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Anuradhapura, das Pompeji Ceylons

In der von dichten Urwäldern bedeckten nördlichen Tiefebene Ceylons liegt Anuradhapura, die in den Dschungeln versunkene Stadt des alten Lanka. Sie ist wohl eine der bedeutungsvollsten Merkmale altbuddhistischen Glaubens im Osten – ein Reich der Ruinen und gigantischen Überreste eines märchenhaften Zeitabschnittes, dessen Kultur von hohem Geist und inniger Religiosität beseelt war. In Anuradhapura sehen wir die Anfänge des Buddhismus, dessen zwingende Kraft im Laufe der Jahrhunderte ganze Völker erfaßte und den Geist Gautamas zu einer ungeheuren Entfaltung brachte. Inmitten eines wilden Urgestrüpps liegt diese Welt alter Herrlichkeit in stiller Verborgenheit unter dem Rankengewirr einer jahrtausendalten Vegetation. Das todbringende Wuchern dieses Urwaldes, der mit seiner chaotischen Wildnis in unaufhaltsamem Begehren diese traumhafte, schlummernde Welt der Vergangenheit immer mehr und mehr verschlingt, ist unersättlich, und kaum vermag es menschliche Kraft, diesem ewigen Drängen eines leidenschaftlichen Wachstums Grenzen zu setzen. Schon seit langer Zeit sind Menschenhände am Werk, um dieses dumpfe, geheimnisvolle Grab des Urwaldes zu öffnen und die darin verborgenen Schätze des alten Lankas dem Licht des Tages zurückzugeben. Mit einem großen Aufwand an Opfern und menschlichem Willen ist es gelungen, eine Bresche in diese Unwegsamkeit zu schlagen, und in der düsteren Einsamkeit des Dschungels fand man eine unendliche Fülle von wundersamen Überresten, die in unseren Gedanken den uralten Geist der Geschlechter Lankas auferstehen läßt.

Nur in dunklen Umrissen ist die Geschichte des ältesten Lankas bekannt. Schon lange, bevor Gautama Buddha im vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung auf die Insel kam, bestanden die Städte der Singalesen, die vom Norden Indiens auf die Insel vorgedrungen waren. Anuradhapura scheint ihre älteste Gründung zu sein. Noch war zu jener Zeit das Land von einer furchtbaren und undurchdringlichen Wildnis bedeckt, in welcher die fremden Eroberer das Urvolk der Weddahs fanden. Nach dem Eindringen der buddhistischen Lehre hat sich der Staat der Singalesen zu ungeahnter Blüte entfaltet. Diese bedeutende Kulturperiode, deren Denkmäler man besonders in Anuradhapura in höchster Vollendung findet, wurde später von den eindringenden Massen drawidischer Völker, die aus dem Süden Indiens herüberfluteten, unterbrochen und mit den Einflüssen brahmanistischen Geistes durchsetzt. Es begann ein jahrhundertelanges Ringen, in dessen Verlauf sich das wechselvolle Werk der Zerstörung und Wiederaufrichtung vollzog. Im zwölften Jahrhundert gründete Parakrama das letzte große Reich der Singalesen. Doch die überlegenen Horden der Tamulen gewannen in kurzer Zeit wieder die Oberhand und ließen der Nachwelt nur noch die Trümmer dieser alten singalesischen Geschlechter. Diese beschlossen, nach dem Süden der Insel gedrängt, ihr ruhmvolles Dasein in den friedlichen Bergländern Ceylons, wo wir noch heute in Kandy die spärlichen Reste ihres Lebens finden.

