Hans Dominik
Befehl aus dem Dunkel
Hans Dominik

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Jan Valverde saß im Schatten einer Platane beim Nachmittagskaffee. Ein Kraftwagen fuhr am Hause vor, Rochus Arngrim und Lydia Allgermissen stiegen heraus. Jan eilte ihnen entgegen.

»Ah, famos! Seien Sie herzlich willkommen. Verlobungsvisite? Ist ja ausgezeichnet! Kommen Sie, wir wollen zusammen Kaffeestunde halten.« Er drückte den beiden die Hand und zog sie ohne sie viel zu Worte kommen zu lassen, in den Garten zum Kaffeetisch.

»Verlobungsvisite . . . teils, teils Jan. Da möchte ich ehrlicherweise von vornherein bemerken, Verlobungsvisite ist schon richtig, aber was anderes spricht auch mit.« Arngrim sah dabei Lydia an, die ihm verlegen die Hand vor den Mund halten wollte.

»Weiter, Rochus!« rief Jan. »Immer ehrlich! Sag's doch!«

»Also offen gesagt, Jan, es ist auch ein großes Teil Neugierde von Lydia . . . von uns«, verbesserte er sich lachend, als ihm Lydia in gespieltem Zorn drohte. »Aber du wirst das verstehen, Lydia weiß doch, wie eng Georgs Erfindung mit dem Werk ihres Vaters zusammenhängt, und ist nicht wenig stolz darauf. Sie behauptet, ein Anrecht zu haben, etwas Näheres über Georgs Taten, die ja doch ans Wunderbare grenzen, zu hören.«

Lydia wollte gegen Arngrims Worte aufbegehren, da fiel ihr Jan mit seinem gewohnten herzerfrischenden Lachen ins Wort. »Sie haben ganz recht, Fräulein Lydia. Wenn einmal die Öffentlichkeit über diese tolle Geschichte aufgeklärt wird, darf der Name Algermissen nicht vergessen werden. Da kenne ich Georg, er wäre der letzte, der sich mit fremden Federn schmücken würde.«

»Wie lauten denn die neuesten Nachrichten, Herr Valverde?«

»Ja, mein Fräulein, da weiß ich wahrscheinlich nicht mehr als Sie. Von Georg persönlich habe ich über eine Woche nichts gehört und gesehen, weiß auch nur das, was Rundfunk und Zeitungen gemeldet haben. Na, ich denke, der Anfang wäre recht vielversprechend. Wird da so aus dem Handgelenk eine japanische Brigade in die Tasche gesteckt, ohne daß auf beiden Seiten ein Tropfen Blut fließt.

Obwohl ich die Künste dieses Zauberapparates doch schon oft genug miterlebt habe . . . als ich von der Gefangennahme der Flieger und der Brigade hörte, war ich einfach platt. Wenn das in dem Tempo weitergeht, werden wir die gelben Burschen ja bald alle hinter Stacheldraht haben.«

»Da kann man sich ungefähr vorstellen, Jan, wie die andere Menschheit, die von Georgs Apparat keine Ahnung hat, aus dem Häuschen ist.«

»Der gute Papa Musterton tut uns so leid«, warf Lydia ein. »Wir haben ihm natürlich, wie es Herr Astenryk wünschte, kein Wort von dem Geheimnis des Verstärkers gesagt.«

»Übrigens ganz interessant, Jan. Doktor Musterton ist doch zweifellos ein kluger, gescheiter Mensch. Aber was er in diesen Tagen alles für Theorien ausgeheckt hat über diese unerklärlichen Vorgänge . . .«

»Da kann man sich denken«, fiel Jan ein, »was sie jetzt wohl überall in der Welt an Gehirnschmalz verbrauchen, um möglichst unmögliche Erklärungen zu finden . . . ausgenommen einer, Turi Chan. Das Gesicht von dem gelben Satan möchte ich sehen. Der weiß ja Bescheid, der weiß, wie die Dinge stehen. Und dabei war der doch sicherlich überzeugt, daß er Georg samt seinem Verstärker auf immer los wäre.«

Ein Hausmädchen rief vom Garteneingang her: »Herr Valverde! Herr Astenryk ist am Telephon. Wollen Sie . . .«

»Ah, ist ja wunderbar! Gleich bin ich da.« Jan war bei den letzten Worten aufgesprungen und eilte ins Haus. Lydia benutzte seine Abwesenheit, um sich nach Verliebtenart mit ihrem Verlobten zu streiten.

»Mich so zu verleumden, Rochus! Du warst doch ebenso neugierig wie ich. Am Ohr müßte ich dich zausen.«

Sie stand auf, wollte zu Arngrim treten . . . wandte sich erschreckt um. Ein dunkler Schatten war über den Boden geglitten, ein unbekannter Mensch stand neben ihnen, die Augen in glühendem Haß auf Arngrim gerichtet.

Ein Schauer des Entsetzens überlief Lydia, ihre Blicke suchten angstvoll das Gesicht ihres Verlobten. Der war tief erblaßt, starrte wie fasziniert auf den Fremden. »Turi Chan«, flüsterten noch eben die bebenden Lippen, dann schloß er die Augen, ein Zittern ging durch seine Gestalt . . . er wollte sich erheben, als wolle, müsse er dem anderen folgen.

