Hans Dominik
Befehl aus dem Dunkel
Hans Dominik

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Das starkmotorige kleine Flugzeug, das Turi Chan von Australien nach Japan brachte, setzte auf dem Flugplatz von Tokio auf. Er wollte zu einem Autostand gehen, da fiel sein Blick auf eines der modernen, großen Übersee-Flugzeuge. Interessiert schaute er nach den zahlreichen Passagieren, die noch neben dem Flugzeug standen, aus dem ein umfangreiches Gepäck ausgeladen wurde. Unter den Fluggästen erkannte er General Borodajew, der neben einer Dame stand und sich lebhaft mit ihr unterhielt.

Turi Chan ging auf die Gruppe zu, um Borodajew zu begrüßen. Der sah ihn erst, als Turi Chan neben ihm stand und ihn anredete.

»Das nenne ich ein glückliches Zusammentreffen, Mr. Turi! Sie kamen wohl mit diesem Flugzeug, das eben landete.«

»Und Sie, Herr General, sind, wie ich sehe, auch erst vor kurzem gekommen.«

»Ja, ich kam vor einer Viertelstunde.«

»Hatten Sie eine angenehme Reise, Herr General?«

»Danke. Sie verlief ohne Zwischenfall sehr angenehm.«

»Sehr angenehm . . . nun, wie hätte es auch anders sein können in der Begleitung einer so schönen geistvollen Dame wie Frau Helene Forbin.«

Borodajew stutzte.

»Sieh da, Mr. Turi, Sie kennen die gnädige Frau?«

»Noch nicht persönlich. Als ich vor einigen Monaten in Paris war und in der Oper saß, machte mich Legationssekretär Obori auf die gnädige Frau aufmerksam. Ich freue mich außerordentlich, jetzt die persönliche Bekanntschaft von Frau Helene Forbin zu machen, die doch schon soviel für uns geleistet hat.«

Er trat auf Helene zu, die ihm lächelnd die Hand reichte, und verneigte sich tief.

». . . Ich bedaure jedoch sehr, meine Gnädigste, daß Sie, wie ich sehe, einen kleinen Flaggenwechsel vorgenommen haben. Hoffentlich werden Ihre neuen Interessen immer gleichzeitig die unsrigen sein.«

»Ich denke, darüber kann kein Zweifel sein«, warf General Borodajew dazwischen, »jedenfalls muß die gnädige Frau«, er legte bei diesen Worten seine Hand auf Helenes Arm, »als meine Sekretärin in jeder Weise von allen Stellen respektiert werden.

Wenn wir in nächster Zeit einmal Gelegenheit finden, zusammen zu konferieren, werden Sie, glaube ich, meinen Wunsch begreifen. Doch Verzeihung, meine Herrschaften, hier, sehe ich, kommt das Gepäck der gnädigen Frau.«

Er trat zu der Tür des Flugzeuges und gab Anweisung für das Gepäck.

»Der General ist von einer rührenden Sorgfalt um meine Person«, sagte Helene lachend. »Selbst meine Koffer bewacht er wie Heiligtümer . . .«

»Enthalten sie doch sicher eine Reihe schönster, neuester Schöpfungen der Pariser Modemeister«, vollendete Turi Chan mit einer verbindlichen Handbewegung.

»Sie irren, Mr. Turi. Ich hoffe doch, in nicht allzu langer Zeit festländischen Boden betreten zu können. Im Feldlager fehlt die weibliche Konkurrenz und damit der Anreiz, Pariser Gesellschaftstoiletten zu tragen . . . oder dürfte sich unser Aufenthalt hier länger hinziehen, Mr. Turi?«

»Das hängt von den Umständen ab, gnädige Frau. Die Lieferungen aus Europa gehen langsam ein. Übrigens . . . ich bitte im voraus um Verzeihung für die Frage . . . waren Sie oder Ihr Gemahl nicht auch an diesen Lieferungen beteiligt?«

Helene quittierte die eigentliche Frage, die in diesen Worten versteckt war, mit einem verstehenden Lächeln.

»Allerdings, mein Herr. Noch kurz vor meiner Abreise wurde Herrn Forbin ein sehr großer Auftrag erteilt«, sie lachte hell auf, »als Douceur gewissermaßen.«

Turi Chan erwiderte Helenes Lachen mit sichtlichem Vergnügen.

»Und war der Herr Gemahl damit zufrieden? Ich bezweifle es . . .«

Helene zuckte die Achseln. »Es blieb ihm nichts anderes übrig, und so mußte er sich trösten . . .«

»Auf später?!«

»Nein!« sagte Helene kurz und bestimmt. Ihr Gesicht war plötzlich wie verwandelt. »Ich habe nicht die Absicht, jemals zu Herrn Forbin zurückzukehren.«

General Borodajew war bei den letzten Worten zu ihnen getreten. Mochte er sie wohl gehört haben? Er schob seinen Arm unter den Helenes, drückte ihn leicht an seine Brust, sagte:

»So, meine Gnädige. Das Gepäck ist alles beisammen. Ich glaube, wir könnten jetzt . . .«

»Verzeihung, meine Herrschaften, daß ich Sie so lange aufgehalten habe. Es war mir ein großes Vergnügen, die gnädige Frau persönlich kennenzulernen. Hoffentlich habe ich noch öfter die Gelegenheit.«

Nach ein paar Abschiedsworten wandte Turi Chan sich zum Gehen. Dachte, während er auf einen Kraftwagen zuschritt: Hm . . . das hätte ich nicht erwartet. Die schöne Frau . . . Borodajew hat Glück . . . ist doch nicht mehr der Jüngste . . . scheint auch mehr zu sein, als eine bloße Liaison. Nun . . . so oder so . . . dieses schöne Weib wird auch hier ein sehr wertvolles Instrument für uns sein. –

Eine Stunde später trat Turi Chan in das Kriegsministerium und stand bald darauf Jemitsu in dessen Arbeitszimmer gegenüber.

»Was ist, Turi Chan? Du siehst nicht sehr zufrieden aus. Ist es da drüben nicht so gegangen, wie du hofftest?«

Der schüttelte den Kopf. »Nein, Jemitsu!«

Der General runzelte die Brauen und fragte mit etwas beklommener Stimme: »Haben deine Pulver keine Wirkung gehabt?«

Turi Chan machte eine beruhigende Handbewegung. »Das war es nicht, Jemitsu, aber . . . man wich mir in Australien aus. Wo ich auch hinkam, alte Beziehungen aufzufrischen, empfing man mich kühl, wies man mich ab. Ich begegnete Schwierigkeiten, wo ich sie nie erwartet hätte.

Alle meine Pläne, durch frühere Freunde, Bekannte mit militärischen Stellen in Verbindung zu treten, scheiterten. Kurz, der Erfolg meiner Reise ist sehr gering. Ich hatte das Gefühl, auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden, und daß allen Personen, mit denen ich in Verbindung treten wollte, im voraus Ungünstiges über mich berichtet worden wäre.«

»Vielleicht, daß man von London aus in Erinnerung gewisser Vorgänge da drüben gewarnt hat.«

»Das wäre eine Möglichkeit, Jemitsu . . .«

Turi Chan wollte weitersprechen. Da besann er sich . . . wozu Jemitsu vielleicht unnötig beunruhigen? Er war in Canberra, der jungen Hauptstadt Australiens, Major Dale und Clennan begegnet, deren Gesichter er vom »James Cook« her in Erinnerung hatte. Im Begriff, zu einem hohen Regierungsbeamten zu gehen, den er von England aus kannte, hatte er vorher Allgermissens Pulver genommen . . .

