Hans Dominik
Das ewige Herz
Hans Dominik

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Norimberga Germaniae centrum

Nürnberger Eyerlein

»Schau auf deine Arbeit Bub! Kann nichts Rechts daraus werden, wenn Du die Augen ständig wo anders hast.«

Die Worte Georgs gelten Valentin; schuldbewußt beugt er sich wieder über seinen Schraubstock und läßt die Schlichtfeile in langen Strichen über einen Schloßriegel gleiten, den er in den Stock gespannt hat. Hofft auch schon, daß die Sache damit abgetan ist, doch der Gesell gibt sich noch nicht zufrieden. Er tritt an den Platz des Jungen heran, mustert dessen Arbeit aus der Nähe und hat mancherlei daran zu rügen.

»Liegen die Feilstriche nicht gerad nebeneinander, Valentin? Soll eine sauber geschlichtete Fläche ausschauen wie ein Spiegel. Ist auch nicht winkelrecht.« Während er's sagt, legt er einen eisernen Winkel an das Werkstück. »Hast's schlecht gemacht, Valentin Kann die liebe Sonne zwischen Fläche und Winkelmaß durchscheinen. Ist keine saubere Schlosserarbeit. Will's Dir noch einmal richten.«

Damit nimmt er die Feile selbst in die Hand, macht einige Striche, legt den Winkel wieder an und spricht weiter: »So! Jetzt ist's winkelrecht. Verpatz es nicht zum zweiten Male!« Schon will der Geselle auf seinen Platz zurückkehren, als er sich besinnt und fortfährt »Was hast immerzu zum Meister hinüber zu gaffen? Mach Dein eigene Sach und kümmere Dich nicht um Andere!«

»S'ist nur wegen des Martin«, wendet der Lehrbub schüchtern ein, »daß er kein Bisamäpflein mehr machen soll, sondern neben dem Meister sitzt . . .«

»Und sich so ein Glas ins Auge geklemmt hat«, fällt ihm der Geselle unwillig ins Wort, »daß der nun auch so kleine Räderchen feilen muß; daß er Federlein ausschmiedet und härtet. Läßt Dir wohl keine Ruh Valentin, daß der Martin auch ein Oerleinmacher werden soll. Hat in der letzten Woche ja schon selbst so ein winzig Ding zusammengebaut . . .«

Der Geselle muß einen Augenblick Atem schöpfen; der Lehrbub benutzt die Pause und spricht:

»Ich habe das orologium gesehen. Ein sauber klein Werk. Lag neben den beiden Oerlein des Meisters. Gingen alle drei in gleichem Takt. War eine Freud es anzuschauen.«

»So, Bub gefreut hat's Dich? Möchtest wohl auch solch ein Oerlein bauen?«

»Wenn ich dürft, Georg? Recht gern!«

»Bist noch nicht soweit Bub!« unterbricht ihn der Gesell mürrisch. »Mußt erst ein ehrlicher Schlosser werden. Mußt erst zeigen, daß Du ein zunftgerecht Türschloß fertigen kannst. Ist später noch Zeit für das andere. Wird ohnedem nicht fehlen, daß der Meister noch mehr Gesellen dazu braucht, wenn's so weiter geht. Sind schon mehrere Leut in unsere Werkstatt gekommen, um sich die neuen Oerlein zu betrachten. Waren auch schon Herren vom Rat da. Dich darf's noch nicht kümmern. Halt Dich an Deine Arbeit; bis zum Mittagläuten ist mir der Riegel sauber eingepaßt, sonst setzt's was Bub!«

Mit gemischten Gefühlen sieht Valentin den Gesellen zu seinem Schraubstock zurückkehren und nimmt mit einem Seufzer die Feile wieder auf. – – –

Lange Zeit hat der Meister das Rädlein, das ihm Martin reicht, durch die Lupe betrachtet. Jetzt nickt er dem Gesellen befriedigt zu.

»Hast Deine Sach recht gemacht. Sind die Zähnlein sauber gefeilt und geschabt. Sind eine gute Schule für Dich gewesen, die Äpflein. Hast dabei gelernt, Stichel und Schaber so geschickt zu führen, wie die zünftigen Gravierer und Goldschmiede.«

»Dank Euch für Euer lobend Wort, Meister«, erwidert der Gesell.

