Robert Waldmüller (Charles Edouard Duboc)
Don Adone
Robert Waldmüller (Charles Edouard Duboc)

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Vierundzwanzigstes Kapitel

Es war fast Nacht, als Fiammetta mit ihrer Eskorte unbemerkt von der Straßenbevölkerung am Kloster anlangte, denn zu dem Kloster konnte man durch eine Reihe der schmalen, häuserlosen und zumeist menschenleeren Gassen gelangen, die sich ja zwischen den Mauern der Orangenplantagen am ganzen Golfufer hinziehn.

Einer der Sbirren schellte; dann öffnete sich ein vergittertes Guckfenster in der ungeheuerlichen eisenbeschlagnen Klosterthür, und eine Weiberstimme gab unwirsch auf die Meldung des Sbirren die schmälende Antwort, man störe sie gerade bei ihrem Nachtsüppchen; il Diavolo möge die sämtlichen Sbirren holen.

Endlich, nachdem diese derben Bescheid gegeben hatten, rasselten dennoch die Schlüssel; es wurden Riegel zurückgeschoben, und die kleine Schlupfthür der mächtigen Pforte that sich knarrend auf.

Fiammetta hatte während des ganzen Weges auf eine Gelegenheit zur Flucht gespäht, denn die Sorge um Don Adones Verbleiben begann sie mehr zu 332 ängstigen, als ihre Neugier wegen der Nonnen sie reizte. Ehe sie sich aber dessen versah, hatten ihre drei Trabanten sie in die Thüröffnung hineingeschoben, und jetzt stand sie, nachdem diese abmarschiert waren, im halbdunkeln, muffig riechenden Thorweg des Klosters.

Die nun sichtbar werdende spindeldürre und einäugige alte Thürschließerin trug eine schwarze Kutte, die um die Hüften durch einen dunkeln Lederriemen zusammengehalten wurde. Kopf und Nacken waren von einem weißen gesteiften Leinentuch umhüllt. Mit einem angebissenen Brot in der Linken stand sie eine Weile der Eingetretnen gegenüber, während ihre zahnlosen Kinnladen fleißig arbeiteten; sie hatte die gewichtige Eisenlaterne hoch erhoben und musterte mit dem unliebsamen Blicke ihres einen Auges die fremde Ordensschwester.

Also Klarissin? schnurrte sie dann heisern Tones, indem sie sich mit ihrem groben schwarzen Tuchärmel den Mund wischte; hätte mirs denken können! Das prahlt mit seiner strengen Observanz, mit seinen Geißelungen, mit seiner »Demut Unsrer Lieben Frau« und rühmt sich, vor lauter Andacht und Gebet weder zur Krankenpflege noch zum Unterricht Zeit zu haben, wie wir andern, die den sichern Weg zum Himmel noch nicht gefunden haben; per il Santo Diavolo! und dabei läßt sichs wie nichtsnutziges Vagantenvolk auf der Landstraße aufgreifen! Gaglioffaccio! Gaglioffaccio!

Mütterchen, wollte Fiammetta begütigen, Ihr seid ja auch in Eurer Jugend wohl einmal in die Irre geraten . . .

333 Aber schon bei dem ersten Worte schlug die Alte ein bösartiges Lachen auf und sprudelte eine Menge Reden, von denen Fiammetta nur so viel verstand, daß ihr klar wurde, sie habe sich nicht unschicklicher ausdrücken können. Nun meinetwegen, fuhr die Alte endlich fort, auf ein räudiges Schaf mehr oder weniger kommt es uns auch hier nicht an; spaziert nur pian piano voraus. Unsre Äbtissin – Gott vergelt ihrs im purgatorio! – ist keine Kostverächterin in solchen Dingen; die wirds Euch Dank wissen, wenn Ihr haarklein erzählt, wies heutzutage bei denen von der strengen Observanz hergeht. Nein nein, ich spaße nicht! Sie ist eine von den sogenannten instrutti. Damit hat sie mich ja Anno Dazumal, als die Schwester Sofonisbe wegen Kränklichkeit ihr Amt niederlegte, und man mich zur Äbtissin machen wollte, aus dem Felde geschlagen; denn auch bei uns beginnen kuriose Geister ihr Wesen zu treiben. Aber dafür hab ich mich zur Pförtnerin machen lassen, und nun paß ich der ganzen Sippe auf den Handel. So lange mir die Madonna das Leben läßt – sie bekreuzte sich und knickste –, werden sie mich nicht wieder los. Bibiana heiß ich, wenn die Äbtissin Euch vielleicht von meinen Aufpassereien reden sollte, Bibiana, hört Ihr? Orsù! per San Cristallo, va bene, va benone!