Während der kurzen Zeit des Vorbeigehens an den beiden waren Gedanken zu ihm gedrungen . . . beunruhigend . . . drohend. Dazu die Mienen der beiden . . . es konnte nicht anders sein, als daß diese beiden Männer Verdacht gegen ihn hatten . . . und dann die Erinnerung, die er immer wieder vergeblich zu bannen suchte . . . die Erinnerung an das, was mit ihm auf dem »James Cook« vorgegangen war . . .

Er machte eine befreiende Bewegung, ging zum Fenster, riß es auf. –

»Turi Chan! Warum verschwiegst du mir das?«

Der drehte sich erschrocken um und schaute zu Jemitsu hin, der mit ernstem, nachdenklichem Gesicht dastand.

»Was willst du von mir? Was meinst du, Jemitsu?«

Der schüttelte den Kopf. »Turi Chan, dein Geist ist nicht gesund, hast du doch ganz vergessen, daß du von dem Pulver genommen hast, ehe du hierherkamst. So habe ich vieles von dem verstanden, was du eben dachtest. Jetzt verlange ich von dir vollkommene Offenheit. Sage mir alles, was dich drückt, was du fürchtest. Nur so kann Rat werden.« –

Lange saßen sie zusammen und sprachen.

»So muß unverzüglich gehandelt werden«, sagte Jemitsu. »Ich werde dafür sorgen, daß einige unserer geschicktesten Agenten sofort im Flugzeug nach Australien gehen. Diese Leute . . . Major Dale und der Ingenieur Clennan . . . jener Dritte müssen unter schärfster Beobachtung gehalten werden. Wie nanntest du doch seinen Namen? . . . Georg Astenryk . . .«

»Vor allem dieser Deutsche«, sagte Turi Chan. »Wenn mich meine Menschenkenntnis nicht trügt, müssen wir in ihm die größte Gefahr erblicken . . . warum ich das Gefühl habe . . . ich weiß es nicht . . .«

Nach einer Pause setzte er leiser hinzu: »Wäre er nicht mehr auf dieser Welt, würde ich freier atmen.« –

Eine Ordonnanz trat ein und meldete:

»Seine Exzellenz Tanyu und General Sotatsu lassen die Herren bitten.«

Jemitsu und Turi Chan gingen hinunter zu dem großen Konferenzraum, in dem sie den Kriegsminister und den Generalstabschef bereits antrafen.

»Nachdem soeben General Borodajew mir seine Ankunft telephonisch mitgeteilt hat, halten wir es für richtiger, ihn zu dieser Besprechung mit hinzuzuziehen«, sagte Tanyu, »ich habe ihn bitten lassen, hierherzukommen. Inzwischen möchte ich noch einmal kurz daran erinnern, daß wir in den nächsten Tagen irgendwie zu dem fortwährenden Geschrei der russischen Blätter über die Zustände in der Mandschurei Stellung nehmen müssen. Der Pressechef wird von den in- und ausländischen Berichterstattern überlaufen.«

»Es müssen vor allen Dingen«, nahm Sotatsu das Wort, »die vorläufig gänzlich überflüssigen Schießereien an der Grenze aufhören. Sie führen häufig zu Grenzverletzungen und machen unnötig böses Blut.

Die Presse muß informiert werden, daß diesseits Anweisungen gegeben sind, welche derartige Vorkommnisse in Zukunft unmöglich machen dürften. Über die Bildung der Freiwilligenarmee müssen wir, wie schon früher, die Erklärung abgeben, daß die Aufstellung der Truppenformationen im Sungarigebiet keinerlei Bedrohung russischer Interessen bedeute, daß sie ausschließlich für die mandschurische Regierung als Truppe zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung dienen solle.«

Jemitsu und die anderen nickten lachend. –

»Ich muß dich jetzt allein lassen, Helene«, sagte General Borodajew. »Ich fahre ins Kriegsministerium. Ich hoffe, daß du mit diesen Aufenthaltsräumen zufrieden bist. Wenn noch irgend etwas fehlt, wende dich bitte an Oberst Taratin. Es ist ein liebenswürdiger, treuer Mensch. Du kannst dich in allem auf ihn verlassen.

Den Adjutanten Dubow konnte ich leider hier nicht unterbringen. Er wohnt nicht weit von hier in einem kleinen Hotel. Es war ja bedauerlicherweise nicht zu vermeiden, daß wir getrennt untergebracht wurden und die größeren, besseren Hotels meiden mußten, um nicht Grund zu unliebsamen Gerüchten zu geben.«

Er legte den Arm um Helenes Schulter, die sich fest an ihn schmiegte. »Sind wir erst einmal im Kampfgebiet, wird meine teure Helene mit schlechterer Unterkunft zufrieden sein müssen.«

Helene fuhr ihm mit zärtlicher Bewegung über das Gesicht.

»Immer wieder die unnötige Sorge um meine Person, Alexei! Und ich will doch nicht mehr die verwöhnte Großstadtdame sein. Eine Schütte Stroh und schließlich auch der harte Boden soll mir genügen, wenn du bei mir bist.«

Sie hob ihr Gesicht Borodajew entgegen, ließ in seliger Hingabe die Flut von Küssen über sich ergehen. –

Sie stand am Fenster und sah Borodajew nach. Während er dem Kraftwagen zuging, umfaßte sie mit brennenden Augen die hohe Gestalt, wie sie elastisch dahinschritt . . .

Immer wieder in ihr die Gedanken . . . wie war es möglich, denkbar, daß sie sich so mit Leib und Seele diesem Manne verschrieben hatte . . . dies Gefühl, als sie zum erstenmal das Pochen ihres Herzens spürte, wenn sie Borodajew gegenübertrat, wenn sie an ihn dachte . . . halb ungläubig, halb erschreckt hatte sie diesen ungewohnten Tönen gelauscht . . .

Sie, die Kalte, Unnahbare, die nichts anderes kannte, liebte als sich selbst . . . sie, auf die noch nie der Anblick eines Mannes einen tieferen Eindruck gemacht hatte . . . die sich höchstens dazu herabgelassen hatte, mit dem Schwarm von Verehrern zu spielen, die sich um sie scharten, wenn sie nach glücklichen Geschäften Forbins kometengleich in den elegantesten Modebädern der Alten Welt auftauchte . . . war sie doch heißer Liebe fähig? . . .

Borodajew . . . sooft sie mit ihm in Berührung gekommen, war er zwar stets der ritterliche, liebenswürdige Kavalier gewesen, doch nie hatte ein Blick, ein Händedruck gezeigt, daß er auch nur die Spur eines tieferen Gefühls für sie besäße . . . Da war der Tag gekommen, an dem sie auf einem gemeinsamen Spazierritt durch das Bois de Meudon von einem Gewitter überrascht wurden. Ihr Pferd, durch einen besonders heftigen Donnerschlag erschreckt, bäumte sich, daß sie aus dem Sattel glitt, zu Boden stürzte.

In dem ersten Schrecken über den Sturz hatte sie sekundenlang die Augen geschlossen. Da . . . noch jetzt, wenn sie daran dachte, glaube sie die stürmischen Schläge ihres Herzens zu spüren wie damals . . . hatten sich zwei starke Arme um sie geschlungen, zwei Lippen die ihrer berührt . . . sie hatte die Augen aufgeschlagen, die Arme um den Hals des Mannes gelegt und in ungekannter Seligkeit die Flut seiner Liebesworte lechzend in sich aufgenommen . . .

