewahrte, dem Mädchen zu und rief mit knabenhaft hoher Stimme. »Sei gegrüßt, schöne Mandane!«

Die Zofe erschrak und sagte, als sie den Eunuchenobersten Boges erkannte: »Es ist nicht fein von Dir, Herr, ein armes Mädchen so zu erschrecken! Ich wäre, beim Mithra, in Ohnmacht gefallen, wenn ich Dich eher gesehen als gehört hätte. Weiberstimmen überraschen mich nicht; ein männliches Wesen ist aber in dieser Einsamkeit so selten wie Schwäne in der Wüste!«

Boges lächelte, obgleich er die muthwillige Anspielung auf seine hohe Stimme sehr wohl verstanden hatte, voller Wohlwollen und antwortete, die fleischigen Hände reibend. »Freilich ist es hart für ein junges, schönes Täubchen, in einem so einsamen Neste verkommen zu müssen; aber sei nur geduldig, Herzchen! Bald wird Deine Herrin Königin werden und ein schmuckes, junges Männchen für Dich aussuchen, mit dem Du wohl lieber in der Einsamkeit leben wirst, als mit Deiner schönen Ägypterin?!«

»Meine Herrin ist schöner, als Manchem lieb sein mag, und ich habe niemanden aufgetragen, mir einen Mann zu suchen,« antwortete sie schnippisch. »Den werd' ich auch ohne Dich finden!«

»Wer möchte daran zweifeln? Ein so hübsches Lärvchen zieht die Männer an, wie ein Wurm die Fische.«

»Ich angle nicht nach Männern; am wenigsten nach welchen von Deiner Art!«

»Glaub's gern, glaub's gern!« kicherte der Eunuch; »aber sage mir, mein Schätzchen, warum bist Du so hart gegen mich? Hab' ich Dir etwas zu Leide gethan? Bin ich's nicht gewesen, der Dir diese hohe Stelle verschaffte? Bin ich nicht Dein Landsmann, ein Meder?«

»Und sind wir beide nicht Menschen, und haben wir nicht beide zehn Finger an der Hand, und haben wir nicht beide unsere Nasen mitten im Gesichte? Es gibt hier halb so viele Meder wie Menschen; wenn diese alle, weil sie meine Landsleute sind, meine Freunde wären, dann könnt' ich morgen Königin sein. Und meine Stelle bei der Aegypterin hast Du mir auch nicht verschafft; die dank' ich dem Oberpriester Oropastes, der mich der großen Kassandane empfahl, nicht Dir! Wir haben hier oben nichts nach Dir zu fragen!«

»Was Du da sagst, mein Liebchen! Weißt Du denn nicht, daß keine Zofe ohne meine Bewilligung angestellt werden darf?«

»Das weiß ich so gut wie Du, aber . . .«

»Aber ihr Weiber seid ein undankbares Geschlecht, das unserer Güte nicht werth ist!«

»Vergiß nicht, daß Du zu einem Mädchen aus gutem Hause sprichst!«

»Weiß wohl, mein Lämmchen! Dein Vater war ein Magier und Deine Mutter eine Magiertochter. Beide starben früh und übergaben Dich dem Destur Ixabates, dem Vater des Oberpriesters Oropastes, welcher Dich mit seinen Kindern aufwachsen ließ. Als Du die Ohrringe bekommen hattest, verliebte sich der Bruder des Oropastes, Gaumata(Anm. 80) Bei den Griechen unter dem Namen Smerdes bekannt. Die Keilinschriften nennen denselben jedoch Gumata oder, nach Spiegel, Gaumâta. Inschriften von Behistân  XI. Justin I. 9 gibt den richtigen, wenn auch verunstalteten Namen, und nennt den Smerdes Kometes. Ihm haben wir darum auch den Namen Oropastes entnommen, welchen Herod. III. 61 Patizeithes nennt., – nun, Du brauchst nicht roth zu werden, Gaumata ist ein sehr schöner Name, – in Dein rosiges Lärvchen und wollte Dich, obgleich er erst neunzehn Jahre zählte, zum Weibe haben. Gaumata und Mandane, wie schön das zusammen klingt! Mandane und Gaumata! Wär' ich ein Sänger, so müßte mein Held Gaumata und seine Liebste Mandane heißen!«

»Ich verbitte mir diese Spöttereien!« rief das Mädchen hoch erröthend und mit den Füßen stampfend.

