Georg Ebers
Eine ägyptische Königstochter Bd. I
Georg Ebers

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Zweiter Band

Erstes Kapitel.

Sieben Wochen später bewegte sich auf der großen Königsstraße(Anm. 1) Die sogenannte »Königsstraße«, von der wir noch mehr zu sagen haben, war schon von Cyrus angelegt worden und ward von Darius mit besonderer Sorgfalt gepflegt., welche aus dem Westen nach Babylon führte, ein langer Zug von Wagen und Reitern verschiedener Art der schon in weiter Ferne sichtbaren Riesenstadt entgegen.

Unter dem von hölzernen Säulen getragenen Dache eines über und über vergoldeten, vierräderigen, mit Goldbrocat gepolsterten Fuhrwerks, dessen Seiten durch Gardinen verschlossen werden konnten, der sogenannten HarmamaxaAsiatischer Reisewagen, dem wir zuerst in Xenophon's Anabasis, wo eine Königin in demselben fährt, begegnen. Die Römer adoptirten die Harmamaxa und bedienten sich ihrer auf Reisen., saß Nitetis, die ägyptische Königstochter.

Zur Seite ihres Wagens ritten ihre Begleiter, die uns bekannten persischen Edlen und der entthronte König von Lydien mit seinem Sohne.

Fünfzig andere Fuhrwerke und sechshundert Saumthiere folgten ihnen, während eine Abtheilung persischer Soldaten auf prächtigen Pferden dem Zuge voraufritt.

Die Straße führte dem Euphrat entlang durch üppige Waizen-, Gersten- und SesamfelderEine in der Gegend von Babylon besonders üppig gedeihende Fruchtart, aus der man auch Oel preßte., welche zweihundert-, ja manchmal dreihundertfältige Frucht trugen. Schlanke Dattelpalmen mit schweren Fruchtbüscheln standen überall auf den Aeckern, die nach allen Seiten hin von wohlgehaltenen Wassergräben und Kanälen durchschnitten wurden(Anm. 2) Herod. I. 193. Wiederaufgefundene Wasserleitung bei Layard, Nin. u. Bab. S. 215. Basreliefs, die wohlbewässerte und bebaute Gegend darstellend, l. l. S. 233.. – Trotz der Winterzeit schien die Sonne warm und hell vom wolkenlosen Himmel. Der gewaltige Strom wimmelte von größeren und kleineren Kähnen, welche die Erzeugnisse des armenischen Hochlandes der mesopotamischen Ebene zuführten und die meisten Waaren, welche von Griechenland und Kleinasien kamen, von ThapsakusBedeutende Handelsstadt am Euphrat. Der Stationsplatz der Erdmessungen des Eratosthenes. aus nach Babylon beförderte. Pumpwerke und Wasserräder gossen erfrischendes Naß auf die Aecker und Pflanzungen an den Ufern, welche mit zahlreichen Dörfern geschmückt waren. Alles ließ erkennen, daß man sich dem Mittelpunkte eines alten, sorglich verwalteten Culturstaates näherte.

Bei einem langen, mit schwarzem Erdpech(Anm. 3) Das Erdpech, welches sich heute noch vielfach in der Nähe von Babylon zeigt, wurde, wie fast alle neuen und alten Berichterstatter betätigen, von den Babyloniern als Mörtel benützt. Siehe außer den Alten W. Vaux, Niniveh and Persepolis. An historical sketch of Assyria and Persia, S. 136. Layard l. l. S. 262. Erdpech verbrannt. S. auch 529 u. 530. überzogenen Backsteinhause, an dessen Seiten sich eine Platanenpflanzung erhob, hielt der Wagen und das Gefolge der Nitetis. Krösus ließ sich von seinem Rosse heben, näherte sich dem Fuhrwerke, welches die ägyptische Königstochter trug, und rief ihr zu: »Hier wären wir bei dem letzten Stationshause angelangt! Dort drüben, der hohe Thurm, welcher sich am Horizont abzeichnet, ist der berühmte Tempel der Bel, neben euren Pyramiden eines der ungeheuersten Werke von Menschenhand. Bevor die Sonne untergeht, werden wir bei den ehernen Pforten von Babylon eintreffen. Gestatte mir, daß ich Dich aus dem Wagen hebe und Deine Dienerinnen zu Dir in's Haus sende. Du mußt Dich heute nach persischer Fürstinnen Art kleiden lassen, damit Du den Augen des Kambyses wohlgefallest. In wenigen Stunden wirst Du vor Deinem Gatten stehen. Wie bleich Du bist! Sorge dafür, daß Dir Deine Frauen mit täuschender Schminke freudige Erregung auf die Wangen malen. Der erste ist oft der entscheidende Eindruck. Diese alte Erfahrung gilt bei Niemanden mehr, wie bei Deinem künftigen Gatten. Wenn Du ihm, woran ich nicht zweifle, bei der ersten Begegnung wohlgefällst, so kannst Du sein Herz für immer gewonnen haben; solltest Du ihm heute mißfallen, so wird er Dich, nach seiner schroffen Art, kaum wieder eines freundlichen Blickes würdigen. Muth, meine Tochter, Muth! vor allen Dingen beherzige wohl jene Lehren, welche ich Dir gegeben habe!«