»Ist ein mühselig Werk«, spricht Meister Henlein weiter. »Strengt Augen und Hand an. Muß auf eines Haares Breite alles genau sein, wenn die Räderlein sauber ineinandergreifen und ruhig laufen sollen. Lohnt sich aber der Müh, wenn Du das fertig orologium danach so gleichmäßig und lautlos gehen siehst. Ist doch eine Freud für den, der's gemacht, wenn's so genau die Stunden weist und schlägt. Werden unserer Stadt noch Ehr' und manchen Goldgulden bringen, die kleinen Oerlein.«

»Glaub's Euch wohl Meister«, meint der Gesell, »hab auch in der Stadt die Leut schon von den Nürnberger Eyerlein reden hören.«

»Ist noch zu früh dafür, Martin!« unterbricht ihn Meister Henlein. »Wollen die Oerlein erst ganz vollendet haben, eh die anderen davon wissen dürfen. Schweig vorerst noch fein still, wenn man Dich auf der Gasse danach fragt. Wird ohnhin schon zuviel aus der Werkstatt geplaudert von den Gesellen und dem Lehrbuben.«

»Werd's mir merken, Meister«, sagt Martin, »leid tut mir's nur um das Äpflein, das ich um der Oerlein willen nicht fertig stellen konnte. Hatte so schön damit begonnen. Die neuen Ornamenta sind gar zierlich geworden. Mußt es nun unvollendet in die Lade legen.«

Meister Henlein hat den Gesellen still angehört. »Bring das Äpflein einmal her!« unterbricht er ihn. – –

»Könnt für Dein Oerlein passen«, meint er, als Martin die beiden Hälften des Bisamapfels vor ihn hinlegt. »Siehst Du, das Oerlein fügt sich schön in die untere Schale; wird von der anderen gut bedeckt. Brauchst hier nur noch vier Ösen einzulöten, um es fest zu halten. Soll Deine nächste Arbeit sein, das Oerlein in das Äpflein zu passen. Mußt den oberen Teil noch mit zwei Scharnieren versehen, Martin, daß man es aufklappen kann, wenn man den Weiser sehen will.«

»Soll ich's gleich fertig machen«, fragt der Gesell.

»Ja, setz Dich gleich daran!« entscheidet Meister Henlein. »Ich säh es gern bis zum nächsten Sonntag vollendet. Könnten gewichtige Leut kommen, denen ich ein fertig Oerlein im Gehäuse weisen möchte.«

»Bis dahin werd ich's gewißlich schaffen, Meister«, sagt der Gesell. – – –

In seiner Behausung in der Nonnengasse sitzt der gelahrte Magister Johannes Cochlaeus, den ein hoher Rat vor nicht allzulanger Zeit zum Leiter der Lorenzer Pfarrschule berufen hat, im bequemen Sessel an seinem Schreibpult und hat ein pergamenten Buch vor sich, dessen Seiten mit den krausen Zügen seiner Handschrift bedeckt sind. Obwohl die Schule seine Zeit stark in Anspruch nimmt, hat der Magister sich daneben noch ein schwieriges Werk vorgenommen. Zu der großen Cosmographie des Pomponius Mela will er eine Vervollständigung schreiben. Wertvollen Stoff dazu hat er von allen Seiten gesammelt. Soviel ist dabei schon zusammengekommen, daß die Menge ihm fast über den Kopf wächst und noch mehr ist zu erwarten.

Herr Johannes Cochlaeus hat eingesehen, daß es geraten ist, sofort an die Bearbeitung des bereits Vorhandenen zu gehen, wenn er in der Fülle des Stoffes nicht ertrinken soll, und als erste Frucht seiner Arbeit liegt das Manuskript eines kleinen Lehrbuches der Geographie fertig für die Offizin des Buchdruckers vor ihm. Der gelehrten Sitte seiner Zeit entsprechend, hat der Magister es in lateinischer Sprache abgefaßt. Auf dem ersten Pergamentblatt prangt der Titel:

»De quinque zonis terre. Compendium Joannis Coclei Norici in geographiam introductorium dezem capitibus conflatum«»Von den fünf Zonen der Erde. Ein einführendes Lehrbuch in die Geographie von dem Nürnberger Johannes Cochlaeus, in 10 Kapiteln zusammengefaßt.«.