Ohne einen Augenblick zu zögern, hatte sie Forbin verlassen, war zu Borodajew gegangen. Und als wolle das Schicksal ihr Herz, das so lange vergeblich nach Liebe gedürstet, entschädigen . . . jenem Tage, da sie alles hinter sich gelassen, in Borodajews Arme geeilt . . . war eine ununterbrochene Reihe schöner, glücklicher Tage gefolgt. Was auch immer kommen sollte . . . es gab Stunden, wo sie dunkle Zweifel an dem glücklichen Ausgang von Borodajews Unternehmen befielen . . . sie würde nie von ihm weichen, jedes Los teilen, das ihn träfe. –

»Es ist klar, daß der Ausgang der russischen Affäre höchst zweifelhaft ist«, sprach Tanyu und sah zu Turi Chan hinüber, der starr vor sich hinblickte. Jemitsu wiegte überlegend den Kopf.

»Das hängt sehr davon ab, ob es gelingen wird, größere russische Truppenverbände zum Abfall zu bringen. Zu der in der Nordmandschurei sich bildenden Freiwilligenarmee habe ich nicht allzuviel Vertrauen. Ihr fehlt die Schulung in den modernen Waffen. Gelingt es aber, mit vereinten Kräften einen größeren Erfolg zu erzielen, so kann man wohl mit Sicherheit darauf rechnen, daß sich die Abfallbewegung fortsetzt und bei weiteren Erfolgen über ganz Ostsibirien ausdehnt.«

»Viel wird bei all dem auf die Person Borodajews ankommen«, warf General Sotatsu dazwischen. »Ich kann seine Wahl zum Führer des Unternehmens nur als glücklich bezeichnen. Was dem kühlen, überlegenden Kopf seines Generalstabschefs Taratin fehlt, das forsche Draufgängertum und die Lust zum kühnen Wagen, besitzt Borodajew in höchstem Maße.«

Turi Chan, der in langem Schweigen dagesessen, machte eine kurze Handbewegung, als wolle er das Gespräch der anderen abschneiden.

»Ich denke, wir zerbrechen uns unnütz den Kopf über den Erfolg oder Mißerfolg Borodajews. Es genügt meiner Meinung nach durchaus, wenn er eine Zeitlang die russischen Militärkräfte hier im Osten stark beschäftigt. Das heißt, wenigstens so lange, als unser Kampf dauert: Sind wir Sieger, werden wir ihm vielleicht weiterhelfen.« –

Einen Augenblick herrschte eine etwas verlegene Stille unter den Versammelten. Der kalte Kalkül Turi Chans widerstritt ihren Gefühlen als Offiziere . . . Kameraden Borodajews. Nachdem sie in vielmonatiger Arbeit zusammen mit Borodajew und Taratin das Unternehmen besprochen, die Pläne ausgearbeitet und alles vorbereitet hatten, war ihr persönlicher militärischer Ehrgeiz zu sehr engagiert, um einen Mißerfolg gleichmütig hinzunehmen. Unwillkürlich begrüßten sie den jetzt eintretenden General mit besonderer Herzlichkeit. –

Viele Stunden saßen sie, über die Karten gebeugt, an dem Verhandlungstisch. Ehe die Auseinandersetzung mit England beginnen konnte, mußte hier der Anfang gemacht sein, und es gab Gründe genug, diesen so stark als möglich zu beschleunigen.

Schon am nächsten Tage sollte Turi Chan mit Briefen Borodajews nach Wladiwostok fliegen, um dort bei höheren militärischen Führern die ersten Schritte zu tun. Taratin sollte sich unverzüglich nach Sansing am Sungari begeben, um mit den Führern der sich dort bildenden Freiwilligenarmee engere Fühlung zu nehmen. Borodajew sollte sich bereit halten, auf den ersten Ruf Turi Chans hin sofort abzureisen.

*

Gleichmäßig trommelte der Märzregen auf das Kupferdach des Gouvernementsgebäudes in Singapore. Ein bleifarbiger, schwüler Dunst lag über der Landschaft, die noch vor wenigen Stunden unter der tropischen Sonne geglüht hatte.

Im Schutze einer gedeckten Glasveranda ruhte Lady Evelyne Wegg auf einem Liegestuhl. Die Flut ihrer Seufzer wetteiferte mit den unermeßlichen Regenfluten, die aus den dunklen Wolken niederrauschten.

»Oh, wie konnte Sir Reginald so töricht sein, diesen Posten anzunehmen! In der Hölle kann es ja nicht schlimmer sein. Ich begreife nicht, Miß Escheloh, wie Sie, die immer an den schönen Ufern des Rheins wohnten, dies Klima so gleichmütig ertragen.«

Sie drehte den Kopf zu Anne hinüber, die in einem leichten weißen Kleid vor einem Tisch mit Zeitungen und Journalen saß.

»Sie Glückliche! Sie können sogar noch lesen. Ich fühle mich ständig so matt, so abgespannt, daß ich zu nichts Lust habe.«

»Darf ich Ihnen vielleicht etwas aus dem ›Singapore Herold‹ vorlesen, Mylady?«

Lady Evelyne machte eine abwehrende Handbewegung.

»Nein. Wenn Sie schon so liebenswürdig sein wollen, lesen Sie mir etwas aus der neuesten ›Times‹ vor. Sie ist zwar schon eine Woche alt, aber Sie brauchen mir ja nichts aus der gräßlichen Politik vorzulesen. Nehmen Sie doch die Seite mit den Hof- und Gesellschaftsnachrichten.«

Anne begann zu lesen, doch nach einiger Zeit hielt sie inne. Die tiefen, gleichmäßigen Atemzüge der Lady Evelyne gaben zu verstehen, daß auch diese Lektüre nicht ihren Beifall gefunden hatte, daß sie sanft eingeschlafen war.

Anne erhob sich, trat neben die Schlafende hin und zog das Fliegennetz fest. Mit Teilnahme betrachtete sie die Schlummernde. Diese verwöhnte schöne Frau mochte sich allerdings in der langweiligen, heißen Tropenstadt nicht wohlfühlen. Das gesellschaftliche Leben in Singapore konnte einer Dame der ersten englischen Kreise nur wenig bieten. Gesellige Vergnügungen, Unterhaltungen nach europäischem Muster waren von vornherein durch die außergewöhnliche Wärme unmöglich gemacht oder doch stark behindert.

Anne mußte viel Geduld aufbringen, um die unaufhörlichen Klagen der Lady Evelyne mit immer gleicher Ruhe und Gelassenheit anzuhören. Trotz alledem war sie mit ihrem Los zufrieden. Ihre Beziehungen zu Lady Evelyne waren zwar nicht sehr herzlich, aber doch stets korrekt und freundlich. Im Anfang ihres Zusammenseins hatte Lady Evelyne geglaubt, durch starke Betonung ihrer verschiedenartigen Herkunft und Stellung eine stärkere Schranke ziehen zu können. Aber sie war es müde geworden, als sie sah, daß alle diesbezüglichen Bemerkungen und Blicke an Annes gleichmäßig gelassenem Wesen abprallten.

