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18.

Dem festlichen Tage
Begegnet mit Kränzen,
Verschlungenen Tänzen,
Geselligen Freuden
Und Reihengesang.

Goethe.

Der Junker von Sonnenberg fuhr fort, treu und still den Pflichten seines Ehrenamtes zu leben. Amalgundis Bild war mit unauslöschlichen Zügen in sein Herz gegraben und der Gedanke an sie, als den einstigen Lohn, der ihn am Ziele erwarte, den er nur durch völlige Hingebung an die Person des verehrten Kaisers und ritterliche Tugend erreichen könne, umschwebte ihn wie sein guter Engel. Mehrere Tage und Nächte waren vergangen, ohne daß irgend etwas Störendes in dieses ruhige Wirken getreten wäre. Kein Flüstern und seltsames Geräusch hatte ihn wieder am Schlafe gehindert und das laute Sprechen und Rufen des Monarchen während seiner unruhigen Träume war er bald gewohnt geworden.

So kam der Sonntag herbei, der, wie unsere freundliche Leser sich mit uns erinnern, zur Hochzeitsfeier der artigen Augsburgerin Beata mit dem wackern Kaufmanne Gabriel bestimmt war. Meister Auffenthaler war selbst noch einmal bei Friedmann, dessen Ernennung zum kaiserlichen Ehrenjunker ihm nicht unbekannt geblieben, vorgekommen und hatte die Bitte, bei der Festlichkeit zu erscheinen, dringend wiederholt. Gern sagte Friedmann, dem das Ehrenveste und Würdige des alten Handelsherrn gefiel, zu und verfügte sich auch, da ihm der verlangte Urlaub bewilligt worden war, in Begleitung seines Dieners Stephan, zu der festgesetzten Abendstunde in die stattliche Herberge zum Rebstock.

Eben kehrte das Brautpaar, von dem Vater und von einer großen Anzahl seiner Freunde und Freundinnen begleitet, aus der St. Bartholomäi-Kirche zurück, wo die feierliche Trauung stattgefunden hatte. Spielleute gingen dem feierlichen Zuge voran und ließen auf Zinken, Flöten und Posaunen die Töne eines ernsten Festmarsches erklingen. Die Braut war in schwarzen Seidenstoff gekleidet, trug darüber eine silberbrocatene Schürze und einen kurzen Pelzmantel, dessen oberer Theil von viereckigten Stücken blaßrothen und hellgrünen Seidenzeugs zusammengesetzt war. Ihr Kopf war mit einem kunstreich gearbeiteten silbernen Diadem bedeckt, aus dem ein Kranz kostbarer Edelsteine herableuchtete. Das reiche blonde Haar fiel in natürlichen Locken über Schulter und Rücken herab. Hinter ihr und dem Bräutigam, der sie an der Hand führte und von Kopf bis zu Fuß in schwarzen Sammet gekleidet war, gingen die Kränzeljungfern, lilienweiß angethan und mit Blumensträußen versehen, unter ihnen das Pfeffer-Rösel. Dann kam Meister Auffenthaler, in Haltung und reicher, aber einfacher Tracht ein würdiger Vertreter des damals in den mächtiger werdenden Städten frisch und kräftig auflebenden Bürgerstandes. Ihm folgten die Freunde, sämmtlich in festlichen Anzügen, und den Schluß des Zuges machten die Spruchsprecher und Schalksnarren in ihren bunten Jacken und Schellenmützen, die schon in jener Zeit bei keiner Festlichkeit dieser Art fehlen durften. Die letztern hatten zwar nicht die Erlaubniß, in ihrer Narrentracht die Kirche zu betreten, aber sie mußten die feierlichen Hochzeitszüge dahin und wieder zurück begleiten.

So lieblich auch Beata in ihrer zierlichen Brautkleidung anzusehn war, und obschon der Ausdruck eines sinnigen Ernstes, den wahrscheinlich das ebengeleistete Gelübde in ihr sonst heiteres Gemüth gesenkt hatte, ihren Zügen einen neuen Reiz verlieh; so konnte doch Friedmann, dem jetzt Amalgundis Schönheit als einziger Maaßstab zur Beurtheilung weiblicher Anmuth galt, jene Vorzüge der Augsburger Jungfrau nicht wiederfinden, die früher sein Wohlgefallen erregt hatten. Er sagte sich selbst, daß er ungerecht sei, daß Beata in der That durch ihre zarte Gestalt, das lieblich gebildete Antlitz, die schönen Augen, aus denen neben allem Ernste, den die Bedeutung des Augenblicks ihnen mitgetheilt hatte, immer einige Schalkhaftigkeit sprach, sie vor vielen andern Jungfrauen auszeichne. Alles blieb vergeblich! Der Zauber war verschwunden, welchen die freundliche Erscheinung auf ihn geübt, als er zum ersten Male vor ihr stand.

