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In den Bergen Ceylons

Zu den reichen Erlebnissen, die ich seit der Landung auf der Insel hatte, gesellen sich in rascher Reihenfolge die unvergeßlichen Eindrücke, die ich auf meiner Fahrt in die Berge Ceylons hatte. Von Anuradhapura, dem Pompeji Ceylons, wandte ich mich wieder nach dem Süden der Insel. Mein Weg führt ins Gebirge nach Kandy, welches ein Glied in der Kette der bedeutungsvollen Geschichte des alten Lanka bildet. Dorthin flüchteten nach ihrer Vertreibung aus dem Norden der Insel die singalesischen Könige und ihr Volk, dessen hohe Kultur durch das Vordringen südindischer Stämme in ihrer Entwicklung so schwer betroffen wurde. Dieses Gebirgsland von ansehnlicher Größe, welches sich aus den südlichen Ebenen der Insel erhebt, ist von großen landschaftlichen Reizen. Doch der Zauber seiner Ursprünglichkeit ist durch eine moderne Kultivierung in vieler Beziehung stark beeinträchtigt. Fast überall erblickt man zwischen der wilden Romantik zerklüfteter Höhen und Täler die Spuren der abendländischen Kolonisation. Diese Berge, die vor hundert Jahren noch in öder Verlassenheit und in tiefster Wildnis lagen, bilden heute das Hauptwirtschaftsgebiet Ceylons. Wo einst die Urnatur der Dschungeln die Hänge der Berge bedeckte, finden wir heute die ausgedehnten Teepflanzungen, deren Erträgnis einen großen Teil des Weltmarktes deckt.

Ein Netz von ausgezeichneten Verkehrswegen durchquert das Bergland, auf dessen Hochebene, Nuwara Elya, eine Bergbahn führt. Von wunderbaren, unvergeßlichen Eindrücken ist diese Reise in das Gebirge begleitet. In rascher Fahrt passieren wir ein Land voll gesegneter Fruchtbarkeit. Herrliche Kokos- und Arekapalmenwälder treten bis nahe an die Bahnlinie heran und bilden einen schattigen Hohlweg, durch dessen hohes Blätterdach die Strahlenbündel der Sonne hereindringen. Bald durchqueren wir weite Strecken, die an etagenförmig übereinanderliegenden Reisfeldern vorbeiführen, und inmitten dieser märchenhaften Fruchtbarkeit liegen die kleinen Dörfer und Hütten der Eingeborenen versteckt. Unter alten Banianenbäumen ruhen wiederkäuende Zebuochsen, die sich in den Schatten dieser riesigen Laubdächer in stiller Beschaulichkeit niedergelassen haben. Dichte Mangrovengehölze breiten sich zu beiden Seiten des Weges aus. Aus ihren Lichtungen blinken wie Spiegel Tümpel und Seen hervor, deren Ufer von kleinen munteren Wasservögeln und silbergrauen Reihern belebt sind. Schwarze, gefährlich aussehende Wasserbüffel mit großem Gehörn sielen sich im grauen Schlamm morastiger Reiskulturen, auf denen eingeborene Frauen in bunten Tüchern die Feldarbeit verrichten. Bald liegt der breite Ring des Palmenlandes, das sich an den Fuß des Gebirges schmiegt, hinter uns, und in weitem Bogen schlängelt sich der Schienenweg durch ein Hügelgelände bergan, hinter welchem man die blaue Kette der Berge aufsteigen sieht. Nun sind wir in der Heimat des Tees angekommen. Dieses Gebiet ist, so weit das Auge reicht, von den riesigen Teepflanzungen Ceylons bedeckt. Ein großes Areal des Gebirges ist im Laufe kurzer Zeit in ein blühendes Wirtschaftsgebiet verwandelt worden. Wo einst undurchdringliches Urgestrüpp den Boden bedeckte, befinden sich jetzt diese in regelmäßige Flächen aufgeteilten Kulturen, die von tamulischen Eingeborenen bevölkert sind. Durch ein günstiges und mildes Klima wurde auf Ceylon die Kultivierung der Teestaude gefördert und hat einen außerordentlichen Umfang angenommen, so daß heute der Tee in den wirtschaftlichen Erträgnissen der Insel eine wichtige Rolle spielt. Viele andere Kulturen, wie Kaffee, Chinarinde, Kakao, Kardamom, Gummi usw., mußten infolge ihrer Mindererträgnisse dem weitaus rationelleren Anbau des Tees weichen. Stets wachsen die Massen der tamulischen Arbeiter, die zur Bewältigung der Erntearbeiten aus den südlichen Staaten Indiens gedungen werden müssen. Das Erträgnis der Tee-Ernte, die während des ganzen Jahres dauert, ist erstaunlich groß. In unaufhörlichem Sprießen treibt das junge Grün der Staude, welche ein ewiger Quell der Fruchtbarkeit ist. Ochsenwagenzüge, die mit Kisten und Ballen bepackt sind, pendeln Tag und Nacht wie eine endlose Kette auf der Straße, die nach Colombo führt. Kaum sind die großen Teespeicher des Hafens imstande, die ungeheuren Massen dieses Erntereichtums zu fassen.