Den Gouverneur sah Anne außerhalb der Mahlzeiten gar nicht. Für ihn schien sie nicht zu existieren. Selten, daß er einmal bei Tisch ein Wort an sie richtete. Aber nicht viel anders ging es auch Lady Evelyne, und das war auch wieder ein Grund, der ihr zu bitteren Auslassungen Gelegenheit gab.

Die Notwendigkeit, sich mit den Verhältnissen seines neuen großen Wirkungskreises schnell vertraut zu machen, die große Verantwortung, welche die unsicheren politischen Verhältnisse ihm auferlegten, nahmen den Gouverneur so vollständig in Anspruch, daß er sich um Haus und Familie wenig kümmerte. So war Lady Wegg fast ausschließlich auf die Gesellschaft Annes angewiesen. –

Anne hatte wieder an dem Tisch Platz genommen und blätterte in den Zeitungen. Darunter befand sich auch die ›Australian World‹, die sie sich privat hielt und verhältnismäßig schnell bekam, weil sie mit der Luftpost ging.

Land und Leute von Australien hatten ja ein besonderes Interesse für sie gewonnen, seitdem Georg bei seinem Bruder Jan weilte. Einmal hatte sie eine Nachricht in der Zeitung gefunden, die ihr geraume Zeit zum Nachdenken Veranlassung gab.

In einem Artikel, der mit »Georgetown« überschrieben war, wurde ausführlich über das neue Pflanzenphysiologische Institut dort berichtet, über dessen Leiter Dr. Musterton – und seinen Assistenten Rochus Arngrim.

Der Name . . . welche häßlichen Erinnerungen waren da ihr wach geworden, als sie ihn gelesen! Sie vermochte den Eindruck erst zu überwinden, als Georg ihr in seinem letzten Brief ausführlich von seinem Wiedersehen mit Arngrim und von dessen Aussöhnung mit Jan Valverde schrieb.

Sie zog den Brief aus ihrer Handtasche und las. Mit tiefer Freude überflog sie immer wieder die Zeilen, aus denen es herausklang, wie wohl und glücklich Georg sich bei seinem Bruder Jan fühle.

Mehr als sonst schrieb er diesmal über den günstigen Fortgang seiner Arbeiten. Über seine Hoffnung auf baldigen Erfolg in einer Sache, die zwar nicht das alte Problem betraf, aber doch eng damit zusammenhing und sehr fruchtbringend zu werden versprach. Und dann kam die Zeile, wo stand:

»Dann wird es mein erstes sein, zu dir zu kommen und dich hierherzuholen. Die Verhältnisse werden mich zwingen, noch längere Zeit hierzubleiben. Dein Wunsch, nach Europa und gar in die alte Heimat zurückzukehren, wird leider noch nicht in Erfüllung gehen können.« –

Ein Boy trat ein und brachte die eingegangene Post. Anne, die schon seit langem auf ein Lebenszeichen von Helene wartete, überflog die Adressen der Briefe. Da, zuunterst . . . sie erschrak . . . lag ihr letzter Brief an Helene, den sie vor einiger Zeit abgesandt hatte, mit dem Vermerk: Adressatin unbekannt verzogen.

Dies allein wäre zwar nicht geeignet gewesen, sie zu beunruhigen, denn sie wußte ja, wie oft die Forbins ihren Aufenthalt wechselten. Aber der Vermerk war ganz unverkennbar von der Hand ihres Schwagers Alfred Forbin geschrieben.

Lange saß sie in stärkster Erregung, Verwirrung. Was war mit Helene? Wie war es gekommen, daß sie sich von ihrem Manne getrennt hatte? Allerlei schlimme Befürchtungen gingen ihr durch den Kopf. Schließlich beruhigte sie sich etwas bei dem Gedanken, daß Helene doch nichts Schlimmes passiert sein könne . . . verhaftet etwa oder gefangen. Denn dann würde sich ja Alfred Forbin sicherlich in derselben Lage befinden . . . Oder daß vielleicht Helene, müde dieses gefährlichen, abenteuerlichen Lebens, sich von Alfred getrennt hätte, um irgendwoanders ein ruhigeres Dasein zu führen. Der Gedanke, daß Helene um der Liebe willen zu einem anderen Mann Alfred verlassen habe, kam ihr nicht in den Sinn. Wie sie Helene kannte, war so etwas gänzlich ausgeschlossen.

Um der quälenden Unruhe Herr zu werden, trat sie hinaus in den Garten, der jetzt, nach dem Aufhören des Regens, einen erfrischenden Aufenthalt bot. Sie schritt gedankenverloren unter den Bäumen dahin, deren Äste tief herniederhingen unter der Last der Regentropfen, in denen sich die Sonnenstrahlen in tausend Farben und Lichtern brachen . . .

Da erschütterte ein Stoß wie von einem Erdbeben den Boden. Gleichzeitig das donnerähnliche Krachen einer schweren Explosion in nächster Nähe. Sie taumelte, stürzte zu Boden, raffte sich wieder auf, starrte zu dem Hause hin, über dem jetzt eine schwere gelbbraune Wolke hing. Noch einen kurzen Augenblick, dann schlugen helle Flammen aus dem Dach.

So schnell ihre Füße sie trugen, stürzte sie dem Hause zu. Die große Glasveranda war durch die Erschütterung und herabfallende Gesteinsbrocken arg verwüstet. Sie eilte zu dem Ruhelager der Lady Evelyne, atmete auf, als sie die unverletzt fand. Doch war sie augenscheinlich in eine schwere Ohnmacht gefallen.

Während Anne noch um sie bemüht war, kam der Gouverneur hinzugeeilt. Nachdem er sich schnell überzeugt hatte, daß die Lady unverletzt war, stürmte er, ohne ein Wort zu verlieren, in den Garten zu dem Weg, der um das Haus herum zur Nordseite des Gouverneurspalastes führte. Dort machte die Feuerwehr eben ihre Löschgeräte bereit. Eine alarmierte Pionierkompanie näherte sich im Laufschritt vom Fluß her. –

Das Feuer im Dachgeschoß war schnell gelöscht. Die Soldaten machten sich unter der Leitung Weggs unverzüglich an die Aufräumungsarbeiten.

Wie durch ein Wunder war kein Menschenleben verlorengegangen. Ein paar Leute des Dienstpersonals hatten leichte Verletzungen davongetragen. Nach ein paar Stunden rastloser Arbeit war es möglich, die Ursache des Unglücks festzustellen. In einem wenig benutzten Raum des Erdgeschosses war eine Höllenmaschine explodiert, die dort von verbrecherischer Hand gelegt war.

Die Polizei bemühte sich, aus den gefundenen Sprengstücken Näheres darüber zu ermitteln, wie sie zusammengesetzt war, und wer eventuell als Urheber des Anschlags in Betracht kommen könnte. Der Schaden an dem Gebäude, speziell an dem Nordflügel, wo die Explosion stattgefunden hatte, war sehr groß. Die unmittelbar über dem Explosionsherd liegenden Räume, darunter das Arbeitszimmer des Gouverneurs, waren vollständig zerstört. Personen, die sich hier aufgehalten hätten, wären unzweifelhaft getötet oder schwer verwundet worden.

Der Zeitzünder der Höllenmaschine war so eingestellt, daß die Zündung während des um diese Jahreszeit jeden Nachmittag eintretenden schweren Tropenregens erfolgen mußte. Zu dieser Zeit hielten sich alle Bewohner im Haus auf. Der Gouverneur war gewöhnt, gleich nach dem Ende des Regens in seinem Kraftwagen zum Regierungsgebäude in der Stadt zu fahren. Das ausnahmsweise vorzeitige Aufhören des Regens wurde seine Rettung. Auch heute hatte er beim ersten Sonnenstrahl sofort sein Arbeitszimmer verlassen. Er wollte gerade seinen Kraftwagen besteigen, als die Bombe platzte.

