Georg Ebers
Eine ägyptische Königstochter Bd. I
Georg Ebers

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Viertes Kapitel.

Fünf Tage nach jenem Abend im Hause der Rhodopis sah man ein ungeheures Menschengedränge am Hafen von Sais. Aegypter jeden Alters, Standes und Geschlechts standen Kopf an Kopf am Rande des Wassers.

Krieger und Kaufleute in weißen, mit bunten Franzen besetzten Kleidern, deren Länge sich nach dem höheren oder niederen Stande der Träger richtete, mischten sich in die große Schaar sehniger, halbnackter Männer, deren einzige Kleidung aus einem Schurze, der Tracht des gemeinen Mannes, bestand. Nackte Kinder drängten, stießen und schlugen sich, um einen bessern Platz zu erlangen. Mütter in kurzen Mänteln(Anm. 94) Nach verschiedenen Bildern aus altägyptischen Denkmälern. Die Mütter nach Wilkinson III. 363. Isis und Hathor mit dem Horuskinde aus dem Schoß oder an der Brust finden sich auf tausend Darstellungen, auch aus späterer Zeit und in griechischem Stil. Die letzteren scheinen als Vorbilder für die ältesten Gemälde der Mutter Gottes mit dem Christkinde gedient zu haben. hielten ihre Kleinen, wenn sie dadurch auch selbst des erwarteten Anblicks beraubt wurden, hoch empor. Eine Menge von Hunden und Katzen balgte sich zu Füßen der Schaulustigen, welche sich vorsichtig bewegten, um keines der heiligen Thiere zu treten oder zu verletzen.

Sicherheitsbeamte, mit langen Stäben(Anm. 95) Wilkinson III. 386. Diese Stöcke aus Mr. Salt's Sammlung sind zu Theben gefunden worden und sollen aus Kirschenholz bestehen, was besonders merkwürdig wäre, weil heute keine Prunusart in Aegypten kultivirt wird. Aegypter mit langen Stöcken auf fast allen und auch den ältesten Denkmälern. Chabas hat diesen Stöcken eine besondere Abhandlung gewidmet. bewaffnet, deren metallene Knöpfe den Namen des Königs führten, sorgten für Ruhe und Ordnung, besonders aber dafür, daß Niemand durch seinen nachdrängenden Hintermann in den hoch angeschwollenen Nilarm, welcher die Mauern von Sais zur Zeit der Ueberschwemmung bespülte, geworfen werde; eine Befürchtung, die sich in mehreren Fällen als gerechtfertigt erwies.

An der breiten, mit Sphinxen besetzten Ufertreppe, dem Landungsplatze der königlichen Barken, befand sich eine Versammlung anderer Art.

Hier saßen auf den steinernen Bänken die vornehmsten Priester. Viele von ihnen waren in langen weißen Gewändern, andere mit Schurz, kostbaren Tragbändern, breitem Halsschmuck und Pantherfellen bekleidet. Einige trugen Kopfbinden mit Federschmuck, die sich um Stirn, Schläfen und den vollen steifen Bau der falschen Locken, welche bis auf den Rücken herabwallten, schmiegten, Andere prunkten mit der glänzenden Kahlheit ihrer sorgsam rasirten, wohlgebildeten Schädel. Unter ihnen Allen zeichnete sich der Oberrichter durch die vollste und schönste Straußenfeder am Kopfputze und ein kostbares Amulet von Saphir, das an einer goldenen Kette an seiner Brust hing, absonderlich aus(Anm. 96) Dies Amulet stellte Ma, die Göttin der Wahrheit welche eine Straußenfeder auf dem Haupte trug, dar. Dieselbe wird auch mit geschlossenen Augen gebildet. Siehe Wilkinson II. 28 u. VI. Pl. 49. Aelian nennt dies Amulet ein Bildniß von Saphir-Stein, άγαλμα σαφείρου λίθου. Diodor sagt, es sei mit Edelsteinen besetzt gewesen. Die ganze Priesterklasse oder Ordnung der Pterophoren führte die Straußenfeder. Uebrigens trugen mehrere hohe Priesterordnungen Federn an den Köpfen. S. das Dekret v. Kanopus Z. 5. des griech. Textes und Clemens Alex. Strom. ed. Potter. p. 767 u. 68. (VI. 4.) Wilkinson I. 1. Ebers, Aegypten I. S. 343..

Die Obersten der ägyptischen Armee trugen bunte Waffenröcke(Anm. 97) Wilkinson III. Pl. 3. Rosselini, Mon. stor. I. 79. Mon. civ. T. 121. und in den Gürtelbinden kurze Schwerter. Eine Abtheilung der Leibwache mit Streitäxten, Dolchen, Bogen und großen Schildern bewehrt, war zur rechten Seite der Treppe aufgestellt; zur Linken standen griechische Söldner in ionischem Waffenschmuck. Ihr neuer Anführer, der uns wohlbekannte Aristomachus, stand mit einigen griechischen Unterbefehlshabern, von den Aegyptern gesondert, neben den kolossalen Bildsäulen Psamtik I., welche, dem Strome zugekehrt, auf dem Platze über der Treppe aufgestellt waren. Vor diesen saß auf einem silbernen Stuhle der Thronfolger Psamtik, in einem enganliegenden golddurchwirkten bunten Rocke(Anm. 98) Auf vielen Denkmälern. S. z. B. Rosellini, Mon. stor. I. Tafel 81., umgeben von den vornehmsten Höflingen, Kämmerern, Räthen und Freunden des Königs, welche Stäbe mit Straußenfedern und goldenen Lotusblumen in den Händen trugen(Anm. 99) Fast überall, wo der Pharao auftritt, begleiten ihn Männer mit solchen Stäben in der Hand. »Wedelträger« war auch ein gewöhnlicher Titel der Hofbeamten..

Die Menge des Volkes gab schon lange schreiend, singend und krakehlend verständliche Zeichen der Ungeduld von sich; die Priester und Großen an der Treppe dagegen sahen würdevoll und schweigend vor sich hin. Jeder Einzelne glich in seiner Gemessenheit, mit seiner steifen Locken-Perücke(Anm. 100) Im berliner Museum ist heute noch eine solche Perrücke zu sehen. deren Locken 2' 6" lang sind. Den Scheerungen, welche die Religion vorschrieb, verdankte wohl diese Tracht ihren Ursprung. Wie heute die Völker des Orients ihre rasirten Köpfe durch Turbane vor den Strahlen der Sonne und der plötzlich einfallenden Kühle des Abends schützen, so brauchten die Aegypter Perrücken für den gleichen Zweck. und dem falschen, regelmäßig gekräuselten Barte jenen vollkommen gleichen Standbildern, welche, ruhig, ernst und unverwandt in den Strom schauend, regungslos auf ihrem Platze saßen.

Jetzt wurden in der Ferne seidene purpurroth und blau karrirte Segel sichtbar(Anm. 101) Wilkinson III. S. 211. Pl. 16. Hesekiel 27, 7. »Dein Segel war von gestickter Seide aus Aegypten.« Dümichen, Flotte einer ägyptischen Königin. Noch glänzender waren die kolorirten Bilder. Rosellini, Mon. civ. Taf. 107. 108..