Doch schon hat sich wiederum neuer Stoff gehäuft und bevor noch das »introductorium« unter die Druckerpresse kommt, sitzt der Magister schon an einem neuen Manuskript. Noch länger und schwungvoller als der des vorangegangenen klingt der Titel dieses zweiten Werkes:

»Brevis Germaniae descriptio tum a rebus gestis moribusque populorum tum a locorum situ octo capitibus digesta«»Eine kurze Beschreibung Deutschlands sowohl von seiner Geschichte und den Sitten seiner Bevölkerung, wie auch von der Lage seiner Ortschaften in acht Kapiteln.«.

Besonderen Eifer wendet der Magister dem vierten Kapitel dieses Buches zu, dem er die Überschrift gegeben hat:

»De norimberga germaniae centro«»Nürnberg, das Zentrum Deutschlands.«.

Hier sitzt er ja an der Quelle, kann aus dem Vollen schöpfen und artificum ingenia (das Genie der Nürnberger Künstler) in hohen Tönen preisen. Er ist bei ihnen gewesen, bei dem Maler Albrecht Dürer, dem Instrumentenmacher Hans Neuschel und dem Kartographen Ehrhardt Etzlaub. Konnte zu des letzteren Preis in seine Chronik schreiben: »Der die schönste Karte von Deutschland, in deutscher Sprache wenigstens, gefertigt hat, auf welcher man die Entfernungen der Städte und den Lauf der Flüsse sicherlich genauer erkennen kann, als sogar auf den Karten des Ptolomäus.«

Am gestrigen Tage hat ihn sein Weg auch zum Erzgießermeister Peter Vischer geführt und staunend hat er in dessen Werkstatt lange Zeit vor dem Modell zum Grabmal des heiligen Sebaldus gestanden. Ist in Sinnen versunken in sein Heim zurückgegangen und hat den Abend und einen Teil der Nacht noch überlegt, wie er das Gesehene in Worte fassen solle. Ist auch in den Frühstunden in seiner Schule so zerstreut gewesen, daß es die Scholaren, mit denen er die Aenëis des Virgilius Maro traktierte, wohl gemerkt haben. Kehrte gleich danach an sein Schreibpult zurück und bringt nun, während ihm das zierliche Denkmal des Gießermeisters immer noch vor Augen schwebt, wie durch eine Inspiration getrieben die Worte zu Pergament:

»Vidi ego totum sacellum ab eo in aes fusum imaginibusque celatum, in quo multi sane mortales stare missamque audire poterunt«»Ich habe ein von ihm in Erz gegossenes und mit plastischen Bildern geziertes ganzes Tempelchen gesehen, in welchem allerdings viele Sterbliche werden stehen und die Messe hören können.«.

Tief aufatmend legt er den Gänsekiel zur Seite und lehnt sich in den Sessel zurück. Noch einmal überdenkt er die Worte, die Peter Vischer gestern zu ihm gesprochen hat. ›Könntet noch andere gar künstlerisch und fein ausgeführte Dinge schauen, Herr Magister Cochlaeus, so Ihr meinen Nachbarn den Peter Henlein aufsuchen wollt.‹

Die Worte wollen dem Magister nicht mehr aus dem Sinn. Daß der Peter Henlein nicht eigentlich ein Künstler, sondern Meister aus der Schlosserzunft ist, hat er gestern noch in der Gasse hinter Sankt Katharinen erfahren und sieht nicht recht ein, was es bei dem besonders Künstlerisches geben kann. Und doch ist's ihm so, als hätte er schon mal etwas von dem Meister gehört, und nun kommt's ihm auch wieder in die Erinnerung. Neulich abend im Bratwurstglöckle hat ja Herr Caspar Nützel den Namen genannt und von einem orologium gesprochen, das er in dessen Werkstatt gesehen.

Wort für Wort entsinnt er sich jetzt wieder der Unterhaltung jenes Abends, wie sie damals im Gespräch vom Meister Henlein geraden Wegs auf den großen Magier, den Doktor Faustus gekommen sind, und nun ist sein Entschluß gefaßt. Der Magister steckt ein kleines Merkbüchlein zu sich, greift nach seinem Barett und macht sich auf den Weg. Weit braucht er nicht zu wandern; von Sankt Lorenz bis nach Sankt Katharinen sind es nur wenige hundert Schritte; dann steht er vor dem Hause des Schlossermeisters und eine junge Magd führt ihn zu der Werkstatt.