Der südliche Teil des Gebäudes, in dem sich die Wohnräume des Gouverneurs befanden, war dank der mit Rücksicht auf Erdbeben sehr stark gebauten Fundamente bis auf eine Menge zersprungener Fensterscheiben unversehrt geblieben. –

Als Anne gegen Abend in den Raum trat, in dem die Familie zu speisen pflegte, fand sie den Gouverneur allein mit seinem Adjutanten. Sir Reginald Wegg wandte sich mit ein paar freundlichen Worten an Anne und dankte ihr für ihre Bemühungen um seine Gattin.

Lady Evelyne, deren Nerven schon an sich nicht die besten waren, hatte durch die Explosion einen schweren Nervenschock davongetragen. Der Arzt hatte ihren Zustand für nicht unbedenklich erklärt und dringend gebeten, eine geübte Krankenschwester ins Haus zu nehmen. Doch Anne, die fürchtete, die Lady könne ein neues fremdes Gesicht lästig und unangenehm empfinden, hatte dem widersprochen und sich bereit erklärt, die Kranke selbst zu pflegen, und so widmete sie sich, von Natur aus hilfsbereit, mit herzlicher Hingabe der Fürsorge um die Leidende. –

»Sie meinen also, Clifton, daß die Verhaftungen der Polizei doch zu einer gewissen Aufklärung des Verbrechens führen könnten?« wandte sich jetzt der Gouverneur zu seinem Adjutanten, nachdem Anne das Speisezimmer verlassen hatte.

Clifton bejahte lebhaft. »Aus dem verdächtigen Gelben war ja, wie zu erwarten, nichts herauszubringen. Aber die Aussage dieses malaiischen Mischblutes dürfte uns doch auf die richtige Spur bringen.«

»Es würde mir schon genügen«, sagte Wegg, auf dessen Gesicht ein düsterer Ernst lag, »wenn man im Verfolg dieser Spur mit Sicherheit feststellen kann, daß der Plan des Verbrechens nicht hier, sondern« – er machte eine Bewegung nach Osten – »da drüben irgendwo entstanden ist. Schicken Sie morgen früh Major Curwood, den Leiter des Sicherheitsdienstes, zu mir. Die Bewachung der militärischen Anlagen muß unbedingt verschärft werden. Alle, auch die kleinsten, Verstöße gegen militärische Sicherheitsvorschriften, werden in Zukunft in rigoroser Weise bestraft werden.«

Der Gouverneur erhob sich, um zu dem Zimmer seiner Frau hinüberzugehen. Hier fand er den Arzt, der eben wiedergekommen war. Auf einen Wink des Gouverneurs traten sie in das angrenzende Zimmer. –

Nach einer längeren Besprechung mußte Wegg den Gedanken, Lady Evelyne nach England zurückzuschicken, aufgeben. Der Arzt wollte die Verantwortung für eine so lange Seereise bei ihrem augenblicklichen Zustand nicht übernehmen . . .

»Es dürfte sich vielleicht empfehlen. Miß Escheloh noch eine Hilfe zur Verfügung zu stellen. Eine bessere und verständnisvollere Pflege als durch Miß Escheloh könnte die Kranke jedenfalls nicht finden.« –

Annes Gesicht glühte hoch auf, als der Gouverneur zu ihr kam und sie um die Adresse ihres Verlobten bat.

»Es ist wohl anzunehmen«, meinte er mit ungewohnter Freundlichkeit, »daß Herr Astenryk durch die Nachricht von dem Ereignis hier in Sorge versetzt ist. Ich will in Ihrem Namen ein Telegramm senden, das ihn beruhigt.« –

Und damit hatte er recht. Zwar hatte der öffentliche Nachrichtendienst ausdrücklich betont, daß bei dem Attentat in Singapore niemand ums Leben gekommen oder schwer verletzt sei. Aber Georg atmete doch erleichtert auf, als er das Telegramm Weggs in der Hand hielt.

»Brenzlige Gegend da«, sagte Jan in seiner gelassenen Weise. »Kann absolut nicht begreifen, daß du deine Anne nicht längst von da weggeholt hast. So ein verdrehter Bursche wie du ist mir doch noch nicht vorgekommen. Will absolut erst auf eigenen Füßen stehen, ehe er die Angebetete in sein Heim führt«, setzte er ironisch hinzu.

Georg wehrte ab.

»Warten wir erst mal, was Anne in ihrem nächsten Brief schreibt. Vielleicht, daß ich dann doch . . .«

». . . so schlau bin und sie mir hole«, vollendete Jan. »Sehr verständig, mein Junge!« –

Es war ein paar Tage später. Georg war bei Jan in dessen Arbeitszimmer und las die Zeitungen. Jan saß, ihm den Rücken zukehrend, an seinem Schreibtisch. Ab und zu klang von dorther ein unterdrückter Ausruf des Ärgers, der Besorgnis. Georg sah wieder zu seinem Bruder hinüber, der mit einer anscheinend unangenehmen Korrespondenz beschäftigt war.

Schon am Abend vorher war es Georg aufgefallen, daß die sonst so gleichmäßig freundliche, vergnügte Stimmung Jans sich stark verändert hatte. Er hatte dies zunächst auf irgendwelche Mißhelligkeiten im Betriebe der Farm zurückgeführt. Jan war früh zu Bett gegangen, und Georg hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, mit ihm zu sprechen.

Als er eben hier ins Zimmer gekommen war, um die Zeitungen zu lesen, hatte ihn Jan zwar, wie immer, freundlich begrüßt, aber sein Gesicht zeigte deutlich die Spuren einer schlecht verbrachten Nacht.

Scherzend fragte er ihn: »Nun, Jan, mal ausnahmsweise nicht gut geschlafen? Siehst gar nicht so frisch aus wie sonst.«

Jan wandte sich kurz zu seinem Schreibtisch und sagte dabei:

»Ja, ja. Habe viel Verdruß gestern gehabt, aber . . .« Ohne den Satz zu vollenden, setzte er sich wieder an den Schreibtisch und fuhr in seiner Arbeit fort. –

Da kam Marian ins Zimmer. In seinen Augen war ein so lebhaftes, freudiges Funkeln, daß beide ihn erwartungsvoll anschauten, was er wohl sagen würde.

Doch der sagte nichts. Winkte nur beiden, mit ihm zu kommen. Neugierig schritten sie hinter ihm her zu dem Laboratoriumsraum.

Marian, noch immer stumm, ging zu einem Trockenschrank und nahm daraus einen Glasbehälter.

»Bitte, meine Herren, Diamanten gefällig?«

Mit diesen Worten hielt er ihnen das Glas vor die Augen. Während Georg in freudiger Überraschung einen Schritt zurückwich, neigte Jan mit höchster Spannung prüfend seine Augen über das Glas. Nach einer Weile wandte er sich stumm zurück, ging zu dem Tisch und nahm eine Lupe. Verwundert sah Georg, wie in dessen Gesicht freudige, ängstliche Spannung jagte. Jetzt hielt Jan die Lupe über die Steine und betrachtete sie lange. Dann richtete er sich auf, seine Brust hob und senkte sich wie in befreienden Stößen.