Nitetis trocknete eine Thräne und erwiederte: »Wie soll ich Dir für all' Deine Güte danken, Krösus, mein zweiter Vater, mein Beschützer und Rathgeber! O, verlaß mich auch später nicht! Bleibe, wie auf dieser langen Reise über gefahrvolle Gebirgspässe, mein Wegweiser und Beschützer, wenn die Bahn meines armen Lebens über Gram und Sorge führt. Dank, mein Vater, tausend Dank!«

Bei diesen Worten schlang die Jungfrau ihre vollen Arme um den Hals des Greises und küßte seinen Mund, gleich einer zärtlichen Tochter.

Als sie den Hof des dunklen Hauses betrat, kam ihr ein Mann, dem eine Schaar von asiatischen Dienerinnen folgte, entgegen. Ersterer, der Oberste der Eunuchen(Anm. 4) Ueber diese unglückliche Menschenklasse, die der Eifersucht der Orientalen und ihrem Wunsche, sich eine Nachkommenschaft von reinem Blute zu erhalten, weit sicherer ihren Ursprung verdankt, als dem Wunsche der Sagengestalt Semiramis, sich nur von solchen Männern umgeben zu sehen, welche gleich ihr bartlos und von hoher Stimme wären. Näheres bei Ebers, Aegypten und die Bücher Mose's, S. 296 fgd. Porträt eines Eunuchen von Gentz bei Ebers, Aegypten in Bild und Wort I. S. 58., einer der vornehmsten persischen Hofbeamten, war groß und wohlbeleibt. Sein bartloses Angesicht lächelte süßlich, in seinen Ohren schwenkten sich kostbare Gehänge, seine Arme und Beine, sein Hals und seine weibisch langen Gewänder waren mit goldenen Ketten und Ringen überdeckt und seine steifen gebrannten Locken, welche eine purpurne Binde umwand, strömten durchdringend scharfe Wohlgerüche aus.

Ehrerbietig verneigte sich Boges (so hieß der Eunuch) vor der Ägypterin und sprach, seine fleischige mit Ringen überladene Hand vor den Mund haltend: »Kambyses, der Herrscher der Welt, sendet mich Dir entgegen, o Königin, damit ich Dein Herz mit dem Thau seiner Grüße erfrische. Er schickt Dir ferner durch mich, seinen ärmsten Knecht, die Gewänder der Perserinnen, damit Du, wie es der Gattin des größesten aller Herrscher ziemt, in medischen Kleidern der Pforte der Achämeniden nahen mögest. Diese Weiber, Deine Dienerinnen, warten Deiner Befehle. Aus einem ägyptischen Smaragd werden sie Dich in einen persischen Diamanten verwandeln.« – Boges trat zurück und gestattete mit einem herablassenden Winke dem Wirth der Herberge, der Fürstin, als sein Gastgeschenk, einen höchst geschmackvoll geordneten Korb voller Früchte zu überreichenII. Bd. A. 92.