Mitten durch die weiten Teegärten führt der Weg immer höher hinauf in das Gebirge, dessen Kuppen und steile Gipfel einen fast alpinen Charakter zeigen. Im Norden leuchtet die Ebene, die sich mit ihrem Meer von Palmenwäldern und Bambusdschungeln wie ein grüner Teppich zum Ozean ausbreitet. Der Blick von schmalen Felsenrampen, die wir passieren, ist unvergleichlich schön. Manchmal begleitet uns diese wilde Romantik weite Strecken, deren Ursprünglichkeit unwillkürlich die Gedanken an die alte Welt Lankas erweckt.

Die erste größere Gebirgsstation, die wir erreichen, ist Kandy, ein Ort von historischer Bedeutung, denn hier fand die glorreiche Zeit jener großen Singalesenkönige, die ihr Reich im Norden der Insel gründeten, ihre Fortsetzung. Doch wie war ich erstaunt, als ich den Boden dieses inmitten eines herrlichen subtropischen Paradieses gelegenen alten Ortes betrete. Unwillkürlich muß ich an die Anfänge dieser hohen Kultur denken, welche sich in dieser großartigen Weise in Anuradhapura und den übrigen begrabenen Städten Ceylons zeigt. Und hier in Kandy sehe ich nur einige buddhistische Heiligtümer und die unbedeutenden Bauwerke alter Singalesengeschlechter, die mir nur wenig von der einstigen Pracht ihrer geistigen Urheber zeigen können. Außer leeren, teilweise sehr profanisierten Bauten erinnert in Kandy fast nichts an die Vergangenheit Lankas, und wer die toten Städte im Norden Ceylons gesehen hat und mit großen Erwartungen nach Kandy kommt, wird von dem nichtssagenden Charakter dieser Bauwerke überrascht sein. Doch um so mehr war ich über die reizvollen Eindrücke, die der landschaftliche Charakter Kandys in mir erweckte, erfreut. Kaum bot sich mir auf der ganzen Insel ein lieblicherer Anblick als dieser Ort, der von einer herrlichen, südlich anmutenden Vegetation umgeben ist. Ein von blühenden Hainen und grünen Gärten umsäumter künstlicher See belebt das Bild in malerischer Weise. Alle die wohlgepflegten Wege und prachtvollen Anlagen mit alten schattigen Bäumen und schlanken Palmengruppen geben der Landschaft das Gepräge geschmackvoller Bodenkultivierung. Zwischen dunklen, schwermütigen Baumgruppen liegt das höchste Kleinod der gläubigen Buddhistenwelt, der berühmte Tempel Dali Maligawa, der eine kostbare Reliquie, den heiligen Zahn Buddhas in sich birgt. Das Kleinod, welches nur an bestimmten Festtagen das Licht des Tages erblickt, genießt bei den Buddhisten abgöttische Verehrung. In großen Mengen kommen die Wallfahrer aus den entlegensten Ländern des Ostens, um dieser Hinterlassenschaft Gautamas zu huldigen. Der Tempel, der wie viele buddhistische Heiligtümer von einer großen Dagobe gekrönt ist, hat äußerlich nichts, was mit der Wichtigkeit seines Inhaltes übereinstimmt. Trotz dieser Bescheidenheit der buddhistischen Denkmäler finden wir in Kandy die Hochburg des Buddhismus auf Ceylon. Wie jenes körperhafte Symbol Buddhas, der geheiligte Bo-Baum, welcher vielfach auch an den Kultorten in Ceylon und Indien seine Wurzeln schlägt, trieb die weltweise Lehre Gautamas auf dem Boden Lankas die Früchte, an deren himmlischer Reinheit und Göttlichkeit die Gläubigen ihre Erbauung finden sollen. Buddha selbst bezeichnete seherisch Lanka als das Reich, in dem seine Lehre bis zum Ende seiner geistigen Herrschaft dauern werde. Und wirklich bewahrt Ceylon das Erbe Buddhas in einer Reinheit, wie wir sie in Indien nur selten antreffen. Kandy ist das Zentrum dieser starken geistigen Strömung. In Schulen und Klöstern werden dort die Jünger und Sendboten des Glaubens für ihre ernste Mission vorbereitet, und auch der Strom der Pilger, die Ceylons Boden jährlich zu vielen Hunderttausenden betreten, sammelt sich an diesem Ort, der das Mekka des Buddhisten ist.

