Robert Waldmüller (Charles Edouard Duboc)
Don Adone
Robert Waldmüller (Charles Edouard Duboc)

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Einunddreißigstes Kapitel

Madonna Sirena, immer noch in die graue Mönchskutte Fra Ippolitos gehüllt, war durch ihr Scharmützel mit dem Bargello von dem Wege nach dem Kloster abgedrängt worden und hatte sich einstweilen zum Zweck der Ermittlung eines Schiffs für die Flüchtlinge an den nahen Meeresstrand hinabbegeben. Aber das Gezeter, das gleich darauf die Züchtigung Don Boltraffios begleitete, hatte den Schritt der unermüdlichen Dame bald wieder an den Fuß des Abhangs zurückgeführt. Nachdem dann des Unholds Stimme verstummt war, wagte sie sich näher, ohne übrigens jemand zu erkennen, da Don Adone eben mit Fiammetta in den Schatten der Karube getreten war. Und als nun zwischen dem vermutlichen Sieger und der von diesem augenscheinlich gegen Don Boltraffio Verteidigten ein kurzes Gespräch anhob, das mit Fiammettas Bitte um ein Viertelstündchen Schlaf endete, zweifelte Madonna Sirena nicht länger, daß Schwester Beata selbst hier aus den Klauen des Bargello befreit 420 worden sei, und zwar durch Fra Ippolito, dessen Stimme sie deutlich erkannt hatte.

Diesem seinen Undank doch wenigstens etwas vorzuhalten und sich von den Umständen in ihrem weitern Benehmen gegen die Flüchtlinge bestimmen zu lassen, war ihr nächster Gedanke.

Sie kam also im Dunkeln noch mehr heran und wußte sich im Schutze eines Gebüschs unbemerkt auf einen Pfad hinauf zu stehlen, der zu einem erhöhten Felsenvorsprung im Rücken des mächtigen Karubenbaums führte. Hier duckte sie sich leise nieder, bog einige seiner Zweige zur Seite und konnte nun, während über ihr der Horagesang anhob, unter dem dichtlaubigen Dach des alten Baums, soweit es die dort herrschende Finsternis gestattete, den Blick umherschweifen lassen. In der That erkannte sie bald etwas wie ihren Toledo-Burnus, in den gehüllt ein singender Andächtiger, mit dem Rücken gegen den Baumstamm gelehnt, auf dem Boden saß, während unmittelbar neben ihm, der Länge nach ins Gras gestreckt, eine andre Gestalt von tiefem Schlaf umfangen lag.

Sie sind es, sagte Donna Sirena, schon etwas versöhnlicher gestimmt, zu sich selbst.

Aber ihr den Weibern abholdes Naturell legte es ihr nahe, weitere Hilfeleistungen wenigstens von dem Ausfall eines noch erst mit der Nonne vorzunehmenden Inquisitoriums abhängig zu machen, und sie sann nach, wie sie dieses anstellen solle.

Während jedoch das Miserere anhob, wurde ihr Herz weicher. Und endlich sprach sie zu sich selbst: Ei, Irena, warum so überpeinlich? Sind diese zwei nicht genug von Drangsalen heimgesucht worden? 421 Liegt es dir ob, für das Glück ihres Bundes einzustehn? Mögen sie doch an das Ziel ihrer Wünsche kommen!

Und wie um vollends den letzten Groll in ihrem Herzen niederzukämpfen, fuhr sie in ihrem Selbstgespräch fort: Fra Ippolito hat vielleicht Recht, die Liebe nicht um den Preis eines ungewissen Nachruhms aus seinem Herzen reißen zu wollen. Wie wenig nützt es dem edeln Abälard, daß die Nachwelt um ihn Thränen weint! Hätte er sich im zwanzigsten Jahre statt im achtunddreißigsten wie diese beiden auf den Weg des ersten Elternpaars begeben, in der That, wer weiß, wie sanft das Bächlein seines Erdenglücks ans Ziel gelangt wäre! – Sie hielt inne und versuchte, wiewohl vergebens, die beiden dunkeln Gestalten anders als im bloßen schwarzen Umriß zu unterscheiden. Ja ja, dachte sie, dann weiter mit sich ins Gericht gehend, indem sie zugleich ihren Versteck verließ, um sich geradeswegs zu den beiden Klosterflüchtigen hinabzubegeben, es ist noch manches Vorurteil in dir, Irena! Gesteh dirs nur! Gewiß, die Töchter Evas sind keine Engel! Aber angesichts dieses Mönchs, der, eben erst von den Fesseln seiner hilflosen Begleiterin befreit, nichts eiligeres zu thun hat, als sich diese Fesseln wieder anzulegen, angesichts dieses neuen Zeugnisses für die holde und beseligende Macht, die das hingebende liebende Weib auf den Mann ausübt, mag ich nicht länger in kühler Verstandesgrübelei mein Geschlecht verketzern. Der Himmel hat uns in der That mit Vorzügen und Mängeln ausgestattet, deren Licht- und Schattenwirkungen der Mann empfinden muß, um ganz in die Fülle des Lebens eingeführt zu werden. Liebt euch denn, ihr 422 Kinder! rief sie, indem sie, unter der Karube angelangt, im Dunkeln an das Paar herantrat, genießt die Jugend, freut euch der Wiedervereinigung. Irena gönnt euch euer Glück von ganzer Seele. – Sie hatte, so redend, vor der Gestalt im Burnus Posto gefaßt, und Don Adone, der das Haupt der fest schlafenden kleinen Fiammetta eben bequemer betten wollte, sperrte die Augen erschrocken auf, denn an der grauen Klosterkutte der ihm gegenüber tretenden erkannte er ohne Mühe die von ihm im Gefängnis ihrem Schicksal überlassene Schwester des Marchese.