Nitetis dankte beiden Männern mit freundlichen Worten, trat in das Haus, legte unter Thränen den Schmuck ihrer Heimath ab, und ließ die volle Flechte an ihrer linken Seite, das Zeichen ägyptischer Fürstentöchter(Anm. 5) Auf fast allen ägyptischen Bildern, welche Pharaonenkinder (Töchter und Söhne) darstellen, tragen dieselben solche Haarlocken, welche geflochten von der Stirn bis zum Halse reichen. Rosellini, Mon. stor. II. 123. Lepsius, Denkm. a. v. O. und auf tausend Darstellungen., auflösen, um sich nach medischer Weise von fremden Händen ankleiden zu lassen.

Ihre Begleiter befahlen unterdessen, eine Mahlzeit aufzutragen. Hurtige Diener holten Stühle, Tische und goldenes Geräth von den Wagen, die Köche tummelten sich, und Einer war dem Andern so schnell und willig zur Hand, daß gar bald eine köstlich geschmückte Tafel, auf welcher nicht einmal die Blumen fehlten, wie durch Zauberei, die hungrigen Reisenden erwarten konnte.

In gleicher Ueppigkeit war auf der ganzen weiten Fahrt gelebt worden, denn auf den den fürstlichen Wanderern folgenden Saumrossen fand sich jede nur denkbare Bequemlichkeit, vom wasserdichten, golddurchwirkten Zelte an bis zum silbernen Fußschemel; und in den die Reisenden begleitenden Wagen saßen, neben Bäckern, Köchen, Schenken und Vorschneidern, Salbenreiber, Kranzwinder und Haarkräusler.

Außerdem befand sich an der Landstraße nach jeder vierten Meile ein gut eingerichtetes Fremdenhaus. Hier wurden die unterwegs gefallenen Pferde ersetzt, hier gewährten schattige Baumpflanzungen gastlich Zuflucht vor der Hitze des Mittags, und auf dem Gebirge fand man in diesen Herbergen an warmen Herden Schutz vor Schnee und Kälte.

Die persischen Fremdenhäuser, welche unseren Poststationen ähnlich waren, dankten ihre Entstehung und Verschönerung dem großen Cyrus, welcher durch wohlgehaltene Straßen die ungeheuren Entfernungen seines Weltreiches abzukürzen suchte. – Derselbe hatte auch einen regelmäßigen Postbotendienst eingerichtet. Auf jeder Station fanden die Felleisenreiter einen zur Abreise fertigen Ersatzmann auf frischem Pferde, welcher, nachdem er die zu befördernden Briefe erhalten hatte, in Windeseile fortsprengte, um bei der nächsten Herberge sein Felleisen einem neuen bereitstehenden Boten zuzuwerfen. Diese Couriere hießen Angaren und wurden für die schnellsten Reiter auf der Welt gehalten(Anm. 6) Herod. V. 14. 49–52. Xenoph. Cyrop. VIII. 6. 9. Plutarch, Artaxerxes 25. Persische Meilensteine finden sich noch heute bei den Trümmern der Königsstraße, welche Ninive und Ekbatana verband. Die Kurden nennen dieselben jetzt keli-Shin (blaue Säulen). W. Vaux, Nin. and Persep. S. 330..

Als die Schmausenden, zu denen sich auch Boges, der Eunuch, gesellt hatte, von der Tafel aufstanden, öffnete sich von neuem die Thür des Stationshauses. Ein gedehntes »Ah!« ließ sich hören, denn vor den Persern stand Nitetis in der kostbaren medischen Hoftracht, von dem Bewußtsein ihrer siegreichen Schönheit stolz erhoben und dennoch mädchenhaft erröthend über das Staunen ihrer Freunde.

Unwillkürlich fielen die Diener, nach asiatischer Sitte, vor ihr nieder; die edlen Achämeniden aber verneigten sich tief und ehrerbietig. Es war, als wenn die Königstochter mit der schlichteren Kleidung ihrer Heimath alle Schüchternheit abgelegt und mit den von Gold und Edelsteinen strotzenden seidenen Gewändern der persischen Fürstin den Stolz und die Hoheit einer Königin angezogen habe.