Seine Glückwünsche wurden von dem Brautpaare mit sichtbarem Wohlgefallen aufgenommen. Dem Bräutigame wie der Braut galt es für eine große Ehre, einen Edeljunker in kaiserlicher Hofkleidung unter den Hochzeitsgästen zu sehn. Meister Auffenthaler kam herbei und hieß ihn mit einem traulichen Handschlage willkommen. Hinter dem Meister stand der lombardische Kaufmann Antonio Bandini und lächelte seltsam zu dem Junker herüber. Die Augen der Kränzeljungfern waren wie auf den schmucken Jüngling gebannt und das Pfeffer-Rösel wußte sich nicht wenig damit, daß sie ihren Freundinnen zischelnd Auskunft über des angestaunten jungen Mannes Namen und Stand geben konnte.

»Er ist so vornehm, wie einer um des Kaisers Person,« versicherte sie mit großem Eifer, »so reich wie der alte Auffenthaler selbst und so großmüthig wie sonst niemand. Der hinter ihm steht in dem blauen Wams mit weißen Schleifen, ist Stephan sein Diener, ein Schalk, wie es nur einen gibt, aber von gutem Herzen und redlichem Gemüthe.«

Wir sehen, daß die Bekanntschaft zwischen Stephan und Rösel, die bei der Erscheinung des Mädchens mit den Pfefferkuchen in der Herberge zur Goldgrube angeknüpft worden war, bereits große Fortschritte gemacht hatte. Bald waren Rösels Blicke von dem Junker abgewandt und hielten sich nun an den Diener, der mit gleichen Zeichen des Wohlgefallens an Rösels Person, neben den Kränzeljungfern weiter gehend, seinem Herrn folgte.

Als Friedmann an der Hand des alten Auffenthalers in die Halle trat, welche zur Aufnahme der Gäste bestimmt war, wurde er durch die hier herrschende Pracht, die Alles übertraf, was er in der Art schon gesehen hatte, ungemein überrascht. Wo das Auge nur hinblickte, glänzten ihm kostbare Silbergeschirre entgegen, die längs den Wänden auf hohen Gestellen zur Schau hergerichtet waren. Die Wände waren mit Sammetteppichen bedeckt, der Fußboden mit Binsen und wohlriechenden Kräutern bestreut, wie es der Junker von Sonnenberg auch in den Gemächern des Kaisers gefunden hatte. Auf einer ebenfalls mit Sammet überkleideten Tribune befanden sich Spielleute, zu denen sich zugleich ihre mit dem Zuge zurückkehrenden Kunstgenossen gesellten, und die Eintretenden mit einer rauschenden Fanfare empfingen.

Zwei große Tafeln waren in der Mitte der Halle gedeckt, deren eine durch die Pracht ihrer silbernen Aufsätze, Eß- und Trinkgeschirre, verrieth, daß sie für die Herrn, die andere aber durch ihre einfachere Einrichtung anzeigte, daß sie für die Diener bestimmt sei; denn damals erfreuete sich der Sitte gemäß, die sich noch Jahrhunderte hindurch erhielt, das Gesinde mit seiner Herrschaft, so wie es auch an deren trüben Schicksalen einen Antheil nahm, der das Band der Anhänglichkeit zwischen beiden fester knüpfte und dauernd machte.

