Robert Waldmüller (Charles Edouard Duboc)
Don Adone
Robert Waldmüller (Charles Edouard Duboc)

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Neunundzwanzigstes Kapitel

Inzwischen war Fiammetta auf dem matt erleuchteten Gange der vom Kopf bis zu den Füßen rot schimmernden Gestalt Don Adones nachgeeilt.

Bester, himmlischer Herr! rief sie. Aber mit auf den Mund gelegtem Finger empfahl Don Adone ihr Vorsicht und möglichst leises Reden, worauf er sie im Halbdunkel, so eilig es ihm möglich war, wegführte, ein paarmal irre ging, Treppen verfehlte, Gänge verwechselte, bis er endlich nicht mehr aus noch ein wußte und stille stand, wobei er sich mit dem Skeptiker Pyrrhon verglich, der, auf dem Gipfel seiner Philosophie angelangt, gegen seine eignen Sinne in solchem Grade mißtrauisch geworden sei, daß er keinen Schritt mehr ohne Führer zu machen gewagt habe.

Bester Herr, unterbrach ihn Fiammetta, wohin wollt Ihr denn eigentlich mit mir? Vielleicht kann ich die Führung übernehmen.

Per Dio! Ins Freie!

An der schrecklichen Pförtnerin vorbei? Aber gut, ich fürchte mich nicht. Kommt! den Weg glaube ich 394 noch zu kennen. O, wie unheimlich gräberartig still hier alles ist!

Leise tasteten beide weiter, während Fiammetta im Flüsterton einige der von ihr bestandnen Abenteuer erzählte und von Zeit zu Zeit aus überströmender Dankbarkeit Don Adone die Hand drückte; denn daß ihr lieber Herr selbst sie aus diesem Kerker befreien wolle, die Freude darüber sprengte ihr schier die Brust. Fast in dem ganzen weiten Gebäude herrschte sonst nächtliches Schweigen. Nur eine in mächtigen Pendelschlägen vernehmbare Uhr zählte die verrinnenden Minuten mit gleichmäßigem Ticktack. Schwach klang dazwischen aus der jetzt schon fernen Strafkammer hin und wieder das Geklapper des Zinngeschirrs.

Es ist schon gesagt worden, daß Dolcebona ihren Entführungsplan vervollständigt hatte. In der That sollte der rote Burnus, nachdem er den vermeinten Fra Ippolito in das Kloster eingeschmuggelt haben würde, diesem und mit diesem zugleich Beata wieder hinaushelfen, das heißt: beide sollten, in den Burnus drapiert, im zweifelhaften Licht der Laterne Bibianas als eine Person, nämlich als Madonna Sirena, von der Schließerin wieder hinausgelassen werden.

Fiammettas zierliche Winzigkeit kam diesem Auskunftsmittel in bester Weise zu statten, und nachdem sie sich ihrer schweren Nonnenkutte im Kreuzgange entledigt hatte, fand sie ohne Mühe für ihre kleine Gestalt in dem faltenreichen Burnus neben Don Adone noch genügende Unterkunft. Und so gelangten beide denn wirklich nach manchem Irrgehn nicht nur glücklich in den Thorweg, sondern auch als eine einzige stattliche Figur bis an Bibianas Loge, die zwar hell 395 war, aus der der dunkle Gang aber nur einen matten Lichtschimmer empfing.

Hier hatte sich Dolcebona inzwischen matt und müde geredet, aber glücklicherweise dabei die schwache Seite der Alten so gut getroffen, daß Bibiana, von ihrem Verdruß über den Spott der zwei Strafnonnen rasch kuriert, ganz Ohr war und auch bei der völlig veränderten Art ihres sonst alles so warm begütigenden und entschuldigenden Lieblings kaum Verdacht schöpfte. Aber was sagte denn Madonna Sirena zu dieser saubern Wirtschaft? fragte die Alte spitzig, indem sie zögernd der nun rasch aufbrechenden Dolcebona mit der Laterne und dem Schlüsselbunde aus ihrer Loge nachhinkte, und während Dolcebona ihr die Laterne abnahm und hielt, nach dem Pförtchenschlüssel fingerte; diese Unverschämten! diese Scrontati! – Sie ergoß sich in eine Flut von Verwünschungen, bei der sie weder die Äbtissin schonte noch Madonna Sirena, die, wie Bibiana unhöflich zu verstehn gab, besser thäte, in ihrem Gebirgsneste zu bleiben, als zu nachtschlafender Zeit die Klöster von Castellammare mit Visiten zu belästigen.