»Bist Du mir böse, weil ich finde, daß eure Namen schön zu einander passen? Zürne lieber dem stolzen Oropastes, der seinen jungen Bruder nach Rhagae(Anm. 81) Rhagae (Rhagai), zur Zeit des Alexander Europes, später durch Seleucus Nicator Arsacia, heute Rei genannt, ist eine der ältesten Städte in Persien. Hier soll Zoroaster geboren worden sein; desgleichen Harun er-raschid. Tobias wurde nach der heiligen Schrift dahin (nach Rages) verschlagen. Hier befand sich eine hochberühmte Priesterschule., Dich aber an den Hof sandte, damit ihr einander vergessen möchtet.«

»Du verläumdest meinen Wohlthäter.«

»Meine Zunge soll verdorren, wenn ich nicht die reine Wahrheit rede. Oropastes trennte Dich und seinen Bruder, weil er Größeres mit dem schönen Gaumata vorhat, als eine Heirath mit der armen Waise eines geringen Magiers. Amytis oder Menische wären ihm als Schwägerinnen schon recht; ein armes Mädchen, wie Du bist, welches seiner Mildthätigkeit Alles verdankt, kann seinen ehrgeizigen Plänen nur hinderlich sein. Er möchte, unter uns gesagt, das Reich während des Massagetenkrieges als Statthalter verwalten und würde viel darum geben, wenn er sich auf irgend eine Weise mit den Achämeniden verschwägern könnte. In seinem Alter denkt man nicht mehr an neue Frauen; sein Bruder aber ist jung und schön, ja man sagt sogar, daß er dem Prinzen Bartja ähnlich sehe.«

»Das ist wahr!« rief die Zofe. »Denke nur, daß ich, als wir damals meiner Herrin entgegengezogen waren, und ich Bartja auf dem Hofe des Stationshauses zum Erstenmale sah, ihn zuerst für Gaumata gehalten habe. Sie gleichen einander wie Zwillinge und sind die schönsten Männer im ganzen Reiche!«

»Wie Du erröthest, mein Röschen! Aber so vollkommen täuschend ist die Aehnlichkeit doch nicht. Als ich heute morgen den Bruder des Oberpriesters begrüßte . . .«

»Gaumata ist hier?« unterbrach die Zofe den Eunuchen mit leidenschaftlicher Heftigkeit. »Hast Du ihn in der That gesehen oder willst Du mich nur ausforschen und zum Besten haben?«

»Beim Mithra, mein Täubchen, ich habe ihm heute die Stirn geküßt und ihm gar viel von seinem Schätzchen erzählen müssen; ja ich will das Unmögliche für ihn möglich machen, denn ich bin zu schwach, um diesen lieblichen blauen Augen, diesem goldhaarigen Lockenkopfe und diesen Pfirsichwangen widerstehen zu können! Spare Dir Deine Röthe, spare sie Dir, meine kleine Granatenblüthe, bis ich Dir Alles erzählt haben werde. In Zukunft wirst Du dem armen Boges nicht mehr so hart begegnen und einsehen lernen, daß er ein gutes Herz voller Freundschaft für Mandane, seine kleine, schöne, schnippische Landsmännin, besitzt.«

»Ich traue Dir nicht,« unterbrach die Zofe diese Betheuerungen. »Man hat mich vor Deiner glatten Zunge gewarnt, und ich weiß nicht, womit ich Deine Theilnahme verdient haben sollte.«

»Kennst Du das?« fragte der Eunuch, dem Mädchen ein weißes, mit künstlich gestickten goldenen Flämmchen bedecktes Band zeigend.

»Das letzte Geschenk, welches ich für ihn stickte!« rief Mandane.

»Das Zeichen, um welches ich Gaumata ersuchte. Ich wußte wohl, daß Du mir nicht trauen würdest. Wer hätte schon gesehen, daß der Gefangene seinen Wächter liebt?«

»Schnell, schnell sage mir, was mein Gespiele von mir verlangt! Sieh nur, dort drüben im Westen röthet sich schon der Himmel. Es wird Abend, und ich muß die Herrin zum Feste schmücken.«