Während sie so keifte, schwatzte und wiederkäute, hatte sie ihre doch fast beklommne Zuhörerin aus dem Thorwege, wo die Alte ihr Schmälen begonnen hatte, fort und über ein Dutzend ausgetretner Steinstufen treppauf geführt.

Bleibt hier einen Augenblick stehn, sagte sie, indem sie ihren Ton respektvoller dämpfte; ich dachte, 334 man sei mit dem Pokulieren endlich fertig, aber affè di Dio! man sitzt noch immer wohlgemut im Refektorium.

Desto besser, dachte Fiammetta, denn seit sie mit Don Adone in dem grünen Versteck an der Heerstraße Feigen gegessen hatte, war schon manche Anwandlung von Flauheit nur mit Mühe durch sie bekämpft worden, und sie hoffte ernstlich, daß man sie nicht ohne einige Leibesstärkung neuen Drangsalen preisgeben werde.

Inzwischen öffnete Bibiana leise die der Treppe gerade gegenüberliegende Thür des Refektoriums, und Fiammetta sah in einen großen, luftigen, aber durch Ampeln nur sehr ungenügend erleuchteten Saal. Die an den geweißten Wänden hängenden dunkeln Schildereien – Darstellungen aus dem Leben der heiligen Ursula – waren ebenso tief in Schatten gehüllt, wie die zahlreichen Nonnen, die an den langen Tischen saßen; doch interessierten Fiammetta auch weder die Bilder noch die Nonnen, umsomehr dagegen die drei in der Mitte des Saales in Hufeisenform stehenden Speisetafeln selbst, denen zwar jede Art von Tischtuch fehlte, auf denen aber in zinnernen Schüsseln noch große Mengen Brot und Käse lagen, nicht minder Früchte, wie die Jahreszeit sie mit sich brachte. Ihr nächster Blick galt dann allerdings wenigstens der Zahl der auf diese wünschenswerten Dinge noch Anspruch habenden. Es waren ihrer etliche vierzig. Sie saßen an den äußern Seiten der Tafeln auf rohen Pinienholzbänken, schienen zumeist wohlgenährt und nicht mehr jung zu sein und trugen sämtlich die nämliche schwarze Nonnentracht wie Bibiana, Kopf und Nacken mit dem weißen Tuche bedeckt, das bis auf 335 die Brust herabreichte und Stirn, Kinn und Wangen fast ganz einrahmte; einen dunkelfarbigen Lederriemen, dessen langes Ende bis nahezu auf den Boden herabhing und nicht viel harmloser aussah als Fiammettas eigne Knotengeißel, hatten sie um die Hüften.

Als die Tafelnden die Eintretende gewahrten und den Bericht vernahmen, den Bibiana der im Kernschatten einer Ampel sitzenden für Fiammetta nicht erkennbaren Äbtissin über den mündlichen Auftrag der Sbirren abstattete, erhoben sich die meisten neugierig von ihren Sitzen, wobei hier eine Bank umgeworfen, dort auf einer gekniet wurde, während einige bequemlichere, sitzenbleibend und ihre Eßthätigkeit nicht unterbrechend, von weitem dem Schauspiel zusahen und sehr vereinzelt auch wohl hie und da eine schon mit ihrem Gebetbuch beschäftigte sich um den Vorgang gar nicht kümmerte. Zwei ganz junge Nonnen oder Novizen hockten traurig selbander im Winkel. Eine schwerhörige Greisin ließ sich von ihrer Nachbarin die Worte der Pförtnerin wiederholen, wobei sie eine Prise nach der andern verschnupfte. In der Vertiefung des einen der Fenster, nahe bei Fiammetta, stand eine zwergartig verwachsene, aber mit edeln Zügen ausgestattete Nonne und zeigte, während sie halben Ohrs dem Bericht zuhörte, einer über ihre Schulter schauenden, sehr sanft redenden und beifällig nickenden jüngern Nonne kleine Heiligenbildchen, die die Bucklige koloriert haben mochte. Aber beide schienen sich nur aus Schonung das Ansehen zu geben, als nähmen sie von dem Vorgange keine Notiz. Denn besonders die jüngre Nonne sah öfter mit ihren sanften Augen verstohlen nach der unglücklichen Gefangnen hinüber.