Lydia stieß einen lauten Schrei aus. Ihre Arme umklammerten schützend Arngrims Haupt, ihr Kopf legte sich an seine Schläfe. »Du darfst ihm nicht folgen, mußt bei mir bleiben. Er will dich wieder von mir reißen«, schrie sie in tiefstem Jammer und Entsetzen. »Tue es nicht! Bleibe bei mir!«

Sie sah nicht das in Hohn und Haß verzerrte Gesicht Turi Chans. Sah nicht, wie der in rasender Wut alle Energie seines Willens aufbot, den unerwarteten Widerstand zu brechen . . . Aber ein anderer hatte es gesehen, Marian. Der kam von der Jagd zurück, hörte die Stimme im Garten, ging darauf zu, sah das Bild vor sich.

Sekundenlang stand er zu Stein erstarrt, unfähig, in Furcht und Schrecken ein Glied zu rühren. Dann griff er mit zitternden Händen zum Gewehr, machte es fertig . . . da . . . mit einem wilden Schrei der Verzweiflung stürzte Turi Chan zusammen. Sein Geist war im Kampf mit der größeren Kraft der Liebe Lydias, die den Geliebten schirmend umgab, gebrochen. – Einen Wahnsinnigen, der in schwersten Fieberphantasien tobte, trug man ins Haus.

Dr. Musterton, der sofort herbeigeholt wurde, stellte eine schwere Affektion des Zentralnervensystems fest und erklärte den Zustand des Kranken für sehr bedenklich.

Nach einer langen Unterredung mit Arngrim stand Mustertons Meinung fest. Die Mittel, mit denen Turi Chan seinen Geist zu solchen übernatürlichen Leistungen reizte, mußten naturgemäß Gifte sein. Der häufige Gebrauch derartiger Toxine hatte allmählich krankhafte Veränderungen des Gehirns hervorgerufen. Sicherlich hatte Turi Chan besonders große Dosen dieser Gifte genommen, ehe er nach Paulinenaue kam, wie er in seinen Fieberphantasien verriet, seinen schlimmsten Feind Georg Astenryk zu vernichten. In seinem überreizten Zustand mochte er Arngrim für Georg gehalten haben. Der unerwartete Widerstand – Arngrim von Lydias Körper geschirmt, von ihrem Geist beherrscht – hatte ihn zu letzter, verzweifelter Anstrengung getrieben, an der er zerbrach.

»Der Tod würde für ihn eine Erlösung sein«, schloß Musterton, »denn sein Geist ist für immer zerstört.« –

Zwei Tage noch wehrte sich der Starke . . . dann starb er.

*

Der Kraftwagenzug, der General Scott und seinen Stab, darunter auch Georg Astenryk, nach Norden trug, hielt auf einer Anhöhe nordöstlich von Brantville. Auf einer der großen Weideflächen unter ihnen streckte sich das Lager für die gefangene japanische Brigade. Scott hatte das Lager einer genauen Besichtigung unterzogen und dabei die Beschwerden des Kommandanten O'Rourke mit anhören müssen, der sich über Mangel an Wachmannschaften und zunehmende Unbotmäßigkeit der Gefangenen beklagte.

Oberst Trenchham stieg jetzt mit mehreren Offizieren aus und untersuchte die Beschaffenheit der Höhe, die von dem Gefangenenlager ungefähr dreihundert Meter entfernt war, sagte dann: »Hauptmann O'Rourke hat recht. Dieser Punkt beherrscht das Lager vollkommen. Hier ein paar Unterstände mit Maschinengewehren werden die gelbe Gesellschaft in Schach halten.«

Scott sprach mit Georg, der an seinen Wagen getreten war.

»Die Schwierigkeiten, die O'Rourke mit den Gefangenen hat, sind begreiflich. Wären die Japaner in offenem Kampf gefangengenommen, wäre ihre Stimmung natürlich ganz anders.«

»Das ist ohne weiteres verständlich«, sagte Dale. »Selbst der dümmste Teufel da unten wird sich doch allerhand Gedanken machen, wie er dazu gekommen ist, die Waffen hinzuwerfen und mit dem festen Willen, sich gefangennehmen zu lassen, unseren Soldaten in die Hände zu laufen. Hätten wir die Offiziere nicht sofort von den Leuten getrennt und nach Georgetown weitertransportiert, wäre sicherlich schon ein gewaltsamer Ausbruch versucht worden.«

»Am rabiatesten sind aber doch die gefangenen Flieger!« warf Georg ein, »sie können sich anscheinend am wenigsten mit dem abfinden, was ihnen passierte.«

»Sie meinten doch damals, Herr Astenryk, es wäre nicht sicher, ob Sie mit Ihren Verstärkerwellen die Piloten überhaupt so beeinflussen könnten, daß sie landen müßten«, sagte Scott lachend, und drohte dabei mit dem Finger.