»Ich will mich beeilen,« sagte der Eunuch, indem er plötzlich so ernst wurde, daß Mandane vor ihm erschrak. »Wenn Du nicht glauben magst, daß ich aus Freundschaft zu Dir mich einer Gefahr aussetze, so nimm an, daß ich eurer Liebe helfe, um den Stolz jenes Oropastes zu demüthigen, welcher mich aus der Gunst des Königs zu verdrängen droht. Du sollst und mußt, trotz aller Ränke des Obersten der Magier, die Gattin Deines Gaumata werden, so wahr ich Boges heiße! Morgen Abend, nach dem Aufgange des Tistarsterns(Anm. 82) Der Tistar-Stern (wohl der Sirius oder Hundsstern), in dem Avesta Tistrija, in den Veden Tishija, wird als glänzender, mächtiger Stern, der den in Persien so werthvollen Regen bringt, angerufen. Er wird in den heiligen Schriften der Parsen sehr oft erwähnt. Spiegel, Avesta I. 1. Excurs. S. 274. Es handeln über ihn mehrere Jasht. Von ihm wagte Anquetil, Vie de Zoroaster p. 1 den Namen des Zerethoschtro (zere Gold und Thaschtre Tistar-Stern) abzuleiten., wird Dein Liebster Dich besuchen. Ich werde alle Wächter zu entfernen wissen, damit er ungefährdet zu Dir kommen und eine Stunde, aber hörst Du, nur eine Stunde, bei Dir bleiben und alles Weitere mit Dir verabreden kann. Deine Herrin wird, ich weiß es bestimmt, die Lieblingsgemahlin des Kambyses werden. Später leistet sie zu Deiner Ehe mit Gaumata hülfreiche Hand, denn sie liebt Dich und kennt kein Lob, welches ihr für Deine Treue und Geschicklichkeit zu hoch erschiene. Morgen Abend, wenn der Tistarstern aufgeht,« fuhr er, in den alten tändelnden Ton, der ihm eigen war, zurückfallend, fort, »beginnt die Sonne Deines Glücks zu scheinen. Du schlägst die Augen nieder und schweigst? Die Dankbarkeit verschließt Dein kleines Mündchen! He? Hab' ich Recht? Ich bitte Dich, Täubchen, sei weniger stumm, wenn es einmal gelten sollte, des armen Boges vor Deiner mächtigen Herrin lobend zu erwähnen! Soll ich den schönen Gaumata grüßen? Darf ich ihm sagen, daß Du ihn nicht vergessen hast und ihn freudig erwartest? Du zauderst? O weh, es beginnt schon zu dunkeln! Ich muß fort, um nachzusehen, ob alle Weiber nach der Ordnung zum großen Geburtstagsschmause geschmückt sind. – Noch Eins! Gaumata muß übermorgen Babylon verlassen; Oropastes fürchtet, daß er Dich wiedersehen möchte und hat ihm befohlen, sobald die Feier vorüber sei, nach Rhagae zurückzukehren. Du schweigst noch immer? Nun wohl, dann kann ich Dir und dem armen Knaben nicht helfen! Ich werde auch ohne euch mein Ziel erreichen, und am Ende ist es am besten, wenn ihr eure Liebe vergeßt. Lebe wohl!«

Das Mädchen kämpfte einen schweren Kampf. Ihr ahnte, daß Boges sie betrügen wolle; eine innere Stimme befahl ihr, dem Geliebten das Stelldichein zu verweigern; das Gute und die Vorsicht gewannen die Oberhand in ihrem Herzen und sie wollte eben ausrufen: »Sag' ihm, daß ich ihn nicht empfangen werde,« als ihre Blicke dem seidenen Bande, welches sie einst dem schönen Knaben gestickt hatte, begegneten. Heitere Bilder aus ihrer Kindheit, kurze Minuten taumelnden Liebesrausches zogen blitzschnell durch ihr Gedächtniß; Liebe, Leichtsinn, Sehnsucht gewannen die Oberhand über Tugend, Ahnung, Vorsicht, und ehe Boges sein Lebewohl aussprechen konnte, rief sie fast willenlos und wie ein gescheuchtes Reh dem Hause zueilend. »Ich werde ihn erwarten!«

Boges ging mit raschen Schritten durch die blühenden Gänge der hängenden Gärten. An der Brüstung des hohen Bauwerks blieb er stehen und öffnete behutsam eine verborgene Fallthür. Dieselbe diente zum Verschluß einer geheimen Treppe, welche der Bauherr angelegt haben mochte, um durch einen der mächtigen Pfeiler, welche die Gärten trugen, vom Ufer des Stromes aus unbemerkt die Wohnung seiner Gattin erreichen zu können. Die Thür bewegte sich leicht in ihren Angeln und wurde, als Boges sie wieder verschlossen und einige Strommuscheln, welche die Gänge des Gartens bedeckten, über sie hin gestreut hatte, selbst für Suchende schwer auffindbar. Der Eunuch rieb sich, nach seiner Gewohnheit freundlich lächelnd, die mit Ringen bedeckten Hände und murmelte vor sich hin: »Jetzt muß es glücken! Das Mädchen geht in's Garn, ihr Liebster gehorcht meinem Winke, die alte Treppe ist zugänglich, Nitetis hat an diesem Freudentage bitterlich geweint, die blaue Lilie erblüht morgen Nacht; ja, ja, mein Plänchen muß glücken! Schönes ägyptisches Kätzchen, Deine Sammetpfötchen werden morgen in dem Fuchseisen hängen bleiben, welches Dir der arme, verachtete Eunuch, der Dir nichts befehlen darf, aufstellt.«

Bei diesen Worten durchzuckte ein Blitz der Tücke das Auge des forteilenden Weiberhüters.

An der großen Treppe begegnete er dem Eunuchen Neriglissar, welcher als Obergärtner auf den hängenden Gärten wohnte.

»Wie steht es mit der blauen Lilie?« fragte er denselben.