Vom Rasthaus in Anuradhapura beginne ich meine Wanderung, die mich auf engen Pfaden in die Welt der Ruinen inmitten des tropischen Urwaldes führt. Die geheimnisvolle Romantik dieser Wildnis ist von einem bezwingenden Reiz und öffnet der Phantasie die Wege in jene Zeit, in der die Größe menschlichen Glaubens und erhabenen geistvollen Strebens den Völkern Lankas die Kraft zu diesen gigantischen Schöpfungen verliehen hat. Immer tiefer führt der Pfad in die Abgeschiedenheit des geheimnisvollen Waldes, in der plötzlich die unendliche Fülle altersgebleichter Ruinen auftaucht. Ein Trümmermeer von Steinen, die in wirrer Unordnung den Boden bedecken, ruft den Eindruck eines seit Jahrtausenden verlassenen Gräberfeldes hervor. Und inmitten des Urwaldes, der diese Stätte wie eine Mauer umgibt, führt eine Straße, auf der sich einst das Leben dieser versunkenen Stadt bewegte. Auf allen Seiten umgeben mich Altäre und Tempelanlagen, von denen man nur noch die riesigen Säulenstümpfe und Dächer hervorragen sieht. Erhöhte Plattformen, die früher riesige Paläste trugen, Steingerippe mit grotesken Reliefs, zertrümmerte Plastiken, Kapitelle und riesige Steinquader, alles liegt träumerisch im Schatten dieses Waldes, dessen verschlungenes Rankenwerk noch Tausende von Trümmern unsichtbar bedeckt. Zwischen all diesem sinnverwirrenden Durcheinander erheben sich plötzlich wie mächtige Inseln diese gigantischen buddhistischen Tempeltürme, die man Dagoben nennt. Diese aus Ziegelsteinen erbauten glockenförmigen sog. Stupen sind die gewaltigen Wahrzeichen der ältesten buddhistischen Bauformen, die wir noch heute an den jüngeren Buddhistentempeln Indiens in dieser Form vorfinden. Gleich einem steinernen Symbol des Himmelsgewölbes erheben sich diese Kuppeln, die von Moos und den Schlinggewächsen des Urwaldes bedeckt sind, aus dieser Stätte der Zerstörung. Sie sind die einzigen Ruhepunkte in dem endlosen Wirrwarr der Trümmer, und ihre Monumentalität ist von geradezu überwältigender Kraft und Schönheit. Ohne irgendwelchen ornamentalen oder figürlichen Schmuck besteht der Aufbau dieser Stupen in großzügigen Senkrechten und Wagrechten. Aus einfachen Wulstprofilen entwickelt sich die riesige Kuppel des Daches. Sie gleicht einer Glocke, welche auf einem massiven, meist quadratischen Unterbau ruht. Die überwältigende Struktur dieses Aufbaues weckt ein Gefühl der beschaulichen Ruhe. Es ist, als ob das Wesen Buddhas selbst in diesen von aller Erdenschwere losgelösten Formen sich verkörperte und die versunkene Stadt mit der Erhabenheit seines ruhevollen Geistes überschattet.

Immer tiefer schreite ich in die Wildnis hinein. Oft schließt sich das dichte Laubdach des Dschungels über den Ruinen und hüllt alles in farbige Dämmerung, aus der die gespenstisch bleichen, leblosen Steine der Altäre und Tempelruinen leuchten. Doch nicht allein das Reich Buddhas, dessen Gemessenheit und verkörperte Ruhe in diesen Tempeln wohnt, finde ich unter den Resten dieser Stadt. Denn als die Drawiden jene Stätten bevölkerten, gaben sie ihnen den Ausdruck ihres von Unruhe und fremder Mystik erfüllten Geistes, dessen Spuren uns in den grotesken Götterbildern ihrer Tempel und Kultstätten entgegentreten. Und so finden wir hier inmitten dieser einsamen Ruinenfelder die Äußerungen eines bizarren, hinduistischen Wesens, das zu der Strengheit dieser Welt buddhistischen Geistes in starkem Gegensatze steht. Das Trümmermeer, welches ich durchschreite, ist endlos. Unaufhörlich zieht sich der Weg zwischen den altersgebleichten Wundern aus Stein entlang, und noch immer ist das Ende der Ruinenstadt nicht abzusehen. Kaum vermag sich die Phantasie menschlichen Geistes in die Wirklichkeit dieser sagenhaften Vergangenheit zu versetzen. Doch dieser Ort muß von unendlichem Prunk und Reichtum gewesen sein, denn alles, was wir hier sehen, läßt auf gewaltige, dem Auge und Sinn unserer Zeit entfremdeten Dimensionen und auf die unerhörte Pracht einer sagenhaften Vergangenheit schließen. Millionen glücklicher Menschen sollen einst in den Mauern dieser Stadt gelebt haben. Und nach diesem gewaltigen Reichtum und der unerhörten Pracht zu schließen, scheint es, als ob es nur Könige und ein Volk von Priestern gewesen sind, die hier ihre Heimat gefunden hatten.