Die tiefe Ehrerbietung, welche man ihr soeben gezollt hatte, schien ihr wohlzuthun. Herablassend mit der Hand winkend, dankte sie den bewundernden Freunden; dann wandte sie sich an den Eunuchenobersten(Anm. 7) Nach dem Buche Esther 2, 12. 15 gab es einen Eunuchen-Obersten für die Gemahlinnen und einen zweiten für die Kebsweiber des Königs. Wir lassen Boges zur Zeit des Kambyses, also weit früher, diese beiden Aemter zugleich bekleiden. und sagte ihm freundlich, aber stolz: »Du hast Deine Schuldigkeit gethan. Ich bin mit den Kleidern und Sklavinnen, welche Du mir besorgtest, nicht unzufrieden. Ich werde meinem Gemahle Deine Umsicht zu rühmen wissen, empfange einstweilen diese goldene Kette als Zeichen meines Dankes.«

Der allmächtige Aufseher der Frauen des Königs küßte ihr Gewand und nahm diese Gabe schweigend in Empfang. Mit solchem Stolze war ihm noch keine seiner Untergebenen entgegen gekommen. Alle bisherigen Weiber des Kambyses waren Asiatinnen, und diese pflegten, weil sie die Allmacht des Eunuchen-Obersten kannten, Alles aufzubieten, um seine Gunst durch Schmeichelworte und demüthiges Wesen zu gewinnen.

Jetzt verneigte sich Boges zum Zweitenmale tief vor Nitetis; diese wandte sich aber, ohne ihn weiter zu beachten, dem Krösus zu und sagte leise: »Dir, mein gütiger Freund, kann ich weder durch Worte noch durch Gaben lohnen, was Du an mir gethan hast, denn Dir allein werde ich es zu danken haben, wenn mein Leben an diesem Hofe ein, wenn nicht glückliches, so doch friedliches sein wird.« Nun fuhr sie mit lauterer, auch ihren Reisegefährten verständlicher Stimme fort: »Nimm diesen Ring, welcher seit unserer Abreise von Aegypten meine Hand nicht verlassen hat. Sein Werth ist gering; seine Bedeutung aber groß. Pythagoras, der edelste aller Hellenen, gab ihn meiner Mutter, als er in Aegypten die Weisheitslehren unserer Priester erlauschte; diese schenkte ihn mir, als ich von der Heimat Abschied nahm. Auf dem schlichten Türkise hier steht eine Sieben. Diese durchaus untheilbare Zahl stellt die Gesundheit des Leibes und der Seele dar(Anm. 8) Sieben, die »mutterlose« Zahl, hat bis zur Zehn keinen Faktor. Zeller, Geschichte d. Philos. d. Griechen, S. 232 und 298., denn nichts ist untheilbarer, als die Gesundheit. Wenn nur das kleinste Theilchen des Körpers leidet, so krankt der ganze Mensch; wenn sich ein schlechter Gedanke in unser Herz einnistet, so ist die Harmonie der ganzen Seele gestört. Laß Dir diese Sieben, so oft Du sie siehst, zurufen, was ich Dir wünsche: den ungeteilten, ungetrübten Genuß leiblichen Wohlseins und eine lange Fortdauer jener liebreichen Milde, welche Dich zum tugendhaftesten und darum zum gesundesten aller Menschen macht. Keinen Dank, mein Vater, denn ich würde Deine Schuldnerin bleiben, selbst wenn ich dem Krösus die Schätze des Krösus wiederzugeben vermöchte. Du, Gyges, nimm diese lydische Leyer von Elfenbein und erinnere Dich, wenn ihre Saiten klingen, an die Geberin derselben. – Dir, Zopyrus, reiche ich diese goldene Kette, denn Du bist, wie ich gesehen habe, der treueste Freund Deiner Freunde; wir Aegypter aber geben unserer Göttin der Liebe und Freundschaft, der schönen Hathor, als Symbol ihres fesselnden Wesens, Bande und Stricke in die lieblichen HändeSiehe I. Theil Anmerkung 55.. – Dir, Darius, dem Freunde ägyptischer Weisheit und des gestirnten Himmels, überreiche ich zum Andenken diesen goldenen Reifen, auf dem Du den Thierkreis, von kundiger Hand in das Metall gegraben, finden wirft. – Du, Bartja, mein lieber Schwager, sollst endlich das kostbarste Kleinod empfangen, welches ich besitze. Nimm dieses Amulet von blauemLapis Lazuli war ein im alten Aegypten sehr beliebter Edelstein, den man durch künstliche Glasflüsse nachzubilden verstand. Das Gleiche gilt vom Smaragd. Gestein(Anm. 9) Diodor I. 49 erzählt, daß im Grabe des Osymandyas (Palast Ramses II. zu Theben, das sogenannte Ramesseum) ein goldener, 365 Ellen umspannender, eine Elle dicker Kreis gelegen, welcher einen vollständigen astronomischen Kalender enthalten habe. Der zu Paris befindliche Thierkreis von Dendera, ein astronomisches Deckengemälde, das in der Zeit seiner Entdeckung für uralt gehalten wurde, ist ziemlich jung, da es erst dem Ende der Ptolemäerherrschaft seinen Ursprung verdankt. Letronne war der Erste, der es richtig würdigte. S. Lepsius, Chronol. S. 63 und Lauth, Les zodiaques de Denderah. München 1865.. Meine Schwester Tachot hängte es um meinen Hals, als ich zum Letztenmal vor dem Schlafengehen den Nachtkuß auf ihre Lippen drückte. Sie sagte mir, dieser Talisman verschaffe Denen, welche ihn trügen, süßes Glück der Liebe. Sie weinte dabei, Bartja! Ich weiß nicht, an wen die Gute dachte; aber ich hoffe in ihrem Sinne zu handeln, wenn ich ihr Kleinod in Deine Hände lege. Denke, Tachot reiche es Dir durch mich, ihre Schwester, und erinnere Dich manchmal an unsere Spiele in den Gärten von Sais.«

