Robert Waldmüller (Charles Edouard Duboc)
Don Adone
Robert Waldmüller (Charles Edouard Duboc)

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Siebenundzwanzigstes Kapitel

Seid Ihrs, ehrwürdiger Frate? hörte sich Don Adone wenig Minuten später im Dunkel eines Rebenlaubgangs plötzlich leise angesprochen. O, recht! ich erkenne den Burnus meiner guten Tante. Aber was hat sie Euch wegen Beatas gesagt? was wird aus Eurer armen Reisegenossin?

Aus einem Kiosk, an dem der rotverhüllte Mönch eben seine Schritte hatte vorüberlenken wollen, war so redend dasselbe junge Mädchen herausgehuscht, dessen hellklingendem Stimmchen Don Adone vorhin die wenigen Einblicke in das draußen zu Ippolitos und Beatas Gunsten geplante verdankt hatte.

Signorina, sagte Don Adone, seid Ihr etwa selbst die junge gutherzige Dame, die für Beata sorgen wollte?

Die bin ich freilich, antwortete die Angesprochne, aber die Horazeit rückt heran, und meine Mutter will noch immer nichts von einer auffälligen Überlistung meines Papas wissen, und ich habe noch so gut wie nichts vorarbeiten können. Dabei sitzt aber die Tante jetzt hinter Schloß und Riegel, während 373 sie doch die einzige ist, die zu so später Stunde auf Grund ihres vertrauten Verhältnisses zu der Äbtissin der Ursulinerinnen sichs wohl herausnehmen könnte, die Ruhe Bibianas, der Pförtnerin, zu stören. Was soll nun werden, Fra Ippolito, ich frage Euch: Was soll nun werden?

Und Ihr seid in dem Wahne, Signorina, sagte Don Adone, Eure Tante würde auch Beaten heraushelfen wollen? Da irrt Ihr Euch leider.

Sie hatte keine Lust dazu, ich weiß es. Aber sie ist von sehr wechselnder Laune; wenn ich sie recht gebeten hätte, da würde sie es doch gethan haben.

Ich sehe, sagte Don Adone, Euch darf ich nichts verschweigen. Und er erzählte ihr einen guten Teil dessen, was Sirena zu Ungunsten des weiblichen Geschlechts geäußert hatte, und wie sie, um ihn von Beata zu trennen, den Plan gefaßt habe, ihn mit sich ins Gebirge zu nehmen.

Dolcebona schüttelte mißbilligend den Kopf. Das ist nicht recht von der Tante, sagte sie; wie mag sie euch zwei trennen wollen! Das ist gar nicht recht von der Tante. Aber sie kommt ja überhaupt für Beatas Rettung nicht mehr in Frage.

O doch, versetzte Don Adone, mindestens hat sie mich genau informiert, wie ich ihr heraushelfen soll. Ich warte nur auf das Einschlafen des Schließers. Denn wenn ich ihre Ansichten auch nicht billige, Wort halten werde ich ihr.

Ihr meint also, es stehe bei Euch, das Gefängnis wieder zu öffnen? fragte Dolcebona lächelnd; da seid Ihr ganz im Irrtum. Und zwar weiß ichs leider nur allzu gewiß. Ich stehe hier seit einer Viertelstunde im Hinterhalt und habe bei dieser Gelegenheit 374 das ganze Rätsel, warum uns der böse Papa so ruhig gewähren läßt, herausgebracht. Da oben auf dem Altan hat er alles beobachtet; mich, die Mama, die Tante hat er komplottieren hören und sich dabei über uns wahrscheinlich höchlich lustig gemacht. Zuletzt mags ihm mit der guten Tante zu bunt geworden sein, und da habe ich ihn den Griso instruieren hören: die Tante bleibe bis zum Morgen eingesperrt; dafür sei ihm Griso ohne Gnade verantwortlich. – Wenn der Papa solche Worte gebraucht, da, könnt Ihr denken, sieht sich Griso schon vor.

Don Adone wurde sehr nachdenklich. Ihr glaubt nicht, Signorina, sagte er, wie wenig mein armer Kopf den Verlegenheiten gewachsen ist, die immer von neuem und in einer sich steigernden Weise auf ihn einstürmen.

Begleitet mich nach der Marina hinab, bat Dolcebona. Ihr werdet unterwegs Zeit haben, Euch von der im Gefängnis bestandnen Aufregung zu erholen.

Ich muß Euch kaum sehr männlich vorkommen, versetzte Don Adone, indem er dem Fräulein behutsam folgte, aber wenn Ihr wüßtet, wie wenig ich bis vor kurzem von der Welt gesehen habe, und wie bunt und toll es seitdem, wo immer ich hingeriet, zugegangen ist! Der Verstand möchte einem still stehn!

Dort sieht man im Sternenlicht schon den Strand, sagte Dolcebona.