Das Volk schrie und jubelte. Man rief. »Sie kommen, da sind sie!« – »Nimm Dich in Acht, daß Du das Kätzchen nicht trittst!« – »Amme, halte das Mädchen höher, damit es auch etwas zu sehen bekommt!« – »Du wirst mich noch in's Wasser werfen, Sebak!« – »Sieh' Dich vor, Phönizier, die Buben werfen Dir Kletten in den langen Bart!« – »Nun, nun, Hellene. Du brauchst nicht zu denken, daß Dir Aegypten allein gehört, weil Amasis euch am heiligen Strome zu wohnen erlaubt!« – »Unverschämtes Pack, diese Griechen! Nieder mit ihnen!« rief ein Tempeldiener. »Nieder mit den Schweinefressern(Anm. 102) Den Aegyptern war, wie den Juden, der Genuß des Schweinefleisches streng verboten. Im Todtenbuche, in einem Grabe zu Abd el Qurnah u. a. a. Orten wird dieses Verbot inschriftlich erwähnt. S. auch Porphyr. de abstin. IV. Das Schwein galt für ein sehr unreines Thier, das dem Typhon (ägyptisch Set), der seine Gestalt angenommen, wie der Eber dem Ares eignete, und die Schweinehirten waren ausnehmend verachtet. Nur bei dem Feste des Osiris und der Eileithyia wurde Borstenvieh geopfert. Herod. II. 47. Es ist wahrscheinlich, daß Moses den uralten ägyptischen Reinheitvorschriften das Verbot des Schweinefleisches entlehnte. Wenn sich reiche Aegypter rühmen, z. B. 1500 Schweine besessen zu haben, so ist dies mit dem oben erwähnten Berichte des Herodot in Zusammenhang zu bringen. Von den der Eileithyia dargebrachten Schweineopfern geben die an Darstellungen reichen Felsengräber der dieser Göttin geweihten el Kab Kunde. und Götterverächtern!« wiederhallte es rings umher.

Man schickte sich zu Thätlichkeiten an; die Sicherheitsbeamten ließen aber nicht mit sich spassen, und schafften bald, ihre langen Stöcke nachdrücklich schwingend, Ruhe und Frieden. Die großen bunten Segel, leicht erkennbar unter den sie umwimmelnden blauen, weißen und braunen Tuchen kleinerer Nilfahrzeuge, näherten sich immer mehr der erwartungsvollen Menge. Jetzt erhoben sich auch die Würdenträger und der Thronerbe von ihren Sitzen.

Der königliche Trompeterchor(Anm. 103) Trompeter. Wilkinson I. 290. Taf. 13. Dümichen, Flotte einer ägyptischen Königin. Taf. 8 u. 10. blies eine schmetternde, die Luft zerschneidende Fanfare, und die erste der erwarteten Barken hielt an der Landungstreppe.

Das ziemlich lange Fahrzeug war reich übergoldet und trug auf seinem Schnabel das silberne Bild eines Sperbers. In der Mitte der Barke erhob sich ein goldener Baldachin mit purpurnem Himmel. Unter ihm luden lange Polster zum Sitzen ein. Im Vordertheile des Schiffes saßen an den Borden, die Riemen bewegend, je zwölf Ruderknechte, deren Schürzen von kostbaren Tragbändern gehalten wurden(Anm. 104) Alle Vornehmen besaßen mehr oder minder köstliche Nilbarken. Schon im Grabe des Ti zu Saqqara, das der Pyramidenzeit angehört, begegnet uns ein Oberaufseher der zahlreichen Schiffe dieses vornehmen Aegypters. S. a. A. 101..

Unter dem Baldachin lagen sechs Männer, herrlich gekleidet und prachtvoll anzuschauen. Ehe noch die Barke angelegt hatte, sprang, als erster von ihnen, der jüngste von Allen, ein glänzend schöner Blondkopf auf die Landungstreppe.

Bei seinem Anblicke entwand sich manchem ägyptischen Mädchenmunde ein gedehntes »Ah«, und selbst der ernste Blick einiger Würdenträger erhellte sich zu einem wohlgefälligen Lächeln.

Der also Bewunderte nannte sich Bartja(Anm. 105) Dieser Bartja ist bekannter unter dem Namen Smerdes. Weßhalb ihn die Griechen also nannten, ist unklar. In den Keilinschriften von Bisitun oder Behistân heißt er Bartja oder, nach Spiegel »altpersische Keilinschriften« S. 5. X., Bardiya. Wir wählen, der leichteren Aussprache wegen, die erstere vereinfachte Lesart nach Rawlinson, Note of the Behistun inscription. Den Sohn des Amasis nennen wir nach den Namensschildern zu Karnak, den Katarrhakten-Inseln &c. Psamtik, während die Griechen ihn Psammetichos, Psamenitos oder auch Psammecherites heißen, ein Name, in dem Unger, Chronologie des Manetho S. 284, eine Metathese von Psemtek (Psamtik) Ra vermuthet., war der Sohn des verstorbenen und der Bruder des regierenden Großkönigs von Persien und hatte der Natur Alles zu danken, was sich ein zwanzigjähriges Herz nur immer zu wünschen vermag.

Unter dem blauen und weißen Bunde, welcher seine Tiara umwand, quollen dichte, goldblonde Haare in üppigen Locken hervor, aus seinen blauen Augen leuchteten Leben, Lust, Güte und Keckheit, ja Uebermuth; sein edles, vom werdenden Barte umflaumtes Gesicht wäre des Meißels eines griechischen Künstlers würdig gewesen, und seine schlanke, muskulöse Gestalt verrieth hohe Kraft und Gewandtheit. Eben so groß als seine Schönheit war die Pracht seiner Kleidung. In der Mitte der Tiara, welche er trug, prangte ein großer Stern von Diamanten und Türkisen. Sein bis über die Knie reichendes Obergewand von schwerem weißem Goldbrokat ward über den Hüften von einer Binde in blau und weiß (den Farben des persischen Königshauses) zusammengehalten. Dieselbe trug ein kurzes goldenes Schwert, dessen Griff und Scheide über und über mit weißen Opalen und blauen Türkisen besetzt war. Die an den Knöcheln eng anschließenden Beinkleider von gleichem Goldbrokat wie das Gewand, bargen sich in kurzen hellblauen Lederschuhen.

Die kraftvollen nackten Arme, welche die weiten langen Aermel des Kleides sehen ließen, waren mit mehreren kostbaren Armbändern von Gold und Edelsteinen geziert. Von dem schlanken Nacken hing eine goldene Kette bis auf seine hochgewölbte Brust herab(Anm. 106) Curtius III. 3. Xenoph. Cyrop. XIII. 3. 7. Buch Esther 1, 6. 8. 15. Aeschylus, Perser 661. Persepolitanische Skulpturen bei Niebuhr u. A. Im Uebrigen nach dem berühmten Mosaikfußboden, die Alexanderschlacht (Schlacht von Issus). In schönem Farbendruck bei Overbeck, Pompeji, dritte Aufl. zu S. 541. Sie ward in der casa del Fauno zu Pompeji gefunden und wird jetzt im museo Borbonico zu Neapel konservirt. Wahrscheinlich entstammt sie der Hand einer Malerin, Helena, Timon's Tochter, aus Aegypten. S. Welcker's kleine Schriften III. S. 460–475 und Gervinus, k. hist. Schriften VII. S. 435–487. Die Schneider'sche Ansicht, dies Bild behandle die Schlacht bei Clastidium, ist unbedingt falsch..