Aber Donna Sirena trieb den Sprachlosen zum Aufstehn an. Kommt, kommt, Fra Ippolito, sagte sie, weckt Euer Liebchen oder nehmt es auf den Arm; mißtraut nicht meiner Führung, ich habe euch verziehn – seit mein Bruder seine Strafe weg hat, ist alles vergeben und vergessen. – Ich hatte Unrecht, euch zwei Flüchtlinge trennen zu wollen, fuhr sie fort, während sich die Gestalt in dem Burnus langsam erhob; folgt mir jetzt an den Strand. Ich will nicht die Schwester des Tyrannen von Castellammare heißen, wenn ich euch nicht ebenso gewiß fortschaffe, wie er euch hat einsperren lassen.

Sie wiederholte ihre Mahnung, indem sie hinzufügte, sie eile voraus, was sie auch sofort that, und Don Adone, der nicht wußte, ob er wache oder träume, nahm die schlummernde Fiammetta in der That auf den Arm und folgte der ihm vorausschreitenden auf dem Wege, der an den Strand führte.

Es war nur unter der dichtbelaubten und weithinschattenden Karube völlig finster gewesen. Draußen ließen die jetzt gänzlich von Wolken befreiten Sterne und der vom Vesuv einmal wieder hell 423 herüberleuchtende Schein seiner nie ganz feiernden vulkanischen Esse jeden Gegenstand deutlich erkennen, und Don Adone dachte mit einiger Besorgnis an Fiammettas Männeranzug und nicht minder an das Staatskleid der Donna Vittoria, worin er, der vermeinte Fra Ippolito, doch nun einmal steckte.

Er hatte den bedenklichen Folgen des Zutagekommens dieser Vermummung kaum nachgesonnen, als schon eintrat, was er vorausgesehen hatte: Donna Sirena, die in der Absicht, auf ein am Strande schwankendes Segel hinzudeuten, Halt gemacht hatte, wandte sich jetzt nach ihren Schützlingen um und blieb, den Mund weit offen und die zehn Finger wie Radspeichen auseinander gespreizt, ein Bild grenzenlosen Staunens regungslos stehn.

In der That war der Anblick grotesk genug.

Beim Aufheben Fiammettas hatte Don Adone den ihn verhüllenden Burnus unversehens von den Schultern gleiten lassen. Er schleifte, vom Schimmer des Vesuvs übergossen, wie ein feuriger Kometenschweif hinter ihm drein, und der vorgebliche Mönch stand solcher Art, wie nun auch er bestürzt Halt machte, im Anzuge der Donna Vittoria da. Auf ihrem Arm hielt dieses kolossale Weib aber ein junges schlafendes Bürschchen, an dessen scharlachroter Weste die Perlmutterknöpfe im Sternenschimmer munter blitzten, und dessen zierliche Beine in schwarzen Sammethosen und erbsengelben Gamaschen an der Hüfte der Gigantin herunterhingen.

Unfähig zu begreifen, an welches wunderliche Nachtschwärmerpaar sie in ihrem Eifer geraten sei, stand Donna Sirena eine Weile wie betäubt da. Endlich vermochte sie wenigstens in die Worte 424 auszubrechen: Dio santo! che micca è questa? Welche Suppe habe ich mir da eingebrockt?

Diese kernhafte Ausdrucksweise sprengte den Angstreif, der die Brust Don Adones zusammengepreßt hatte.

Eccellenza! stotterte er, fast schon mit einem schwachen Anflug von Humor, der ihm nie früher eigen gewesen war, die Suppe ist besser, als Ihr denkt. Bringt uns nur erst an ein Schiff. Ihr werdet nicht bereuen, uns geholfen zu haben.

Euch an ein Schiff? Und wer seid Ihr denn, Ihr, der Ihr ein Weiberkleid tragt und dabei Schritte macht wie ein Landsknecht? Ich hielt Euch für den armen Mönch, der vor meinem grausamen Bruder auf der Flucht war. Und mein Burnus, den Ihr dort am Boden schleifen laßt, wiegte mich vollends in diese Täuschung ein. Aber wer weiß, wie Ihr ihn Euch angeeignet habt, denn obschon kein Mönch, seid Ihr doch auch nie und nimmer ein Weib gewesen.