»Bei Gott, Junge, du hast's geschafft! Es sind Diamanten! Und von jetzt an will ich dir alles glauben, was du sagst. Offen gestanden, viel Vertrauen zu der Sache hatte ich nicht.« Er reichte Georg die Hand und drückte sie in überquellender Freude so stark, daß der, schmerzhaft lachend, das Gesicht verzog.

»Aber, Jan, du machst ja eine Miene, als wenn dir ein großer Stein vom Herzen gefallen wäre. Haben dich diese Arbeiten so interessiert? Wäre ja bei einem alten Claimbesitzer nicht sehr zu verwundern . . .«

»Natürlich haben mich deine Arbeiten sehr interessiert«, erwiderte Jan zerstreut. »Aber«, fuhr er dann nach einer Pause fort, »wie ist das, Georg? Kannst du nicht auch größere Steine machen? Das kleine Zeug da . . .« er machte ein dünn verlegenes Gesicht, »flutscht nicht so recht.«

Georg wiegte den Kopf nachdenklich hin und her.

»Schneller gesagt als getan, mein Lieber. Selbstverständlich müssen die Steine größer ausfallen. Fragt sich nur, auf welchem Wege man das erreichen kann. Es gibt da nämlich mehrere Wege. Der Gedanke, der da zuerst auftaucht, ist der, einen Teil dieser Steine in eine neue Lösung der gleichen Art zu bringen, in der Hoffnung, daß der Kristallisationsprozeß an den einzelnen Oktaedern weitergeht und die kleinen Steine wachsen. Andere Wege wären es, neuartige Lösungen anzusetzen und andere Verdunstungszeiten zu wählen.«

»Nun, so schlage doch alle Wege gleichzeitig ein«, drängte Jan.

Georg lachte. »Der Rat ist billig. Aber immerhin, ich werde ihn gern befolgen. Für heute bin ich jedenfalls zufrieden, denn ich weiß jetzt, daß ich in der Hand habe, die Kristallisation zum wenigsten in solch kleinen Exemplaren zu erzwingen. Marian muß mal gleich nach Georgetown fahren und allerhand Einkäufe für mich machen.«

Er wandte sich zu dem. »Versorge dich aber mit einem ordentlichen Frühstück. Es könnte sein, daß du hier oder da warten mußt.« –

Bald darauf fuhr Marian mit einem langen Bestellzettel in Jans Kraftwagen zur Stadt. –

Georg, der mit draußen gewesen war, suchte Jan in seinem Zimmer auf. Der saß am Schreibtisch und brütete über einem Schriftstück, das vor ihm lag. Georg ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Jan, wie kommst du mir vor? Ich sehe ganz deutlich, daß du seit gestern abend ständig in Erregung und Sorge bist. Warum sprichst du nicht offen zu mir? Vielleicht könnte ich dir helfen.«

Jan schüttelte mißmutig den Kopf.

»Helfen?! Ja, vor einer halben Stunde glaubte ich, du würdest, mir helfen können. Aber jetzt habe ich auch diese letzte kurze Hoffnung nicht mehr.«

Er stand auf und trat vor Georg. »Aber da hast recht, es ist dumm von mir, dir nicht alles zu sagen, dir nicht reinen Wein einzuschenken . . .

Die Sache ist schnell erzählt. Komm! Setz dich doch bitte her zu mir. Das hier ist ein Schreiben der Bank of Queensland aus Brisbane. Darin wird mir mitgeteilt, daß mein Freund Lurnley Konkurs gemacht hat und ich mit zehntausend Pfund, für die ich mich für ihn verbürgt hatte, in Anspruch genommen werde.

Lurnley war jahrelang mein Nachbar hier. Vor zwei Jahren verkaufte er seine Farm und beteiligte sich bei der Firma seines Schwiegersohnes Williams. Vor einem Jahr kam er zu mir und bat mich, eine Bürgschaft von zehntausend Pfund zu übernehmen, da sie einen anderen stillen Teilhaber der Firma herauskaufen möchten.

Ich tat das unbesehen, denn Lurnley hatte allein aus dem Verkauf seiner Farm das Dreifache herausgeschlagen. Heute steht fest, daß das Geschäft von Lurnleys Schwiegersohn schon seit längerer Zeit sehr wacklig war, und es ist jedenfalls Tatsache, das Lurnley mehr als sein ganzes Vermögen verloren hat. Die Gläubiger nehmen mich wegen der Bürgschaft in voller Höhe in Anspruch und verlangen binnen kurzem ihr Geld . . .«

»Das ist allerdings eine sehr unangenehme Sache, Jan. Bist du auch überzeugt, daß da alles mit rechten Dingen zugeht?«

»Unbedingt, Georg! Auch heute noch lege ich für Lurnley jederzeit die Hand ins Feuer. Er ist eben von seinem sauberen Schwiegersohn gehörig betrogen worden.

Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich zehntausend Pfund so schnell aufbringen soll. Auf dem Geldmarkt sieht es traurig aus. In anderen Zeiten würde ich die Summe ohne besondere Schwierigkeiten von einer Hypothekenbank auf Paulinenaue geliehen bekommen. Heute ist die Situation so, daß ich so gut wie ruiniert bin, wenn die Gläubiger sich nicht letzten Endes doch erweichen lassen . . .

Das heißt«, sagte er, als er Georgs erschrockenes Gesicht sah, »etwas würde mir ja beim Verkauf von Paulinenaue noch übrigbleiben. Aber ich müßte doch einen großen Sack Hoffnungen begraben. Als Marian uns vorher die ersten künstlichen Diamanten zeigte, war ich voller Zuversicht. Aber mit jedem Wort, das du dann sprachst . . . wie schwer es sein würde, größere, wertvolle Steine zu machen . . . sank meine Hoffnung. Ist es wirklich so, wie du sagtest, Georg, oder . . .«

Georg war aufgestanden und ging nachdenklich im Zimmer hin und her.

»Gewiß, Jan! Was ich da sagte, ist an sich durchaus richtig. Aber wenn ich meine Anstrengungen verdoppele und . . . mit etwas Glück rechne . . . dann . . .«

»Georg!« Jan war auf ihn zu geeilt und griff ihn am Arm. »Glaubst du wirklich, daß . . .?«

»In welcher Zeit müßtest du das Geld aufbringen, Jan?«

»Die äußerste Frist wären drei Wochen.«

Georg ging unruhig auf und ab.

»Es ist zum Verzweifeln! Solche Dinge lassen sich nun einmal nicht übers Knie brechen, verlangen ihre natürliche physikalische Entwicklung. Es ist unmöglich, dir zu versprechen, daß ich in drei Wochen großen Erfolg habe . . . aber es ist auch nicht unmöglich . . . ich kann dir daher nur folgenden Rat geben:

Setz deine Bemühungen, einen Geldgeber zu finden, der dir die zehntausend Pfund leiht, unausgesetzt fort . . . Gleichzeitig belege für alle Fälle auf deinem Grund und Boden erneut Diamantenclaims. Was an mir liegt, soll jedenfalls geschehen.« –

Marian hatte die lange Liste seiner Einkäufe in Georgetown erst gegen Nachmittag beendet. Jetzt noch ein Weg zu Dr. Musterton, bei dem er eine Bestellung Jans ausrichten sollte, und dann konnte er wieder zurückfahren.

In Mustertons Hause traf er Rochus Arngrim allein an. Der Doktor sei über Land, werde aber bald zurückkehren.