Dieser Jüngling sprang zuerst an's Land. Ihm folgte Darius, der Sohn des Hystaspes, ein vornehmer junger Perser von königlichem Geblüt ähnlich dem Bartja, und nur wenig geringer gekleidet als dieser. Der dritte Aussteigende war ein Greis mit schneeweißen Haaren, in dessen freundlich-ernstem Antlitz man die Güte eines Kindes, die Erfahrung eines Alten und den Geist eines Mannes zu erkennen vermochte. Er trug einen langen purpurfarbenen Aermelrock und gelbe lydische Stiefel(Anm. 107) Wegen dieser Stiefel, welche häufig erwähnt werden, rief das Orakel dem Krösus zu: »Λυδὲ ποδαβρέ«, weichfüßiger Lyder. Herod. I. 55.. Die ganze Erscheinung machte den Eindruck höchster Anspruchslosigkeit, und dennoch war dieser schlichte Greis vor Jahren der vielbeneidetste Mann seiner Zeit gewesen, mit dessen Namen wir noch nach mehr als zweitausend Jahren die Reichsten unter den Menschen bezeichnen. In ihm lernen wir Krösus, den entthronten König von Lydien kennen, der jetzt als Freund und Rathgeber am Hofe des Kambyses lebte, und den jungen Bartja als Mentor nach Aegypten begleitete.

Ihm folgte Prexaspes, der Botschafter des Königs von Persien, Zopyrus, der Sohn des Megabyzus, ein edler Perser, Freund des Bartja und Darius; endlich aber erschien der schlanke, bleiche Sohn des Krösus, Gyges, der, nachdem er in seinem vierten Jahre stumm geworden war, durch die Todesangst, welche er bei der Einnahme von Sardes um seinen Vater ausgestanden, die Sprache zurückerlangt hatte(Anm. 108) Herod. I. 85..

Psamtik stieg die Stufen hinab, den Ankömmlingen entgegen. Sein gelbliches, strenges Angesicht bemühte sich freundlich zu lächeln. Die Würdenträger, welche ihm folgten, verneigten sich beinahe bis zur Erde vor den Fremden, indem sie die Arme schlaff herunter hängen ließen. Die Perser kreuzten die Hände über der Brust und warfen sich vor dem Thronerben nieder. Als die ersten Förmlichkeiten vorüber waren, küßte Bartja, nach der Sitte seiner Heimath, zur Verwunderung des solchen Anblick ungewohnten Volkes die gelbe Wange des bei der Berührung der unreinen Lippen eines Fremden leicht erschaudernden ägyptischen Königssohnes, und begab sich mit seinen Führern zu den harrenden Sänften, um sich in die für ihn und seine Begleiter bestimmte Wohnung im Königsschlosse von Sais tragen zu lassen.

Ein Theil des Volkes strömte den Fremdlingen nach; die meisten Zuschauer verharrten aber auf ihren Plätzen, denn sie wußten, daß noch mancher nie gesehene Anblick ihrer wartete.

»Willst Du dem geputzten Grasaffen und den andern Kindern des TyphonS. Anmerk. 147. nachlaufen?« fragte der mißvergnügte Tempeldiener seinen Nachbar, einen ehrsamen saitischen Schneidermeister.

»Ich sage Dir, Puhor, und auch der Oberpriester hat es gesagt, diese Eindringlinge werden dem schwarzen Lande nichts als Unheil bringen! Wohin ist die alte gute Zeit gekommen, in der kein Fremdling, der sein Leben lieb hatte, seinen Fuß auf ägyptischen Boden setzen durfte! Jetzt wimmeln unsere Straßen von trügerischen Hebräern(Anm. 109) Die Juden hießen unter den Aegyptern, wie Chabas, Mélanges égyptologiques II., gefunden, Hebräer (Apuriu). Ebers, Aegypten I. S. 316. H. Brugsch kämpft gegen diese Gleichstellung., besonders aber von jenen unverschämten Hellenen, welche die Götter vernichten mögen! Da sieh' nur, das ist nun schon die dritte Barke voller Fremden. Und weißt Du, wer diese Perser sind? Der Oberpriester hat gesagt, in ihrem ganzen Reiche, das so groß sei wie die halbe Welt, gäb' es keinen einzigen Tempel für die Götter; die Mumien ihrer Todten ließen sie aber, statt ihnen ein ehrenvolles Begräbnis zu gewähren, von Hunden und Geiern zerreißen(Anm. 110) Diese Angaben sind richtig, da die Perser zur Zeit der achämenidischen Dynastie keine Tempel, sondern nur Feueraltäre hatten, und ihre Todten den Hunden und Geiern preisgaben. Der unreine Leichnam durfte weder die reine Erde durch Verwesung in ihr beflecken, noch dem reinen Feuer oder Wasser, welche er gleichfalls verunreinigt haben würde, preisgegeben werden. Weil man aber die Leichen nicht verschwinden lassen konnte, so legte man Dakhma's oder Begräbnißplätze an, welche mit wenigstens 4 Zoll dickem Pflaster und Kitt bedeckt und mit Schnüren umgeben sein mußten. Diese bedeuteten, daß das ganze Gebäude in freier Luft hänge, ohne die reine Erde zu berühren. Spiegel, Avesta II. Einleitung, 2. Kap. nach Anquetil. Bild des Dakhma daselbst Bd. II. Tafel 1.

Der Schneider gab Zeichen großen Erstaunens und noch größerer Entrüstung von sich; dann wies er mit dem Finger nach der Landungstreppe und sagte:

»So wahr der Isis Sohn den Typhon vernichtet, da landet die sechste Barke voller Fremder!«

»Ja es ist arg!« seufzte der Tempeldiener, »sollte man nicht meinen, ein ganzes Kriegsheer ziehe heran? Amasis wird es noch so lange treiben, bis ihn die Fremden von Land und Thron verjagen und uns Arme, wie einst die bösen Hyksos, die Pestmenschen(Anm. 111) Hyksos werden Fremdherrscher in Aegypten genannt, deren Herkunft schwer zu bestimmen ist. Ihre Existenz wird nicht nur durch Manetho, sondern auch durch wenige, aber um so interessantere zu Tanis im Delta gefundene Denkmäler bezeugt, welche von ägyptischen Künstlern verfertigt, die Züge fremder, dem Gotte Set (Typhon) ergebener Regenten darstellen. Außerdem ist in Papyrus Sallier I. ein Dokument erhalten worden, welches von der letzten Zeit der Fremdherrschaft erzählt. Im Grabe des Schiffsobersten Ahmes zu el Kab findet sich eine Beschreibung der Erstürmung ihrer Festung Abaris zu Wasser und zu Lande durch die Aegypter. Der Turiner Königspapyrus hat einige Namen von Hyksoskönigen erhalten und die Stele mit der 400jährigen Aera, die zu Tanis gefunden ward, ein kleiner zu Bagdad gefundener Löwe &c. weisen auf die Hyksosepoche. Die letzten Könige der 17. Dynastie (die legitimen Herrscher von Aegypten waren nach dem Süden zurückgedrängt worden) nahmen den Kampf mit den Fremden auf. Im Anfange der 18. Dynastie gehorcht wieder das ganze Reich einem Scepter. Wir halten die Hyksos für die übermächtig gewordenen phönizischen Kolonisten im nördlichen Delta, zu denen Araber und palästinäische Stämme stießen. Sie herrschten länger als 400 Jahre; ihre Vertreibung ist um 1600 v. Chr. zu setzen. Sie dürfen gewiß nicht, wie das seit Fl. Josephus geschehen ist, mit den Juden verwechselt werden. Näheres bei Ebers, Aegypten und die Bücher Mose's, S. 198 fgd. Auch verweisen wir, obgleich wir nicht überall seine Ansichten theilen, auf Chabas' schöne Arbeit: Les pasteurs en Égypte. Amsterdam 1868. Brugsch, Geschichte Aegyptens unter den Pharaonen, S. 212. Die Aethiopier herrschten im letzten Jahrtausend v. Christus unter 3 Regenten in Aegypten, bis der letzte von ihnen Taharka (Tirhaka) um 693 vertrieben wurde. Auch der priesterliche König von Oberägypten, Pianchi, der mit den kleinen Dynasten im Delta harte Kämpfe zu bestehen hatte, war ein Aethiopier. S. die Stele des Pianchi. E. de Rougé, Rev. archéol. n. s. VIII. S. 96. Lauth, Die Pianchistele, Abhandl. d. k. bayer. Akad. d. W. I. Kl. XII. Bd. 1. Abth. Oppert, Mémoire sur les Rapports de l'Égypte et de l'Assyrie. Der Name Pestmenschen, Geißel, mit dem die Aegypter der Hyksos gedenken, war der den Eindringlingen gewidmete Schmähname; ägyptisch aat-u. Chabas hat diesen richtig erklärt in den Mélanges égyptol. I. 263., und die schwarzen Aethiopier, knechten und plündern.«

»Die siebente Barke!« rief der Schneider.