Eccellenza, entgegnete Don Adone, Ihr werdet wohl in dieser Hinsicht nicht so Unrecht haben. Aber Weiber können wir hienieden doch nun einmal nicht alle sein. Bin ich kein Weib, und bin ich kein Mönch, so haltets mir zu gute. Zu ändern vermag ich nichts daran, wie ungern ich auch Verdruß bereite. Beschwören kann ich, daß ich der nämliche bin, dem Ihr so deutlich bewieset, daß die Weiber keine Engel seien.

Und das Bürschchen dort? rief Donna Sirena zwischen Unwillen und der Neigung, sich selbst als die Gefoppte auszulachen.

Nur erst ins Schiff, Eccellenza! flehte Don Adone; was ich Euch hier sagen könnte, würde Euch nur zu 425 der Forderung neuer Aufklärungen veranlassen. So viel für jetzt: die Würfel in einem Würfelbecher können mit aller Gewalt nicht ärger durcheinandergeschüttelt werden, als dies uns beiden armen Drangsalierten gestern und heute nacht geschehen ist. Kaum haben wir zuweilen gewußt, wer von uns zweien auf den Namen Mann und wer auf den Namen Weib zu hören hatte. Wie Kraut und Rüben im Topf auf und nieder und durcheinander brodeln, so haben wir unsre Rollen gewechselt. Aber wie gesagt, die Suppe ist nicht schlecht, Eccellenza. Laßt Euch an uns nicht irre machen. Verhelft uns zu einem Schiffe, und sobald wir dem Lande Castellammare Lebewohl gesagt und einen Fuß im Schiffe haben, sollt Ihr auf jede Frage, die Ihr zu uns herüberrufen werdet, nicht nur gewissenhaften, sondern auch beruhigenden Bescheid erhalten.

Donna Sirena schüttelte lachend den Kopf. Erst jetzt merke ich, warum mein Bruder Euch das Entschlüpfen so leicht gemacht hat, sagte sie.

Eccellenza, ein Schiff, ein Schiff! bat Don Adone.

Gewiß, ich werde ein Schiff besorgen. Aber umgeht meine Frage nicht. Ist wenigstens dies junge, schmucke Herrchen hier eine Nonne?

Nur erst ein Schiff, Eccellenza!

Ihr habt Recht, Fra Ippolito oder wie Ihr immer heißen mögt. Sie wandte das Haupt der Schlafenden auf Don Adones Schulter sanft herum, sodaß Fiammettas mädchenhafte Züge sichtbar wurden. Allerliebst! sagte sie, man kann nicht schalkhafter und zugleich nicht unschuldiger aussehen. Es wäre doch schade, wenn das Kloster sich ihrer wieder für immer bemächtigt hätte.

426 Und sie kommandierte von neuem: Avanti!

Nach einer kurzen Weile war der im Wiederschein des Vesuvschimmers rosig blinkende Strand erreicht. Die Luft war ruhig und mild. Gelassen, als gebe es nirgends in der Welt Haß, Eile und Verfolgung, gingen und kamen mit gleichmäßigem Kieselrollen die langen Golfwellen. Orangenblütenduft vermischte sich mit dem Hauch des Meers.

Donna Sirena deutete seitwärts und fragte: Seht Ihr dort ein zusammengerefftes Segel auf den Wellen schwanken?

Wie eine große Rabenfeder?

Ganz richtig. Aber die Räucherkerze daneben, seht Ihr auch die?

Die hätte ich, sagte Don Adone, für das Türmchen einer Kapelle gehalten.

Was sie auch ist. Zur Linken von dieser aber, seht Ihr dort ein Häuschen?

Mit einem Fenster im Giebel, einäugig wie Polyphem oder der fürchterliche Cerberus der Ursulinerinnen, Gott verzeihe mir die Sünde! Denn gewiß ist Bibiana im übrigen eine gottesfürchtige Person.

Vergeßt jetzt, was hinter Euch liegt, und denkt an das nächstnötige. – Sie wies auf die Schlafende hin und fragte: Seid Ihr eingesegnet?

Ihr meint gefirmelt? fragte Don Adone.

Ihr und sie.

Gefirmelt sind wir beide.

Nicht doch! eingesegnet, priesterlich verbunden, zu ordentlichen Eheleuten gemacht.

Don Adone verstummte. Nach und nach aber nahmen seine Augen einen eigentümlich verklärten Ausdruck an.