Gewiß läge es mir jetzt ob, etwas ungemein Heldenhaftes anzustiften, spann Don Adone im Tone beklommenster Ratlosigkeit weiter, aber Ihr könnt mir aufs Wort glauben, ich bin in solchen Augenblicken wie auf den Kopf gefallen. Und nun soll ich 375 auch noch an meiner Retterin, Eurer Tante, zum Wortbrüchigen werden! Das kommt mich schwer an.

Wenn Ihr doch aber nicht anders könnt, Fra Ippolito!

Wenn ich nicht anders kann? Ja gewiß, so sieht es aus; aber wer steht mir dafür, daß ich wirklich nicht anders kann? Wo ist der Beweis? Wenn Euer gütiger Vater mich entschlüpfen ließ, nachdem er mich doch eingesperrt hatte, warum soll er nicht auch Eure Tante durch mich befreien lassen, nachdem er sie zu seiner Belustigung hinter Schloß und Riegel geraten ließ? Es wäre doch wohl meine Pflicht, wenigstens den Versuch zu wagen.

Und Ihr klagt Euch an, nichts Heldenhaftes anstiften zu können! sagte Dolcebona; seid froh, wenn Euch mein Vater aus den Augen verliert, Fra Ippolito; noch wissen wir nicht, ob nicht ein bloßes Mißverständnis mit unterlief.

Don Adone schwieg und ließ sich gefallen, daß Dolcebona ihm, während sie rascher ausschritt, eine Anzahl übel ausgegangner Fälle aufzählte, die die Schwierigkeit der Stellung des Governatore klar machen sollten. So steht es, schloß sie; bei der Tante will ich Euch schon rechtfertigen; sie ist leicht versöhnlich, trotz aller ihrer Härten. Wir haben jetzt an ganz andres zu denken.

Es wurde von neuem in beschleunigtem Tempo ausgeschritten. Nach einer Weile sagte Don Adone: Ich habe irgendwo gelesen, die Gewissenhaftigkeit sei die Stärke der Schwächlinge. Ihr haltet mich vielleicht für einen solchen, und nach dem, was ich Euch über meine gegenwärtige Verfassung gesagt habe, wäre ich wohl selbst schuld daran. Aber dem Himmel sei 376 Dank, diese Auslegung träfe doch nicht das Rechte. Leider bin ich durch ein Gelübde gebunden und darf Euch nicht in mein ganzes Geheimnis einweihn. Sollte ich aber je Euch im Leben wieder begegnen, so werde ich Euch alles ausführlich erzählen, denn anders als durch die vollständigste Aufrichtigkeit kann ich Euch ja doch nicht lohnen. Seid dann nur so gut und fragt mich, warum bei einer gewissen Bestattung auf ein schwarzes Kätzchen Jagd gemacht wurde; was es ferner für eine Bewandtnis mit einem entsetzlichen Spektakel hatte, der im Albergo der Signora Spinacci nachts das Unterste zu oberst kehrte; was es bedeutet, daß ein Doppelgänger plötzlich im Morgenschimmer vor einem gewissen Jemand stand, und welcher Art der Dornbusch und die Nesseln waren, in die man ihn boshaft hineinhetzte; fragt nach der geängstigten Niccolosa, nach der schönen Capriccia, nach der ahnungsvollen Pomponia.

Dolcebona hütete sich zu antworten, denn wenn sie noch mehr solcher Irrereden unversehens aus dem augenscheinlich kaum seiner Sinne mächtigen herauslockte, da, wußte sie, würde die Furcht über sie Herr werden.

Laßt das, Fra Ippolito! bat sie; jetzt liegt uns ja einzig Beatas Befreiung noch am Herzen. – Sie entwarf rasch einen Plan, der die erhoffte Hilfe der Tante aus dem Spiele ließ, sich dagegen auf das stützte, was sie kurz zuvor auf ihrem Rückweg von der Marina, während eines flüchtigen Einsprechens bei der ihr gewognen Bibiana, ermittelt hatte. Und zwar zunächst der Aufenthalt Beatas. Diese war bis zum Horaläuten zu zwei andern Nonnen in die sogenannte Strafkammer verwiesen worden.

377 Die Strafkammer pflegt nicht verschlossen zu sein, fuhr Dolcebona fort, und sie zu finden, wenn wir nur erst glücklich bei Bibiana vorbei sind, ist keine Hexerei; auch wird dort ohne Aufsicht gearbeitet. Sie wies auf ein in der Ferne weißlich in den Nachthimmel hineinragendes hochgelegnes Gebäude, dessen zum Teil erleuchtete Fenster sie mit genauer Lokalkenntnis als zu den Zimmern der Äbtissin, den Zellen der einzelnen Nonnen, dem Refektorium und der Strafkammer gehörig in solcher Weise aufzählte, daß sich sogar Don Adones ungeübter Ortssinn das Wie und Wo der Gänge und Treppen ohne Mühe klar machte.