Wie betäubt bleibt der Magister Cochlaeus stehen nachdem die Tür hinter ihm zugefallen ist. Ungewohnt ist dem Gelehrten der Lärm, der hier von allen Seiten auf ihn eindringt. Schwer dröhnen ihm die Hammerschläge, mit denen einer von Meister Henleins Gesellen den Meißel durch Eisenblech treibt, in die Ohren. Von den Schraubstöcken her kreischen Feilen, über der Esse faucht und keucht der schwere Blasebalg. Das ist eine andere Welt, als die stille Studierstube aus der er kommt. Während er noch dasteht und sich hilflos umschaut, hat ihn der älteste Gesell erspäht. Einen Kunden in ihm vermutend, tritt er auf ihn zu und spricht ihn an:

»Ihr wollt gewiß zum Meister Henlein hochgelahrter Herr, darf ich Euch führen?« Fast schreiend muß er die Worte noch einmal wiederholen, bevor ihn der Magister bei dem Lärm versteht. Dann nickt er und folgt dem anderen zu dem Platz am Fenster, wo der Meister und Martin hinter einem Verschlage bei ihrer Arbeit sitzen.

Das erste, was Herr Cochlaeus dort erblickt, ist ein Äpflein, dessen Gestaltung sein Auge alsbald gefangen nimmt. Er kennt die Werke der welschen Bildner, hat manches Stück der Gold- und Silberschmiede von Venedig und Rom gesehen und schaut hier Formen und feine Ziselierungen, die ihm den Schöpfungen jener südländischen Künstler ebenbürtig zu sein scheinen. Noch ist er ins Schauen versenkt, als Meister Henlein sich erhebt und ihn begrüßt:

»Ich heiß Euch willkommen, gelahrter Herr, dank Euch auch für die Ehr, die Ihr meiner Werkstatt durch Euren Besuch erweist. Wollet die Gut haben, mir Eure Wünsche kund zu tun.«

Der Meister muß auf eine Antwort warten; denn des Magisters Blick ist inzwischen weiter gewandert und haftet nun auf drei Oerlein, die nebeneinander auf des Meisters Tisch stehen und in gleichem Takt schlagen. Nur allmählich findet Herr Cochlaeus Worte:

»Ich habe Eure Oerlein rühmen gehört, Meister Henlein. Habe nach solcher Red manches von Eurer Kunst erwartet, doch was ich hier schaue . . . vox faucibus haesit . . .« sagt er für sich, spricht dann laut weiter: »Es verschlägt mir die Sprache Meister; der Anblick der wundersamen Werke, die Ihr hier gefügt habet. Die winzigen Räderlein . . . die feine Waag . . . die Weiser, wie sie ganz gleich stehen bei den drei Oerlein . . .«

In seine Worte tönen Glockenschläge von Sankt Katharinen her, mit wuchtigen Schlägen kündet die große Turmuhr die elfte Vormittagsstunde. Noch ist der letzte Schlag nicht verklungen, da beginnt es in dem einen Oerlein zu schnurren und dann tönen silberhelle Schläge von ihm her. Elfmal erklingt das feine Glöcklein, das mit dem Werk des orologium verbunden ist und auch hier ist der elfte Schlag noch nicht verhallt, da hebt bei den beiden anderen Oerlein das gleiche Spiel an, während sich von Sankt Lorenz her die tieferen Töne der Turmuhr darein mischen.

»Sie laufen genau mit den großen Uhren, meine kleinen orologia Herr Cochlaeus«, sagt Meister Henlein mit dem Stolz des Erfinders. »Ihr hörtet., wie ihre Glöcklein zusammen klangen. Sie weisen Euch die Zeit, gleichviel wie Ihr sie tragt. In jeder Lage laufen und schlagen sie.«

Damit nimmt der Meister eines der Oerlein vom Tisch, gibt es dem Magister in die Hand, reicht ihm auch eine Lupe und spricht erklärend weiter:

»Schaut's Euch in der Vergrößerung an, Herr Magister. Sehet, wie die Rädlein nach der Lehre der Mathematikorum ineinander greifen, und wie eines das andere treibt. Könnet das Werklein halten wie Ihr wollet, die Waag schwingt gleichmäßig weiter. Könnet es, wenn's ins Gehäuse gefügt ist, auch um den Hals hängen.« Während Meister Henlein es sagt, läßt er sich von Martin das Äpflein reichen, stellt das zweite Oerlein hinein, befestigt es mit vier feinen Keilen.