»Sie entwickelt sich köstlich!« rief der Gärtner, seines geliebten Blumenzöglings in Begeisterung gedenkend. »Morgen, wenn der Tistarstern aufgeht, wird sie, wie ich Dir verheißen habe, in der schönsten Blüthe prangen! Meine ägyptische Herrin wird eine große Freude haben, denn sie liebt die Blumen, und ich bitte Dich, auch dem Könige und den Achämeniden mitzutheilen, daß es meinem Fleiße gelungen sei, jene seltene Pflanze zur Blüthe zu bringen. Sie zeigt sich nur alle zehn Jahre während einer einzigen Nacht in ihrer vollen Schönheit. Theile dies den edlen Achämeniden mit und führe sie zu mir.«

»Dein Wunsch soll erfüllt werden,« lächelte Boges. »Auf den Besuch des Königs darfst Du freilich nicht rechnen, denn ich vermuthe, daß er die hängenden Gärten vor seiner Vermählung mit der Aegypterin nicht betreten wird; einige Achämeniden werden aber sicher erscheinen. Sie sind so große Garten- und Blumenfreunde, daß sie sich diesen seltenen Anblick nicht entgehen lassen werden. Vielleicht kann ich auch Krösus hieher führen; er versteht sich zwar weniger auf die Gärtnerei, als die persischen Blumennarren, dafür ist er aber um so erkenntlicher für jeden dem Auge wohlgefälligen Anblick.«

»Bringe ihn nur mit,« rief der Gärtner; »er wird Dir dankbar sein, denn meine Fürstin der Nacht ist schöner als alle Blüthen, welche jemals in königlichen Gärten gezogen worden sind! Du hast ja in dem spiegelhellen Wasserbehälter die von grünen Blättern umkränzte Knospe gesehen; wenn sie aufbricht, so gleicht sie einer himmelblauen riesenhaften Rose. Meine Blüthe . . .«

Der begeisterte Gartenkünstler wollte in seinen Lobpreisungen fortfahren; Boges verließ ihn aber, wohlwollend grüßend, schritt die Treppe hinunter, stellte sich in den zweiräderigen hölzernen Wagen, welcher seiner wartete, und ließ sich von dem neben ihm stehenden Lenker seiner mit Quasten und Glöckchen behängten Rosse(Anm. 83) Nach Bildern bei Gosse, Assyria S. 224 und 251 und Layard, Niniveh and its remains p. 288. Nin. a. Bab. S. 198. 340. 450. in raschem Trabe bis an die Pforte des Gartens, welcher das große Weiberhaus des Königs umgab, führen.

Im Harem des Kambyses herrschte heut ein gar bewegtes, emsiges Leben. Boges hatte befohlen, daß alle Frauen des Hofes, um so schön und frisch als möglich zu erscheinen, vor dem Beginne des großen Festmahls in's Bad geführt werden sollten; darum begab sich der Weiberfürst ohne Aufenthalt zu dem Flügel des Palastes, welcher das Frauenbad enthielt.

Schon aus der Ferne tönte ihm ein wirres Lärmen von schreienden, lachenden, schwatzenden und kichernden Stimmen entgegen. In der weiten Halle des bis zur übergroßen Hitze erwärmten Saales tummelten sich mehr als dreihundert Weiber(Anm. 84) Diodor XVII. 77 sagt, der König von Persien habe so viele Weiber wie Tage im Jahr besessen. In der Schlacht bei Issus wurden von Alexander dem Großen die 329 Kebsweiber des letzten Darius gefangen genommen. S. auch im Buche Esther I. 9. 18. II. 2 fgd. Herod. III. 68. 69. 84. 88 u. a. v. a. O. Man beachte aber wohl, daß die großen oben genannten Zahlen sich nur auf die Kebsweiber beziehen. Nach der Niederwerfung des Aufstandes der Magier wurde unter den Großen des Reichs abgemacht, daß der König nur unter ihren Töchtern seine rechtmäßigen Gemahlinnen wählen dürfe. Herod. III. 84. Nach diesem Gesetze scheint fast ausnahmslos gehandelt worden zu sein. Darius hatte später vier rechtmäßige Frauen, deren erste Atossa blieb. Hierauf gründet sich zum Theil v. Hammer's schwer zu widerlegende Ansicht, daß die von Mohammed gestattete Ehe mit vier Weibern einer alten Sitte des Orients ihren Ursprung verdanke. v. Hammer, Geschichte des osmanischen reiches 1. Bd. S. 565., umwallt von einer dichten Wolke feuchten Wasserdampfes. Wie Nebelbilder bewegten sich die halbnackten Gestalten, deren dünne seidene Ueberwürfe sich, von der Nässe durchdrungen, an die zarten Formen schmiegten, in buntem Durcheinander über die heißen marmornen Fliesen des Bades, von dessen Decke lauwarme Tropfen, auf dem Gestein des Fußbodens zerstiebend, niedertroffen.