Nachdem Friedmann den ihm von Meister Auffenthaler, zwischen diesem und der, heute seine Fragen nur schüchtern beantwortenden Beata angewiesenen Platz eingenommen hatte, fand er Muße, alle die Herrlichkeiten, welche die Tafel trug, mit ruhiger Aufmerksamkeit zu betrachten. In großen silbernen Schiffen, die lustig mit Wimpeln und Masten prangten, waren gebackene und gesottene Fische aller Gattungen aufgestellt. Kleine Gefäße vom nämlichen Metall, gestaltet wie Kähne und Gondeln, enthielten die dampfenden Brühen, welche nicht sowohl von ihrer eigenthümlichen Wärme, als von dem Uebermaße starker Gewürze, die ihnen beigemischt wurden, den Beinahmen der Brennenden führten. Pfeffer, Zimmet, Nelken, Muskaten, Ingber, Knoblauch, sogar Bisam und andere aromatische Substanzen fanden sich in einer solchen Brühe zusammen; aber wenn auch von diesen Ingredienzien einige fehlen durften, so war dieses doch keinesweges der Fall mit Saffran und Zucker, die für unerläßliche Bestandtheile aller Brühen galten. Sucre n'a jamais gaté sauce, war ein schon damals gebräuchliches Sprüchwort, das sich selbst in der französischen Küche noch lange nachher bei Ehren erhielt. Die Gutschmecker unserer Zeit würden sich nicht wenig verwundert haben, neben der so sehr beliebten Gans Die Gans war in frühern Jahrhunderten so geschätzt, daß man eigene Oyers, Verkäufer von gebratenem Gänsefleisch, hatte. Diese Vorliebe gab auch Veranlassung zu dem Sprüchworte: Qui mange l'oie du roi, cent ans après il en rend la plume., den gebratenen Schweinen, dem Wildpret und dem Geräucherten, verschiedene Thiere als leckere Gerichte aufgetragen zu sehn, welche heutiges Tages von den Anathema des Eckels und Widerwillens, das mit Recht auf ihnen ruht, gegen das Messer des Kochs in Schutz genommen werden. Da stand auf einer silbernen Schüssel ein braun gebratener Kranich, künstlich schwebend auf einem Bein, in einer Stellung, welche das Leben nachahmen sollte; da war auf einem silbernen Spieße ein gebratener Reiher mit ausgebreiteten Flügeln, als durchsegle er die Lüfte, befestigt und der aufgestreute buntfarbige Zucker bekleidete ihn mit den Farben, die einst sein Gefieder getragen; da schwamm in einem großen silbernen Gefäße ein weiß überzuckerter Schwan und auf die Braut schien ein sehr künstlich aufgestellter Storch, der schalkhafterweise ein silbernes Wickelkind im Schnabel trug, loszuschreiten. Hühner und Tauben standen in zahlloser Menge auf fein gearbeiteten silbernen Sproßenleitern, aber auch an gebratenen und gebackenen Krähen, Raben und Sperbern war kein Mangel. Auf diese, so wie auf jene in unserer Zeit nicht mehr für eßbar gehaltene größere Vögel waren die stark gewürzten Brühen, von denen wir oben sprachen, berechnet. Auch die Weine mußten gekocht und über feine Gewürze abgezogen sein. Von diesen Würzweinen wurden bei einer so festlichen Gelegenheit nur die edelsten, Claret und Hippocras, in rings umgehenden silbernen Pokalen von den mannichfaltigsten Formen kredenzt.

Der Gesindetisch war ebenfalls mit vielen künstlich gearbeiteten Gefäßen, jedoch von Kupfer, besetzt und diese waren so blank gescheuert, daß ihr Glanz den matten Schein des Silbers auf der Herrentafel verdunkelte. Auch dort befanden sich reiche Vorräthe an Speis und Trank, aber Fisch, Geflügel und Wildpret waren nur als einzelne Lichtpunkte aufzufinden, während geräuchertes und gesalzenes Schweinefleisch im Uebermaße vorhanden war.

Fast hätten wir in der Beschreibung der Merkwürdigkeiten, welche die obere Tafel zierten, einer ungeheuern Pastete vergessen, die, von einem künstlichen Garten mit kleinen, Frucht und Blüthen von Zuckerwerk tragenden Bäumen umgeben, den Mittelpunkt einnahm. Ihre ungemeine Größe zog Aller Blicke auf sich und man ahnete, daß unter diesem mächtigen Gehäuse eine jener Ueberraschungen verborgen sei, ohne welche kein festliches Gelage der damaligen Zeit vorüberzugehn pflegte.