»Meine Herrin Neith, die große Göttin von Sais, soll mich verderben,« klagte der Tempeldiener, »wenn ich den König begreife. Drei Lastbarken hat er für das Gepäck und die Dienerschaft der persischen Gesandten nach dem gottverhaßten Giftneste Naukratis geschickt; statt jener drei mußten aber acht Kähne herbeigeschafft werden, denn neben Küchengeräthen, Hunden, Pferden, Wagen, Kisten, Körben und Ballen, haben die Götterverächter und Todtenschänder ein ganzes Heer von Dienern tausend Meilen weit hierher geschleppt. Unter ihnen sollen Menschen sein, die nichts zu thun haben, als Kränze zu flechten oder Salben zu bereiten(Anm. 112) Herod. VII. 83. Xenoph. Cyrop. VIII. 10. Anab. VI. 4. Nach Athenäus waren bei dem Gefolge des Darius, welches Alexander gefangen nahm, 277 Köche, 29 Küchenjungen, 17 Küfer, 70 Kellerhüter, 40 Salbenbereiter und 66 Kranzwinder.. Auch ihre Priester, die sie Magier nennen, haben sie bei sich. Ich möchte nur wissen, wozu diese Müßiggänger da sind? Was soll der Priester, wo man keine Götter und Tempel kennt?«

Der greise König Amasis von Aegypten hatte die persische Gesandtschaft mit aller ihm eigenen Liebenswürdigkeit kurz nach ihrer Ankunft empfangen. – Vier Tage später ging er, nachdem er seine Geschäfte, denen er sich alle Morgen ohne Ausnahme hinzugeben pflegte, beendet hatte, mit dem alten Krösus im Schloßgarten spazieren, während sich die übrigen Perser in Begleitung des Thronerben auf einer Nilfahrt nach Memphis befanden.

Der Schloßgarten, welcher königlich großartig, aber dennoch dem der Rhodopis ähnlich, angelegt war, lag bei der im Nordwesten der Stadt auf einem Hügel gelegenen Königsburg.

Die beiden Greise ließen sich unter dem Schatten einer breitästigen Sykomore unweit eines riesengroßen Beckens von rothem Granit, in welches Krokodile von schwarzem Basalt aus weit geöffneten Rachen eine Fülle klaren Wassers spieen, nieder.

Der entthronte König, um einige Jahre älter als der mächtige Herrscher an seiner Seite, sah dennoch weit frischer und kräftiger aus, als dieser letztere. Der Nacken des hochgewachsenen Amasis war gebeugt; schmächtige Beine trugen seinen starken Leib, sein Antlitz war wohlgeformt, aber voller Falten. Aus seinen kleinen blitzenden Augen leuchtete ein frischer Geist, und seine übervollen Lippen wurden fortwährend von einem schalkhaften, neckischen, oftmals spöttelnden Zuge umspielt. Die niedrige aber breite Stirn des Greises und sein großer, schön gewölbter Schädel bezeugten die Kraft seiner Intelligenz(Anm. 113) Bei Rosellini und in Lepsius' Denkmälerwerk findet sich das Porträt des Amasis als Jüngling. Die Züge desselben lassen vermuthen, daß Herodot diesen Fürsten richtig charakterisirt habe.; die wechselnde Farbe seines Auges ließ vermuthen, daß Witz und Leidenschaft diesem seltenen Manne beiwohne, welcher sich von einem schlichten Krieger bis zum Throne der Pharaonen heraufgearbeitet hatte. Seine Sprache war schneidend und hart, seine Bewegungen, im Gegensatze zu der gemesseneren Art der anderen Mitglieder des ägyptischen Hofes, beinahe krankhaft lebendig.

Die Haltung seines Nachbars erschien durchaus anmuthig und eines Königs würdig. Sein ganzes Wesen verrieth, daß er viel mit den Besten Griechenlands verkehrt habe. Thales, Anaximander und Anaximenes von Milet, Bias von Priene(Anm. 114) Siehe Anmerk. 32 u. 15. Bias, einer der Weltweisen ionischen Stammes, blühte um 560 v. Chr. und war besonders berühmt wegen seiner weisen Urtheils- und Sittensprüche. Nach seinem Tode, welcher in öffentlicher Gerichtssitzung erfolgte, als er einen Freund vertheidigte, wurde ihm von seinen Landsleuten ein Heiligthum erbaut. Laërt. Diog. I. 88., Solon von Athen, Pittakus von Lesbos, die berühmtesten hellenischen Weltweisen, hatten sich in besseren Zeiten als Gäste am Hofe des Krösus zu Sardes befunden. Seine volle, klare Stimme klang neben der gellenden des Amasis wie reiner Gesang.

»Nun aber sage mir unverholen,« sprach der PharaoZu deutsch »Großhaus«, die hohe Pforte. Aegyptisch perra. S. Ebers Aegypten und die Bücher Mose's I. S. 263. in ziemlich fließendem Griechisch, »wie Dir Aegypten gefällt. Ich kenne Niemanden, dessen Urtheil mir so werthvoll erschiene wie das Deine, denn erstens kennst Du die meisten Völker und Länder der Welt, zweitens haben Dich die Götter die ganze Leiter des Glückes herauf und hinunter steigen lassen; drittens aber bist Du nicht umsonst so lange der erste Rathgeber des mächtigsten aller Könige gewesen. Ich wollte, mein Reich gefiele Dir so gut, daß Du Lust bekämst, als mein Bruder bei mir zu bleiben. Wahrlich, Krösus, Du bist schon lange mein Freund, ob Dich auch gestern die Götter zum ersten Male meinen Augen gezeigt haben!«

»Und Du der meine,« unterbrach ihn der Lyder. »Ich bewundere Dich wegen des Muthes, mit dem Du, Deiner Umgebung trotzend, das für gut Erkannte durchzusetzen verstehst, ich bin Dir dankbar wegen der Huld, mit der Du meinen Freunden, den Hellenen, begegnest, ich betrachte Dich wie einen Glücksverwandten, denn auch Du hast alles Wohl und Wehe, welches das Leben nur immer bieten kann, durchlaufen!«

»Mit dem Unterschiede,« lächelte Amasis, »daß wir von verschiedenen Enden angefangen haben. Dir ward erst das Gute, dann das Schlimme zu Theil; mir erging es umgekehrt; wenn ich nämlich zugebe,« fügte er bedenklich hinzu, »daß ich mich in meinem jetzigen Glücke wohl befinde.«

»Und ich,« erwiederte Krösus, »wenn ich zugebe, unter meinem sogenannten Unglücke zu leiden.«