Don Adone hütete sich, zu antworten. Da Antworten aber gerade Madonna Sirenas starke Seite war, so sah sich Bibiana nach der sich schweigend schelten lassenden um und bemerkte, daß Madonna Sirenas spitze Nase heute verwunderlich rundlich aussah. Wer ist das? rief sie, ah furbetta! Betrügerin! Wer ist das?

Bei dieser bedrohlichen Wendung des Abenteuers ließ Dolcebona rasch entschlossen die Laterne fallen, das Licht verlosch, und alles war in tiefes Dunkel gehüllt. Natürlich erhob Bibiana sofort ein zeterndes Morte di Dio-Geschrei, und da die Thür noch verschlossen war, so konnte die Sache in diesem Augenblick für ziemlich hoffnungslos gelten. Die Alte am Schreien zu verhindern, war versäumt worden, und Don Adone dachte noch über die Art nach, wie dies zu bewerkstelligen gewesen wäre, als bereits oben in den Gängen Stimmen nach Licht und nach den Schlüsseln der Korridorpforte riefen, und er sich zugleich von Bibiana mittels ihrer spitzigen Ellbogen aufs empfindlichste belästigt fühlte.

Fiammetta, die sich in Don Adones breitem Rücken gehalten hatte, war vor Angst einige Augenblicke fast besinnungslos; dann entkroch sie ihrem Versteck, tastete in der vollständigen Finsternis, die die vier aufeinander gedrängten umgab, mit beiden Händen nach dem glücklicherweise im Schloß steckenden Schlüssel, und obschon sie dort auf die knochige Linke der schreienden Bibiana stieß, gelang es ihr doch, nach mancherlei vergeblichen Anstrengungen den Schlüssel umzudrehn und die Schlupfthür zu öffnen.

Sofort entglitt Dolcebona behende wie ein dem Netz des Fischers entwischendes Fischchen ins Freie. Don Adone dagegen, der, um den schmerzhaften Attacken Bibianas zu entgehn, kurz vor dem Öffnen der Thür, von Bibiana verfolgt, rückwärts in den dunkeln Gang geflüchtet war, mußte dort erst wieder von Fiammetta gesucht werden. Als ihr dies gelungen war, bugsierte sie ihn, während sie sich zugleich der kreischenden Schließerin erwehren mußte, mühsam nochmals nach dem Pförtchen hinüber; in dem Augenblick aber, wo Fiammetta ihn endlich bis über die Schwelle gedrängt hatte und auch schon selbst draußen war, fühlte sie eine kräftige Faust in ihrem Nacken, 397 und ehe sie es verhindern konnte, war sie, während Don Adone, ohne ihr Unglück zu ahnen, weiter taumelte, rücklings in den halb finstern Thorgang zurückgezerrt. Zugleich flog das Pförtchen klirrend ins Schloß, und eine zornige Weiberstimme rief in die Finsternis heraus: Licht her! Licht her! Per la madre di Dio! Gut, daß wenigstens Basilia auf den Dienst paßt! Also ausreißen hat man wollen? auch bei uns das Kunststück wiederholen? Aber Basilia war ihr etwas zu geschwind, der saubern Heiligen! – Und mit solchen Schmähungen ihrem Zorn und ihrer Häscherfreude Luft machend, schleifte die Stellvertreterin Tommasas die unter dem eisernen Griff in ihrer engen Halsbinde fast erstickende kleine Fiammetta im Dunkeln treppauf.

Bibiana blieb halb ohnmächtig unten und stöhnte nur ohne Unterlaß: Oh la bugiarda! oh la bugiardona! – O die Lügnerin! O die Erzlügnerin!

Die vorherige tiefe Klosterstille war während dessen auch im obern Stock immer mehr in ihr Gegenteil umgeschlagen, zumal da es einige Zeit gedauert hatte, ehe die Schlüssel zum Korridor herbeigeschafft werden konnten. Darüber hatte sich die Kunde von dem Tumult, der unten ausgebrochen war, auch denen mitgeteilt, die schon schlafen gegangen waren. Die Rufe: Diebe! Feuer! Erdbeben! klangen in unlieblichen und lieblichen Tönen durcheinander. Wie in einem Ameisenhaufen, den ein Störenfried in Aufruhr gebracht hat, begann auf dem Gange ein wirres Hin und Her von leicht verhüllten Gestalten. Il Vesuvio! hörte man eine mitten aus dem festen Schlafe aufgescheuchte Nonne rufen, und dieser seit dem Untergange Stabiäs, der Vorgängerin Castellammares, hier 398 ja nicht minder als in der Nähe Herculanums und Pompejis landesübliche Angstruf fand mannigfachen Wiederhall.