427 Ich verstehe, sagte Donna Sirena; natürlich mußtet ihr vor Priestern im allgemeinen auf der Hut sein. Aber mein alter Pater Bertolino segnet euch ein, ohne mit einem Wort nach euerm Geheimnis, ja nur nach euern Namen zu fragen. Ich kenne ihn seit meinen Kinderjahren, ihn und seine jetzt auch schon nicht mehr junge Haushälterin, Signora Sibilla. Folgt mir; das einäugige Haus ist das seine; das rabenfedernartige Segel nicht minder. Die Kapelle erst aufzuschließen, würde freilich zu viel Aufenthalt machen; auch möchte ich dem bequemen alten Herrn solche Ungelegenheit nicht zumuten. Aber wenn er euch von dem Fenster herab seinen Segen giebt, während Sibilla und ich als Zeugen dabei stehn, so hat die Zeremonie ja eben dieselbe Wirkung. Ich bin jetzt doppelt froh, daß er voriges Jahr nicht mit Tode abgegangen ist, als er einen Kapaunenknochen verschluckt hatte. Einen andern Pater wüßt ich euch hier unten weit und breit nicht zu empfehlen. Doch was seh ich? unterbrach sie sich, wie kommt Zecco hierher?

Der kleine Neger des Palazzo Carraccioli tauchte in der That verschlafen aus einem auf dem Trocknen liegenden Nachen hervor, worin er sichs bequem gemacht hatte, und kam nun, mit einem großen Korbe beschwert, keuchend heran. Soweit er Auskunft geben konnte, hatte der durch Donna Olimpia aus der Haft befreite Governatore den kleinen Boten mit einem wohlversehenen Proviantkorbe nach der Marina hinunter geschickt, damit Donna Sirena im Dienste der Menschenliebe nicht aller leiblichen Stärkung entbehre.

So ist denn auch für Schiffsproviant gesorgt, rief Donna Sirena, indem sie der spöttisch-neckenden 428 Botschaft die beste Wendung gab; sorgt jetzt nur dafür, daß diesem Kleiderwirrsal ohne längern Verzug ein Ende gemacht wird; sucht euch ein paar verborgne Grotten aus; währenddessen klopfe ich Sibilla aus dem Schlaf. Zecco mag die Tauschartikel hin und her tragen.

In dieser Weise wurde das wichtige Geschäft denn auch ins Werk gesetzt; denn an Grotten ist ja an jenem Teil des Golfufers kein Mangel, und Fiammetta, die erwacht war, sobald Don Adone sie in einer dieser Grotten mit der nötigen Belehrung auf den Boden gestellt hatte, wußte sofort für die schicklichste Ausführung des ganzen Vorhabens Rat zu schaffen.

Endlich blieb in Don Adones Grotte nur noch die leidige Mönchskutte übrig, gegen deren Übersendung Madonna Sirena sich ihren Burnus zurückerbeten hatte. Don Adone trug die Kutte nachdenklich am Stockknopf des Don Boltraffio über dem Nacken, als er, in seinen schwarzen Sammethosen und seiner roten Weste, von Zecco gefolgt, der wieder mädchenhaft umgewandelten Fiammetta im Sternenlicht am Strande entgegenging, immer noch mit eigentümlich verklärten Augen.

Bester Herr, rief Fiammetta beim Gewahrwerden der Kutte erschrocken aus, Ihr denkt doch nicht daran, das abscheuliche Mönchskleid mitzunehmen? Vergeßt doch nicht, in welches Ungemach wir durch die Klosterkleider gekommen sind! Weg damit! Werft die Kutte ins Meer!

Hm, sagte Don Adone überlegend; du meinst, wir hätten nicht die Pflicht, sie für den rechtmäßigen Eigentümer aufzubewahren?

429 Wohl, weil man sich die Freiheit nahm, uns diesen Plunder gegen unsre viel bessern Kleider auf dem Halse zu lassen? Wo immer wir ans Land steigen würden, müßte uns das Unding ja der Gefahr neuer Verfolgungen aussetzen.

Du hast Recht, sagte Don Adone nach kurzem Besinnen. Und indem er sich zu dem begehrlich nach Stock und Kutte aufschauenden Negerknaben wandte, fuhr er fort: Hier, junger Freund, nimm diese beiden Erinnerungszeichen freundlich von uns an; wir haben kein Geld zu verschenken, aber unser Dank für deine Dienste ist darum nicht minder warm gemeint. Nimm hier alles, was ich auf dem Arme habe. Es gehört dir.

Zecco, jederzeit zu Possen aufgelegt, schlüpfte sofort mit lachendem Zähnefletschen in die weite Kutte hinein, und den Stab Don Boltraffios wie den Stab eines Tambourmajors um und um wirbelnd lief er spornstreichs im Sternenschimmer davon, indem er mit einem wilden gurgelnden Singsang die Weise der Nonnen nachzuahmen suchte.

Don Adone sah ihm eine Weile gedankenvoll nach, sah sich darauf nach dem Hause des Paters um, in dessen einem Fenster er Donna Sirena in lebhaftem Gespräch mit dem alten Herrn zu gewahren glaubte, und wandte sich dann zu Fiammetta, die unter allerlei ungeduldigen Ausrufen ebenfalls nach dem Fenster hinauslugte; denn sie wußte nichts andres, als daß der Pater sein Schiff herleihen solle, und sie fürchtete, sein Zögern bedeute nichts gutes.