»Wie könnte das anders sein nach dem Verluste so großen Besitzes?«

»Liegt denn das Glück im Besitze?« fragte Krösus. »Ist denn das Glück überhaupt ein Besitz? Das Glück ist doch nur eine Vorstellung, ein Gefühl, welches die neidischen Götter dem Dürftigen öfter gewähren wie dem Mächtigen, dessen klarer Blick von prunkenden Schätzen geblendet wird, der immer in Niederlagen bluten muß, weil er sich der Kraft bewußt, viel zu erlangen, stets unterliegt im Kampfe um den Besitz aller Güter, die er zu besitzen wünscht und nie zu erlangen vermag.«

Amasis seufzte und sprach: »Ich wünschte, daß ich Dir Unrecht geben könnte; wenn ich aber an meine Vergangenheit zurückdenke, so muß ich gestehen, daß zugleich mit der Stunde, welche mir das sogenannte Glück brachte, die großen Sorgen meines Lebens begannen.« – »Und ich versichere Dich,« unterbrach ihn Krösus, »daß ich Dir für Deine verspätete Hülfe dankbar bin, weil mir die Stunde des Unheils das erste reine, wahrhaftige Glück gewährte. Als die ersten Perser die Mauern von Sardes bestiegen, verwünschte ich mich selbst und die Götter, schien mir das Leben hassenswerth, das Dasein ein Fluch. Kämpfend wich ich mit den Meinen zurück, Verzweiflung im Herzen. Da erhob ein persischer Soldat sein Schwert über meinen Scheitel, mein stummer Sohn fiel dem Mörder in den Arm und seit langen Jahren hörte ich wieder das erste Wort von seiner durch das Entsetzen gelösten Zunge. Mein stummes Kind Gyges hatte in der Stunde des Schreckens seine Sprache wieder erlangt, und ich, der den Göttern geflucht hatte, beugte mich nun ihrer Macht. Dem Sklaven, dem ich befohlen, mich zu tödten, sobald ich in die Gefangenschaft der Perser kommen würde, nahm ich sein Schwert ab. Ich war ein verwandelter Mann und lernte nach und nach den immer und immer aufgährenden Ingrimm gegen mein Geschick und meine edlen Feinde besiegen. Du weißt, daß ich endlich des Cyrus Freund wurde, daß mein Sohn neben mir mit dem vollen Gebrauche seiner Sprache als freier Mann aufwachse durfte. Was ich Schönes in meinem langen Leben gesehen, gehört und gedacht, sammelte ich, um es auf ihn zu übertragen, er war von nun an mein Reich, meine Krone, mein Schatz. Wenn ich des Cyrus sorgenschwere Tage und schlaflose Nächte ansah, so graute mir in der Erinnerung an meine eigene frühere Größe und Macht und immer klarer ward es mir, wo das eigentliche Glück zu suchen sei. Ein jeder trägt es als verborgenen Keim in seinem Herzen. Der zufriedene, geduldige Sinn, der sich hoch an Schönem und Großem, freundlich auch an dem Kleinen erfreut, das Leid ohne Klagen hinnimmt und es durch Erinnerungen versüßt, das Maßhalten in allen Dingen, das feste Vertrauen auf die Huld der Götter und die Gewißheit, daß auch das Schlimmste an uns vorübergehen muß, weil ja jedes Ding dem Wechsel unterworfen ist, dies Alles zeitigt den verborgenen Glückskeim in unserer Brust und gewährt uns die Kraft zu lächeln, wenn der vom Schicksale unerzogene Mann verzagen und verzweifeln möchte.«

Amasis hörte aufmerksam zu, mit dem goldenen Windhundskopfe auf seinem Stabe Figuren in den Sand kritzelnd; dann sagte er.

»Wahrhaftig, Krösus, ich ›der große Gott‹, ›die Sonne der Gerechtigkeit‹, ›der Sohn der Neith‹, ›der Herr des Kriegsruhms‹, wie die Aegypter mich nennen(Anm. 115) Diese Titel führte Amasis. Rosellini, Monumenti dell' Egitto. II. 149. Alle anderen Pharaonen hatten ähnliche Beinamen und wurden als Götter verehrt, wie tausend hieroglyphische Inskriptionen und so auch die Inschrift von Rosette und das Dekret von Kanopus lehren. – In der 26. Dynastie und sonst findet sich mehrfach der Titel Neb pehti, Herr des Kriegsruhmes., bin versucht, Dich, Beraubten und Entthronten, zu beneiden. In früheren Tagen war ich glücklich wie Du es bist. Ganz Aegypten kannte mich, den armen Sohn eines Hauptmanns, wegen meines fröhlichen Herzens, meiner Schelmenstreiche, meines leichten Sinns und meines Uebermuths(Anm. 116) Nach Herod. II. 172 fgd. Diod. I. 95.. Der gemeine Soldat trug mich auf Händen, meine Vorgesetzten hatten viel an mir zu tadeln; dem tollen Amasis ließ man aber so manches durchgehen; meine Genossen, die Unterbefehlshaber des Heeres, kannten keine Festfreude ohne mich. Da schickte uns mein Vorgänger Hophra in den Krieg gegen Cyrene. In der Wüste verschmachtend, weigerten wir uns weiter zu ziehen. Der Verdacht, der König wolle uns den hellenischen Söldnern opfern, trieb zu offener Empörung. Scherzend, wie immer, rief ich den Freunden zu: ›Ohne König werdet ihr nicht fertig, so macht mich zu eurem Herrscher; einen fröhlichern findet ihr nirgends!‹ Die Soldaten hatten das Wort gehört. ›Amasis will König werden,‹ rief es von Glied zu Glied, von Mann zu Mann. ›Der gute, der glückselige Amasis sei unser König!‹ ward mir in wenigen Stunden zugejubelt. Ein Zechgenosse setzte mir den Helm des Feldherrn auf; – ich verwandelte den Scherz in Ernst, die Masse der Soldaten hielt zu mir, und wir schlugen Hophra bei Momemphis. Das Volk schloß sich der Verschwörung an. Ich bestieg den Thron. Man nannte mich glücklich. Bis dahin aller Aegypter Freund, ward ich jetzt der Feind ihrer Besten. Die Priester huldigten mir und nahmen mich in ihre Kaste auf, aber nur, weil sie hofften, mich ganz nach ihrem Belieben lenken zu können. Meine früheren Vorgesetzten beneideten mich oder wollten mit mir verkehren wie ehedem. Du begreifst, daß sich dies mit meinem neuen Amte nicht vereinen ließ und mein Ansehen untergraben haben würde; da zeigte ich denn eines Tags den bei mir schmausenden Befehlshabern des Heeres, die wiederum ihre Scherze mit mir zu treiben versuchten, das goldene Becken, in dem man ihnen die Füße vor dem Gastmahle gewaschen hatte; fünf Tage später ließ ich, als sie wieder bei mir schwelgten, eine goldene Bildsäule des großen Gottes Ra(Anm. 117) Ra, mit dem männlichen Artikel Phra, muß als Mittelpunkt des Sonnendienstes der Aegypter, welchen wir für die Grundlage ihrer ganzen Religion halten, betrachtet werden. Er wurde besonders zu Heliopolis, dem ägyptischen An (hebräisch On) verehrt. Auf den Denkmälern pflegte er in rother Farbe dargestellt zu werden. Sein heiliges Thier war der Sperber. Im Todtenbuche spielte er die größte Rolle. An ihn sind die meisten Hymnen und Gebete gerichtet worden. Plato, Eudoxus und wahrscheinlich auch Pythagoras haben die Lehren seiner Priester genossen. Ihm waren die Obelisken, welche übrigens zu gleicher Zeit Denksäulen waren, auf denen große Könige ihre Namen und Ruhmestitel verewigten, heilig. Plinius sagt von ihnen, daß sie die Strahlen der Sonne dargestellt hätten. Man betrachtete ihn, den Lichtgott, als Dirigenten der ganzen sichtbaren Schöpfung, in der er regierte, während Osiris in der Geisterwelt herrschte. Wie nun hinter jeder irdischen Erscheinung eine geistige verborgen ist, so ist auch Ra nur die irdische Manifestation des Osiris. Osiris ist die »Seele des Ra«; er wandelt selbst durch die diesseitige Welt als Ra, und ändert nur die Namen und die Existenzform, wenn er allabendlich wieder in seiner jenseitigen und eigentlichen Heimath bei sich selbst wieder anlangt, wo er die Regierung als Osiris führt, wie er sie hier als Ra geführt hatte. Am andern Morgen erzeugt er dann wieder aus sich den Ra in seiner verjüngten Form als Horus Ra, den Kreislauf stets von neuem beginnend. Lepsius' älteste Texte des Todtenbuches. Die Osiris-, Isis- und Horusmythe leiht diesen Anschauungen eine allegorisch-dramatische Form. Der Phönix (ägyptisch Bennu) gehörte zum Kultus des Ra. Alle 500 Jahre kam derselbe aus dem Palmenlande (dem östlichen Phönizien), um sich im Tempel zu Heliopolis zu verbrennen und schöner aus seiner Asche zu erstehen. Er bedeutete eine Zeitperiode von 500 Jahren, die sich, wie der Phönix, ewig aus sich selbst erneute und in ihrer sechsmaligen Wiederholung die Zeit bestimmte, deren die Seele bedurfte, um gereinigt aus ihrer Wanderung hervorzugehen. Lepsius Chronologie S. 180 fgd. auf die geschmückte Tafel stellen. Sobald sie diese erblickten, sanken sie nieder, um anzubeten. Als sie aufgestanden waren, ergriff ich den Scepter, hielt ihn hoch und feierlich in die Höhe und rief: ›Dieses Götterbild hat ein Künstler in fünf Tagen aus dem verachteten Gefäße gemacht, in das ihr spieet und in dem man euch die Füße wusch. Ich selbst war einstmals ein solches Gefäß; die Gottheit aber, welche besser und schneller als ein Goldschmied zu formen versteht, hat mich zu eurem Könige gemacht. So fallet vor mir nieder und betet an. Wer ungehorsam ist oder der Ehrfurcht, welche er dem Könige, dem Vertreter des Ra auf Erden schuldet, fürderhin vergißt, der ist des Todes schuldig!‹ Sie fielen nieder Alle, Alle. Mein Ansehen war gerettet; meine Freunde aber hatte ich verloren. Nun bedurfte ich eine andere feste Stütze. Ich machte die Hellenen dazu. Ein Grieche ist an Kriegstüchtigkeit mehr werth als fünf Aegypter; das wußte ich wohl, und darauf fußend, wagte ich das durchzusetzen, was ich für heilsam erachtete.