Manche dieser Ruinen sind von einer geheimnisvollen Lebendigkeit beseelt. Vielfach sehen wir noch auf den Altären die Statue des sitzenden Buddhas, dessen verklärtes Lächeln den Stein belebt. Und zu den Füßen des göttlichen, altersgrauen Wächters liegt der wirre Haufen zertrümmerter hinduistischer Götzen mit fratzenhaften Gesichtern und wild bewegten Körpern. Doch Buddhas Bild steht unversehrt, und es ist, als ob die erhabene Ruhe und der Geist seines Wesens über die wilde Phantastik und religiöse Schwärmerei dieses Shivakultes triumphiere.

Kreuz und quer führen Spuren von Gängen, Straßen und gewaltige Freitreppen. Geräumige Terrassen, die mit einzelnen ruinenhaften Bildwerken und Denkmälern geschmückt sind, bilden einen leeren Raum in dieser Enge des Wirrnisses, in dem das Auge keine Ruhe findet. Mitten in diesem Chaos von Steinen stehen merkwürdige Säulen, deren Schlankheit und Unregelmäßigkeit an die Formen von aufschießenden starren Gewächsen erinnert. Im Erdreich vertieft, von mächtigen Steinquadern umgeben, liegen große Becken, in welche die Stauanlagen und Kanäle der Bewässerung münden. Zweifellos waren es große Badeplätze und Tempelteiche, in denen die Menschen ihre rituellen Waschungen vornahmen. Alles ist nun von den rankenden Schlinggewächsen des Dschungels überwuchert, und selbst zwischen den Fugen von kolossalen Steinquadern sprießt das üppige Leben des tropischen Wachstums hervor. Und in diesem Wirrsal begleitet mich immer wieder dieses lächelnde Bild Buddhas, der in ungezählten großen und kleinen Darstellungen, in Friesen und auf den Wänden fragmentarischer Altäre erscheint. Nicht oft genug konnten die gläubigen Hände jener Menschen die göttliche Gestalt ihres weisen göttlichen Meisters erschaffen, und nur er ist es, der uns hier aus der Welt der buddhistischen Vergangenheit begegnet, während das wirre Reich des Hinduismus uns nur die verwirrende Unzahl von Göttern, Dämonen und Heiligen in fratzenhafter Verzerrung und bizarrer Darstellung hinterlassen hat. Inzwischen hat sich in der Einsamkeit ein buddhistischer Mönch zu mir gesellt, der mir nun lautlos vorangeht und in kurzen Worten die Bedeutung dieser Ruinen erklärt. Er zeigt mir die Eingänge, die zu geheimen Gewölben und unterirdischen Gängen in das Innere der Erde führen, und deren Zugang hinter Geröll- und Gestrüpphindernissen verborgen liegt. Unaufhaltsam geht es weiter in die dämmerhaften, mysteriösen Aushöhlungen von Steintempeln, unter die Gewölbe von Dagoben, deren Türme den Blicken fast unsichtbar verborgen, unter riesigen Erdmassen begraben liegen. Vorbei geht es an den Reihen lächelnder Buddhas, hinauf zu den Galerien alter Königsgräber und auf bemooste Hügelrücken, unter deren Erdmassen die riesigen Wölbungen von Ziegelsteindagoben hegen. Tief unter der Erde ruhen gleich ungeheuerlichen Grüften gigantische Zwinger, die den Herden der Staatselefanten zu Stallungen gedient haben mögen. Bald gelangen wir in einen Hain mit uralten Bäumen und Altären, vor denen eine fromme Schar von Pilgern versammelt ist. Dort steht auch der heilige Bo-Baum, der aus einem Zweige des Baumes der Erleuchtung stammt und von der Tochter des großen Königs Asoka von Nordindien nach Ceylon verbracht wurde. Er ist das ewig lebendige Sinnbild der buddhistischen Religion und soll ein märchenhaftes Alter besitzen. Eine große Anzahl Priester und Mönche, unter denen sich auch viele Pilgrime befinden, haben sich in frommer Neigung inmitten dieser versunkenen Stadt niedergelassen. Sie führen dort ein entsagungsvolles Einsiedlerleben, welches die Romantik dieser geheimnisvollen Landschaft in hohem Maße steigert. In grünlicher Dämmerung, unter den Kronen tausendjähriger Bäume, sitzen die Pilger betend in kleinen Gruppen vor den antiken Altären, die unter einem Berge von Jasminblüten begraben sind. In Opferschalen züngeln flackernde Feuer, die von den Priestern mit wohlriechenden Hölzern gespeist werden. Selbst die reichverzierten Fliesen des Fußbodens sind mit einem Meer weißer, duftender Blüten übersät. Der betäubende Geruch sterbender Blumen mischt sich mit dem bläulichen Dunst der Opferkräuter, deren Rauch in zarten Schleiern auf und nieder schwebt.