Bis dahin hatte sie griechisch gesprochen. Jetzt wandte sie sich an die in ehrerbietiger Entfernung harrende Dienerschaft und sagte in gebrochenem Persisch: »Nehmt auch ihr meinen Dank! Zu Babylon sollt ihr tausend Goldstatern(Anm. 10) Diese Statern sollen, nach Herodot I. 94, die ersten geprägten Münzen gewesen sein. Uebrigens hatten die Assyrer, wie Böckh und Brandis es nachgewiesen, schon weit früher ganz festes Maß und Gewicht. Die persischen Dareiken sind wohl erst zur Zeit des Darius geprägt worden, obgleich dieselben ihren Namen, nach Suidas, einem früheren Darius verdanken. Auch kann derselbe von dem Worte »Zara«, Gold, herkommen. Die Dareike hatte etwas über acht Thaler Werth. Böckh, Metrologie S. 46. 51. 129 fgd. Duncker, Geschichte des Altertums II. S. 642. Die jüngsten und schönsten Forschungen in Bezug auf den Werth der orientalischen Maße jeder Art verdanken wir Brandis. erhalten. Ich befehle Dir, Boges,« fügte sie, sich an den Eunuchen wendend, hinzu, »die angegebene Summe bis spätestens übermorgen unter die Leute vertheilen zu lassen. – Führe mich zu meinem Wagen, Krösus!«

Der Greis beeilte sich, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Während er Nitetis dem Fuhrwerke entgegen führte, flüsterte sie ihm, seinen Arm an ihre Brust drückend, zu: »Bist Du mit mir zufrieden, mein Vater?«