Hier lagen munter plaudernde Gruppen üppig schöner Weiber zu zehn und zwanzig in muthwilliger Plauderei, dort zankten sich zwei Königsfrauen gleich ungezogenen Kindern. Eine von dem zierlichen Pantoffel ihrer Nachbarin getroffene Schöne kreischte gellend auf, eine andere lag in träger Beschaulichkeit, regungslos wie ein Leichnam, auf dem heißen, feuchten Boden. Sechs Armenierinnen standen neben einander und sangen mit hellen Stimmen ein muthwilliges Liebeslied in der Sprache ihrer Heimath, während ein Häuflein blondhaariger Perserinnen sich bemühte, die arme Nitetis so zu verlästern, daß der Lauscher hätte glauben müssen, die schöne Aegypterin gleiche jenen Unholden, mit denen man Kinder schreckt.

Durch dieses Gewirr bewegten sich nackte Sklavinnen, welche wohlgewärmte Tücher auf den Köpfen trugen, um sie ihren Herrinnen überzuwerfen. Das Geschrei der Eunuchen, welche, die Thüren des Saales bewachend, die Badenden zur Eile antrieben, kreischende Stimmen, die den erwarteten Sklavinnen riefen, und durchdringende, den heißen Wasserdämpfen beigemischte Wohlgerüche machten das bunte Durcheinander zu einem wahrhaft betäubenden Schauspiele.

Eine Viertelstunde später boten die Frauen des Königs einen dem beschriebenen vollkommen entgegengesetzten Anblick dar.

Wie von Thau benetzte Rosen lagen sie still, nicht schlafend, aber träumend auf weichen Polstern, welche die langen Wände eines riesigen Saales umgaben. Das wohlriechende Naß hing noch immer in ihren aufgelösten, ungetrockneten Haaren, während hurtige Sklavinnen auch die leiseste Spur der tief in die Poren dringenden Feuchtigkeit mit weichen Säckchen aus Kameelshaaren von den zarten Körpern abrieben.

Seidene Decken wurden über die schönen, müden Glieder gebreitet, und eine Schaar von Eunuchen sorgte dafür, daß keine muthwillige oder zanksüchtige Einzelne die Ruhe des träumenden Weiberheeres störe.

Trotz der Wächter war es aber selten so still wie heute in jenem dem Badeschlummer gewidmeten Saale; denn wer heute die Friedensstörerin spielte, mußte fürchten, zur Strafe von dem großen Schmause ausgeschlossen zu werden.

Eine volle Stunde mochten sie schweigend verträumt haben, als der Schall eines geschlagenen Metalls dem Schauspiele ein neues Ansehen gab.

Die ruhenden Gestalten sprangen von ihren Polstern auf, ein Heer von Sklavinnen drang in die Halle, Salben und Wohlgerüche wurden über die Schönen ausgegossen, üppige Haare künstlich geflochten und mit Edelsteinen verziert; kostbare Schmucksachen, seidene und wollene Gewänder in allen Farben des Regenbogens herbeigebracht, von Perlen und Edelsteinen steife Schuhe an zarte Füße gebunden, und reiche, goldene Gürtel um die Hüften der Angekleideten befestigt(Anm. 85) Einige Könige gaben ihren Frauen als Gürtel- (Nadel-)Geld die Einkünfte ganzer Städte. Xenoph. Anab. I. 4. Cicero, Verr. III. 83. Kostbares Schuhwerk Judith XVI. 9. Ueber die reichgefüllten Schatzkästen der persischen Weiber Herod. III. 130..

Der Schmuck der meisten Weiber, welcher in seiner Gesammtheit den Werth eines großen Königreichs darstellen mochte, war vollendet, als Boges in die Halle trat.

Ein vielstimmiges, kreischendes Jubelgeschrei empfing den Ankömmling. Zwanzig Weiber gaben sich die Hände und umtanzten ihren lächelnden Wärter, ein in den Räumen des Harems entstandenes kunstloses Schmeichellied auf seine Tugenden singend. Heute pflegte der König jeder seiner Frauen ein billiges Anliegen zu gewähren, darum stürmte, nachdem die Tänzerinnen ihre Kette gelöst hatten, eine Schaar von Bittstellerinnen auf Boges ein, um ihm, seine Wangen streichelnd und seine fleischigen Hände küssend, Forderungen der verschiedensten Art in's Ohr zu raunen und ihre Befürwortung zu erschmeicheln.

Der lächelnde Weiberdespot hielt sich die Ohren zu, stieß die Zudringlichen schäkernd und kichernd zurück, versprach der Mederin Amytis, daß die Phönizierin Esther, und der Phönizierin Esther, daß die Mederin Amytis bestraft werden sollte, verhieß der Parmys einen schöneren Schmuck, als den der Parisatys, und der Parisatys(Anm. 86) dieser Name bedeutet. »vom Geschlechte der Peri«. Nach Rogge eigentlich Pairikazana, Pairikagaona oder Pairikanâfa. einen kostbareren als den der Parmys und setzte, als er sich der andringenden Bittstellerinnen gar nicht mehr erwehren konnte, ein goldenes Pfeifchen an den Mund, dessen scharfer Ton gleich einem Zauber auf die Weiberschaar wirkte. Die erhobenen Hände sanken plötzlich nieder, die trippelnden Füßchen standen still, die geöffneten Lippen schlossen sich, der Lärm verwandelte sich in lautlose Stille.