Kein Laut stört die einsame Ruhe. Man hört nur das monotone Murmeln der Beter. Auf einer Anhöhe, zu der die zerfallenen Stufen einer breiten Treppe emporführen, ruht gelassen eine jener monumentalen Dagoben, deren weiße Kuppel von dem hereinbrechenden Licht der Sonne bestrahlt ist. Dieser blendende Schein des Tageslichts, der in die Dunkelheit des Waldes leuchtet, verleiht dem Bilde einen magischen Zauber, und es erweckt den Eindruck, als ob das hohe Gewölbe dieser Stupa aus durchsichtigem, weißem Marmor gebildet sei. Malerische Gestalten, in ockergelbe Gewänder gehüllt, steigen zum Tempel empor. Unter einem dieser heiligen Bäume, dessen Stamm von den Runen des Alters durchfurcht ist, setze ich mich nieder, um dieses geheimnisvolle Treiben, welches den Hain erfüllt, in Ruhe beobachten zu können. Mein Begleiter, der buddhistische Mönch, hat sich schweigsam in meiner Nähe niedergelassen. Er schildert mir das Leben dieser Pilger, die von weither kommen, um die heiligen Stätten Ceylons zu besuchen. Ja, es befinden sich unter ihnen sogar Birmesen und Malaien, die aus dem fernen Hinterindien wallfahrend zu den Heiligtümern Ceylons gewandert sind, um hier den Frieden und das Heil ihrer Seele zu finden. Mein Führer erzählt mir aus seinem eigenen Leben, von seiner Religion und von dem Dasein, welches er seit Jahren in der Einsamkeit dieser Ruinen führt. Er ist Mönch und Priester und stammt aus einer angesehenen nepalischen Familie Nordindiens, wo er schon als Jüngling in einem buddhistischen Kloster am Fuße des Himalaja seine Erziehung erhielt. Religiöse Zweifel und die Entartung des Buddhismus in Nordindien brachten ihn zu dem Entschluß, seine Heimat zu verlassen. So zog er in jahrelangen Wanderungen zu Fuß durch ganz Hinterindien und ließ sich nach vielen Irrfahrten seines Körpers und seiner Seele auf Ceylon nieder. Hier an den Quellen des reinsten Buddhismus, im Angesichte der alten erhabenen Stätten, konnte er den Durst seiner Seele stillen und die Zweifel religiösen Sinnens und Trachtens lösen. Aus seinen Worten und Betrachtungen klingt eine tiefe Religiosität. Weit entfernt von aller Schwärmerei und phantastisch-religiöser Empfindsamkeit war unter der einfachen Hülle dieses Menschen ein reines Herz und ein gläubiger Sinn verborgen. Ich habe später in Indien Gelegenheit gehabt, unter buddhistischen Priestern recht zweifelhafte Vertreter dieses Standes zu beobachten, die mit den verinnerlichten Grundsätzen ihres Glaubens nichts gemein hatten. In Wirklichkeit gehört Ceylon mit seiner uralten buddhistischen Tradition heute noch zu den bedeutendsten Zentren des Buddhismus, der sich dort fern von allen zersetzenden Einflüssen am reinsten erhalten hat. Bald sah ich auch, daß das Leben und die Gedankenwelt dieses frommen Mönches durch die Fühlungnahme mit der Welt und den Menschen sich von der oft engherzigen Anschauungsweise vieler seiner orthodoxen Brüder befreit hatte. Er lebte seit Jahren in der Einsamkeit Anuradhapuras, von wo aus er öfters in beschwerlichen Fußwanderungen zu den übrigen Heiligtümern Ceylons pilgerte. Seine Lebensgrundsätze waren mit der Lehre seines Glaubens aufs engste verknüpft. Die auf der Grundlage des absoluten Pessimismus aufgebaute Lehre des Leidens, Entsagens und Vergehens, die die Wertlosigkeit des Gegenständlichen preist, erfüllte sein ganzes Leben. In schlichter Einfachheit sprach er von der Erhebung des Geistes über die Welt der Materie, die auf die Reinheit der Gedanken zersetzend wirke und den Menschen zur Sündhaftigkeit verleite. Denn in der Dhammapada, dem größten aller buddhistischen Glaubenswerke, steht geschrieben, daß aus der Freude Leid, Furcht und Sünde geboren wird: »Wer von Freude erlöst ist, für den gibt es kein Leid, woher käme ihm auch die Furcht. Aus Liebe wird Leid und Furcht geboren. Wer von der Liebe erlöst ist, für den gibt es kein Leid. Alles Leid, das geboren wird, kommt aus dem Durste; aber durch völlige Vernichtung des Durstes, durch Freisein von Leidenschaft kann kein Durst geboren werden. Der Tor vernichtet sich durch den Durst der Vergnügung und der Lust, als wenn er sein eigener Feind wäre.« Auf den leidenschaftslosen Zügen der schlichten Entsagung prägt sich das starke ethische Empfinden des Buddhismus aus. Wir sehen darin auch manche Anklänge an die Ethik des christlichen Gedankens.