Ganz in der Nähe Kandys liegt der botanische Garten Peredeneya, welcher eine interessante und kostbare Sammlung tropischer Flora enthält. Es ist ein Baum- und Pflanzenparadies, das trotz eines wohlgepflegten Anbaues von urwüchsiger Schönheit ist. Die gesamte Vegetation Ceylons und jene seines Nachbarreiches Indien ist hier in vorbildlicher Weise zu eindrucksvoller Entwicklung gebracht. Das üppige Immergrün des Gartens, welches von einem leuchtend-roten Wegnetz durchkreuzt wird, ist gattungsweise in großen und kleinen Gruppen von Bäumen und Sträuchern angepflanzt. Und zwischen den dichten Kronen und Stämmen dieser Haine blickt man auf weite Rasenflächen, auf deren leuchtendem Grün das Licht der Sonne blinkt. Kleine Teiche, mit Seerosen und blühenden Lotos bedeckt, liegen in malerischen Verstecken im Schatten hoher Palmen, Farn- und Banianenbäume. Wenngleich auch die durch den Zwang menschlichen Willens eingeengte Natur der großzügigen Anlage nicht entbehrt, so dünkt mir der herrliche Garten doch als ein dumpfes Gefängnis, in dessen Enge die Kinder einer urwüchsigen und unbezähmbar wilden Natur um den Verlust ihrer Freiheit trauern. Die Dämmerung bricht herein, als ich durch die dichten Alleen der im Abendwinde leise fächelnden riesigen Talipotpalmen heimkehre, und langsam beginnen die unsichtbaren Geister einer verborgenen Insektenwelt in den buschigen Kronen der Bäume und Palmen ihr nächtliches Lied zu singen. Wie das Schwingen eines durch die wunderbare Akustik der Abendluft gesteigerten Harfenchores klingt dieses Lied der Freude und Leidenschaft durch die Stille des lauen Abends. Bald gleicht das rhythmische Singen dem dumpfen, wechselvollen Rauschen entfernter Meeresbrandung, bald den hellen vibrierenden Tönen auf und nieder steigender Harfenstimmen, deren Flimmern wie ein zarter Hauch über der warmen Erde dieses Gartens schwebt. Und nie bekam ich einen dieser kleinen scheuen Sänger zu Gesicht, deren Liebeswerben die Stille dieser sommerlichen Schwüle von der Dämmerung des Abends bis zum Heraufsteigen des Frühlichtes erfüllt.

Wie ein Hauch liegen die feinen Schleier nächtlicher Nebel über der Hochebene von Nuwara Elaya, die ich frühmorgens von Kandy aus in mehrstündiger Fahrt mit der Bergbahn erreiche. Es ist der Luftkurort Ceylons, und seine von herrlicher Höhenluft erfüllte Landschaft ist in den heißen Monaten der Sammelpunkt eines lebhaften Fremdenverkehrs. In weiten Serpentinen steigt der Weg zu diesem Hochland in etwa sechstausend Fuß Höhe empor, über das eine dunkle, schwermütige Vegetation ausgebreitet liegt. Diese dunklen Baumbestände, unter denen sich Rhododendren, Koniferen und Kiefern befinden, erinnert mich stark an die trauliche Bergnatur meiner süddeutschen Heimat. Und trotz all diesen anheimelnden Reizen, welche diese herbe, nordisch anmutende Welt besitzt, liegt doch ein eigenartiger Zug von Fremdheit in dieser Landschaft. Die Hochebene, über die sich eine ozonreiche, würzige Waldluft ausbreitet, ist von dem sanften Rhythmus wogender, mattgrüner Hügel erfüllt. Weit draußen erheben sich steil ansteigende, von bläulichen Dunstschleiern umflorte Berge. In unmittelbarer Nähe lagert ein steiler Kegel über der Ebene, den die Wolken wie die Rauchfahnen eines Vulkans umschweben. Es ist der Pedrotalagala, der König der Berge Ceylons. Sein sagenhafter Rivale, der Adamspeak, welcher von der Gloriole leuchtender Helligkeit umgeben ist, ragt weit im Norden aus dem bläulichen Dunstkreis, der den Horizont verschleiert, empor. Bald werde ich seine Hänge erklimmen, um das Geheimnis seines Gipfels kennenzulernen.

Drückende Schwüle hat inzwischen die reine Atmosphäre der Berge in die Dumpfheit warmer Gewitterluft verwandelt. Von Nordosten ziehen schwere Wolken herüber. Fahle Dämmerung liegt über der Erde, und eine unheimliche Stille verkündet das Herannahen eines schweren Gewittersturmes. Ich befinde mich auf dem Weg zum Gipfel des Pedros, und noch ehe ich einen schützenden Unterschlupf finde, bricht das Wetter mit überwältigender Plötzlichkeit herein. In einer Hütte, die in halber Höhe des Berges liegt, finde ich Schutz vor den Fluten des Regens, der den steilen Gebirgspfad in einen reißenden Gießbach verwandelt. Schwere Blitz- und Donnerschläge zerreißen die dämmrige Dunkelheit, und das Heulen des Orkans mischt sich in das dumpfe Dröhnen des Donners. Langsam zieht das Wetter über die südliche Mauer der Berge herauf, und seit Stunden warte ich auf das Ende dieser Sturzbäche, die aus dem übersättigten, dunklen Wolkenmeer herniederströmen. Langsam begräbt die schwarze Finsternis der heruntersinkenden Nacht meine Hoffnung, den in geringer Entfernung gelegenen Gipfel des Pedro zu erreichen. Erst spät am Abend kehre ich durchnäßt in das Haus der Rast zurück, um an einem klaren Frühmorgen des nächsten Tages meine Reise nach dem Westen der Berge fortzusetzen.


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