Wer dem Tone dieses Pfeifchens, welches so viel bedeutete, als die Verlesung einer Aufruhrsakte, als ein: »Still, im Namen des Königs!« nicht gehorchte, war strenger Strafe gewiß. Heute wirkte der helle Klang besonders schnell und durchgreifend. Boges gewahrte dies mit selbstzufriedenem Lächeln, schenkte der ganzen Versammlung einen wohlwollenden, seine Zufriedenheit andeutenden Blick, versprach in blumenreicher Rede die Bitten all' seiner lieben weißen Täubchen beim Könige zu befürworten und befahl endlich seinen Untergebenen, sich in zwei langen Reihen aufzustellen.

Die Frauen gehorchten und ließen sich wie Soldaten von ihrem Befehlshaber, wie Sklaven von einem Käufer mustern.

Boges war mit dem Putze der meisten zufrieden; einigen Einzelnen befahl er aber röthere Schminke aufzulegen, die allzugesunde Farbe durch weißes Pulver zu dämpfen, die Haare höher aufzustecken, die Augenbrauen tiefer zu schwärzen oder die Lippen besser zu salben.

Nach beendeter Musterung verließ er den Saal und begab sich zu Phädime, welche als Gattin des Kambyses, wie all' seine rechtmäßigen Frauen, von den Kebsweibern abgesonderte Gemächer bewohnte.

Die gestürzte Favoritin, die gedemüthigte Achämeniden-Tochter erwartete den Eunuchen schon lange.

Sie war überaus glänzend gekleidet und beinahe überladen mit kostbaren Schmucksachen. Von ihrer kleinen Frauentiara wehte ein dichter Schleier von golddurchwirktem Flor und um dieselbe schlang sich die weiß und blaue Binde, welche in ihr eine Achämeniden-Tochter erkennen ließ. Man mußte sie schön nennen, obgleich sich an ihr jene allzu starke Entwicklung der Formen schon bemerkbar machte, der die Frauen des Orients nach einigen Jahren des trägen Haremlebens anheimzufallen pflegen. Fast übervolles goldblondes Haar quoll, mit silbernen Kettchen und kleinen Goldstücken durchflochten, unter ihrer Tiara hervor und schmiegte sich an ihre weißen Schläfen.

Als Boges in das Zimmer trat, sprang sie ihm bebend entgegen, warf einen Blick in den Spiegel, einen andern auf den Eunuchen, und fragte leidenschaftlich erregt. »Gefall' ich Dir? Werd' ich ihm gefallen?«

Boges lächelte wie immer und gab zurück: »Mir gefällst Du stets, mein goldener Pfau, und auch dem Könige würdest Du gefallen, wenn er Dich sehen möchte, wie ich Dich gesehen habe. Als Du mir soeben zuriefst: ›Werde ich ihm gefallen?‹ da warst Du wahrhaft schön, denn die Leidenschaft färbte Dein blaues Auge so schwarz, daß es aussah wie die Nacht des Angramainjus, und der Haß warf Deine Lippen auf und zeigte mir zwei Reihen Zähne, welche weißer sind als der Schnee des Demawend!«

Sichtlich geschmeichelt und sich zu einem zweiten ähnlichen Blicke zwingend, rief Phädime: »Laß uns bald zur Tafel aufbrechen, denn ich sage Dir, Boges, daß meine Augen noch schwärzer glänzen und meine Zähne noch schärfer leuchten werden als vorhin, wenn ich die Aegypterin auf dem Platze, welcher nur mir gebührt, erblicken werde!«

»Sie darf ihn nicht lange behalten!«

»So gelingt Dein Plan? O, rede, Boges, verschweige mir nicht länger, was Du vorhast! Ich will stumm sein wie eine Leiche und Dir helfen . . .«

»Ich kann und darf nichts plaudern, aber ich will Dir sagen, um Dir diesen bitteren Abend zu versüßen, daß sich Alles vortrefflich macht, daß der Abgrund, in den wir unsere Feindin stürzen wollen, gegraben ist, und ich meine goldene Phädime bald auf ihren alten Platz und vielleicht noch höher zu stellen gedenke, wenn sie nur blindlings gehorcht.«