Müde von dem vielen Herumlaufen, nahm Marian gern die Einladung Arngrims an, mit ihm eine Tasse Tee zu trinken. Einmal ins Gespräch gekommen, wurde ihre Unterhaltung immer lebhafter. Sie waren in ihren Gedanken wieder in dem Neustadt von früher . . .

Dann kam, wie von selbst, die Rede darauf, in welcher Weise Georg und Marian erfuhren, wie sich damals das schreckliche Ereignis an dem See im Park in Wirklichkeit abgespielt hatte. Lange sprachen sie über das geheimnisvolle Phänomen, wie Marian und Georg das grausige Geschehen gesehen, durchlebt hatten. In schärfstem Nachdenken bemühten sie sich, eine möglichst natürliche Erklärung dieser mysteriösen Erscheinung zu geben. Doch sie fanden keine irgendwie passende Lösung, weil keiner von ihnen sich ganz offenbarte, weil jeder für sich das zurückhielt, was zusammen eine vollkommene Erklärung ergeben hätte, wenn jeder offen gewesen wäre.

Die Ankunft eines Kraftwagens vor dem Hause riß sie aus ihrer Unterhaltung. Marian trat zum Fenster, rief: »Da ist ja Doktor Musterton! Aber«, fragte er über die Schulter zurück, »wer ist denn die junge Dame, Herr Arngrim? Ist das eine Tochter von ihm?«

»Nein, Marian, das ist eine Pflegetochter Doktor Mustertons. Sie heißt Lydia Allgermissen. Er hat sie während seines Aufenthaltes im Himalaja vor mehreren Jahren als flüchtige Waise zu sich genommen. Ihren Vater haben die Bolschewiken erschossen.«

Es war gut, daß Marian immer noch am Fenster stand und Arngrim den Rücken zukehrte. So konnte der nicht sehen, wie bei der Nennung des Namens das Gesicht Marians in Überraschung, Erstaunen zusammenzuckte. Wie der sich bemühte, seine Selbstbeherrschung wiederzugewinnen, bevor er sich zu Arngrim zurückwendete. Als er es dann tat, sah er Arngrim gerade durch die Tür aus dem Zimmer nach unten eilen.

»Gut, daß der weg ist«, sagte Marian leise vor sich hin. »Die Überraschung war doch zu groß, um sie im Handumdrehen zu verdauen . . . Lydia Allgermissen . . . es kann ja nicht anders sein, als daß sie die Tochter dieses Professors ist, von dem Lönholdts Tagebuch berichtet . . . Georg wird Augen machen . . .«

Da öffnete sich die Tür. Arngrim rief Marian zu Dr. Musterton. Zu Marians Freude ließ ihn der noch kurze Zeit warten, um einen schriftlichen Bescheid auf Jans Brief zu geben. Währenddessen hatte Marian Gelegenheit, Lydia Algermissen, die vor der Schreibmaschine am Fenster saß und Mustertons Diktat aufnahm, zu betrachten.

Er schaute sie in heimlicher Neugier unverwandt an. Sie war jetzt barhäuptig. Das reiche braune Haar, vorher in der Autokappe verborgen, glänzte in den Strahlen der Sonne, die durch das Fenster fielen. Noch nie glaubte Marian so wundervolles Haar, solch reine weiße Haut, solch schöne Augen gesehen zu haben. Ihre an sich unregelmäßigen Züge waren zwar nicht schön zu nennen, doch war darüber ein solch gewinnender Ausdruck von tiefer Güte und Freundlichkeit gebreitet, daß Marian glaubte, nie ein schöneres Gesicht gesehen zu haben. Er hätte sie gern noch länger betrachtet, doch zu seinem Leidwesen war Musterton jetzt mit seinem Diktat fertig und entließ Lydia. –

Was Marian sich vorgenommen hatte, Georg eine möglichst große Überraschung zu bereiten, war ihm völlig gelungen. Nach langem vergeblichem Rätselraten war Georg endlich auf das kaum Denkbare, kaum Glaubliche gestoßen: Lydia Allgermissen, die Tochter Professor Allgermissens, war hier in Georgetown . . .

Aber sobald er sich von der Überraschung erholt hatte, verfiel er in ernstes Nachdenken. Er hatte Arngrim gegenüber nie etwas von seinen Arbeiten, insbesondere nicht von denen mit Allgermissens Verstärker, erwähnt, obwohl er inzwischen öfter mit ihm zusammengekommen war. Wenn er sein Geheimnis weiter bewahren wollte, durfte er von der Gegenwart Lydia Allgermissens keine Notiz nehmen, obwohl es ihn drängte, mit ihr über ihren Vater und jene Ereignisse in Irkutsk zu sprechen. –

Er ging zu seinem Verstärker, betrachtete ihn sinnend. Ob wohl Algermissen den so weit entwickelt hatte wie er jetzt? Eine neue Schaltung war in den letzten Tagen fertig geworden, die dem Apparat einen wesentlich höheren Wirkungsgrad gab. Er hatte sich sehr gefreut, als heute morgen ein Brief von Clennan kam, in dem dieser seinen Besuch für den nächsten Tag, um die elfte Vormittagsstunde, ankündigte. Der würde staunen!

Da schoß Georg ein lustiger Gedanke durch den Kopf. Er ging zum Fenster und schaute prüfend nach dem Berghang, über dem die Straße zum Tale herunterführte, auf der Clennan kommen mußte. Mit dem Glas konnte er das weiße Band der Straße da, wo sie die Anhöhe überschritt, genau erkennen. Es mochten vier bis fünf Kilometer sein. Mit Jans schärfstem Feldstecher würde er auf diese Entfernung Clennan mit seinem Wagen zweifellos feststellen können. –

Am nächsten Vormittag stand er mit Jan an demselben Fenster und beobachtete mit dem die Straße. Wirklich tauchte zu der vermuteten Zeit ein Kraftwagen auf dem Kamm des Hügels auf.

Jan, der gerade das Glas vor Augen hatte und beobachtete, schrie: »Los! Da kommt er!«

Georg stand im Nu unter der Eingangsantenne des Verstärkers und gab in Gedanken den Befehl, sofort zu halten. –

»Anscheinend großer Klamauk in dem Wagen . . . Clennan schimpft mit dem Chauffeur«, sagte Jan lachend. »Aha, jetzt steigt Clennan aus und setzt sich selbst an das Steuer. Nun aber mal tüchtig, Georg!« –

»Proste Mahlzeit, Herr Clennan!« lachte Jan laut heraus, »nichts zu machen . . . so, Georg, jetzt mal zu mir kommen . . . beide sind ausgestiegen und gucken sich ihren Wagen an, als ob der schuld wäre. Schade, daß ich nicht da oben sein kann, um zu hören, was sie da sprechen! Muß doch zum Totlachen sein!«

Georg, der jetzt das Glas Jans vor Augen hatte und sich die Szene ansah, ließ plötzlich das Glas sinken.