Daß nur die für die Hora Verpflichteten noch ihr schwarzes Ordenskleid trugen, gab der beweglichen Szene ein besonders ungewöhnliches Aussehen. Und als nun der von unten herauftönende Lärm die Ängstlichen immer bänglicher und die anfangs Beherzten immer kleinmütiger stimmte, drängte sich nach dem wirren Hin- und Herreden alles um die ehrwürdige Schwester Sofonisbe zusammen, die Stellvertreterin der Äbtissin, sodaß sie sich zuletzt wie die Glucke zwischen ihren Küchlein vorkam und vor allem nur selbst nicht von ihrem Posten weichen zu dürfen glaubte.

Während dessen war Basilia, wie beschrieben, unten Bibiana zu Hilfe geeilt und hatte im Dunkeln, wie sie glaubte, den Fang gemacht, auf den es ankam. Begleitet von den beiden neugierig hinzugekommnen Strafnonnen schleifte sie ihre Beute nun treppauf und wollte der Früchte ihres Diensteifers eben im Hellen und angesichts der ängstlich um die Stellvertreterin-Äbtissin zusammengeflüchteten Nonnenschar froh werden, als Schwester Sofonisbe beim Gewahrwerden des Fanges mit dem Ausruf: Jesus und Maria! ein Mann! ein Mann! erschrocken mit ihrem ganzen Nonnengeleit aus dem Wege zu kommen suchte – denn allerdings mußte die kraushaarige Fiammetta, seit sie sich der Klosterkutte entledigt hatte, wie sie in den schwarzen Sammethosen, der Scharlachweste und den erbsengelben Gamaschen ihres Herrn zwar zerzaust, aber anscheinend kecklich dem Nonnentrupp gegenüber stand, für einen jungen Mann, und zwar für einen ganz schmucken, gelten.

399 Von Keckheit und Dreistigkeit war nun zwar in Wirklichkeit die Stimmung Fiammettas sehr fern. Sie hatte schon während des Rauf- und Ringkampfs an der Thür Gelegenheit zu manchem Ach- und Wehrufe gehabt. Die Wahrnehmung jedoch, daß man sich vor ihr fürchte, gab ihr wieder Mut.

Ja freilich ists ein Mann, rief sie und spreizte sich wie ein Seemann, der sich auf schwankendem Deck nicht umwerfen lassen will. Heida, hab ich mir das lange gewünscht, euch lustiges Nonnenvölkchen einmal in der Nähe zu sehen. Und wie gut euch die weißen Nachthäubchen stehn und die rotgeschlafnen Bäckchen! O ihr wißt gar nicht, wie allerliebst ihr euch ausnehmt! Behaltet mich hier, da ihr mich doch einmal hereingeholt habt. Mein Lebtag verlang ich nicht wieder ins Freie!

Geht alle in eure Zellen! rief Schwester Sofonisbe, die vor Verwirrung vergaß, daß vor allem die für den heutigen Horagesang noch regelrecht gekleideten Schwestern erst eine Schutzwand für die Rückzügler zu bilden hatten. Nachdem dies geschehn war, begann die Schwester Sofonisbe mit zitternder Stimme und abmahnend erhobner Rechten: Was suchst du, Unseliger, in diesem heiligen Bezirke? Mit welcher der mir anvertrauten Seelen stehst du in heimlichem Einverständnis? Welcher tief Gesunknen haben wir es zu danken, daß dieses gottgeweihte Haus für alle Zukunft von dem Makel behaftet bleiben wird, in nächtlicher Weile einen Mann in seinen Mauern heherbergt zu haben?

In ihrem kecksten Tone gab Fiammetta Bescheid: Ehrwürdige Frau, ich bin über Eure Rede höchlich erstaunt. Wie? Statt Euch wegen der rohen 400 Manieren dieses handfesten Coreggiato (Dreschflegels) zu entschuldigen – sie wies auf Basilia –, begrüßt Ihr mich mit Vorwürfen und unhöflichen Titeln? Ward je ein Baum, den ein Ochs aus dem Walde schleift, unsanfter traktiert? Wenn ich nicht durch den Anblick so vieler Schönheiten schadlos gehalten würde, so hätte ich wohl das Recht, zu sagen: Ihr sollt mir vor Gericht antworten, ob eine Vorsteherin heiliger Damen, wenn sie ledige Burschen einfangen lassen will, nicht gehalten ist, dies auf schicklichere Weise zu thun?

Schweig, du Nichtswürdiger! stieß hier die fast sprachlose Alte mühsam heraus.