»Sage, was ich thun soll; ich bin zu Allem bereit!«

»Wohl gesprochen, Du tapfere Löwin! Folge meinen Worten und Alles wird gelingen. Wenn ich Schweres von Dir verlange, so wird Dein Lohn um so köstlicher sein. Widersprich mir nicht, denn wir haben keinen Augenblick zu verlieren! Lege sogleich allen überflüssigen Schmuck von Dir und hänge nichts als die Kette, welche Dir der König bei der Hochzeit gab, um den Hals. Statt dieser hellen Gewänder mußt Du dunkle, schlichte Kleider anziehen. Wenn Du Dich vor Kassandane, der Mutter des Königs, niedergeworfen hast, so verneigst Du Dich demüthig vor der Aegypterin.«

»Unmöglich!«

»Keinen Widerspruch! Schnell, schnell entkleide Dich des Schmucks, ich bitte Dich! So ist's recht! Nur wenn Du gehorchst, sind wir des Erfolges sicher! Der weißesten Peri Hals ist dunkel gegen den Deinen!«

»Aber . . .«

»Wenn die Reihe an Dich kommt, vom König etwas zu erbitten, so sagst Du, Dein Herz habe aufgehört zu wünschen, seitdem Dir Deine Sonne ihr Licht entziehe.«

»Gut.«

»Wenn Dein Vater Dich fragt, wie es Dir geht, so weinst Du.«

»Ich werde weinen.«

»So weinst Du in solcher Art, daß alle Achämeniden Dich weinen sehen.«

»Welche Erniedrigung!«

»Keine Erniedrigung, nur ein Mittel, um desto sicherer zu steigen! Wisch' Dir schnell die rothe Schminke von den Wangen und färbe sie weiß, bleich, immer weißer.«

»Ich werde dieser Farbe bedürfen, um mein Erröthen zu verbergen. Du verlangst Furchtbares von mir, Boges; aber ich will gehorchen, wenn Du mir Deinem Plan . . .«

»Zofe! Bringe schnell die neuen dunkelgrünen Gewänder der Herrin!«

»Ich werde wie eine Sklavin aussehen!«

»Die wahre Anmuth ist auch in Lumpen schön.«

»Wie wird die Ägypterin mich überstrahlen!«

»Alle Welt muß sehen, daß Du weit entfernt bist, Dich mit ihr messen zu wollen. Man wird sich fragen: ›Wäre Phädime nicht eben so schön, wenn sie sich aufgeputzt hätte, gleich diesem hochmüthigen Weibe?‹«

»Aber ich kann mich nicht vor ihr verneigen!«

»Du mußt!«

»Du willst mich verderben und demüthigen!«

»Kurzsichtige Thörin! Höre schnell meine Gründe und gehorche! Es muß uns darauf ankommen, die Achämeniden gegen unsere Feindin aufzubringen. Wie zornig wird Dein Großvater Intaphernes, wie wüthend Dein Vater Otanes sein, wenn sie Dich im Staube vor einer Fremden erblicken. Ihr gekränkter Stolz wird sie zu unseren Bundesgenossen machen; und wenn sie auch, wie sie's nennen, zu ›edel‹ sind, um selber etwas gegen ein Weib zu unternehmen, so werden sie mir doch, wann ich ihrer bedarf, lieber helfen, als im Wege stehen. Ist die Aegypterin vernichtet, dann wird sich der König, wenn Du mir gehorchst, Deiner bleichen Wangen, Deiner Demuth, Deiner Uneigennützigkeit erinnern. Die Achämeniden und selbst die Magier werden ihn bitten, er möge eine Edle seines Geschlechts zur Königin machen; welches Weib in Persien rühmt sich aber höherer Geburt als Du, wer anders wird den Purpur empfangen, als mein bunter Paradiesvogel, meine schöne Rose Phädime? Wie man einen Sturz vom Pferde nicht fürchten muß, wenn man reiten lernen will, so muß man sich nicht vor einer Erniedrigung scheuen, wenn es gilt, den höchsten Preis zu gewinnen!«

»Ich werde gehorchen!« rief die Fürstentochter.

»Dann müssen wir siegen!« antwortete der Eunuch. »Jetzt glänzen Deine Augen von neuem in dem rechten dunklen Schwarz! So lieb' ich Dich, meine Königin, so soll Dich Kambyses sehen, wenn sich die Hunde und Vögel mit dem zarten Fleische der Aegypterin mästen, und ich ihm zum Erstenmale nach langen Monden in stiller Nacht Deine Schlafgemächer öffnen werde. Heda, Armorges, befiehl den Weibern, sie sollen sich bereit halten und in die Sänften steigen; ich gehe voraus, um ihnen ihre Plätze anzuweisen.«

Die große Festhalle war mit Tausenden von Lichtern, deren Flammen sich in den Goldblechen, welche die Wände bekleideten, abspiegelten, mehr als tageshell erleuchtet. Eine unabsehbar lange Tafel stand in der Mitte des Saales und bot durch den Reichthum der sie überbürdenden goldenen und silbernen Becher, Teller, Schüsseln, Aufsätze, Krüge, Kannen, Fruchtschalen und Räucheraltäre einen märchenhaft prunkvollen Anblick.