336 Fiammetta war auf Befehl Bibianas an der Thür stehn geblieben. Ihr ward durchaus unbehaglich zu Mute.

Tritt näher, hörte sie sich jetzt in ernstem, aber wohlthuend klangvollem Tone von der im Dunkeln sitzenden Äbtissin angesprochen, und sich zu möglichst nonnenhafter Miene zwingend, begab sich Fiammetta demütig gesenkten Hauptes innerhalb des Tafelhufeisens durch die Reihen der gaffend herandrängenden Ordensschwestern dahin, woher das Gebot erklungen war. Zwei Nonnen hatten inzwischen Wachskerzen angezündet; sie stellten sich damit, wie dies bei solcher Veranlassung herkömmlich sein mochte, zur Rechten und zur Linken der Äbtissin.

Als Fiammetta dem Tischplatz der letztern gegenüber angelangt war und klopfenden Herzens die Augen aufschlug, sah ihr eine vergnüglich wohlwollende Miene entgegen. Die Äbtissin – etwa fünfundvierzig Jahre alt – hatte muntere graue Augen, ein angenehmes, rosiges Gesicht und wohlgebildete rundliche Hände. Eine davon hielt den Zettel, den die Eskorte als Begleitschein der Delinquentin mitgebracht hatte, die andre knetete Brotkügelchen, deren schon ein großer Haufen neben den Nuß- und Orangenschalen ihres Tellers beisammen lag.

Dann hob sie wieder in einem Tone an, dessen feierlicher Ernst wenig mit ihrer heitern Miene übereinstimmte:

Beata! unsre Trauer um dich, Unglückliche, sucht vergebens nach Worten, die ihrer Größe entsprechen. Wie! Durch die unbeschreibliche Gnade des Himmels auf den Weg geführt, der die ewige Seligkeit gewährleistet; von den Verführungen des Weltlebens 337 glücklich gesondert; in die läuternde und adelnde Gesellschaft heiliger Frauen aufgenommen; durch kein böses Beispiel versucht; durch tägliche Gebetübungen gegen die beirrenden Einflüsterungen des Bösen gesichert; wie, Beata, in so gebenedeiter Lage verlebtest du deine Tage, und doch ließest du den Teufel Gewalt über dich gewinnen?

Die Äbtissin hielt inne und ließ ihre muntern grauen Augen im Kreise wandern; Fiammetta mußte Don Adones gedenken, und wie sehr ihn wohl diese feierliche Erwähnung seines argen persönlichen Feindes aus der Fassung gebracht haben würde.

Vernehmt alle, fuhr die Äbtissin fort, mit welchen Schlingen und Fallstricken Satan denen nachstellt, die er als nicht stark genug erkannt hat, sich ihm auf die Dauer zu entziehn. Diese Beklagenswerte . . . und nun erging sie sich fast eine Viertelstunde lang in salbungsvollen Betrachtungen über die beschämend unwürdige Lage der Sünderin, die, so schloß sie, meiner strengen Hut überwiesen worden ist, und die wir in ihrer Reue nachdrücklich zu bestärken und zu befestigen haben. Ihr, meine Schwestern, durch eure Fürbitte, ich durch Auferlegung strafender Bußübungen.

Auf ein Zeichen der Äbtissin bedeutete Bibiana nun der scheinbar möglichst zerknirscht dastehenden Büßerin, sie möge sich in den Staub werfen, was Fiammetta auch mit gutem Anstande that.

Hierauf sprach eine der ältern Schwestern ein lateinisches Gebet, in das die andern singend mit nicht unlieblich klingenden Responsorien einstimmten.