Daß er selbst an dem nächtlichen Einbruche teilnehmen zu sollen schien, versetzte natürlich dem eben erst der Haft entronnenen Don Adone einigermaßen den Atem, und er wagte deswegen eine schüchterne Frage.

Ich hatte mirs zuerst freilich anders gedacht, antwortete Dolcebona. Die Tante steht mit der Äbtissin sehr gut, und da Madonna Sirena oft von plötzlichen Einfällen behelligt wird, die dann Gewalt über sie gewinnen, bis sie im Hause nicht mehr ausdauert, so kommt es wohl vor, daß sie noch spät nach Ave-Maria nach dem Kloster hinüberläuft, wo sie dann stundenlang mit der Äbtissin oder auch mit der alten Sofonisbe allerhand uns andern unverständliche philosophische Fragen durchspricht. Bibiana murrt zwar dazu, sie bekommt aber von Zeit zu Zeit kleine Geschenke von der Tante und läßt sich deshalb die Störungen nicht allzusehr verdrießen. Ihr begreift nun, was Euch obliegt. Zunächst schmuggle ich Euch als meine Tante an Bibiana vorbei. Dann habt Ihr kurzweg Beata aus der Strafkammer abzurufen, sie in den großen roten Burnus zu hüllen und Sorge zu 378 tragen, daß sie, so vermummt, mich wieder bei Bibiana abhole, die ich mit allerhand Geschichtchen und Schnurren schon vollauf zu beschäftigen hoffe, und die während des Wiederaufschließens keinen Augenblick Zeit haben soll, sich um die vermeinte Tante zu kümmern. Auf diese Weise bringe ich Beata mit Gottes Hilfe wohlbehalten ins Freie.

Und ich bleibe drinnen? rief Don Adone.

Ja so! gab Dolcebona bedenklich zur Antwort; ich dachte an die Tante und nicht an Euch.

Man würde mich drinnen zerreißen!

Auf alle Fälle möchte ich nicht an dem Aufruhr schuld sein, der unter den friedlichen Nonnen entstehn müßte, wenn sie plötzlich einen Mann in ihrer Klausura entdeckten. Ach! rief sie, stehenbleibend, warum muß es nur Steckbriefe und Häscher geben! Ob Ihr und Beata jedes für sich in einem Kloster Eure Tage vertrauert, oder ob Ihr wie der böse Papa und die gute Mama bei einander wohnen und Euch lieb haben dürft – kann das unsern Vizekönig irgendwie kümmern? Ich habe ihn drüben in Neapel gesehen; er ist ein ganz lieber Herr, und auch die Frau Vizekönigin strahlt ordentlich vor Herzensgüte. Ihnen fehlt nichts. Wie sollten sie denn wohl etwas dagegen haben, daß auch andre ein klein wenig glücklich sind? – Aber kommt jetzt, schloß sie und stieg hurtig hügelan. Besser, als in diesem Augenblick, paßt es doch nicht wieder. Ich weiß auch schon, wie Ihr zugleich mit Beata wieder hinauskommt, vorausgesetzt, daß Beata nicht zu groß ist.

Don Adone stieg ihr keuchend nach.

Sie ist im Gegenteil sehr winzig, sagte er.

Desto besser.

379 Und Dolcebona entwickelte rasch die Vervollständigung ihres Plans, wobei sie so guter Dinge wurde, daß Don Adone selbst nicht umhin konnte zu lachen. Der Gedanke, mit Fiammetta nicht Katze und Maus spielen zu müssen, that ihm ungemein wohl.

Um aller Heiligen willen, flüsterte Dolcebona, seid jetzt auf Eurer Hut und laßt vor allem Eure Männerstimme uns nicht verraten.

Don Adone legte den Finger gehorsam auf den Mund, und Dolcebona klingelte. Nach einer kurzen Weile öffnete sich der Schalter. Bibianas rauhe Stimme fragte; Dolcebonas holdseliges: Sono io– ich bins – gab zutraulichen Bescheid; Don Adone, von Dolcebona instruiert, räusperte sich in der Weise der Tante. Aha, brummte Bibiana. Die kleine Schlupfthür in der mächtigen Klosterpforte schnellte auf. Der rote Burnus schritt stolz nickend an Bibianas Nase und Laterne vorüber, und Dolcebona, die die Alte nun rasch umdrehte und in die Pförtnerloge zurückzog, begann, geschwätzig wie eine Grasmücke, auszukramen, was ihr Zecco und Griso und der Podesta und ihr Papa, der Governatore, über »die unglaublichen Streiche des Mönchs und der Nonne« vertraut haben sollten. 380

 

 


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