»Die griechischen Söldner umgaben mich stets. Ich lernte von ihnen ihre Sprache, sie führten mir den edelsten Menschen zu, dem ich jemals begegnet bin, den Pythagoras. Ich bemühte mich, griechische Kunst und griechische Sitten bei uns einzuführen, denn ich hatte erkannt, daß es thöricht sei, an hergebrachtem Schlechterem eigensinnig zu hängen, wo Besseres am Boden lag, und nur darauf wartete, in ägyptischen Acker gesäet zu werden.

»Ich theilte das ganze Land zweckmäßig ein(Anm. 118) Herod. II. 177. Diod. I. 95., bestellte die beste Sicherheitsbehörde in der ganzen Welt und setzte Vieles durch; mein höchstes Ziel jedoch, griechischen Geist, griechischen Formensinn, griechische Lebenslust und freie hellenische Kunst in diese bunten und üppigen und doch so finsteren Lande einzuführen, scheiterte an der Klippe, welche mich, so oft ich etwas Neues erstrebe, mit Sturz und Untergang bedroht. Die Priester sind meine Hemmschuhe, meine Gegner, meine Meister. – Sie, die am Hergebrachten mit abergläubischer Ehrfurcht hangen, sie, denen alles Fremde ein Gräuel ist und die jeden Ausländer für den natürlichen Gegner ihres Ansehens und ihrer Lehren halten, lenken das frömmste aller Völker mit beinahe unumschränkter Gewalt. Darum mußte ich ihnen die schönsten meiner Pläne opfern, darum muß ich mein Leben nach ihren strengen Satzungen, als unfreiester aller Menschen, hinschwinden sehen, darum werde ich unbefriedigt sterben und nicht einmal sicher sein, ob mir die zürnende, stolze Schaar der Vermittler zwischen Mensch und Gottheit die ewige Ruhe im Grabe gönnen wird.«

»Beim Retter Zeus, Du armer Glücklicher!« unterbrach ihn Krösus mit Theilnahme, »ich verstehe Deine Klagen! Denn wenn ich auch in meinem langen Leben schon manchen einzelnen Menschen gekannt habe, der ernst und finster durch's Leben ging, so glaubte ich doch nicht, daß es ein ganzes großes Geschlecht geben könne, dem düstere Herzen zu Theil wurden, wie den Schlangen der Giftzahn. So viele Priester ich auf meiner Reise hierher und au Deinem Hofe gesehen habe, so vielen finsteren Gesichtern bin ich begegnet. Selbst die Jünglinge, welche Dich bedienen, sah ich selten lächeln; und Frohsinn pflegt doch, wie die Blumen dem Frühling, der Jugend als holdes Angebinde der Gottheit zu gehören.«

»Du würdest irren, wenn Du alle Aegypter für finstere Menschen halten wolltest,« antwortete Amasis. »Wohl fordert unsere Religion ein ernstes Gedenken an den Tod, Du wirst aber kaum ein anderes Volk finden, das zu spöttelnden Scherzen so geneigt ist, das, ergibt es sich einmal einer Festfreude, so selbstvergessen und ausschweifend jubelt wie das meine; aber euer Anblick ist den Priestern verhaßt, und sie lassen mich meine Verbindung mit euch, den Fremden, durch mürrisches Wesen entgelten. Jene Knaben, deren Du erwähntest, die Söhne der Vornehmsten unter ihnen(Anm. 119) Diodor I. 70., sind die größte Plage meines Lebens. Sie thun mir Sklavendienste und gehorchen meinen leisesten Winken. Diejenigen, welche ihre Kinder zu solchen Geschäften hergeben, sollte man für gehorsame, ehrfurchtsvolle Diener ihres göttlich verehrten Königs halten; aber glaube mir, Krösus, gerade in dieser Hingebung, welche kein Herrscher ohne zu beleidigen zurückweisen kann, liegt eine feine und listige Berechnung. Jeder dieser Jünglinge ist mein Hüter, mein Wächter. Ich vermag keine Hand ohne ihr Vorwissen zu rühren, und rühre ich sie, so wird es noch in derselben Stunde den Priestern hinterbracht.«

»Aber wie kannst Du ein solches Dasein ertragen? Verbanne die Spione aus Deiner Nähe und erwähle Deine Diener z. B. aus der Krieger Kaste, welche Dir nicht minder nützlich werden kann wie die Priester!«