Du brauchst dich nicht zu ängstigen, sagte Don Adone; wie mir die gütige Signora versichert, ist der alte Pater ihr in jedem Sinne ergeben, und wenn ich 430 mich nicht täusche, lassen die zwei trefflichen Leute uns aus Zartgefühl einige Zeit hier allein.

Da möchten wir aber doch lieber wenigstens in das Schiff steigen, antwortete Fiammetta, und sie schürzte sich, um Don Adone mit gutem Beispiel voranzugehn.

Aber dieser blieb stehn und fuhr nachdenklich in seiner Rede fort: Es handelt sich nämlich um . . . um ein Vorhaben, . . . das auch deinerseits . . . die reiflichste Überlegung verlangt . . .

Jetzt hier? bester Don Adone!

Jetzt hier!

Unmöglich!

Wie ich dir sage!

Während Don Boltraffio jeden Augenblick mit dem schnauzbärtigen Silvestro und seinen greulichen Sbirren wieder ausrücken kann? O bester, lieber Herr! Ihr wart doch so schön in Zug gekommen. Wie seid Ihr nur auf einmal wieder so tiefsinnig geworden? Schon das Mitnehmen des Kuttenballasts paßte ja gar nicht zu Eurer vorherigen resoluten Art. Brauchts etwa einer Gelegenheit zum Prügeln, damit Ihr wieder lustig werdet, so schlagt getrost zu. Hier ist mein Rücken. Es geht auch zur Not ohne Stock. Wenn Ihr nur Eure herzhafte Laune wieder gewinnt, soll mirs auf ein weiteres Dutzend blauer Flecke nicht ankommen.

Fiammetta, antwortete Don Adone gerührt, aber indem er entschlossen aufblickte und seine kleine Leidensgefährtin an sich zog, ich danke dir für deinen opfermutigen Vorschlag. Daß ich nicht bin, wie du mich zu wünschen ein Recht hast, das ists ja gerade, was mich nachdenklich macht. Ja dem Himmel sei 431 Dank, meiner Kräfte bin ich mir bewußt geworden, und ich sage nicht zuviel, wenn ich dir versichre: mit Don Boltraffio und seinen Hatschieren mich zu raufen, es wäre mir in diesem Augenblick ein wahres Gaudium. Meine Arme sind von herkulischer Beschaffenheit. Sie würden auch für die Arbeiten in unsrer Masseria ihre Schuldigkeit thun. An Verpachten meines mütterlichen Besitztums brauch ich also nicht mehr zu denken, und zwar um so weniger, als meine Klosterpläne mir allmählich ganz so abgeschmackt zu erscheinen beginnen, wie du sie immer schaltest. – Aber hier – er wies auf seine Stirn, da Fiammetta eben unbändig aufjubeln wollte –, hier ist mirs noch ganz bedenklich zu Sinn.

Teuerster Herr! rief Fiammetta, plötzlich errötend, indem sie ängstlich zu ihm emporsah und sich seinem Arme zu entwinden suchte.

Aber er hielt sie fest und schaute schweigend über ihr Haupt hinweg.

Da liegt das Meer, fuhr er endlich fort; drüben färbt sich der Himmel vom ersten Abglanz der noch tief unter dem Horizont stehenden Sonne rosig golden, und als wolle die ganze Natur uns eine freundliche Miene zeigen, hat sich auch das Wölkchen, das den Vesuv umkräuselt, jetzt völlig purpurn gefärbt. Glaubst du, Kind, daß ich mir nun, wie andre Menschen, einfach sagen kann: Das ist die schöne Gotteswelt mit Meer und Sonne und allen guten Gaben des Schöpfers? Nicht doch! Dank meiner Überbildung beschäftigt mich, seit wir dem Meere gegenüberstehn, unablässig die Erklärung, die Pythagoras sowohl dem Hochhalten und Ehren des Salzes als auch dem alten Herkommen gab, es als eine Mahnung an den Wert 432 der Gerechtigkeit auf den Tisch zu setzen. Jenes Hochhalten und dieses Herkommen, so pflegte er zu lehren, entspringen daraus, daß, wie die Gerechtigkeit, so auch das Salz alles behütet und erhält, und daß überdies das Salz aus dem Reinsten seinen Ursprung hat, nämlich aus der Sonne und der See. So lauteten die Worte des besagten Weltweisen. Aber was geht uns das an? Sage selbst, Fiammetta, was geht uns in diesem Augenblick Pythagoras an?

Bester Herr! flehte Fiammetta von neuem, da ihre Beklommenheit immer mehr zunahm.

Wenn ich nun weiter bedenke . . .

Nicht, nicht, bester Herr!

Wenn ich nun . . .

O nicht, nicht, teuerster, liebster Herr!