»Ich sage Dir, Mädchen,« antwortete der Greis, »Du wirst an diesem Hofe, nach der Mutter des Königs, die Erste werden, denn auf Deiner Stirn thront der wahre Stolz der Königin und Du besitzest die Kunst, mit Wenigem viel zu verrichten. Glaube mir, daß eine kleine Gabe, wie Du sie zu wählen und darzureichen verstehst, dem Edlen größere Freude bereitet als ein Haufen Goldes, den man vor ihm niederwirft. – Köstliche Geschenke zu geben und zu empfangen ist die Gewohnheit der Perser. Sie verstehen es, einander zu bereichern; Du wirst sie lehren, einander zu beglücken. – Wie schön Du bist! Sitzest Du gut oder verlangst Du höhere Polster? Aber, was ist das? – Siehst Du nicht Staubwolken von der Stadt her aufwirbeln? Das wird Kambyses sein, welcher Dir entgegenzieht. Halte Dich aufrecht, Mädchen! Vor Allem bemühe Dich, den Blick Deines Gatten auszuhalten und zu erwiedern. Nur Wenige ertragen die Blitze dieses Auges. Gelingt es Dir, ihm frei und ohne Zagen in's Gesicht zu schauen, dann hast Du gesiegt. Muth, Muth, meine Tochter; Aphrodite schmücke Dich mit ihrer schönsten Schönheit! – Zu Pferde, meine Freunde, ich glaube, daß der König uns entgegenzieht!« Nitetis saß hoch aufgerichtet und die Hände auf das Herz pressend in dem goldenen Wagen. Die Staubwolke kam immer näher und näher. Jetzt flackerten auf derselben lichte Sonnenstrahlen, welche sich in den Waffen der Heranziehenden spiegelten, wie Blitze aus dem Gewitterhimmel hervor. Jetzt theilte sich die Wolke und einzelne Gestalten wurden sichtbar, jetzt verschwand der nahende Zug hinter dichtem Buschwerk an der Krümmung des Weges, jetzt, kaum hundert Schritte von ihr entfernt, zeigten sich die heransprengenden Reiter, nah und immer näher kommend, fast greifbar deutlich.

Der ganze Zug glich einer bunten Masse von Rossen, Männern, Purpur, Gold, Silber und Edelsteinen. Mehr als zweihundert Reiter, alle auf schneeweißen nisäischen Pferden, deren Saumzeug und Schabracken von goldenen Glöckchen und Buckeln, von Federn, Quasten und Stickereien strotzten(Anm. 11) Nach den Bildern in H. Gosse's Assyria S. 238 und Layard, Niniv. and Babyl. S. 178. 340. 450., folgten einem Manne, welcher von dem gewaltigen rabenschwarzen Hengste, den er ritt, oftmals fortgerissen wurde, öfter aber mit riesiger Kraft dem unbändigen schäumenden Thiere bewies, daß er der Mann sei, seinen tollen Muth zu zähmen. Dieser Reiter, dessen gewaltige Schenkel den Hengst zusammendrückten, daß er bebte und keuchte, trug ein scharlachroth und weiß gemustertes Gewand, welches über und über mit silbernen in dasselbe eingestickten Adlern und Falken bedeckt war(Anm. 12) Curtius III. 3. Xenoph. Cyrop. VIII. 3. 7. Aeschylus, Perser 835 und 836. Die Kleider und der Schmuck des Königs sollen nach Plutarch, Artaxerxes 24, 12,000 Talente, das sind 15 Millionen Thaler, werth gewesen sein.. Seine Unterkleider waren von Purpur und seine Stiefel von gelbem Leder. Um seine Hüften schlang sich ein goldener Gürtel, in dem ein kurzer, dolchartiger Säbel steckte, dessen Griff und Scheide mit Edelsteinen übersäet waren. Sein übriger Schmuck glich dem des Bartja. Auch seine Tiara wurde von der blauen und weißen Binde der Achämeniden umgeben. Unter derselben quollen dichte, ebenholzschwarze Locken hervor. Ein ungeheurer Bart von gleicher Farbe verbarg den ganzen unteren Theil seines Angesichts. Seine Züge waren bleich und unbeweglich; seine Augen aber, schwärzer noch als Haar und Bart, sprühten ein nicht erwärmendes, sondern versengendes Feuer. Eine tiefe, brandrothe Narbe, der Säbelhieb eines massagetischen Kriegers, durchfurchte die hohe Stirn, die große gebogene Nase und die schmalen Lippen des Reiters. Seine ganze Haltung trug den Stempel höchster Kraft und maßlosen Stolzes.

Nitetis vermochte nicht, ihre Augen von der Gestalt dieses Mannes abzuwenden. Einen gleichen hatte sie niemals gesehen. Sie glaubte in diesem unbändig stolzen Angesichte den Inbegriff aller Männlichkeit zu erblicken. Es war ihr, als sei die ganze Welt, vor Allem aber sie selbst, um diesem Manne zu dienen, geschaffen worden. Sie fürchtete sich vor ihm, und dennoch sehnte sich ihr weiblich unterwürfiges Herz, wie eine Rebe an den Ulmenstamm, sich an diesen starken Menschen klammern zu dürfen. Sie wußte nicht, ob sie sich also den Vater alles Bösen, den furchtbaren SethS. I. Theil A. 147., oder den Geber alles Lichts, den großen Ra, vorzustellen habe.