Ja schweig! Natürlich! – Und Nichtswürdiger! Gewiß! – Nun, wo die nächtliche Jagd dieses Uhu soviel Lärm gemacht hat, nun spielt Ihr die Entrüstete! Aber Ihr wißt, ein gutes altes Sprichwort sagt:

Barba d'uomo e coda di cane
Non toccar che ti fa male.
Hundeschwanz und Männerbart
Rühre nicht an, wer gern Frieden bewahrt.

O Himmel! rief Schwester Sofonisbe und brach in Thränen aus, denn ihre völlige Wehrlosigkeit diesen Schmähungen gegenüber wurde ihr immer klarer – o Himmel, was müssen meine Ohren an Blasphemien hören!

Und eine der Horanonnen sagte zwischen Empörung und Schmerz: Aber, junger Mann, habt Ihr denn weder Mutter noch Schwester, daß Ihr uns Hilflose so ruchlos verspotten möget?

401 Fiammetta hatte nichts Schlimmeres zu sagen geglaubt, als was ihr oft genug beim Brunnenplaudern und bei den Karnevalslustbarkeiten von den übermütigen Reden der Burschen im Ohre hängen geblieben war. Sie schämte sich dennoch nicht wenig, fühlte aber, daß sie nun nicht wohl anders könne, als ihre Rolle in gleicher Unart weiter zu spielen.

Ich weiß nicht, was Ihr vom Verspotten redet, schönes Fräulein, sagte sie also; erlebt erst, was ich erlebt habe, und dann versucht, ob Euch die Galle nicht überfließt. That ich Eurer Oberin Unrecht, desto besser für sie. Wenn sie mir erklären kann, warum sie mich hier wie eine fünfbeinige Ziege zur Schau stellt, so mag sies thun. Mich verlangt nicht danach, Eurer Oberin oder einer von euch Mangel an Höflichkeit zu erweisen. Im Gegenteil, ich wünsche Euch zu gefallen; denn schmucke Gesichtchen habe ich für mein Leben gern. Aber was ich hier selbst soll, kann ich nach Eurer frommen Zwischenrede nun erst recht nicht erraten. Erklärt mir, warum ich hier herauf geschleppt worden bin, oder verübelts mir nicht, wenn ich der Meinung bleibe: trotz der heiligen Redensarten haltet Ihrs mit dem Sprichwort:

Si chiuda una finestra e si apre un portone.Das Fenster halten sie verschlossen, und die Thür sperren sie weit auf.

Erzähle, was du unten gesehen hast, Basilia, wandte sich die Alte, noch immer vor Erregung stotternd, zur Profoßnonne.

Gesehen? entschuldigte sich diese, per San Cristallo! Es war unten pechfinstre Nacht, ehrwürdige Schwester.

Aber wie kam dieser Fremde herein?

402 Auch darüber weiß ich nichts zu sagen. Ich hörte im dunkeln Thorgang Stimmen durcheinander reden und schreien, sah Gestalten auf dem Wege nach der geöffneten Thür, glaubte, die heute eingebrachte Klarissin wolle das Weite suchen, rannte den inzwischen ins Freie entschlüpften Gestalten nach, griff draußen rasch zu und brachte statt der Klarissin diesen jungen Naseweis hierher.

Ich werde Euch gleich einen braun und blauen Denkzettel an die Nase hängen, sagte Fiammetta, die sich hier kecklich gegen Basilia wandte, der sie in der That nur zu gern ihre Ungebührlichkeiten zurückgezahlt hätte; untersteht Euch noch einmal, mich zu schelten, und Ihr fliegt kopfüber die Treppe hinab! Macellajo! – Fleischer!

Wozu die bösen Worte, Basilia! rief die Horanonne, um den Wortstreit zu schlichten; können nicht vielleicht die beiden in der Strafkammer beschäftigten über Beata bestimmtere Auskunft geben? Wo war sie, als ihr von der Arbeit gingt?

Fiammetta erbebte.

Aber Sabina und Pellegrina, die im Schatten einer offenstehenden Zellenthür standen und in heiterster Laune gemeinsam den regelwidrigen Auftritt genossen hatten, ließen sich nur zu der Versicherung herbei, Beata sei ohne Zweifel längst über alle Berge, denn wenn sie recht gesehen hätten, sei sie durch einen roten Burnus, also wohl durch die ältliche Dame aus der Villa Carraccioli, abgeholt worden.

Schwester Sofonisbe kannte Donna Sirenas extravagante Natur gut genug, daß sie es für sehr denkbar hielt, die Vermutungen der Strafnonnen möchten in der That auf die richtige Fährte führen.