Ja freilich: Nicht! nicht! Aber wo ist eine Rettung von der Überfüllung des Kopfes, wenn sie jemand doch nun einmal unvorsichtigerweise mit sich vornahm? Oder soll ich dir sagen, was mich in diesem Augenblick der Reue über mein allzu fleißiges Studium wieder wie eine Mücke neckt und umtanzt? – Die berühmten drei Dinge, die Cato, wie er versicherte, bereuen würde . . .

Bester Herr!

Ja freilich: Bester Herr! Denn was geht mich Cato an? Nicht das Mindeste!

Gewiß, nicht das Mindeste?

Aber dennoch wiederhole ich mir: Das erste jener Dinge, die Cato bereut haben würde, wäre nach seiner Versicherung gewesen, einem Weibe ein wichtiges Geheimnis vertraut zu haben.

Laßts dabei bewenden, Don Adone!

433 Das zweite: einen Tag mit Müßiggehn verbracht zu haben.

Aber wenn nun Don Boltraffio inzwischen . . .

Das dritte: nach einem Orte, der zu Lande erreichbar war, zur See gefahren zu sein. – Dies letzte wenigstens hat mit unsrer gegenwärtigen Zurüstung einigen Zusammenhang, wennschon ich nicht mehr in betreff von Fährlichkeiten wie ehemals auf dem Standpunkte Catos stehe. Aber sage selbst, Fiammetta, nicht wahr, ich bin unverbesserlich?

Wie Ihr nur redet! rief Fiammetta, was Ihr Euch nur in den Kopf setzt!

Wenn du mich nämlich für ebenso unverbesserlich hältst, wie ich mir selber jetzt vorkomme, dann, wahrlich, weiß ich nicht . . .

Ihr habt mich zum besten, Don Adone!

Beileibe nicht!

Gewiß, gewiß!

Ich denke nicht daran.

Er hatte sie unwillkürlich an sich gedrückt, und Fiammetta, der, inmitten ihrer Angst um Don Adones Verstand, doch eine dunkle Ahnung aufgegangen war, daß ihr Herr mit ihr etwas ganz Unerhörtes vorhabe, glitt vor Schreck und freudiger Bestürzung aus seinem Arme und auf die Erde, halb, als wollte sie ihrem demütigen Gefühl genug thun, halb, als wollte sie sich in ihrer Beklemmung Luft schaffen.

In diesem Augenblick gab Donna Sirena durch Händeklatschen das verabredete Zeichen.

Komm, rief Don Adone.

Fiammetta hielt Don Adones Kniee umklammert.

Komm, bat er wieder und faßte ihre Hand, um die Zitternde emporzuziehn.

434 Wie könnte ich, Don Adone!

Wir dürfen den guten Pater nicht warten lassen.

Aber Ihr seht doch ein, daß es unmöglich ist!

Nur, wenn du mich so unerträglich findest, wie ich dies selber thue, Fiammetta.

Ach Gott, ach Gott! rief sie, ists denn wirklich Euer Ernst? Aber überlegts Euch doch! Bitte, bitte, noch fünf Minuten, bester Don Adone! Was habt Ihr denn von meiner armseligen kleinen Person?

Er hatte Fiammetta, indem sie so zwischen Weinen und Lachen redete, aufgehoben und trug die kopfschüttelnd sich fügende, als sei sie leicht wie ein Rosenblatt, nach der Seite des Pfarrhauses hinüber, ohne sich länger bei der Vorrede aufzuhalten. Hier unter dem Fenster stellte er Fiammetta auf die Erde, faßte ihre Hand und wies sie nun an, ehrfurchtsvoll nach dem alten Herrn hinaufzuschauen, der, zwischen zwei von Sibilla und Donna Sirena gehaltnen Kerzen hellbeleuchtet, mit der weißen Nachtmütze auf dem Kopfe aus dem Fenster herabschaute.

Halt! rief in diesem Augenblick Donna Sirena, das Beste hätte ich bald vergessen. Und sie verschwand vom Fenster.

Fangt immer an, Ehrwürden! bat Don Adone.

Geduld, mein Sohn, klang es zurück; auch ein löbliches Vorhaben soll nicht in Überstürzung begonnen werden. Pazienza! Pazienza!

Fiammetta schmiegte sich pochenden Herzens an Don Adone. Dieser sah sich mit mutiger Miene um. Die Sterne funkelten, das Meer rauschte, ambrosisch wehte es von den Citronen- und Orangengärten herüber. Fürchte nichts, sagte er, es kommt mir vor, als hätte ich einen ganz neuen Menschen 435 angezogen. Denn immerzu verlangts mich nach einer abermaligen Gelegenheit, um deinetwillen einen Kampf zu bestehn.

Während er so noch redete, kam Donna Sirena mit langsamem Schritt, halb abgewandt, heran. Ihre Hände schienen vollauf mit etwas beschäftigt zu sein, und daß sie diesen unerkennbaren Gegenstand liebevoll beäugelte, verriet die sich bald auf die rechte bald auf die linke Seite neigende Bewegung ihres Kopfes.