»Ei, zum Teufel, Jan! Das ist ja gar nicht Clennan. Mann, was hast du denn gemacht? Das ist ja ein Fremder. Mir kam die Sache gleich nicht ganz geheuer vor, denn Clennan fährt doch immer ohne Chauffeur.«

»Nun, schaden tut's ja weiter nichts«, meinte Jan etwas verlegen. »Allmählich werden sie ihre Köpfe wieder in die Reihe bekommen und dann weiterfahren. Allerdings, die vielen unnützen Gedanken, die sie sich wohl noch lange machen werden, hätte ich ihnen ersparen können. Na, ja!« schloß er dann und deutete nach dem Berghang, »jetzt sind sie wieder eingestiegen. Der Wagen fährt an.«

»Das nächste Mal werde ich aber vorsichtiger sein«, sagte Georg, »das nächste Mal werde ich hier den Posten am Fenster übernehmen. Setz du dich unter die Antenne!«

Das erste Auto war schon unten im Tal verschwunden, da tauchte ein zweites auf der Anhöhe auf. Georg konnte mit Sicherheit Clennans Gestalt am Steuer erkennen.

»Jetzt los, Jan! Diesmal ist's der Richtige.« –

»Aber, Jan! Bist du verrückt geworden? Was machst du für Unsinn! Du solltest ihn doch nur anhalten!«

Was da oben mit Clennan passierte, war so spaßig, daß Georg laut lachen mußte. Clennan war auf Jans gedanklichen Befehl hin von der Straße ins freie Feld abgebogen und fuhr dort nach der Art eines Geschicklichkeitsfahrers die verrücktesten Kreise und Schleifen auf dem unebenen Gelände.

»Genug, genug! Jan! Du ruinierst ja den Wagen vollständig! Jetzt laß Clennan kommen!« –

Als der zehn Minuten später in das Haus trat, wurde er von Jan und Georg mit lautem Gelächter empfangen.

»Aber, Herr Clennan!« rief Jan ihm prustend zu, »haben Sie für ein Gymkhana gemeldet und wollten da oben ein bißchen trainieren? Sie machten ja eine verteufelte Fahrerei auf dem holprigen Acker.«

Clennan streckte ihm drohend die Faust entgegen.

»Natürlich! Sie waren es, der diesen schönen Scherz mit mir gemacht hat! Habe ich mir gleich gedacht.

Aber mögen Sie mich auch noch so sehr ausgelacht haben, mit diesem Scherz haben Sie mir eine Probe gegeben . . .«, hier drückte er Georg die Hand, »die mich für Ihren Spaß reichlich entschädigt. War das das Maximum der Reichweite oder . . .«

»Die neue Schaltung ist erst gestern fertig geworden. Ich habe andere Versuche noch nicht gemacht. Jedenfalls steht fest, daß ich jetzt auf fünf Kilometer mit Sicherheit wirken kann. Aber Sie kommen zur rechten Zeit, heut nachmittag wollte ich weitere Versuche anstellen.«

»Das paßt ja ausgezeichnet«, sagte Clennan. »General Scott will sich von Dale nicht mehr länger hinhalten lassen. Er brennt darauf, Sie persönlich kennenzulernen und Proben Ihres Apparates zu sehen. Hoffentlich . . .«, er sah mit ungewisser Erwartung in Georgs Gesicht.

Der nickte zustimmend. »Ja! Jetzt mag er endlich kommen. Eine Einwirkung der Gedankenstrahlung auf fünf Kilometer kann sich am Ende sehen lassen . . . Im Kriegsfalle ist sie doch schon durchaus genügend, um größere Truppenmassen zu beeinflussen, denn mit der jetzt natürlich viel stärkeren Sendeenergie kann ich auch metallische Abschirmungen in Form von Drahtmasken und Drahtwesten durchdringen. Das war ja immer ein wunder Punkt, daß die Strahlung des Verstärkers, wie ich ihn in Deutschland entwickelt hatte, von schwachen metallischen Abschirmungen verschluckt wurde. Ich erinnere mich noch, wie ich einen Versuch machte, indem ich Marian eine Imkerhaube über den Kopf stülpte. Schon in geringer Entfernung war er dadurch geschützt.

Sie sehen also, daß ich jetzt einem Besuch der Herren vom Generalstab mit größter Ruhe entgegensehen kann. Ich möchte Sie aber nochmals dringend bitten, daß der in der unauffälligsten Form geschieht.«

»Da können Sie beruhigt sein, Herr Astenryk. Außer General Scott wird nur sein Generalstabschef Oberst Trenchham mitkommen, der einzige, der außer Dale um die Sache weiß. Sobald ich wieder in Canberra bin, werde ich Dale sofort benachrichtigen, er wird dann mit Ihnen einen Tag verabreden.« –

Als sie sich am Abend zu Tische setzten, waren sie alle in sehr gehobener Stimmung. Mit solch überraschenden Resultaten hatte keiner gerechnet. Noch auf acht Kilometer waren die Wirkungen der durch den Verstärker gesendeten Gedankenwellen, soweit sie Willensakte betrafen, zwingend. Auf fünf Kilometer durchdrangen sie noch metallische Abschirmungen, wie sie vom Gegner im Kriegsfalle benutzt werden konnten. Für einfache Gedankenübertragung war die Reichweite des Senders noch viel größer. –

Sie waren eben vom Tische aufgestanden, da kam Arngrim an. Nach einer kurzen Bekanntmachung mit Clennan wandte er sich an Jan und bat, ihn in dessen Wagen nach Georgetown zu bringen. Er habe ein Stück jenseits des Flusses auf einem Feldweg eine schwere Panne gehabt und könne den Wagen nicht wieder in Gang bekommen.

Clennan, der Arngrims Worte gehört hatte, erbot sich sofort, diesen in seinem Wagen nach Georgetown mitzunehmen. »Der kleine Umweg macht mir nichts aus, und ich wollte mich sowieso gerade verabschieden.« –

Bald darauf rollte Clennans Wagen mit Arngrim den Zufahrtsweg, der vom Gute zur großen Landstraße führte, entlang. Als Clennan auf die Straße einbog, sahen sie dort einen Kraftwagen halten, dessen beide Insassen sich um den Motor des Wagens bemühten. Der eine der beiden hob die Hand hoch, so daß Clennan seinen Wagen anhielt.

»Verzeihen Sie bitte, meine Herren, daß ich Ihnen einen kleinen Aufenthalt bereite. Ich möchte Sie um die Liebenswürdigkeit bitten, uns einen solchen Schlüssel wie den hier zu leihen. Dieser ist uns eben abgebrochen.«

Bereitwillig öffnete Clennan den Werkzeugkasten und gab dem Mann einen ähnlichen Schlüssel. Wandte sich dann, während der Fremde sich an seinem Motor zu schaffen machte, an Arngrim.

»Das ist ja ein merkwürdiger Zufall, der Sie, Herr Arngrim, mit Jan Valverde und Georg Astenryk hier in Australien zusammengeführt hat. Es wird Ihnen gewiß nicht unangenehm sein, in dieser ganz fremden Gegend, wo noch obendrein sehr wenig Deutsche wohnen, zwei Jugendfreunde aus Deutschland wiedergefunden zu haben.«

Arngrim nickte ihm freundlich zu. »Natürlich, Herr Clennan! Hier hat der Zufall mehr als glücklich . . . ich mochte fast sagen segensreich für mich gespielt. Ich werde den Tag, an dem ich die beiden Brüder nach so langer Zeit wiedersah, nicht vergessen . . .«

»Nun, schon erledigt, mein Herr?« sagte Clennan und nahm den Schlüssel, den ihm der Fremde reichte, zurück.

»Gewiß, mein Herr. Es war ja nur eine Kleinigkeit. Für Ihre freundliche Hilfe meinen besten Dank.« –

Clennan ließ seinen Wagen anspringen und fuhr mit Arngrim in der Richtung auf Georgetown weiter. –

*


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