Auch über die älteste Geschichte und sinnvolle Sage Ceylons wußte der Mönch manches zu erzählen. Er schilderte mir Ceylon im Sinne mythologischen Denkens als eine zweigeteilte Welt, die von fürchterlichen Dämonen bewohnt war. Erst durch den reinen Geist der Lehre Buddhas wurden diese beiden getrennten Welten, die durch die Macht des Feuers zu einer einzigen vereinigt wurden, durch die Menschen bewohnbar. Hier endigt die Sage, und es beginnt die eigentliche Geschichte der Insel, nämlich die Besitzergreifung Ceylons durch die Singalesen, die sich mit den Ureinwohnern des Landes verbunden hatten, um an der Seite dieses kriegerischen Volkes gegen die Horden der drawidischen Eindringlinge zu kämpfen. Nun kamen jene furchtbaren Kämpfe, die um die Macht und den Sieg des Glaubens gingen, und in deren Verlauf das große Reich der Singalesen der Übermacht unterlag. Mit dem Ende dieser Periode verlor der Buddhismus immer mehr den Boden, bis es endlich nur noch wenige waren, die sich um die Jünger Buddhas scharten. Die Reste des Buddhismus finden wir heute hauptsächlich noch auf Ceylon und in Nord- und Hinterindien.