Nahe an Fiammetta herantretend wandte sie sich dann plötzlich ganz zu der bänglich zu ihr Aufsehenden, holte hinter dem Rücken einen duftenden Orangenblütenkranz hervor und drückte den landesüblichen Brautschmuck der Überraschten auf das krauslockige Köpfchen.

Ohne Fiammettas beschämte Dankesworte zu Ende zu hören, lief sie dann wieder in das Haus hinein, und gleich darauf erschien sie oben nochmals mit der brennenden Kerze in der Hand am Fenster.

Wenig Augenblicke später war das Jawort gegeben und der Bund eingesegnet.

Als Donna Sirena herunter kam und dem eben verbundnen Paare die Hände schütteln wollte, fand sie Fiammetta in Thränen aufgelöst an Don Adones Brust lehnen. Er selbst schaute beherzt auf das Meer hinaus und antwortete auf Donna Sirenas Gratulation, indem er für ihre Güte und Freundlichkeit dankte: Mir fällt ein köstliches Wort des Theophrastos ein; aber ich habe mir während der Trauung geschworen, die alten Weltweisen und ihre Aussprüche während der nächsten fünf Jahre nicht wieder in meinen Reden zu Worte kommen zu lassen, und ich halte meine Gelübde.

436 Don Adone mußte jetzt den Proviantkorb in das Schiff schaffen. Mit wenig watenden Schritten wurde dann auch Fiammetta von ihrem Gatten hineingetragen. Dort begann sie, verschämt abgewandt, sich mit dem Aufknüpfen der Segelreffbänder zu thun zu machen, während Don Adone der am Strande zurückgebliebnen auf deren Fragen nach allen ihr bisher vorenthaltnen Aufschlüssen nun ausführlichen Bescheid gab und zu den erstaunten Ausrufen seiner Zuhörerin und Ausfragerin herzlich lachte. Dabei wand er den schweren Anker ein, als sei es ein Kinderspielzeug.

Plötzlich hielt er inne.

Fiammetta, rief er, welches Unglück!

Was meint Ihr, bester Herr?

Die Tasche!

Die Zecchinentasche?

Sie ist fort!

Dem Himmel sei Preis und Dank!

Don Adone wandte sich ihr mit einem verwundert mißbilligenden Blicke zu.

Wenn ich dir auf diese tadelnswerten Worte, sagte er, mit der Strafrede Bescheid geben könnte, die Sokrates seinem Schüler . . .

Halt da! rief Donna Sirena ihm ins Wort fallend, und dann setzte sie hinzu: Nach allem, was ich über die verhängnisvolle Tasche hörte, Don Adone, möchte ich Euerm Weibchen beistimmen: Gut, daß sie fort ist! Aber wo ist sie geblieben? Hat sie Euch Don Boltraffio entwandt?

Nicht doch! widersprach Don Adone verächtlich; diesesmal vergingen ihm solche Gedanken schnell genug.

Don Adone, versetzte Fiammetta, ich weiß, wohin Ihr sie gethan habt. Denkt ein wenig nach! Hattet 437 Ihr sie nicht etwa von innen an Eure Kutte befestigt?

Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen! rief Don Adone und schlug beide Hände vor die Brust.

So mag Zecco sie doch wieder zur Stelle schaffen, sagte Donna Sirena.

Ich habe ihm alles, was ich auf dem Arme trug, geschenkt, versetzte Don Adone; kann ich als Ehrenmann zurückfordern, was ich verschenkt habe? Nimmermehr!

Gewiß nicht, bestätigte Fiammetta; das wäre mir überhaupt eine würdige Verwandte Don Nissunos, die sich auf Kosten eines armen Schwarzen bereichern möchte.

Mir ist der Name Nissuno schon vorhin aufgefallen, begann Donna Sirena von neuem; nachdem Ihr die Tasche verständigerweise verschmerzt habt, erlaubt mir die Frage: Hieß er wirklich so?

Don Nissuno hieß er, beteuerte Don Adone, aber mit dem Verschmerzen hat es, fürchte ich, gute Wege. Bedenkt . . .