»Könnte ich nur, dürfte ich nur!« rief Amasis mit voller Stimme. Dann fuhr er leiser, wie erschrocken über sich selbst fort: »Ich glaube, daß unser Gespräch belauscht wird. Morgen werde ich das Feigengebüsch dort drüben ausrotten lassen. Dem jungen priesterlichen Gartenfreunde, der dort die kaum zur Reife gelangten Feigen bricht, ist es um andere Früchte zu thun als die, welche er so langsam in sein Körbchen legt. Die Hand pflückt das Obst, das Ohr die Worte von dem Munde seines Königs.«

»Aber beim Vater Zeus und Apollo . . .«

»Ich verstehe Deine Entrüstung und theile sie; aber jedes Recht legt Pflichten auf, und als König dieses das Hergebrachte göttlich verehrenden Landes muß ich mich dem Jahrtausende alten Hofceremoniel, in den Hauptsachen wenigstens, fügen. Wollte ich meine Ketten zerreißen, so könnte es geschehen, daß man meine Leiche unbestattet ließe, denn Du mußt wissen, daß die Priester über jeden Verstorbenen ein Todtengericht halten und denjenigen, welchen sie schuldig befinden, der Grabesruhe berauben(Anm. 120) Diese allgemein bekannte Sitte der alten Aegypter wird, außer von mehreren griechischen Berichterstattern, durch Monumente und Grabkammern, in denen die Namen ihrer Begründer, mühsam zerstört, vorgefunden worden sind, bestätigt. Wir werden sehen, wie groß bei den religiösen Anschauungen der Aegypter die Besorgniß vor einer Störung der Grabesruhe sein mußte; übrigens hat man gefragt, ob das von den Griechen erwähnte Todtengericht auf Erden nicht als eine Verwechselung mit dem Gerichte über die Seele im Jenseits betrachtet werden müsse; doch ohne sonderliche Berechtigung.. Die Rücksicht auf meinen Sohn würde meiner Mumie wohl die Bestattung sichern, was aber meiner Leiche von denen, die die Todtenopfer in meinem Grabe zu besorgen haben . . .«

»Was kümmert Dich das Grab!« unterbrach Krösus mit Unwillen seinen Gastfreund. »Man lebt für das Leben, nicht für den Tod!«

»Sage lieber,« erwiederte Amasis, sich von dem Ruhesitze erhebend, »wir griechisch Denkende halten ein schönes Leben für das Höchste; ich aber, Krösus, wurde von einem ägyptischen Vater gezeugt, einer ägyptischen Mutter genährt, mit ägyptischer Speise groß gezogen und habe ich auch manches Hellenische angenommen, so bleibe ich dennoch in meinem innersten Wesen ein Aegypter. Was Dir in der Kindheit gesungen und in der Jugend als heilig gepriesen ward, das tönt in Deinem Herzen nach, bis man Dich mit den Mumienbinden umwickelt. Ich bin ein Greis und habe nur noch eine kurze Spanne Zeit zu durchlaufen, bis ich bei jenem Grenzsteine anlange, hinter dem das Jenseits beginnt. Soll ich mir, um der kurzen Lebenstage willen, die langen Jahrtausende des Todes verderben? Nein, mein Freund; darin bin ich eben Aegypter geblieben, daß ich, wie jeder meiner Landsleute, fest und sicher glaube, an der Erhaltung meines Leibes, des Seelenträgers, sei die Wohlfahrt meines zweiten Lebens(Anm. 121) Jede Menschenseele wurde angesehen als ein Theil der Weltseele Osiris, mit dem sie sich wieder nach dem Tode des Leibes vereinte, um von nun an Osiris genannt zu werden. Himmel und Erde und Tiefe, das sind die drei großen Reiche des ägyptischen Kosmos. Aus dem gewaltigen Ozean, welcher das Himmelsgewölbe umfließt, fährt die Sonne in einem Nachen daher, der von Planeten und Fixsternen gezogen wird. Auf ihm kreisen die großen Sternbilder auf ihren Schiffen, da ist das Reich der seligen Götter, welche über dem himmlischen Ozean in ewiger Ruhe unter den Sternen thronen. Der Zutritt zu dem großen Strome erfolgt im Osten, wo allmorgendlich der Sonnengott als Kind geboren aus der Feuchtigkeit emporsteigt. Irdische Menschen bewohnen die Erdfläche, theilhabend an den drei großen kosmischen Reichen. Die Seele wird ihnen gegeben aus der Himmelshöhe, von wannen das Licht herfließt, ihr Körper, die Materie, gehört der irdischen Lebensbühne; die Gestalt, die äußere Form, wodurch sich ein Mensch von dem andern durch den Anblick unterscheidet, der Schemen, der Tiefe an. Bei dem Tode des Menschen trennen sich Seele, Körper und Schemen von einander; die Seele, um nach ihrem Ausgangspunkte, dem Himmel, zurückzukehren, denn sie ist ein Theil Gottes (des Osiris); der Körper, um der Erde übergeben zu werden, denn er ist aus Erde geformt nach dem Ebenbilde seines Schöpfers; der Schemen, um in die Tiefe hinabzusteigen, in das Reich der Schatten. Das Thor hiezu wurde im Westen liegend gedacht, am Berge der Abendröthe, da, wo die Sonne täglich zur Rüste geht, wo sie stirbt. Daher die gegenseitigen Wechselbeziehungen zwischen aufgehen und untergehen, zwischen kommen und scheiden, zwischen geboren werden und sterben . . . Die sorgfältige Erhaltung des Körpers nach dem Tode, sowohl in Bezug auf die Zerstörung desselben von innen heraus durch den Prozeß der Verwesung, als auch von außen her durch Zufälligkeiten und Gewalt, war eine Hauptbedingung nach altägyptischer Lehre (welche vielleicht von der Priesterschaft aus sanitätlichen Gründen eingesetzt worden ist) für die baldige Erlösung der Seele und damit für die zeitlich festgesetzte Vereinigung derselben mit dem Urquell des Lichtes und des Guten. Während eines großen Cyklus von Sonnenjahren war, nach ägyptischer Vorstellung, die Seele in einem gewissen Sinne noch gebunden an den Körper, den sie indessen nach Belieben zeitweise verlassen konnte, um sich in mannigfacher Gestalt und an jedem Orte sichtbar den irdischen Menschen zu zeigen, in jenen Formen, welche je nach der Stunde verschieden von einander, in Zeichnungen und Texten genau vorgeschrieben waren. Nach Grabdenkmälern und Papyrusrollen. Brugsch, Aegyptische Gräberwelt, Seite 6. gebunden, wenn ich noch nicht für würdig befunden werde, aufzugehen in die Seele der Welt und, selbst ein Bestandteil derselben, teilzuhaben als Osiris an der Leitung des Geschaffenen. Aber genug von diesen höchsten Dingen, die mir ein großer Eidschwur Dir dem Nichteingeweihten in ihrer ganzen Tiefe und Erhabenheit zu eröffnen verbietet. Beantworte lieber meine Frage. Wie gefallen Dir unsere Tempel und Pyramiden?«