»Seht Herr Magister, so ist es fest gefügt,« fährt er fort und klappt die beiden Hälften des Apfels zusammen. »Nun ist das orologium in seinem Gehäus. Wollt Ihr die Zeit schauen, so braucht Ihr nur das Türlein hier vorn zu öffnen. Könnet es so in der Tasche tragen; könnt auch hier durch die Öse ein Kettlein ziehen und habt ein feines Schmuckstück daran.«

Der Magister Cochlaeus hat sein Merkbüchlein aus dem Wams gezogen. Eilig läßt er das Reißblei über das Papier gleiten, während Meister Henlein in seiner Erklärung fortfährt. Vieles von dem, was jener sagt, leuchtet dem Magister ein. Unklar bleibt ihm, was der Meister über die Abmessungen der Räderlein und die Zahlen ihrer Zähne zu erklären versucht. Herr Cochlaeus schreibt wohl ein flüssig Latein und kennt sich auch in der griechischen Sprache aus, aber die mathematische Wissenschaft ist ihm eine terra incognita. Nur das notiert er in sein Büchlein, daß das kleine orologium nach den Regeln dieser so schwer zu begreifenden Disziplin gebaut ist, daß seine Räderlein die Bewegung nach wohl erforschten Gesetzen weiterleiten und daß ein Eingeweihter ihre Drehungen zu berechnen vermag.

›Wenn's nicht Zauberei ist, wird's wohl die ars mathematica sein‹, denkt der Magister bei sich und klappt sein Büchlein zu.

»Dank Euch vielmals Meister für Eure Unterweisung«, spricht er zum Abschied, »hab alles wohl notieret und will's getreulich in meine Chronik schreiben. Soll nach Gebühr vermeldet werden, was Ihr zum Ruhme unserer Stadt erfunden habt.« – – –

»Hab gedacht, er wird ein Äpflein kaufen«, meint der Gesell Martin, als der Magister die Werkstatt verlassen hat.

»Warst im Irrtum, Martin«, weist ihn der Meister zurecht. »Der Magister kam um anderer Ursach willen. Sahet Ihr nicht, wie er in seinem Büchlein schrieb? Habe sagen hören, daß er bei den Künstlern unserer Stadt und auch bei den Meistern, so etwas Neues erfunden haben, herumgeht und alles was er erfährt zu Pergament bringt. Vernahm auch, daß er's drucken lassen will . . . hundert vielleicht sogar zweihundert Mal. Kann sein, daß es dadurch auf die Nachwelt kommt, Martin . . . daß man von uns noch lesen wird, wenn wir längst nicht mehr sind . . .« – – –

Herr Cochlaeus sitzt wieder in der Studierstube und hat das Manuskript seiner Chronik vor sich. Das vierte Kapitel schlägt er auf, das von dem Mittelpunkt Deutschlands, der Stadt Nürnberg handelt. Bedächtig und immer wieder überlegend schreibt er auf ein frisches Blatt die Worte nieder:

»Inveniunt in dies subtiliora. Etenim Petrus Helejuvenis adhuc admodum, opera efficit, que vel doctis, simi admirantur mathematici, nam ex ferro parvo fabricat orologia plurimis digesta rotulis, que quocumque vertantur absque ullo pondere et monstrant et pulsant quadraginta horas, etamsi in sinu marsupiove contineantur«»Täglich erfinden sie feinere Dinge. So bringt Peter Hele, ein noch junger Mann, Werke hervor, welche selbst die gelehrtesten Mathematiker bewundern, denn aus ein wenig Eisen fertigt er mit vielen Rädern ausgestattete Uhren, die, wie man sie auch wenden mag, ohne irgend ein Gewicht vierzig Stunden zeigen und schlagen, selbst wenn sie im Busen oder Geldbeutel stecken.« –.

Was Meister Henlein nach dem Besuch des Magisters zu seinem Gesellen sprach, ist in Erfüllung gegangen. Mehr als vier Jahrhunderte sind seitdem verflossen. Geschlechter kamen und sind wieder vergangen. Man kennt die Stätte nicht mehr, an der Meister Henlein zur letzten Ruhe gebettet wurde, und keines seiner kunstvollen Oerlein kam auf unsere Tage; doch die Chronik des Cochlaeus ist uns erhalten geblieben und mit ihr auch jene Worte, die der Magister nach seinem Besuch in der Werkstatt an einem Sommertage des Heilsjahres 1510 niedergeschrieben hat.


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