Georg machte ein etwas verlegenes Gesicht. »Wenn ich gewußt hätte, daß die Zellonscheiben der japanischen Flugzeuge nicht die metallischen Einlagen haben, wie sie doch bei den australischen Maschinen zur Versteifung des Zellons gebräuchlich sind, wäre ich meiner Sache sicherer gewesen. Da aber schon ein teilweiser Mißerfolg verhängnisvoll werden konnte, sprach ich mich damals gegen den Plan von Oberst Trenchham aus.«

»Stimmt's, Clennan?«

»Gewiß, Herr Oberst! Herrn Astenryks Bedenken waren durchaus gerechtfertigt.«

»Es muß doch für die Gefangenen ein sonderbares Gefühl gewesen sein«, sagte Dale, »so plötzlich, ohne einen Feind zu sehen, den Willen in sich zu fühlen: Du mußt die Waffen fortwerfen und dich gefangennehmen lassen. Daß ein tapferer, intelligenter Soldat später alles daransetzen wird, sein unbegreifliches Versagen irgendwie wiedergutzumachen, ist selbstverständlich.«

»Verständlich ist leider auch«, meinte Scott bedrückt, »daß so manche der gefangenen Offiziere Selbstmord begangen haben.« –

Am nächsten Abend kamen sie in ein Städtchen am Ufer des Murrombidgee. Der General hatte die westlich von Canberra zusammengezogenen australischen Truppen besucht. In den Wäldern auf den westlichen Ausläufern der Blauen Berge waren das Dritte und das Vierte australische Infanterieregiment zusammengezogen, gegen jede Sicht gut gedeckt.

»Das Vierte Regiment wird wohl jetzt schon auf dem Marsch sein«, meinte Scott und sah nach der Uhr, »hoffentlich haben seine Kraftwagen keine Pannen.«

»Das ist kaum zu befürchten, Herr General. Die Straße ist in sehr gutem Zustand. Das Regiment wird bestimmt morgen vor Tagesanbruch in den Kingsombergen stehen. Alles hängt davon ab, daß sie nicht von japanischen Fliegern entdeckt werden. Das könnte zu einer Diversion der japanischen Truppen führen, die nicht erwünscht wäre.«

»Aber, Herr Oberst«, mischte sich Georg in das Gespräch, »ist es wirklich so unbedingt erforderlich, noch weitere Gefangene zu machen? Würde nicht eine völlige Aufklärung der japanischen Regierung genügen, um diese zum Abbruch der Feindseligkeiten zu veranlassen? Ich kann mir nicht denken, daß die japanische Heeresleitung selbst an die lendenlahmen Erklärungen glaubt, mit denen sie ihre Verluste zu beschönigen versucht.«

»Mag sein, Herr Astenryk! Aber es gibt für uns doch genügend Gründe, den Gelben noch eindringlicher zu Gemüte zu führen, daß jeder Versuch, den Krieg weiterzutreiben, aussichtslos ist. Es genügt keineswegs, daß die japanische Regierung unsere absolute Überlegenheit eingesehen hat, auch die japanische Armee bis zum letzten Mann muß davon überzeugt sein. Es gibt nichts Schlimmeres als eine Soldateska, die sich um den sicheren Sieg betrogen glaubt und gegen ihre Führer wendet. Das könnte auch für uns unheilvoll sein.« –

Nach kurzer Rast fuhren die Wagen Trenchhams und Georgs weiter. Auf der Kingsomhöhe bogen sie von der Straße ab und drangen, soweit es das dichte Unterholz erlaubte, mit ihren Fahrzeugen noch ein Stück nach Süden vor.

Jenseits der Senke östlich der Kingsomhöhe zog sich am Berghang die neue Landstraße hin, die erst vor kurzem unter großen Schwierigkeiten zur Verbindung Sydneys mit Canberra gebaut war. Die Straße war im allgemeinen durch ihre vielen starken Kurven sehr unübersichtlich. Das Stück gegenüber der Kingsomhöhe verlief jedoch über die Länge einer halben Meile ziemlich gerade. An dieser Stelle zweigte ein Seitenweg ob, der über die Kingsomhöhe führte und nach Sackville am Darling River weiterging.

Durch Meldungen aus der Zivilbevölkerung wurde die australische Führung ständig genau informiert, wie der Marsch der japanischen Kolonnen vor sich ging. Die japanischen Truppen, welche von Sydney auf Canberra vorstießen, waren etwa dreißigtausend Mann stark. Sie marschierten in zwei Kolonnen, von denen die eine, stärkere, auf der neuen Straße vorging, die andere weiter östlich der Bahnlinie nach Canberra folgte. –

Im Morgengrauen machte Georg, der mit Trenchham die Nacht im Wagen verbracht hatte, sein Gerät betriebsfertig. Während sie dann einen kurzen Imbiß nahmen, kam ein Adjutant Scotts und brachte die Meldung, daß das Vierte Regiment seine Stellungen bezogen hätte.

»Achten Sie vor allem auf die Flieger, die nach Westen aufklären wollen«, sagte Trenchham zu Georg. »Alles, was Sie da in Ihren Bereich bekommen, muß 'runter. Was dann mit ihnen geschieht, kann uns zunächst einmal gleichgültig sein. Die Hauptsache ist, daß sie nichts von dem Vierten Regiment sehen und melden. Flieger, die in südlicher Richtung nach Canberra steuern, lassen wir ungeschoren. Es wäre denkbar ungünstig, wenn wir gezwungen wären, viel von dem Fliegervolk herunterzuholen. Das würde die japanische Führung vorzeitig mißtrauisch machen. Auch die fahrenden Truppen interessieren uns erst in zweiter Linie. Das Vorteilhafteste wäre, wenn die beiden letzten japanischen Regimenter sich dicht aufeinander folgten.«

Georg und Clennan sahen sich lachend an.