Ich sehe, Ihr seid segelfertig, fiel ihm Donna Sirena ins Wort, und zwei glücklich Liebende, die der Welt aus den Augen kommen möchten, soll man nicht ohne Not aufhalten. Aber mir dämmert etwas, das ich doch noch in zwei Worten Eurer Erwägung anheimzugeben wünschte. In der Buntscheckigkeit Eurer Reiseerlebnisse das Ergebnis einer fein berechneten Schicksalsfügung zu erkennen, soweit will ich mich nicht versteigen. Man darf der Weltregierung nicht allzuviel Zeit und Interesse für jede ihrer Kreaturen zumuten. Wohl scheint mir aber nach allem, was Ihr mir soeben über die gute Signora 438 Trasi sagtet, diese treffliche Frau mit ihrer Testamentsverfügung ihre tiefgehenden Absichten verbunden zu haben. Daß Ihr die Welt bisher durch wunderlich gefärbte Gläser angesehen habt, Don Adone, das habt Ihr mir selbst gesagt. Durch Eurer Mutter eignes Verschulden wart Ihr ohne alle Selbständigkeit geblieben. Nun solltet Ihr plötzlich Herr von Haus und Hof werden und wußtet doch kaum, wozu der Himmel Euch mit Kräften ausgestattet hatte. Das mag sie in bedenklichen Stimmungen erwogen haben, und da hielt sie es denn für keinen übergroßen Einsatz in das Glücksspiel Eurer weitern Entwicklung, wenn sie ein Häuflein Goldmünzen mit Euch auf die Reise schickte. Dessen Bestimmung für eine Empfängerin, die keinerlei Ansprüche erheben konnte, stellte Eure Gewissenhaftigkeit auf die Probe. Der Schatz selbst aber mußte Euch, vor allem in dem Geleit, das sie Euch zugesellte, unfehlbar Plackereien auf den Hals ziehn, und auch dadurch gab sie Euch Gelegenheit, Euch über Eure eigne Tüchtigkeit klar zu werden. Denn wer führt einen Sack voll Zecchinen und ein hübsches, junges Dirnchen von Ort zu Ort und von Nachtlager zu Nachtlager, ohne sich seiner Haut wehren zu müssen? Das habt Ihr heut mit gutem Erfolg gethan. Und so, denke ich, braucht weder Ihr noch Eure kleine Begleiterin den Verlauf der Reise zu beklagen. Was aber Don Nissunos würdigste Nachkommin betrifft, so bedeutet, wenn ich unsre schöne Sprache recht verstehe, Nissuno wohl kaum etwas andres als »Keiner«, und das mystische Wesen löst sich also in blauen Dunst auf.

Madonna, sagte Don Adone, der mit weit offnen Augen und noch weiter offnem Munde der langen 439 Standrede zugehört hatte, ist das die Frucht meiner Bekanntschaft mit so vielen weisen Männern des Altertums, daß Ihr, eine kaum in die Sache Eingeweihte, mich und meinen Witz auf so einfache Weise aus dem Sattel hebt?

Ich muß es Euch überlassen, diese Frage selbst zu beantworten, versetzte Donna Sirena; auf alle Fälle aber ist es tröstlich, dächte ich, ein Rätsel in solcher Weise lösen zu sehen, daß die vermeintlichen Schrullen einer Mutter sich in Maßnahmen treuer mütterlicher Vorsorge verwandeln.

Eccellenza, rief Don Adone, Ihr setzt Euerm Werke selbst die Krone auf. Wenn die Erinnerung an die Herbheit meiner seligen Mutter gegen Fiammetta mich nicht noch bekümmerte, so würde ich in diesem Augenblick ganz glücklich sein.

Ich vermesse mich nicht, für alles eine freundlich begütigende Auslegung zu haben, erwiderte Donna Sirena, aber in Eurer Stelle würde ich mich bei dem Gedanken beruhigen, daß, wie Ihr mir sagtet, Signora Trasi der sogenannten Welt gern eine Nase drehte, daß sie also für gut finden mochte, wie gegen Euch so auch gegen Fiammetta mit ihren wirklichen Gefühlen Verstecken zu spielen, und daß sie Euch schwerlich ein so schönes Kind mit auf die Reise gegeben hätte, wenn ihr Wunsch nicht gewesen wäre, aus der Leidensgenossin auf dieser kurzen Wanderschaft eine Freudengenossin für die Lebensreise werden zu sehen.

Eccellenza, rief Don Adone, außer sich vor Entzücken, und schwang eins seiner runden Beine über Bord, um noch einmal ans Land zu waten, ich muß Euch wahrlich die Hand drücken. Nur macht mir mein 440 Mädchen nicht eitel. Schön nennt Ihr sie? Was ist Schönheit, Eccellenza? Nach Aristoteles zwar ein Geschenk des Himmels, nach Platon ein Vorzug der Natur, nach Karneades ein ohne Waffen herrschendes Reich, und nach Zenon gar eine Blume der Tugend; hingegen nach Sokrates eine kurz dauernde Tyrannei, nach Theophrastos ein stillschweigender Betrug, und endlich nach Theokritos gar ein ansteckender Schaden.

Er schlug sich erschrocken auf den Mund und zog zugleich das Bein wieder in das Schiff hinein, denn Fiammetta hatte, während sie dieser langen Auseinandersetzungen mit Kopfschütteln und lächelnd lauschte, stetig fortgewerkelt, und das vom nächtlichen Landwind gefüllte Segel begann plötzlich das Schiff ins Meer hinaus zu treiben.

Wer wird am Steuer sitzen? fragte Don Adone, als auch das Tücherwehn vom Lande und vom Schiffe herüber und hinüber bald darauf ein Ende hatte, und die Umrisse der Küste den Blicken der Eingeschifften zu entschwinden begannen.

Von nun an, dächte ich, einzig Ihr, sagte Fiammetta.

 

 


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