Friedmann hatte der Neugierde, welche das Ungewohnte eines solchen Schauspiels in ihm erregt hatte, vollkommen Genüge geleistet und ließ nun seine Blicke nach den Gästen schweifen, die mit ihm ihre Plätze an dem Herrentische eingenommen hatten. Hier bot sich eine bunte Mischung seltsamer Gestalten. An der andern Seite der Braut saß der Hochzeiter Gabriel ehrbar und schweigsam wie seine neuangetraute Lebensgefährtin, und wie es beiden am heutigen Tage schicklich dünken mochte. An ihn reiheten sich die Kränzeljungfern, unter denen der Junker vergebens das freundliche Pfeffer-Rösel suchte. Zunächst diesen hatte eine Anzahl lombardischer Kaufleute sich niedergelassen, die mit ihren gebräunten Gesichtern, den blitzenden dunkeln Augen, den lebendigen Gebehrden, welche ihr fröhliches Gespräch begleiteten, und, selbst in ihrer bunten Tracht einen scharfen Gegensatz gegen die in ihrer Nachbarschaft befindlichen hanseatischen Handelsherrn bildeten, deren melancholische Züge, düsteres Schweigen, langsam abgemessene Bewegungen, dem einfachen schwarzen Anzuge, der kuttenartig und nach gleichem Schnitte einen jeden von ihnen bekleidete, entsprachen. Unter jenen Lombarden zeichnete sich besonders Antonio Bandini durch die Pracht seiner Kleidung aus. Auch wurde er von seinen Landsleuten mit einer Achtung behandelt, welche bewies, daß er in großem Ansehn bei ihnen stand. Als Friedmanns Auge auf ihm ruhete, begegnete diesem der Blick des Italieners mit einem seltsamen und bedeutungsvollen Ausdrucke. Der Junker verbarg seine Befremdung nicht, aber Bandini wendete sich sogleich wieder zu einem seiner Nachbarn und setzte mit gleichgiltiger Miene ein Gespräch fort, das er mit diesem angeknüpft hatte.

Jetzt rief der Spruchsprecher von einer eigens für ihn bestimmten Tribune die Gäste zum frohen Genuße des Mahles auf und wie die Griechen unter dem gewaltigen Schwerte Hectors, fielen unter scharfen Schneidemessern die verschiedenen Braten zusammen, die noch eben mit den Formen des Lebens geprunkt hatten. Nur der Storch mit dem silbernen Windelkindlein blieb verschont, damit sein Anblick fortwährend die Hochzeiterin in Verlegenheit erhalte und seine Bedeutung das anmuthige Rosenroth ihrer Wangen erhöhe.

Der geneigte Leser wird uns gern eine nähere Schilderung des guten Appetits, welchen, mit Ausnahme des gerührten Brautpaars, alle Anwesenden an den Tag legten, erlassen. Die Spielleute oder Pfeifer spielten lustig auf, in den Pausen ließ der Spruchsprecher sich mit Reimen zu Ehren der Neuvermälten und der Gäste vernehmen, und der Schalksnarre war immer auf den Beinen, um bald hier bald dort unversehener Weise seine Neckereien auszustreuen.

Friedmann sah sich durch Meister Auffenthaler, den sein ausgebreitetes Geschäft weit in der Welt umhergeführt hatte, sehr gut unterhalten. Als dieser aber einen Augenblick schwieg, konnte der Junker sich nicht erwehren, die Braut nach ihrer Freundin, dem Nürnberger Rösel zu fragen und warum diese nicht unter den Kränzeljungfern sitze, denen sie doch beim Hochzeitszuge beigesellt gewesen?

»Das Mädchen hat gar einen besondern Sinn und seine eigenen Launen!« versetzte Beata, ohne den gesenkten Blick zu erheben. »Sie hat durchaus an den Gesindetisch begehrt und dort unten sitzt sie in der That recht froh und gesprächig an der Seite Eueres Dieners Stephan.«

So war es wirklich. Rösel und Stephan saßen beisammen, so traulich und glücklich, daß jedermann sie für ein Liebespaar halten mußte. Der Junker gönnte dem treuen Burschen sein Glück und mußte mit größerer Innigkeit an Amalgundis denken, die ihm noch so fern stand und für deren künftigen Besitz er keine andere Bürgschaft hatte, als seine eigene treue Liebe. Er würde mitten unter so vielen frohen und lebenslustigen Menschen sich düstern Gedanken hingegeben haben, wenn nicht in diesem Augenblicke der Schalksnarr seinen Witz auch an ihm hätte üben wollen, was wenigstens den guten Erfolg hatte, jene beginnende Schwermuth zu verbannen.