»Viele Wünsche auf einmal, Herr Oberst! Ich wäre durchaus damit einverstanden, wenn alles so käme, wie Sie's haben möchten. Im allerschlimmsten Falle müßten wir hier so schnell wie möglich verschwinden und uns auf General Scott mit dem Vierten Regiment zurückziehen.«

»Das wäre ein sehr fatales Manöver. Auf drei Kilometer durch offenes Gelände fahren und gleichzeitig von allen möglichen Waffengattungen beschossen werden . . .«

Dale hielt lauschend die Hand ans Ohr. »Ich höre Flieger. Bei der schlechten Sicht in dieser frühen Stunde werden sie uns wohl nicht gefährlich werden.« Er deutete bei diesen Worten nach Norden, wo eben in geringer Höhe drei Flugzeuge sichtbar wurden.

Mit gespannten Blicken beobachteten sie die Flieger, atmeten auf, als die, dem Band der großen Straße folgend, stracks nach Süden zogen.

Neues Motorengeräusch lenkte ihre Aufmerksamkeit nach Norden zurück. Eine lange Reihe von Kraftfahrzeugen kam auf der Straße daher. Wie sie mit den Ferngläsern feststellen konnten, war es die motorisierte Vorhut der japanischen Infanterie. Und dann tauchten nach einer Weile die marschierenden Truppen auf. In gemischten Verbänden zog der graue Heerwurm nach Süden. Weit im Osten waren mit den Gläsern größere Fliegergeschwader zu erkennen, welche wohl die Verbindung nach rückwärts und der beiden Kolonnen untereinander aufrechterhielten. –

Die Stunden verstrichen. Immer noch dauerte der endlose Vorbeizug. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, da hielt Trenchham den Augenblick für gekommen.

»Die zweite Brigade bildet die Nachhut. Ich erkenne mit dem Glas genau die Abzeichen. Fangen Sie an! Lassen Sie die Spitze auf unsere Straße abbiegen. Die Waffen sollen sie abwerfen, wenn sie die Senke passieren.« –

Und nun vollzog sich ein Schauspiel, so unbegreiflich, so grotesk-furchtbar, daß sich einem ehrlichen Soldaten dabei das Herz im Leibe umdrehen mußte. Fünftausend tapfere, wohldisziplinierte Soldaten folgten widerstandslos einem Befehl, der aus feindlichem Munde kam, legten die Waffen ab und begaben sich geradeswegs in die Gefangenschaft. Auch Georg und die drei anderen erschauerten bis in ihr tiefstes Innere, als sie das sahen . . . sahen, wie dann auch die schon weiter vormarschierten Regimenter auf die Nachricht von der »Desertion der Nachhut« zurückkamen und, in den Bereich des Verstärkers geraten, dem Beispiel folgten. –

Obwohl sie ja alle die Wirkung des Apparates kannten, sie hundertfach erprobt hatten, machte doch das übergrandiose Schauspiel dieser über jedes menschliche Verstehen gehenden geistigen Knechtung so vieler Tausende den tiefsten Eindruck auf sie. War es doch ein ergreifender, quälender Anblick, zu sehen, wie diese Massen hier unter fremdem Zwang das Schimpflichste taten, was ein Soldat tun kann, die Waffen wegzuwerfen und sich kampflos gefangen nehmen zu lassen. –

Als der Abend kam, befand sich das Gros der Gefangenen schon weit landeinwärts in wohlvorbereiteten Lagern. Australische Flieger berichteten, daß die andere, mehr östlich marschierende, Kolonne in eiligem Rückzug aus Sydney begriffen sei.

»Mögen sie laufen, wohin sie wollen«, sagte General Scott. »Es wäre kleinlicher Ehrgeiz, auch die andere Kolonne noch gefangenzunehmen. Wenn einmal Friede ist, müssen wir sie doch wieder nach Hause schicken. Wir haben ja auch die japanischen Flieger, die die Debakel mitansahen, unbehindert entkommen lassen. Als Augenzeugen der Katastrophe können sie in Sydney nur Aussagen machen, die unserer Sache günstig sind.

Daß wir auch zu guter Letzt noch den Marschall Takamori fingen, ist sehr wichtig. Sie, Herr Astenryk, werden ihm morgen Proben von Ihrer Kunst geben. Dann werden wir ihn nach Sydney zurückschicken. Die Verhandlungen mit der japanischen Regierung werden dann schneller und leichter vor sich gehen.«

*

Die Welt stand noch unter dem ersten Eindruck dieser unglaublichen Ereignisse, da kam eine Erklärung durch die australische Regierung.

