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Die Insel Ceylon

Ceylon. – Es ist die Perle des Indischen Ozeans. Ein kostbares, schaumgeborenes Juwel, umgeben von der smaragdenen Fassung des unendlichen Ozeans. Sie ist die Insel der paradiesischen Schönheit und Fruchtbarkeit, die gleich einer Oase in der unermeßlichen Wüste des Indischen Meeres grünt. Von den ewig rhythmischen Wellen der Brandung umgeben, zieht ein grüner Kranz von Palmenhainen, die das Innere der Insel wie ein Geheimnis verhüllen, an einer flachen, von eingeborenen Fischervölkern belebten Küste entlang. Einst war dieses Eiland der äußerste Süden eines riesigen Kontinentes, von dem es im Laufe einer unendlichen Reihe von Jahren durch die Kraft kosmischer Gewalten und der nagenden Flut des Weltenmeeres losgelöst wurde. Noch heute sehen wir im Norden der Insel die Reste jener versunkenen Länderbrücke, welche wie die Ruinen einer zerstörten Welt aus dem Meere emporragen.

Ceylon, dessen Boden eine bewegte geschichtliche Vergangenheit hat, ist heute eine englische Kronkolonie, die unabhängig von Indien verwaltet wird. Schon im Altertum war Lanka, wie es in der altsingalesischen Geschichte genannt wird, der Mittelpunkt geistigen und wirtschaftlichen Lebens im fernen Osten. Der ungeheure Reichtum, den die göttliche Fruchtbarkeit der Insel gebar, lockte den Ehrgeiz und die Habgier drawidischer Völker, die unter mächtigen Königen vom indischen Festland über jene Meerenge zogen und das Eiland bevölkerten. Unter dem ewigen Wechsel von Aufbau und Zerstörung fanden es um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts die Portugiesen und später die Holländer, von denen wir noch heute die Reste wirtschaftlicher Kultivierung vorfinden. Seit dem Anfang des neunzehnten Jahrhunderts befindet sich Ceylon in englischem Besitz, unter dessen Verwaltung der Wert seiner weltwirtschaftlichen Bedeutung in hohem Maße gesteigert wurde.

Von dem alten Lanka zeigt uns das heutige Ceylon nur noch die Trümmer einer längst verblichenen, hohen Geisteskultur, deren Ursprung etwa 2000 Jahre zurückliegen mag. Ihre Anfänge wurden unter der starken Einwirkung des schöpferischen Geistes, welcher die Lehre Buddhas hervorzurufen vermochte, zu ungeheurer Blüte und Entfaltung gebracht, um später durch den Vandalismus brahmanistischer Zerstörungswut erstickt zu werden. Unter schweren Kämpfen suchten die Singalesen ihre Heimat vor den fanatischen Horden der von Norden hereinbrechenden Drawiden zu schützen, doch ihr Widerstand versank in den Wogen des Barbarismus, der die Insel wie ein sturmgepeitschtes Meer überflutet hat. Lankas alter Boden ist blutgetränkt; doch über der rötlichen Erde schwebt ein warmer Hauch, der aus dem Geiste der Zerstörung ein blühendes Leben voll Fruchtbarkeit erweckt hat. Das Innere Ceylons war der Schauplatz gewaltigen Völkerringens. Dort ist eine Welt monströser Ruinen im Laufe der Jahrtausende von einem leidenschaftlich-sprießenden Wachstum überwuchert worden. Endlose Trümmer gigantischer Städte und Tempel sind von der Wildnis dichten Dschungels bedeckt, und in stiller Bewunderung stehen wir vor den Resten alter Pracht und Herrlichkeit, die der Geist Gautama Buddhas aus der Erde dieses Landes geschaffen hat. Ceylon, auf dessen Boden der von Gautama versenkte Same seiner Lehre die reichsten Früchte trug, bewahrt noch heute das Erbe seines göttlichen Sohnes, dessen Einfluß wir in der Größe und Erhabenheit, die uns in den vielen buddhistischen Kultstätten Ceylons begegnet, bewundern können.