Krösus antwortete sinnend: »Die Steinmassen der Pyramiden kommen mir vor, als wären sie von der unermeßlichen Wüste, die bunten Säulengänge der Tempel, als wären sie von einem üppigen Lenze geschaffen worden; aber wenn auch die Sphinxe, welche zu den Thoren führen, den Weg in das Heiligthum weisen, so scheinen die schrägen festungsartigen Mauern der Pylonen wie zur Abwehr hingestellt zu sein. So locken auch die bunten Hieroglyphenbilder die Augen an, aber geheimnißvoll wie sie sind, wehren sie den forschenden Geist ab. Die Bilder eurer vielgestaltigen Götter stehen überall, sie drängen sich den Blicken unabweislich auf, und dennoch ahnt ein Jeder, daß sie etwas anderes bedeuten als was sie darstellen, daß sie nur faßliche Sinnbilder sind von wenigen Menschen zugänglichen, wie ich hörte, kaum begreifbar tiefen Gedanken. Ueberall wird meine Neugier angeregt, mein Interesse erweckt, aber nirgend fühlt sich mein warmes Gefühl für das Schöne freundlich eingeladen und befriedigt. Mein Geist möchte wohl streben, in die Geheimnisse eurer Weisen einzudringen, Herz und Sinn müssen aber fremd bleiben den Grundanschauungen, auf welchen euer Denken, Thun und Dasein beruhen, und welche zu lehren scheinen, daß das Leben für eine kurze Wallfahrt zum Tode, der Tod jedoch für das eigentliche wahre Leben zu halten sei!«

»Und dennoch wird auch bei uns das Leben, das man durch rauschende Feste verschönt, in seinem vollen Werthe erkannt, werden die Schrecken des Grabes gefürchtet, versucht man dem Tode auszuweichen, wo er sich auch zeigen mag. Unsere Aerzte wären nicht so hoch berühmt und angesehen, wenn man ihnen nicht die Kunst zutraute, unser Erdendasein verlängern zu können. Aber dabei fällt mir der Augenarzt Nebenchari ein, welchen ich dem Könige nach Susa schickte. Bewährt er sich; ist man mit ihm zufrieden?«

»Solcher Vertreter ehrt die Wissenschaft Deines Landes,« antwortete Krösus. »Nebenchari war es auch, der Kambyses auf die Anmuth Deiner Tochter aufmerksam machte. Manchem Blinden hat er geholfen; die Mutter des Königs ist aber leider noch immer des Lichtes beraubt. Wir bedauern es übrigens, daß ein so kunstfertiger Mann nur die Augen zu heilen versteht. Er war, als die Prinzessin Atossa das Fieber hatte, nicht zu bewegen, ihr einen Rath zu ertheilen.«

»Das ist sehr natürlich, denn unsere Aerzte dürfen immer nur einen gewissen Theil des Körpers behandeln. Wir besitzen Ohren-, Zahn- und Augenärzte, Aerzte für Knochenbrüche und andere für innere Krankheiten. Kein Zahnarzt darf nach den alten Priestergesetzen einen Tauben, kein Knochenarzt einen Unterleibskranken behandeln, wenn er sich auch vortrefflich auf innere Leiden verstehen sollte(Anm. 122) Herod. II. 84. Börner, Antiquitates medicinae Aegyptiacae p. 20. Sprengel und Hirsch, Geschichte der Medizin u. a. a. O. Auf alle diese Dinge wirft der von uns in Theben erworbene große medizinische Papyrus Ebers ein ganz neues Licht. Gegen die verschiedensten Krankheiten werden in diesem Werke, der von Clemens von Alexandrien das hermetische Buch über die Arzneimittel (περὶ φαρηάκων) genannten Schrift, Medikamente vorgeschlagen. Das Ganze ist ein Sammelwerk, in dem sogar die Namen mehrerer Autoren einzelner Abschnitte genannt werden. Dennoch war das ganze Buch dem Gotte Toth (Hermes) zugeschrieben, dessen inspirirte Jünger es verfaßt hatten. Es lehrt, daß die ägyptischen Aerzte über eine überraschende Fülle von Arzneimitteln verfügten, daß sie zu beobachten verstanden, daß ihnen prophylaktische Maßregeln nicht fremd waren und daß, wenn es auch nicht an Spezialisten gebrach, diese doch auch einen Ueberblick über die anderen Zweige der ägyptischen Medizin zu erwerben gehalten waren, denn wie Korrekturen und Randbemerkungen beweisen, ist unser »der Heilung aller Körpertheile« gewidmeter Papyrus von einem und demselben Arzte an verschiedenen Stellen, in welchen von der Behandlung sehr verschiedener Krankheiten geredet wird, benutzt worden.. Man will mit diesem Gesetze größere Gründlichkeit erzielen; wie denn die Priester, zu denen auch die Aerzte gehören, überhaupt mit dem rühmlichsten Ernste der Wissenschaft obliegen. Dort drüben liegt das Haus des Oberpriesters Neithotep, dessen Sternen- und Meßkunde selbst Pythagoras hochpries. Es grenzt an die Halle, welche in den Tempel der Göttin Neith, der Herrin von Sais, führt. Ich wollte, ich dürfte Dir den heiligen Hain mit seinen prächtigen Bäumen, die köstlichen Säulen des Heiligthums, deren Kapitäle die Gestalt der Lotusblume(Anm. 123) Die ägyptischen Säulen ahmten Pflanzenformen nach. Man gab ihren Kapitälen mit vollem Bewußtsein die Gestalt der zusammengebundenen Papyrusknospen, der Lotusblume oder Samenkapsel, wenn man sie nicht mit Palmenblättern oder Göttermasken zierte. Säulenschäfte, welche ein Bündel Papyrusstäbe darstellen, sind nicht selten. Ueber den Zusammenhang der altägyptischen und dorischen Säule Lepsius: Sur l'ordre des colonnes piliers en Égypte et ses rapports etc. in den Annales de l'institut de corresp. arch. Rome 1838. Vol. IX. und in seiner neuen Schrift über einige ägyptische Kunstformen. S. Anmerk. 26. Schon Champollion hatte darauf hingewiesen, daß der Eingang der Gräber von Benihassan für die Entstehungsgeschichte der Säulenformen von großer Wichtigkeit werden könnte. Lettres écr. d'Ég. et de Nubie S. 74 fgd. nachahmen, und die kolossale Kapelle von Granit zeigen, welche ich zu Elephantine aus einem Steine arbeiten ließ, um sie der Göttin zu verehren(Anm. 124) Herod. II. 175.. Die Priester haben mich leider gebeten, selbst euch nur bis zu den Umfassungsmauern und Pylonen der Tempel zu führen. Komm', wir wollen jetzt meine Gattin und Töchter aufsuchen, denn sie haben Dich lieb gewonnen, und ich wünsche, daß Du freundliche Gesinnungen für das arme Mädchen gewinnst, ehe Du mit ihr in das ferne Land und zu den fremden Menschen ziehst, deren Fürstin sie werden soll. Nicht wahr, Du wirst Dich ihrer annehmen?« – »Verlasse Dich darauf,« betheuerte Krösus, den Händedruck des Amasis erwiedernd. »Ich will Deiner Nitetis väterlich zur Seite stehen, und sie wird meiner bedürfen, denn die Frauengemächer der persischen Paläste haben einen gar schlüpfrigen Boden. Uebrigens wird ihr mit vieler Rücksicht begegnet werden. Kambyses darf mit seiner Wahl zufrieden sein und wird es hoch aufnehmen, daß Du ihm Dein schönstes Kind anvertraust; denn wenn auch Tachot nicht weniger anmuthig erscheint als Nitetis, so fehlt ihr doch die Majestät des Wesens, welche die Letztere auszeichnet, und die der künftigen Königin von Persien wohl ansteht. Nebenchari hatte nur von Deiner Tochter Tachot gesprochen.«

»Ich aber sende dennoch meine schöne Nitetis. Tachot ist so zart, daß sie die Anstrengungen der Reise und den Schmerz der Trennung kaum ertragen würde. Wenn ich meinem Herzen folgte, so dürfte auch Nitetis nicht nach Persien. Aber Ägypten bedarf des Friedens, und ich war König, eh' ich Vater wurde!«


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