»Ihr seid doch ein bunter Vogel aus dem Hofkäficht und laßt die Flügel hängen, wie ein Rabe, der dem Sturm und Regen auf freiem Felde preisgegeben ist!« rief der Narr, nachdem er, um auf sich aufmerksam zu machen, einen derben Schlag mit seinem hölzernen Schwerte auf den Tisch gethan hatte. »Gewiß seid Ihr verliebt und das Schätzel will nichts von Euch wissen und Ihr denkt nur darüber nach, welche von den hübschen Kränzeljungfern da drüben es besser mit Euch im Sinne haben möchte!«

Die Kränzeljungfern errötheten sämmtlich und Friedmann fühlte sich, obgleich er wußte, daß man diesen privilegirten Spaßmachern viel zuguthalten müsse, auf eine unangenehme Weise getroffen. Sein Unwille würde vielleicht laut geworden sein, wenn nicht ein neues Schauspiel, das sich jetzt überraschend zeigte, auch seine Aufmerksamkeit mit der der übrigen Anwesenden in Anspruch genommen hätte. Die Wände der großen Pastete in der Mitte des Tisches wankten plötzlich, fielen dann nach allen Seiten nieder und heraus trat in Goldstoff gekleidet, mit einem Krönlein auf dem Haupte, einen kleinen Szepter in der einen Hand, den Reichsapfel in der andern, ein zierlich gebaueter Zwerg, der mit anmuthiger Verbeugung die Gesellschaft begrüßte.

»Glücklicher König!« sagte Antonio Bandini laut und bedeutungsvoll nach Friedmann hin. – »Du bist in Deinem Reiche von Pastetenteig sicher gegen Gift und Dolche und kein Verrath entspinnt sich gegen Dich in mitternächtiger Stunde.«

Die Nachbaren des Lombarden, zu sehr angezogen von der artigen Erscheinung des Zwergs, hatten seine Rede überhört, aber für denjenigen, an den sie besonders gerichtet schien, war sie nicht verloren gegangen. Der Junker von Sonnenberg ahnte, daß irgend ein wichtiger Sinn darunter verborgen liege und sah forschend den Italiener an. Antonio aber scherzte bereits mit dem Zwerge, der zierlich tanzend und ohne irgendwo anzustoßen, sich der mehr erröthenden Braut näherte. Fast sämmtlichen Anwesenden war das kleine Naturwunder bekannt, das man zur Befriedigung der Schaulust zur Messe gebracht hatte und welches von dem Hochzeiter Gabriel nun zu einem damals gewöhnlichen Tafelscherze gebraucht wurde. Vor Beaten knieete der kleine Mann nieder und überreichte dieser, nachdem er mit seiner zarten Stimme ein kurzes Lied zu ihrem Preise gesungen, den goldglänzenden Reichsapfel. Als sie aber ihre Hand darnach ausstreckte und ihn an sich nehmen wollte, berührte ihn der Zwerg leicht mit dem kleinen Szepter: der Apfel öffnete sich und zeigte eine künstlich gearbeitete Rose, in deren Vertiefung ein goldener Ring mit einem einzigen aber sehr großen Edelstein lag. Gabriel ergriff den Ring und bot ihn mit freundlichem Lächeln der Braut, die ihn mit einem dankbaren Blicke auf den geliebten Geber ansteckte. Als dieses geschehen war, hüpfte der Zwerg zu den Kränzeljungfern hin, die ihn reihum auf den Schooß nahmen, herzten und küßten und mit Rosinen und Zuckerwerk speißten, das eben aufgetragen wurde. Hier zeigten sich wiederum allerlei künstliche Aufsätze in Confekt, die dem Geschmacke der damaligen Zeit entsprachen; aber das junge Volk beeilte sich mit diesen Leckereien zu Ende zu kommen, da es schon spät am Abende war und die lustigen Weisen der Spielleute schon längst an den Schwerttanz mahnten.

Mit dem Brautpaare erhoben sich die übrigen Anwesenden und in wenigen Augenblicken waren von der zahlreichen Dienerschaft die Tafeln aus dem Wege geräumt. Das Brautpaar eröffnete den Tanz, ihm folgte Junker Friedmann mit der lieblichsten der Kränzeljungfern, welche Meister Auffenthaler dem geehrten Gaste zuführte. Freilich würden die jungen Herrn und Damen unserer Tage, die in den wilden Wirbeln des Walzens und der erschütternden Bewegungen des Hopsers gewaltsam die kurze Laufbahn ihres Lebens durchstürmen, wenigen oder gar keinen Geschmack an der langsamen Einförmigkeit der Tänze jener Zeit gefunden haben; aber die Freude der Hochzeitgäste, von denen diese Novelle spricht, war während dieser Tänze gewiß ebenso groß und nicht minder rein, als sie heutiges Tages auf unsern Casinobällen, und in andern geschlossenen Tanzgesellschaften herrscht. Die Scherze des sich allenthalben durchdringenden Schalksnarren, die Reime, welche der Spruchsprecher mit überlauter Stimme von seiner Tribune herab bald dem einen, bald dem andern Paare zurief, erheiterten und belebten das Ganze. Wie in dem obern Theile der Halle sich die Herrschaften dem Tanzvergnügen hingaben, so geschah dasselbe in dem untern Theile von den dienenden Personen. Oft bildeten sich auch ein Paar von Individuen aus beiden Classen, wie denn Meister Auffenthaler einmal mit seiner bejahrten Haushälterin und der Junker von Sonnenberg mit dem Pfeffer-Rösel, das aber nach vollbrachtem Tanze gar gern wieder zu dem Diener Stephan zurückzukehren schien, den Gang um den Saal machte.