In kurzen Worten wurde dargelegt, daß der Zusammenbruch des japanischen Überfalls einzig und allein der wunderbaren Erfindung eines deutschen Ingenieurs zuzuschreiben sei. Dieser Ingenieur, namens Georg Astenryk, habe in langer Arbeit die verschollene Erfindung eines verstorbenen russischen Gelehrten, Algermissen, die Gedankenwellen des menschlichen Gehirns elektrisch zu verstärken, zu höchster Vollkommenheit entwickelt. Er habe einen Sendeapparat geschaffen, mit dem er auf weite Entfernungen hin Gedanken des menschlichen Gehirns unendlich verstärkt ausstrahlen könne. Schon bei den ersten Anzeichen der drohenden Gefahr habe er den australischen militärischen Stellen von seiner Erfindung Kenntnis gegeben. In gemeinsamer Arbeit mit diesen Stellen sei der Apparat zu einem militärischen Verteidigungsmittel entwickelt worden. Das Manifest schloß:

»Es ist uns damit gelungen, große Teile der japanischen Invasionsarmee gefangenzunehmen. Nur aus Gründen der Menschlichkeit haben wir von einer Vernichtung der Eindringlinge abgesehen.

Australien hofft, daß die japanische Regierung genügend Einsicht besitzt, um ihr Unternehmen zu liquidieren. Australien erwartet, daß Japan seine sämtlichen Truppen aus den besetzten englisch-australischen Gebieten sofort zurückzieht. Alles Weitere muß den Friedensverhandlungen vorbehalten werden.«

Diese Erklärung der australischen Regierung, durch Rundfunk verbreitet, wurde zunächst einmal ohne Kommentar sofort von der Presse der ganzen Welt übernommen. Dann kamen die Fachleute zu Wort. Viele gaben unumwunden zu, daß nach der physikalischen Theorie eine solche Erfindung möglich sei. Andere, die Zweifel in die Möglichkeit setzten, taten dies angesichts der Tatsache der unbegreiflichen militärischen Erfolge Australiens sehr verklausuliert. –

Und dann kamen die Auslassungen von Menschen jedes Standes, jedes Ranges, wie sich diese Erfindung im Guten und im Bösen auswirken könne. Man überbot sich in den phantastischsten Folgerungen. War nicht von diesen oder ähnlichen Apparaten das Schlimmste, Tollste zu befürchten? Wo waren der Wirkung der Erfindung Schranken gesetzt? Konnte sich nicht damit ein einzelner ganze Länder, ja schließlich die ganze Welt hörig machen . . . alles Bestehende umstoßen . . . die im Banne seiner Gedankenwellen versklavte Menschheit in Tod und Untergang hetzen? . . . Durfte ein Mensch im Besitz einer solchen Waffe frei herumlaufen? Mußte seine Erfindung nicht unter die Aufsicht eines Weltgremiums gestellt werden? –

Tage-, wochenlang tobte überall in der Welt ein heftiger Meinungsstreit über die Maßnahmen, die ergriffen werden müßten, um die Menschheit aus einer Situation zu befreien, in der das Schlimmste für Leben und Gut, für die Existenz von Staaten und Rassen befürchtet werden mußte. –

Wer war überhaupt dieser deutsche Ingenieur Astenryk, den die australische Regierung als den Erfinder bezeichnete? Wie kam er nach Australien? Hatte er sich der Regierung als Helfer angeboten, oder . . .?

In Neustadt am Rhein häuften sich die Anfragen, wimmelte es von Journalisten, die Genaueres von dem über Nacht weltberühmt gewordenen Erfinder wissen wollten. Alfred Forbin saß in einer schnell gemieteten größeren Wohnung und empfing die Zeitungsvertreter, die ihm die bestochenen Hotelboys zuwiesen. Als Schwager des berühmten Erfinders war er doch für alle Fragen die beste Auskunftsperson. Da er sich seine Auskünfte wortweise bezahlen ließ, schwoll seine Brieftasche erfreulich an. –

Die australische Regierung hüllte sich in Schweigen und suchte die Friedensverhandlungen mit Japan so stark wie möglich zu beschleunigen. Die allererste Forderung, daß Japan seine sämtlichen Truppen sofort aus den widerrechtlich besetzten Gebieten zurückziehen müsse, war ja schon als eine Bedingung des Waffenstillstandes erfüllt. Bei dem gemäßigten Auftreten der englisch-australischen Unterhändler . . . bei der allgemeinen Weltstimmung, welche den durch nichts gerechtfertigten japanischen Angriff aufs stärkste verurteilte . . . nicht zum wenigsten schließlich unter dem starken Druck, den die australische Regierung im Besitz des geheimnisvollen Apparats jederzeit auszuüben imstande war, ließ der Friedensschluß nicht lange auf sich warten. Es war ja in der Hauptsache nur die Höhe der Kriegsentschädigung festzustellen. Nach längerem Feilschen stimmte Japan den englisch-australischen Forderungen zu. Das Friedensinstrument wurde unterschrieben. –

In Australien war naturgemäß der Jubel am größten. Aber auch in den anderen weißen Staaten atmete man froh und erleichtert auf. Es war ja nicht allein Australien, alle die anderen östlichen Besitzungen der weißen Rasse waren damit gerettet. –

Noch vor dem Beginn der eigentlichen Friedensverhandlungen war eine gewisse Komplikation dadurch entstanden, daß Rußland verlangte, an der Konferenz teilzunehmen. Es stellte sich auf den Standpunkt, daß die Bildung der Freiwilligenarmee in der Mandschurei und die Erregung des Aufstandes im Küstengebiet als feindliche Handlungen Japans anzusehen seien. Es betrachte sich deshalb als im Kriegszustande mit Japan befindlich. In den Verhandlungen wollte Rußland verlangen, daß Japan jede Unterstützung und Versorgung der Armee Borodajews unterlasse und dessen Unternehmen gegenüber strengste Neutralität beachte, außerdem eine große Kriegsentschädigung zahle.