403 Junger Mann, sagte sie demnach, indem sie ihren Unmut niederzukämpfen suchte, mit mühsamer Fassung zu Fiammetta. Du hast dich wiederholt über Unbill, die dir widerfahren sei, beklagt. Die Art, wie man dich hierher gebracht hat, war ganz gewiß nicht höflich; auch hast du wohl aus den eben gewechselten Reden schon die eigentliche Erklärung dieser Gewaltprozedur entnommen: man hielt dich für eine bei uns in Verwahrsam gegebne Nonne, deren Flucht, wie es scheint, wirklich den eigentlichen Lärm veranlaßt hat. Daß du bei dieser Gelegenheit, von dem Lärm angelockt und die Thür dieses Klosters offen sehend, den Versuch gemacht habest, uns friedlichen Nonnen einen Schrecken einzujagen und dadurch in die Hände unsrer Strafmeisterin Basilia geraten seiest – diese naheliegende Annahme will ich natürlich nicht aussprechen, denn du hast uns schon deutlich genug bewiesen, wie schneidig deine Zunge ist, und ich wünsche dir nicht neuen Vorwand zu schmähenden Ausfällen zu geben. Billig finde ich sogar, daß Basilias Handgreiflichkeiten dir meinerseits eine Entschuldigung eintragen, die ich hiermit denn auch ausgesprochen haben will. Im übrigen nimm meinen Dank mit auf den Weg – denn dich länger hier festzuhalten kann nicht in unsrer Absicht liegen –, meinen Dank für jedes Wort, das du zu mir und meinen Nonnen gesprochen hast, aus wie bösem Herzen es auch hervorgegangen sein mag. In unsrer Abgeschiedenheit von der Welt dämpfen sich die harten und unerfreulichen Seiten des lauten Lebensmarkts zuweilen bis zur Unkenntlichkeit ab, und zwar in solchem Maße, daß im Vergleich mit dieser geschmeichelten Vorstellung von der Außenwelt die Stille des Klosterfriedens das Gemüt zu bedrücken 404 beginnt, und das Herz sich von einem Heimweh nach der Berührung mit Menschen beschlichen fühlt. Gegen solche Anwandlungen schützt nichts besser als ein echter ungeheuchelter Ton aus der Denk- und Redeweise des außerklösterlichen Lebens. Unsre heilige Gottesmutter geleite dich!

Sie machte, zugleich mit dem Zeichen des Kreuzes, eine verabschiedende Bewegung, und Fiammetta, die sich wohl bewußt war, die feierliche Strafpredigt verdient zu haben, erlaubte sich nur noch – um nicht aus der Rolle des jungen Wildfangs zu fallen – einen verliebten Blick nach den jetzt bei seinem Scheiden hinter der Stellvertreterin der Äbtissin rechts und links zum Vorschein kommenden feenartig weißschimmernden Gestalten und folgte der Profoßnonne dann treppab.

Diesesmal wurde eine Laterne mitgenommen.

Als beide unten im Gange angelangt waren, sagte Basilia stehenbleibend: Ach so, junger Herr! nun sind wir ja doch beide auf unsern Füßen herabgekommen; ich hatte ganz vergessen, daß du mich kopfüber hinunter befördern wolltest. Meinst du wirklich, es mit mir aufnehmen zu können? Ich hätte Lust, deine Kräfte einmal zu probieren.

Laßt Euch diese Lust lieber vergehn, sagte Fiammetta, um ihr auszuweichen.

Warum, junger Herr? rief Basilia verächtlich lachend; man hat hier nicht alle Tage Gelegenheit, sich mit euersgleichen zu messen. Sie wollte die Laterne auf die Erde stellen. Komm heran, sagte sie und streifte ihren Ärmel auf, ich hätte gerade Gusto für ein kleines Tänzchen mit dir, Knirps!

Auch für ein Tänzchen mit diesem hier? rief 405 Fiammetta und machte eine rasche Handbewegung nach der linken Seite, wo unterhalb des Hüftengurts die Raufer ihr großes Messer verborgen zu halten pflegen.

Malandrino! – Strauchdieb! – gab die Nonne verächtlich zur Antwort, und Fiammetta war froh, in demselben Augenblick Bibiana auf die Schwelle ihrer Loge treten zu sehen.

Die Pförtnerin hatte sich erst halb erholt und schien auch, seit sie allein geblieben war, mit ihrem Keifen und Schelten noch nicht fertig geworden zu sein; doch schloß sie wenigstens ohne längres Inquirieren auf; Basilia wies dem Burschen, ohne ihn eines weitern Worts zu würdigen, die Thür, und mit einem jubelnden: Evviva! sprang Fiammetta ins Freie. 406

 

 


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