So waltete eine reine und sittige Freude bis gegen Mitternacht hin, ohne daß irgend eine Unannehmlichkeit das Vergnügen gestört hätte. Eben war Friedmann aus der Reihe getreten, um sich zu Meister Auffenthaler zu begeben, der von einem einfachen Sitze aus das lebendige Treiben der jungen Welt betrachtete, als Stephan hastig seinem Herrn sich näherte und diesem berichtete: vor der Thüre der Halle stehe ein Mann, tief in seinen Mantel gehüllt, und verlange ihn zu sprechen, indem er ihm Dinge von Wichtigkeit mitzutheilen habe. Der Junker stutzte. Was konnte so dringend sein, daß man ihn an diesem Orte und zu dieser Stunde aufsuchte? Er dachte an Bandini, an dessen bedeutungsvolle Blicke, an dessen noch bedeutungsvollere Rede. Seine Augen forschten in der weiten Halle nach dem Lombarden. Er war nirgends zu sehen. Nach einem kurzen Nachdenken ergriff Friedmann sein Schwert, das er während des Tanzes abgelegt hatte, und verließ neugierig auf das, was ihn erwarten möge, den Saal.

Er war kaum auf den Gang hinausgetreten, so unterschied er unter dem Getümmel des sich hin und her treibenden Hausgesindes, die Gestalt des Vermummten, der mit einem nur ihm bemerkbaren Winke ihm andeutete, er möge ihm in den Hof folgen. Friedmann zögerte nicht. Es lüstete ihn dieses geheimnißvolle Wesen kennen zu lernen und seine Absicht zu durchschauen. Er trat fast zugleich mit dem Unbekannten in's Freie. Hier öffnete dieser sogleich seinen Mantel und der Junker von Sonnenberg erkannte nun beim Scheine des Lichtes, das durch die Fenster des Hochzeitsaales herabfiel, den, welchen er dort vergebens gesucht hatte: den Italiener Antonio Bandini.

Halb ärgerlich, halb erstaunt rief Friedmann aus:

»Was stört Ihr mich doch in meiner besten Lust, und wozu die thörigte Vermummung? Ueberlaßt dergleichen Späße dem Schalksnarren und seinesgleichen, die dazu bestellt sind und ein Recht auf unsere Geduld und Nachsicht haben.«

»Späße?« erwiederte bitter lächelnd und mit unterdrückter Stimme der Lombarde: »Die Sache, zu der ich Euch berufen ließ, ist nicht so spaßhaft, wie Ihr denkt. Kommt nur mit! Hochverrath und Treubruch sind die Dinge, welche diese Mitternacht gebährt. Liebt Ihr Euern Herrn und Kaiser, so zögert keinen Augenblick mich zu begleiten. Diese Stunde ist Euch günstig und eine Gelegenheit wie diese, Eurem Gebieter zu dienen und Euer eigenes Glück zu gründen, kehrt nie wieder. Kommt mit! Der Verrath hat Flügel: auch die Treue muß auf Schwingen des Windes eilen, wenn sie retten und helfen will.«

Dieser ernsten Aufforderung widerstand Friedmann nicht länger. Bandini's Warnung vor dem büßenden Mönche war nicht grundlos gewesen; der Italiener schien in manche Geheimnisse eingeweiht, welche die im Dunkel schleichenden Absichten der Feinde Adolphs von Nassau betrafen. Hier schien es die Pflicht dem kaiserlichen Ehrenjunker zu gebieten, einem räthselhaften Verlangen Genüge zu leisten. Ohne weiteres Besinnen folgte er dem seltsamen Manne, der schnell und schweigend ihn durch die finstern Straßen der Stadt einem unbekannten Ziele entgegenführte.



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