Während man sich in den beteiligten Kabinetten in heftigem Für und Wider mit dieser Forderung beschäftigte, trat ein Ereignis ein, das geeignet war, der sibirischen Aufstandsbewegung eine entscheidende Wendung zu geben. –

In Tschita, dem Hauptquartier des General Borodajew, waren Straßen und Plätze menschenleer. Zu vielen Tausenden war die Bevölkerung hinausgeströmt zu dem großen Exerzierplatz westlich der Stadt. Der General hielt über die neuen Regimenter, die am nächsten Tag weiter zur Front gehen sollten, eine Musterung ab.

Das Paradefeld bot einen glänzenden Anblick. In der Mitte des großen Vierecks die wohlausgerüsteten Regimenter. In weitem Umkreis herum die Zuschauermassen. Das ganze farbenprächtige Bild übergossen von dem Licht eines herrlichen Sommertages.

Der letzte Vorbeimarsch war vorüber. Der General ritt vor die Front und hielt eine Ansprache, die von den Truppen und Zuschauern mit begeisterten Zurufen erwidert wurde. Dann lösten sich die Massen, die Truppen marschierten mit klingendem Spiel ab.

Borodajew verabschiedete sich von seinem Stabe und ritt, begleitet von seinem Adjutanten und Helene, die, in Offiziersuniform gekleidet, stets in seiner Nähe war, zur Stadt zurück. Sie ließen ihre Pferde im Schritt gehen, plauderten von den Eindrücken der neuen Regimenter, den Hoffnungen, mit diesen Verstärkungen den Vormarsch zum Baikalsee schneller vorwärtszutreiben, bald einen entscheidenden Schlag zu tun. Immer wieder mußten sie den freudigen Grüßen und Zurufen danken, die ihnen aus der heimkehrenden Menge zuflogen; dankten auch den Insassen eines Kraftwagens, der eben vor ihnen in eine Seitenstraße einbog. Da schrie Helene laut auf, in einem der Insassen hatte sie den Kommissar Schtschetinin erkannt. Der griff jetzt hinter sich. Mit einem Blick voll Haß und Wut schleuderte er eine Bombe gegen die Gruppe der Reiter.

Ein schmetterndes Krachen, ein lautes Wehgeschrei der entsetzten Menge. Zwischen den zuckenden Pferdeleibern lagen die blutenden Körper der Getroffenen.

Was half's, daß man den Wagen Schtschetinins auf der Flucht faßte, alle Insassen sofort erschoß? Borodajew, der Held, die Seele des ganzen Unternehmens, war nicht mehr. –

Schon in den nächsten Tagen zeigten sich unter den Generalen tiefgehende Meinungsverschiedenheiten, wer Borodajews Nachfolger werden sollte. Die Offiziere, die von Anfang an bei ihm gewesen waren, verlangten, daß der neue Führer aus ihren Reihen genommen würde. Andererseits gab es unter den Generalen, die erst nach der Einnahme von Chabarowsk zu Borodajew übergegangen waren, alte, bewährte Soldaten, die sich nicht unterordnen wollten. Mangels einer einheitlichen Befehlsgewalt geriet der Vormarsch der Armee ins Stocken. Gewisse Eifersüchteleien der Unterführer, die sich unter Borodajew nicht hervorgewagt hatten, verursachten vielerorts Unordnung und Mißvergnügen.

Ein verhältnismäßig schwaches Detachement der Regierungstruppen, das von der Selenka aus das Udatal hinaufmarschiert war, stieß unerwartet in die linke Flanke der Borodajewschen Streitkräfte und richtete große Verwirrung an. Viele Gefangene fielen dem Gegner in die Hände, eine Menge des kostbaren Kriegsmaterials ging verloren. Durch diesen Erfolg ermutigt, griffen die Moskauer Truppen die Aufständischen mit immer größeren Erfolgen an. Der neugewählte Oberbefehlshaber, der frühere Kommandant von Wladiwostok, war gezwungen, die Armee rückwärts auf Tschita zu konzentrieren und schließlich über das Jablonoigebirge zurückzunehmen. –

Seit dem Tode Borodajews schien die russische Regierung keinen Wert mehr auf die Teilnahme an der Friedenskonferenz zu legen. Daß sie damit für Japan bedenkliche Hintergedanken verband, war naheliegend. –

Es war am Tage nach dem australisch-japanischen Friedensschluß, da erschien in der »Australian World« ein Artikel ihres Chefredakteurs Hodison, der eine Unterredung mit Major Dale gehabt hatte. Der Aufsatz verursachte allerorts das stärkste Aufsehen. Was er letzten Endes bewirken sollte, die erregte Weltstimmung zu beruhigen, gelang ihm durchaus. Schon die fetten Schlagzeilen – Der Apparat nur einmal in der Welt . . . Kann nicht nachgebaut werden . . . Gewisse Einzelheiten nicht zum zweitenmal vorhanden . . . Der Apparat in diesen unersetzlichen Teilen beschädigt . . . Weitere Verwendung nur im äußersten Notfall möglich – verscheuchten alle Befürchtungen und Sorgen.