Doch der Wandel der Zeiten hat dem ehrwürdigen Gesicht der Vergangenheit den Ausdruck einer neuen Zeit gegeben, in der wir nur noch die verblaßten Spuren märchenhaften Seins entdecken können. Wir sehen deshalb in den Ruinen Ceylons vor allem das frühe Lanka der Antike, dessen wunderbare Schätze ich während meiner Reise in das Innere der Insel schauen konnte. Das moderne Ceylon dagegen zeigt außer den Reizen seiner märchenhaften Tropennatur die gewaltigen Auswirkungen, die der Geist der neuen Zeit in ihm wachgerufen und gefördert hat. Unter der Herrschaft Englands hat sich Ceylon mit seinen unerschöpflichen Quellen wirtschaftlichen Reichtums im Laufe eines Jahrhunderts einen hervorragenden Platz in der Weltwirtschaft erobert. Seine Erzeugnisse wurden durch die organisatorischen Fähigkeiten seiner Kolonisatoren und die Kultivierung seiner wirtschaftlichen Werte auf ein bedeutsames Maß gesteigert. Die dadurch erreichte Produktivität des ceylonesischen Bodens ist geradezu erstaunlich zu nennen, und unter seinen Kolonien besitzt England wohl kein zweites Inselreich, das ihm bei seiner relativen Kleinheit solche Werte liefert, wie es die Fruchtbarkeit der Insel vermag. Auch im Weltverkehr ist Ceylons Hafen Colombo zu einem der bedeutungsvollsten Handelsplätze des Ostens geworden, und längst sind seine schützenden Mauern zu eng, um alle die Schiffe, welche die Welt an Ceylons Küste schickt, zu fassen. Die hauptsächliche Ausfuhr besteht in Tee, dessen Anbau sich im Laufe von etwa vier Jahrzehnten ungeheuer gesteigert hat. Inzwischen ist die Kultivierung von Kaffee, Zimt, Kakao, Gummi und Chinarinde zugunsten dieser stets wachsenden Teekulturen weit in den Hintergrund getreten, und heute schon übersteigt die Teeproduktion Ceylons bereits das Erträgnis des riesigen indischen Reiches. Kaum ist die Masse der Bevölkerung (4 500 000 Einwohner) in der Lage, den enormen Erfordernissen der Arbeitsleistungen, die aus dieser gesteigerten Produktivität notwendig werden, zu genügen. Es werden zu diesem Zweck aus dem südlichen Indien die Heere tamulischer Arbeiter angeworben, welche hauptsächlich in den Teepflanzungen Verwendung finden. So wiederholt sich heute jene Invasion des Altertums, die der Vergangenheit Ceylons eine so bedeutende Wendung gab. Nur sind jene, deren Vorfahren früher als Eroberer Lankas kamen, heute die Unterworfenen dieses Landes, in dem einst die Sonne ihres Reiches den höchsten Stand erreichte.

Auch einen großen Reichtum an Bodenschätzen besitzt Ceylon. Seine Edelsteine und Perlen, Minerale und Erze bringen dem Lande einen ungeheuren Gewinn. Auch wertvolle Nutzhölzer, Elfenbein, Areka- und Kokosnüsse und Gewürze zählen zu den hauptsächlichen Erzeugnissen des Landes. In neuerer Zeit liefern Plumbago- (Graphit-)Minen ein gutes Erträgnis, während die Edelsteinfunde in Ratnapura immer seltener werden. Die buntgemischte Bevölkerung, welche Ceylon besitzt, ist zweifellos auch den wechselreichen historischen und weltpolitischen Ereignissen zuzuschreiben, die sich im Laufe der Jahrhunderte in einer vielgestalteten Rassenvermischung ausgewirkt haben. Unter seiner Bevölkerung finden wir fast alle Völker der Erde vereinigt. Besonders die Eingeborenenviertel von Colombo, in denen sich dieses Völkerbabel sammelt, sind die Schauplätze einer gemischten, wimmelnden Lebendigkeit. Dort finden wir die ältesten Einwohner Ceylons, die Singalesen, Arier, Drawiden, Malaien, Araber und die interessanten portugiesischen und holländischen Mischlinge, welche man Burghers nennt. In den Urwäldern Ceylons wohnen noch heute die Ureinwohner Lankas, die Weddahs, welche in der Abgeschiedenheit der Wildnis die Ursprünglichkeit ihrer Art und Rasse bis auf den heutigen Tag bewahrt haben. Die vorherrschende Religion ist der Buddhismus, der fünf Jahrhunderte vor Christi seinen Eingang auf Ceylon fand und sich trotz der starken hinduistischen Einflüsse in reinster Form erhalten hat. Die Erde Ceylons ist deswegen dem Buddhisten heilig, denn dort hatte die Lehre und der Geist Gautamas einen festen Stützpunkt gewonnen und seinen Siegeslauf in die östliche Welt genommen. Noch heute findet man in Anuradhapura, der ältesten Kultstätte buddhistischen Glaubens auf Ceylon, den heiligen Bobaum, der als das Symbol der Erleuchtung Buddhas der Erde Ceylons entsprossen ist und als ein lebendiges Wahrzeichen den Geist einer großen Vergangenheit verkörpert.


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