»Der König wird bald erscheinen!« rief der Oberste der Tafeldecker, ein vornehmer Hofbeamter, dem Mundschenken des Königs, einem edlen Anverwandten des Kambyses, zu. »Sind alle Krüge gefüllt, alle Weine geprobt, die Becher aufgestellt und die Schläuche, welche Polykrates sandte, ausgeleert?«

»Alles fertig!« antwortete der Schenk. »Jener Wein aus Chios übertrifft an Güte Alles, was ich bisher getrunken habe, und verdunkelt nach meinem Geschmacke selbst den syrischen Traubensaft(Anm. 87) Der Wein von Chios wurde von den Griechen am höchsten geschätzt; der von Byblus (Gebal) in Syrien war wegen seiner schönen Blume besonders berühmt.. Kost' einmal!«

Bei diesen Worten ergriff er mit der einen Hand ein zierliches goldenes Becherchen, mit der andern einen Henkelkrug von gleichem Metalle, schwang den Krug in die Höhe und goß den edlen Trank in weitem Bogen so geschickt in die kleine Höhlung des Pokals, daß kein Tropfen zur Erde fiel. Dann ergriff er den Becher mit den Fingerspitzen und überreichte ihn, sich zierlich verbeugend, dem Tafeldecker(Anm. 88) Xenoph. Cyrop. I. 3. 8 rühmt die persischen Mundschenken sehr lebhaft wegen ihrer Geschicklichkeit und Grazie..

Dieser schlürfte bedächtiglich und mit der Zunge schnalzend das kostbare Naß und rief, indem er dem Schenken den Pokal zurückgab: »Wahrlich, ein edler Trank, welcher doppelt mundet, wenn er so anmuthig, wie nur Du es verstehst, dem Trinker überreicht wird. Die Fremden haben Recht, daß sie die persischen Schenken als die geschicktesten in der ganzen Welt mit Bewunderung betrachten.«

»Ich danke Dir,« antwortete der Andere, die Stirn seines Freundes küssend, »und bin stolz auf mein Amt, welches der große König nur seinen Freunden überläßt. Dennoch wird es mir in diesem erstickend heißen Babylon beinahe zur Last! Wann werden wir endlich in die Sommerresidenzen, nach Ekbatana oder Pasargadae ziehen?«

»Heute hab' ich mit dem Könige hierüber gesprochen. Wegen des Massagetenkrieges wollt' er nicht erst den Aufenthalt wechseln, sondern von Babylon aus geradenwegs in's Feld ziehen; sollte aber, was nach der heutigen Botschaft nicht unwahrscheinlich ist, der Krieg unterbleiben, dann werden wir drei Tage nach der Hochzeit des Königs, also in einer Woche, nach Susa aufbrechen.«

»Nach Susa?« fragte der Mundschenk. »Dort ist es nur wenig kühler als hier, und außerdem wird die alte Memnonsburg(Anm. 89) Die Burg von Susa wurde von den Alten, ja selbst von Ktesias, der sich lange Zeit als Arzt am persischen Hofe aufhielt, »Memnons-Burg« genannt. Ktesias bei Diodor II. 22. Herod. VII. 151. V. 53. 54. Aeschylus bei Strabo S. 718. Ueber die mythische Persönlichkeit des Memnon findet sich das Beste in Fr. Jacobs' vermischten Schriften. umgebaut.«

»Der Satrap von Susa hat dem Könige die Botschaft gebracht, der neue Palast sei fertig und übertreffe an Glanz und Pracht alles Dagewesene. Kaum hatte Kambyses dies vernommen, als er ausrief: ›Dann brechen wir drei Tage nach dem Hochzeitsfeste dahin auf! Ich will der ägyptischen Königstochter zeigen, daß wir Perser das Bauen eben so gut verstehen als ihre Väter. Sie ist vom Nile her an heiße Tage gewöhnt und wird sich in unserem schönen Susa wohl befinden.‹ Der König scheint diesem Weibe wunderbar hold zu sein!«

»Freilich wohl! Er vernachlässigt um ihretwillen alle anderen Frauen und wird sie bald zur Königin erheben!«

»Das ist unrecht; die Achämenidin Phädime hat ältere und bessere Rechte.«

»Sicherlich; aber was der König will, ist gut.«

»Des Herrschers Wille ist der Wille der Gottheit.«

»Wohlgesprochen! Der rechte Perser freut sich, die Hand seines Herrschers küssen zu dürfen, selbst wenn sie vom Blute seines Kindes gefärbt ist.«

»Kambyses hat meinen Bruder hinrichten lassen; aber ich grolle ihm darum nicht mehr als der Gottheit, welche mir meine Eltern raubte. – He, ihr Diener, zieht die Vorhänge zurück, denn die Gäste nahen. tummelt euch, ihr Hunde, und paßt auf euren Dienst! Gehab' Dich wohl, Artabazos; unser wartet eine heiße Nacht!«


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