Eine wissenschaftliche Erklärung der Erfindung sollte in dieser ersten Veröffentlichung keineswegs gegeben werden. Die sollte einem demnächst erscheinenden Aufsatz des Erfinders Astenryk vorbehalten werden. Mit Spannung wartete die Welt auf die Erklärungen des Erfinders selbst. –

Georg saß mit Clennan in dessen Arbeitszimmer. Dale kam dazu.

»Ah, so fleißig, meine Herren? Freut mich! Schriftliche und telegraphische Anfragen häufen sich bei uns zu großen Stößen. Die angekündigte Veröffentlichung des Erfinders Astenryk wird von Fachleuten und Laien in aller Welt mit Spannung erwartet. Also meine Herren, wann kann ich das Manuskript bekommen? Die Sache ist wohl nicht leicht?«

Clennan und Georg sahen sich an und lachten.

»Das schwerste dabei, mein lieber Dale«, sagte Clennan, »ist nicht, der neugieriger Welt eine gut verständliche wissenschaftliche Erklärung zu geben, sondern möglichst viel zu sagen, aber doch dabei Wichtiges für sich zu behalten. Und so zu schreiben, ist gar nicht so einfach. Das können Sie mir glauben.«

»Oh, das glaube ich sehr gern. Besonders die Sache mit den beschädigten Kristallen muß sehr vorsichtig gesagt werden. Einesteils muß die Erklärung beruhigend auf die Welt wirken, andererseits darf sie den Gelben nicht Mut machen, in absehbarer Zeit noch einmal loszuschlagen.«

»Wenn es nur damit getan wäre, Herr Dale, das wäre nicht schlimm. Aber es gibt da noch eine ganze Menge anderer Dinge, die . . . patentfähig sind. Wenn Sie jemals in Ihrem Leben eine Patentschrift verfaßt hätten, würden Sie wissen, was das auf sich hat.«

»Jetzt aber mal ganz offen unter uns, meine Herren! Ist das wirklich so bedenklich mit den Kristallen, oder . . .?«

»Das ist leider nur allzu wahr«, sagte Georg. »Sie können sich übrigens mit eigenen Augen davon überzeugen, daß wohl die Hälfte der Kristalle stark mitgenommen ist. Ich will mich da nicht in langen wissenschaftlichen Ausführungen verbreiten, sondern versuchen, es Ihnen durch ein ungefähres Beispiel verständlich zu machen.

Sie haben ein Teeglas. Nehmen Sie an, durch allzu heißen Tee hat das Glas einen kleinen Sprung bekommen. Passiert das zum zweiten-, drittenmal, wird der Sprung größer, und schließlich fällt das Glas in Scherben auseinander.«

Georg öffnete ein Etui und holte zwei kleine Kristalle heraus. »Wenn Sie diese hier durch die Lupe betrachten, werden Sie sehen, daß der eine ganz klar und durchsichtig ist, der andere starke wolkige Trübungen zeigt. Das ist einer der kranken Kristalle.

Bei der Gefangennahme der japanischen Kolonne in den Blauen Bergen galt es, das Höchste aus dem Apparat herauszuholen. Das war eine Überanstrengung, welche die Kristalle nicht aushielten. Ich konnte das nicht voraussehen, heute weiß ich, daß ich für eine solche Sendeleistung eines Apparates von doppelter Kristallzahl bedurft hätte.

Diese Trübungen im Kristall entsprechen dem Sprung im Teeglas. Wie alle Vergleiche, hinkt auch dieser, und, rein wissenschaftlich betrachtet, sogar sehr stark. Aber Sie werden sich danach ein Bild machen können, wie es in unserem Verstärker aussieht. Es heißt also sowohl beim Teeglas wie bei dem Apparat: Größte Vorsicht bei weiterem Gebrauch.«

»Capisco!« lachte Dale und setzte nach einer Pause hinzu: »Sollten diese kranken Kristalle nicht zu erneuern sein?«

»Wenn Sie wüßten, Herr Dale«, erwiderte Clennan, »wie viele Versuche ich schon im Lauf der Zeit gemacht habe, solche Kristalle herzustellen . . .? Und ich sage nicht zuviel, wenn ich behaupte, daß ich von der Sache etwas verstehe.«

»Glauben Sie aber nicht, Herr Dale, daß Clennan jede Hoffnung aufgegeben hat. Er wird, wie ich ihn kenne, die Versuche weiter treiben, und wenn er darüber hundert Jahre alt werden sollte.«

»Und Sie, Herr Astenryk . . .?«

Georg winkte mit ausgestreckten Händen ab.