Auf ihrem Angesichte wechselten, wie Licht und Schatten, wenn sich zur Mittagszeit der Himmel mit Gewölk umzieht, hohe Röthe und tiefe Blässe. Sie vergaß der Lehren ihres väterlichen Freundes und dennoch schaute sie, als Kambyses sein unbändiges, schnaubendes Roß zum Stillstehen an der Seite ihres Wagens zwang, athemlos in die flammenden Augen des Mannes, von dem sie wußte, daß er der König sei, wenn es ihr auch niemand gesagt hatte.

Das strenge Angesicht des Beherrschers der halben Welt ward immer freundlicher, je länger sie, von einem wunderbaren Triebe gezwungen, seinen durchbohrenden Blick ertrug. Endlich winkte er ihr mit der Hand einen Gruß des Willkommens entgegen und ritt auf ihre Begleiter zu, welche von ihren Pferden gesprungen waren und sich theils vor dem Könige in den Staub geworfen hatten, theils, sich tief verneigend und nach persischer Sitte die Hände in den Aermeln ihres Gewandes verbergend, dastanden.

Jetzt sprang er selbst von seinem Hengste. Im gleichen Augenblicke schwangen sich auch alle seine Begleiter von ihren Pferden. Die ihm folgenden Teppichbreiter legten, schnell wie der Gedanke, eine schwere purpurne Decke auf die Landstraße, damit der Fuß des Königs den Staub des Weges nicht zu berühren brauche, und wenige Augenblicke später begrüßte Kambyses seine Freunde und Verwandten, indem er ihnen den Mund zum Kusse darbot.

Dann schüttelte er die Rechte des Krösus und befahl ihm, sein Pferd von Neuem zu besteigen und ihn, als Dolmetscher, zum Wagen der Nitetis zu begleiten.

Die höchsten Würdenträger sprangen herbei und hoben den König wiederum auf sein Roß; dieser winkte, und der Zug setzte sich von neuem in Bewegung.

Krösus trabte neben Kambyses zur Seite des goldenen Wagens.

»Sie ist schön und gefällt meinem Herzen,« rief der Perser dem lydischen Greise zu. »Jetzt übersetze mir treulich, was sie auf meine Fragen antworten wird, denn ich verstehe keine andere als die persische, die assyrische und medische Sprache.«

Nitetis hatte diese Worte verstanden. Eine namenlose Wonne zog in ihr Herz, und ehe noch Krösus dem Könige antworten konnte, sprach sie mit leiser Stimme und hoch erröthend in gebrochenem Persisch: »Wie soll ich den Göttern danken, welche mich Gnade vor Deinen Augen finden ließen. Ich bin nicht unkundig der Sprache meines Herrn, denn dieser edle Greis hat mich auf unserer langen Reise in der persischen Mundart unterrichtet. Verzeihe, wenn ich Dir nur in gebrochenen Sätzen antworten kann. Meine Lehrzeit war so kurz und meine Fassungsgabe ist ja nur die einer armen, ungelehrten Jungfrau(Anm. 13) Auch Themistokles erlernte, wie Diodor erzählt, die persische Sprache auf dem Wege nach Susa. Wir lassen also Nitetis nichts Unmögliches leisten.

Der sonst so ernste Mund des Kambyses lächelte. Seine Eitelkeit fühlte sich durch den Eifer der Nitetis, sein Wohlgefallen zu erringen, geschmeichelt, und der strebsame Fleiß eines Weibes erschien dem Perser, welcher gewohnt war die Frauen in Unwissenheit und Trägheit, nur auf Putz und Ränke sinnend, aufwachsen zu sehen, eben so wunderbar als lobenswerth. Darum antwortete er mit sichtlichem Wohlgefallen: »Es freut mich, daß ich ohne Vermittler mit Dir reden kann. Fahre fort, Dich zu bemühen, die schöne Sprache meiner Väter zu erlernen; mein Tischgenosse Krösus wird auch in Zukunft Dein Lehrer bleiben.«

»Du beglückst mich mit diesem Befehle,« rief der Greis, »denn ich könnte mir keine dankbarere und eifrigere Schülerin wünschen, wie die Tochter des Amasis.«

»Sie bewährt den alten Ruhm ägyptischer Weisheit,« erwiederte der König, »und ich denke, daß sie auch die Lehren der Magier, welche sie in unserer Religion unterrichten werden, in kurzer Zeit verstehen und in ihre Seele aufnehmen wird.«

Nitetis schlug die Augen nieder. Das Gefürchtete nahte. Statt den ägyptischen sollte sie von nun an fremden Göttern dienen.