Eine geheimnisvolle Melancholie ruht über diesem Tal der Ruinen, dessen Boden die Spuren freudvollen Glücks und tiefsten Leides trägt. Am Ende des Trümmerfeldes liegt mitten im Schweigen des Urwaldes ein tiefer, dunkler See. Seine schlammigen Ufer, an denen träge Krokodile unbekümmert in den Strahlen der Mittagssonne ruhen, dringen tief in das Dunkel des Dschungels hinein. Muntere Wasservögel und silberglänzende Reiher tummeln sich auf den Ruinen, die vereinzelt aus dem Wasser herausragen. Denn auch dort unter der Oberfläche des Sees liegt ein Feld von Trümmern versunken. Die durch wilde Zerstörungen der Feinde hervorgerufenen Dammbrüche ließen einst die Fluten der riesigen Stauseen und kunstvollen Bewässerungsanlagen über die Stadt hinabstürzen. Noch finden wir in der Umgebung Anuradhapuras, in Mihintale, Sighiri und Pollonaruwa ähnliche Ruinenfelder, die von der jahrtausendalten Vegetation des Dschungels bedeckt sind. Doch keine ist von so überwältigender Großartigkeit wie Anuradhapura, die Hauptstadt des alten Lanka.

In Sighiri, welches in südwestlicher Richtung von Anuradhapura liegt, sehen wir die monumentalen Reste einer gewaltigen Felsenfeste. Ihr Anblick ist düster und drohend, und wie eine Insel ragen die gigantischen Felsenblöcke über den Urwald, der sich wie ein grünes Meer rings um den Fuß dieser Felsen zieht. In seinem harten Schoß sind buddhistische Sakralien aus der ältesten Zeit versenkt. Tief in dem kühlen Gestein liegen riesige Aushöhlungen begraben, in denen Heiligtümer und Gemächer mit reichem Bildschmuck verborgen sind. So haben jene Könige und Völker Lankas die Güter ihres Glaubens wie Kleinode in dem festen Gehäuse des Gesteins bewahrt. Und alles finden wir nach Jahrtausenden in diesem unversehrten Zustande bester Erhaltung, so daß uns die Vergangenheit, welche diese Schöpfungen hervorgebracht hat, nicht allzu weit dünkt. Durch ausgehöhlte Gänge und Treppen führt der Weg in düstere Felshöhlen hinab. Es sind katakombenähnliche Verliese mit unendlich feinen und reichen Verzierungen, die unter großer Mühe dort aus dem Stein herausgemeißelt oder in bunten Fresken auf die Oberfläche der Felswände gemalt sind. Tausendfältig begegnen wir wieder dieser Gestalt Gautamas mit den ruhevoll lächelnden Zügen, der hier in ornamental wirkenden Friesen und Deckenbildern verewigt ist. Über unseren Köpfen wölbt sich die Felsenwand zu einer niedrigen Decke, die mit ihrer gewaltigen Last die dumpfe Enge dieser unterirdischen Höhle zur Unerträglichkeit steigert. Malerische Gestalten von Priestern und Mönchen in den gelben Gewändern ihres Ordens versehen auf leisen Sohlen den Opferdienst vor den mit duftenden Blüten übersäten Altären. Auf ihnen thronen vergoldete Statuen Buddhas, deren ausdrucksvolle Gesichter von dem Schein flackernder Feuer zu wundervoller Lebendigkeit erweckt sind. Süßer Duft sterbender Blumen erfüllt die kühle Luft dieser unterirdischen Verliese, und von den Wänden der Felsen tönt das Echo der monotonen Gebete wie das Murmeln einer unterirdischen Quelle wider. Als ich auf einer der großen Galerien ins Freie hinaustrete und mich die kühle Abendluft umfängt, ist plötzlich dieses atembeklemmende Gefühl, welches ich in dieser einsamen Enge der Felsenhöhle empfand, von mir gewichen. Draußen liegt die laue Dämmerung des Abends über der stimmungsvollen, zauberhaften Urwaldlandschaft, und leise schwirrend beginnt unter den Felsen, in den Wipfeln des Waldes, das geheimnisvolle Schwingen der indischen Nacht.

siehe Bildunterschrift

Im Tempel von Rameswaram

siehe Bildunterschrift

Toda-Clan in den Blauen Bergen

siehe Bildunterschrift

Todas beim Büffelopfer


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