»Ich denke nicht an so etwas! Für mich ist dieser Fall ein für allemal erledigt. Ich denke jetzt nur noch an meine Kohlenbatterien und . . .«

»Fräulein Anne Escheloh«, fiel ihm Dale fröhlich lachend ins Wort.

»Gut, daß Sie es sagen, Herr Dale. Ich möchte eine Wette machen, daß Freund Astenryk eben was anderes sagen wollte«, rief Clennan.

Georg machte einen Augenblick ein verlegenes Gesicht, sagte dann stockend: »Ehrlich gesagt, Clennan hat recht. Ich dachte wirklich an etwas anderes . . .« Er war ernst geworden, als er fortfuhr: »Ich wollte etwas sagen, was dieses Land sicher nicht zum wenigsten angehen wird.«

Er ging zu einem Schrank und holte eine Karte von Australien heraus, die mit vielen Fähnchen bestückt war, wie wohl eine Karte vom Kriegsschauplatz im Zimmer des Oberbefehlshabers. Dale und Clennan schauten ihn erwartungsvoll an. Was hatte dieser Deutsche da wieder für eine Überraschung?

»Diese Fähnchen, meine Herren, wurden auf Grund der geologischen Bodenuntersuchungen des Landeskulturamtes gesteckt. Die verschiedenen Farben bedeuten die Tiefe, in der mehr oder weniger starke Wasservorräte zu finden sind. Diese Wassermengen, mit der billigen Energie meiner Kohlenbatterien nach oben gebracht, auf die dürren Steppen verteilt, dürften im Lauf der Jahre das australische Land aufnahmefähig machen für viele Millionen weißer Siedler. Kein besserer Schutz für ein Land, als die Arme seiner bodenständigen Bauern. Sollte dann später wieder einmal eine gelbe Flut gegen Australiens Küste branden, würde die australische Regierung das Land durch Millionen kräftiger Bauernfäuste sicherer verteidigen können als durch solchen empfindlichen Apparat!«

Unter der Wucht seiner Worte waren auch die anderen sehr ernst geworden. Als Georg geendet, drückten sie ihm stumm die Hand.

*

Der Tag, an dem Rundfunk und Presse in aller Welt die Kunde von der Erfindung der restlosen Kohlenausnutzung verbreiteten, wurde ein historisches Datum in der Geschichte der Energiewirtschaft.

Eine Zeitlang hatte Georg in Canberra den Ansturm der Besucher, die ihn befragen oder auch nur kennenlernen wollten, über sich ergehen lassen. Dann war er in das stille, abgelegene Paulinenaue entwichen. Mit Clennans Hilfe suchte er die aus allen Teilen der Welt massenhaft einlaufenden Fragen und Wünsche mit einer gewissen Hinhaltung zu erledigen. Es war keineswegs seine Absicht, die Einführung der neuen Energiequelle zu überstürzen. Auch so war die Erschütterung und Beunruhigung der Energiewirtschaft schon schwer genug. Um all die notwendigen Umwälzungen erträglicher zu gestalten, hatte er eine längere Übergangszeit für die unvermeidlichen Umstellungen ins Auge gefaßt.

In dieser Zeit wollte er mit Clennan, der sich auch hier als gewandter, gewissenhafter Freund und Helfer erwies, die notwendigen großen Organisationen aufziehen. Wenn er später mit Clennan nach Europa zurückging, würde Dale mit seinem großen Organisationstalent alle die Arbeiten leisten, die unverzüglich in Angriff genommen werden sollten, um in Australien das Neuland für Millionen weißer Siedler zu bereiten. –

Nach Europa . . . nach Deutschland zurück! Nur zu gern hatte er das Anne versprochen, als sie ihn wenige Tage nach ihrer Ankunft darum bat.

Das war ein frohes, glückliches Wiedersehen, als ein englisches Regierungsflugzeug Anne Escheloh auf der allmählich zum Flugplatz avancierten Koppel von Paulinenaue absetzte. Nach all den großen, furchtbaren Ereignissen der letzten Zeit vermochte der Tod Helenes sie nicht so tief und nachhaltig zu erschüttern, wenn auch Anne in stiller Wehmut ihrer Schwester oft gedachte. –

Es war eine kleine Festtafel, an der die Gäste saßen, Georgs und Annes Hochzeit zu feiern. Nur die alten Freunde waren es, wenn man General Scott, der im Auftrag der australischen Regierung gekommen war, dazu rechnen will. Große Reden wurden nicht gehalten, doch jeder der Gäste wußte in kleiner, launiger Ansprache, der auch manch ernstes Wort nicht fehlte, viel Nettes und Liebenswürdiges über Georg und Anne zu sagen.

Da einer den anderen dabei zu übertrumpfen suchte, wurde es ein amüsanter Wettbewerb, bei dem schließlich Jan der Sieger blieb. Seine Rede war allerdings auch die längste. Mit einer Beredsamkeit, die niemand bei ihm gesucht hätte, verstand er es, Georgs Lebenslauf mit solch glücklichem Gemisch von Ernst und Scherz zu schildern, daß ihm der größte Beifall wurde. Noch stärkeren Beifall fand freilich Georg, als er die anderen aufforderte, mit ihm anzustoßen auf die alte Heimat, auf Deutschland.

 

Ende

 


 << zurück