Kambyses bemerkte nicht ihre innere Bewegung und fuhr fort. »Meine Mutter Kassandane soll Dich in die Pflichten meiner Gattinnen einweihen. Ich selbst werde Dich morgen zu ihr führen. Was Du unschuldiger Weise erlauschtest, wiederhole ich Dir: Du bist meinem Herzen wohlgefällig. Sorge dafür, daß dieses Wohlgefallen erhalten bleibe! Wir wollen versuchen, Dir unsere Heimath lieb zu machen, und, weil ich Dein Freund bin, so gebe ich Dir den Rath, dem Boges, welchen ich Dir entgegensandte, liebreich zu begegnen, denn Du wirst ihm in vielen Dingen zu folgen haben, da er der Vorgesetzte des Weiberhauses ist.«

»Mag er auch dem Hause der Weiber vorgesetzt sein,« antwortete Nitetis, »so denke ich doch, daß Deiner Gattin selbst kein Sterblicher als Du allein zu befehlen hast. Winke, und ich werde gehorchen; bedenke aber, daß ich eine Königstochter bin und einem Lande entstamme, wo das schwache Weib die Rechte des starken Mannes theilt, daß auch meine Brust jener Stolz durchdringt, den ich aus Deinem Auge leuchten sehe, mein Geliebter! – Dir, dem Großen, meinem Gatten und Beherrscher, will ich gleich einer Sklavin folgen; doch um die Gunst des unmännlichsten aller Männer, eines käuflichen Dieners zu werben, vermag ich eben so wenig, als den Geboten, die er mir vorschreiben möchte, zu gehorchen.«

Das Erstaunen und Wohlgefallen des Kambyses wuchs. In solcher Weise hatte er noch kein Weib, außer seine Mutter, reden hören, und die kluge Art, mit der Nitetis unbewußt seine Macht über ihr ganzes Dasein anerkannte und hervorhob, befriedigte seine Eigenliebe. Der Stolz gefiel dem Stolzen. Er nickte dem Mädchen beifällig zu und sagte: »Du hast Recht. Ich werde Dir eine eigene Wohnung anweisen lassen. Ich allein will Dir befehlen, wie Du Dich verhalten sollst. Das freundliche Haus auf den hängenden Gärten wird heute noch für Dich eingerichtet werden.«

»Dank, tausend Dank,« rief Nitetis. »O, wenn Du wüßtest, wie sehr Du mich durch diese Gabe beglückst. Von den hängenden Gärten hat Dein lieber Bruder Bartja mir so viel erzählen müssen, und keine von allen Herrlichkeiten Deines großen Reichs gefiel uns so wohl, als die Liebe jenes Königs, der diesen grünenden Berg aufthürmen ließ.«

»Morgen wirst Du die neue Wohnung beziehen können. Sage mir jetzt, wie meine Boten Dir und den Ägyptern gefallen haben?«

»Wie magst Du solches fragen? Wer konnte diesen edlen Greis kennen lernen, ohne ihn zu lieben? Wer müßte nicht die Vorzüge der jungen Helden, Deiner Freunde, bewundern? Sie alle sind unserem Hause theuer geworden. besonders aber hat Dein schöner Bruder alle Herzen gewonnen. Die Aegypter sind den Fremden abhold, sobald sich aber Bartja ihnen zeigte, zog ein Murmeln der Bewunderung durch die gaffende Menge.«

Bei diesen Worten der Königstochter verfinsterte sich die Stirn des Königs. Er gab seinem Rosse einen harten Streich, daß es aufbäumte, warf es herum, sprengte an die Spitze seines Gefolges und gelangte nach wenigen Minuten zu den Mauern von Babylon.


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