Endlich wurde wieder alles still, und nur ein fernes traurig tönendes Glöckchen, an dessen bis 338 in das Refektorium reichendem Strang eine der jüngern Nonnen zog, setzte die feierliche Prozedur klagend fort.

Als auch das Glöckchen verstummte, erhob sich die Äbtissin und sagte, indem sie sich zu Fiammetta über die Tafel hinüberbeugte: Folge nun unsrer Schwester Tommasa, Beata, und laß deinen Arm nicht müde werden, die Geißel zu schwingen, damit du morgen vor diesen deinen dich trauernd umstehenden Schwestern den Ernst deiner Reue durch blutige Zeugenmale erhärten kannst.

Hierauf wurde Fiammetta, die bei den letzten Worten nicht übel Lust gehabt hatte, durch einen energischen Protest aus der Rolle zu fallen, mit Hilfe zweier Schwestern wieder auf die Füße gestellt und dann unter Absingung einer Litanei aus dem Refektorium hinausgeleitet.

Tommasa, eine handfeste, herkulisch gebaute Vierzigerin mit breiten Backenknochen und fast platter Nase, bemächtigte sich von hier an der weitern Führung Fiammettas und brachte sie, nachdem Fiammetta mit ihr einen langen, ausreichend erleuchteten Korridor schweigend durchwandelt und aus ratloser Beklemmung über jeder Thür der auf den Korridor mündenden Zellen den Namen der darin wohnenden Nonne abgelesen hatte, in eine matt erleuchtete, stark vergitterte letzte Zelle, die Geißelzelle.

Hier erst mochte sich das vorschriftsmäßige Schweigen der Kontrolle entziehn. Die Profoßnonne setzte sich breitspurig auf ein streckbettartiges Gestell, dessen rötlichbraune Punktierung die Delinquentin sehr unangenehm anmutete, zumal als Tommasa es spöttisch »unser Rosenbeet« nannte. Dann fragte die 339 Profoßnonne lakonisch: Ausgebrannt, wegen Verliebtheit, per innamoramento? olà? eh!

Diese wenig klosterziemliche Frage gab Fiammetta einigermaßen ihre gute Laune wieder.

Versteht sich, sagte sie, aus keinem andern Grunde bin ich davongegangen; und, so Gott will, find ich auch schon wieder ein Loch zum Entschlüpfen.

Und daraus machst du jetzt auf einmal kein Hehl, nachdem du eben erst die demütigsten Grimassen geschnitten hast?

Ich hoffte, versetzte Fiammetta, indem sie mit kläglicher Miene auf ihren Magen wies, der Lohn würde nicht ausbleiben. Ich bin ausgehungert wie der Pfarrer, wenn er die Messe schließt. Nun, wo ihr meinen Magen knurren laßt, mögt ihr auch hören, was euern Ohren weh thut.

Dort im Winkel stehn Wasser und Brot, sagte Tommasa, aber in unserm Wasser haust allerlei Getier, und das Brot ist etwas hart, denn sogar die Mäuse haben ihre Zähne zu lieb, als daß sie sich daran wagten.

Fi! Fi! rief Fiammetta, indem sie zusammenschauderte, mir wird schon übel, wenn ich nur an den Geruch von Mäusen denke. Lieber will ich verhungern, als von eurer Gefängniskost einen Bissen anrühren. Der abscheuliche Marchese! Warte! dem will ichs noch einmal sagen, was ich von ihm halte.

Vor Verdruß füllten sich ihre Augen mit Thränen.

Du jammerst mich, sagte Tommasa.

Und wie wird mein armer Herr bei solcher Kost erst abfallen, rief Fiammetta, die Hände ringend.

340 Von wem redest du?

Ach geht, ich möchte dieses ganze Nest hier in Brand stecken, wenns nur brennen wollte!

Du bist eine Thörin, sagte Tommasa.

Fiammetta lehnte sich zornig gegen die Wand und begann heftig zu schluchzen.

Wenn du Verstand annehmen wolltest, sagte Tommasa nach einer Weile, da sollte es mir auf ein paar Worte guten Rates nicht ankommen. Aber du beträgst dich wie ein ungezognes Kind. Hat man je etwas einfältigeres gehört als dein Prahlen: du wolltest dem Marchese Carraccioli den Text lesen? So mag der Frosch quaken, den der Storch im Schnabel hat, aber der Storch verschluckt ihn trotzdem. Ich habe, als ich noch die schöne Angelina von Ravello hieß, in einem Sommer drei Freier abgewiesen, drei! Lauter Bursche, die jetzt unter ihrem eignen Dache schlafen und sich Festtags mit Weib und Kind in Sammet und Seide zeigen. Hernach wars plötzlich mit den Anträgen alle. Ich hatte den Mund zu voll genommen und konnte nun sehen, wo ich unterkam. – Duck dich beizeiten, kleiner Trotzkopf. Es giebt schlimmere Äbtissinnen und blutdürstigere Profoßnonnen, als du sie hier gefunden hast.

Fiammetta hatte bei dem Zitieren der schönen Angelina durch ihre Thränen nach der immer noch breitspurig auf dem Rosenbeet sitzenden und die Füße schaukelnden Riesin hinüberschielen müssen. Sie besann sich, daß es freilich unnütz war, gegen den Stachel zu löcken. So gebt mir denn doch Eure Ratschläge, sagte sie, ihres Schluchzens allmählich Herr werdend; wozu sonst das viele Gerede! Ich möchte wissen, wie mirs schlimmer hätte ergehn können, 341 man müßte denn gleich mit dem Kopfabschlagen angefangen haben!

So höre! Tommasa schlug die Beine übereinander und stützte ihr fast bärtiges Kinn in die Hand.

Zunächst: füge dich. Wir sind eben nur Menschen, haben dich in unsrer Gewalt und können sie, wenn du uns ärgerst, mißbrauchen.

Fiammetta seufzte. Ich glaube, du hast Recht, sagte sie kleinlaut.

Demnächst: beweise, daß du dich in der That fügst, indem du endlich mit dem beginnst, um dessen willen wir hier sind. Ich verspreche dir, sobald das geschehn ist, soll auch für deine Sättigung gesorgt werden. – Sie löste ihren Geißelriemen vom Leibe, erhob sich und wies mit der schwieligen Hand auf das Streckbett.

Fiammetta war zurückgefahren und dann in den fernsten Winkel geflohen. Ich lasse mich nicht schlagen, schrie sie, lieber renne ich mir an dieser Wand den Kopf ein oder sterbe Hungers. Sie bebte an allen Gliedern.

Wer will dich denn schlagen? lachte Tommasa. Bist du ganz närrisch? Meinst du, mir läge daran, dir die Arbeit abzunehmen? Nicht mal meine Geißel will ich dir aufdringen. Nimm die eigne. Hast doch als Klarissin, wenn anders bei euch alles seinen gewiesenen Gang ging, schon oft genug mit ihr zu thun gehabt. Aber länger gebe ich dir nun nicht gute Worte, setzte sie ärgerlich hinzu; du hilfst dir selbst, oder ich helfe dir; wähle – es wird sonst nicht das erstemal sein, daß Tommasa kurzen Prozeß macht.

Sie wartete mit mehr geduldiger Gutmütigkeit, 342 als ihre harten Worte erraten ließen, auf deren Wirkung und wollte sie eben in milderer Umschreibung wiederholen, da Fiammetta vor Angst die Sprache verloren hatte, als mit leisem Finger an die Thür geklopft wurde.

Eine der jüngern Nonnen, ein zartes, schmächtiges Wesen mit sanften Zügen, dieselbe, die vorhin die kolorierten Bildchen gemustert hatte, trat über die Schwelle.

Ich soll die Schwester Beata, sagte sie – und der armen Fiammetta war es, als rede ein Engel –, zur Äbtissin hinüberbringen.

Ehi! tanto meglio! desto besser! rief Tommasa, indem sie ihre aufgestreiften Ärmel wieder hinabstrich; mag die Äbtissin selbst sehen, was sie mit diesem zarten Pflänzchen anfängt.

Folge mir, Beata, sagte die sanfte Nonne.

Und Fiammetta gehorchte mit freudigem Aufatmen. 343

 

 


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