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7.

Die Stadt genannt der Franken Fahrt,
Ist ein' Tochter der Götter zart.

Lindeberg in Lersner's Chronik.

Das Palatium oder die Pfalz, in welcher die deutschen Kaiser bis zur Zeit Ludwigs des Baiern bei ihrer oftmaligen Anwesenheit in der Reichsstadt, ihren Aufenthalt zu nehmen pflegten, war ein Gebäude von großem Umfange. Es gehörte unter die wenigen von Stein erbauten Häuser der Stadt und hatte nach der einen Seite die Aussicht auf den freundlichen Mainstrom, nach der andern auf den zur Meßzeit mit Buden und einer beweglichen Menschenmenge bedeckten Samstagsberg, dessen Höhe die damals noch freistehende St. Nicolai-Kapelle krönte. In der Stadtseite des Gebäudes befand sich der große Eingang, der von hohen, keinesweges zierlich gebildeten Säulen umgeben war und in den innern Hof führte. Viele Fenster waren hier in den hohen Mauern des Gebäudes angebracht, allein sie waren sämmtlich klein und mit Eisenstäben vergittert, so daß der Anblick der Kaiserwohnung nach dem Samstagsberge hin, etwas Düsteres und Melancholisches hatte. Die an den Seiten eckigten und oben stumpfen Thürmchen, welche den obersten Rand der Mauerwerke besetzten, schienen bestimmt, bei einem etwaigen Angriffe mit Kriegern angefüllt zu werden, die von dortaus auf eine erfolgreiche Weise die Anstrengungen der Belagernden oder Stürmenden vereiteln konnten. Der innere Hof bot einen bei weitem freundlicheren Anblick, als der vordere Theil des Baues. Hier zog sogleich die in einem bessern Style erbaute kaiserliche Hofkapelle das Auge des Eintretenden auf sich. Sie stand ziemlich in der Mitte des bedeutenden Raums und hing durch einen gewölbten Gang mit dem großen Hintergebäude, in welchem sich die eigentlichen Wohnungen des Kaisers und seines Hofstaates befanden, zusammen. Von starken hoch aufsteigenden Säulen getragen, schwebte die Kuppel der Kapelle fast in gleicher Höhe mit den Thürmchen längs dem Dache des Gebäudes. In das Innere der Kapelle führte kein anderer Eingang, als jener mit dem Hintergebäude in Verbindung stehende. Dagegen zählte sie eine Menge nicht großer Bogenfenster in mehrern Reihen übereinander, welche jedoch von den hohen Mauern des umgebenden Gebäudes allzusehr beschattet wurden, um ein hinlängliches Licht in das Innere des Heiligthums dringen zu lassen. Dicht unter der Kuppel lief rings um die Mauern der Kapelle ein offener Gang, der mit einem steinernen Geländer in durchbrochener Arbeit umgeben war, von welchem dünne Säulen zu der Wölbung des Daches selbst emporstiegen. Dieser Gang drängte sich dicht an die Mauer des Hintergebäudes und es blieb demjenigen, der das Ganze von unten beschauete, zweifelhaft, ob hier noch eine Verbindung mit dem Pallaste selbst stattfinde, oder nicht. Zu dem großen Hintergebäude fand man durch zwei halbrund aus der Mauer hervortretende Thürme Eingang, die zu beiden Seiten des nach der Kapelle führenden Gewölbes sich befanden. In dem einen der beiden Thürme zeigte sich ein großes offnes Thor, durch welches sechs Männer neben einander zu Pferde einreiten konnten. An dieses fügte sich ein gewölbter Gang von gleicher Höhe und Breite mit dem Thore. Er nahm einige schmale und kleinere, nur für Fußgänger bestimmte Seitengänge in sich auf und lief endlich in ein großes Portal aus, durch welches man in die kaiserliche Wappen- und Speisehalle gelangte. Diese war von außerordentlichem Umfange und nahm den untern Bau am Flusse in seiner ganzen Länge ein. Der große Eingang, von dem wir so eben gesprochen haben, war für feierliche Einzüge der Ritter und für das Einbringen der Maschinen bestimmt, welche die Vorrichtungen zu den Schauspielen enthielten, an deren Darstellung durch Gaukler und Liedersänger man sich damals in den Pausen der Tafelfreuden ergötzte. In dem andern der zwei halbrunden Thürme sah man nur eine gewöhnliche Pforte. Bis an diese ging die Wendeltreppe hinab, welche in den oberen Theil des Gebäudes und die hier befindlichen Wohn- und Prunkgemächer führte.

Weit ansehnlicher als nach der Stadt, zeigte sich die Kaiserpfalz nach dem Ufer des Mainstromes hin. Hier bildete sie eine lange ebenmäßige Fronte mit hohen Bogenfenstern und vielen größern und kleinern Balconen, die in symetrischer Ordnung das Gebäude zierten. Sie wurden von gewundenen Säulen getragen, deren unteres Ende nicht bis zum Boden herabstieg, sondern ehe es diesen erreichte, schräg in die Mauer ablief. Die Balcone waren mit Schirmdächern von Eisenblech gegen Sturm und Regen geschützt. Diese leichten Dächer ruheten, nach dem bizarren Geschmacke jener Zeit, auf zwei übereinander gesetzten Reihen dünner Säulchen, die oben in Bögen zusammen gingen und eine Art von Rahmen um die Gestalt desjenigen bildete, der von dem Geländer des Balcons herabblickte. Die untere Halle, deren wir oben erwähnten, hatte in einer zwölf Fuß hohen Entfernung von der Erde, eine Reihe großer thorähnlicher Bogenfenster, die, wenn die kaiserliche Hoflagerung zur Sommerszeit in die Reichsstadt einkehrte, geöffnet wurden und den Speisenden die frische Luft vom Strome zuführten. An dieser Seite des Gebäudes war kein Eingang sichtbar. Sie stieß an den freien Platz, den der Strom bespülte und wo unzählige Schiffe landeten und andere die Anker lichteten.

Hier am Ufer des Flusses wandelte der Junker von Sonnenberg, den die Unruhe seines Gemüths aus dem Menschengewühle der Stadt hinweggetrieben hatte, auf und nieder. Nur eine für ihn so neue Szene, wie sie sich hier seinen Blicken zeigte, war geeignet, seine Aufmerksamkeit zu erregen und ihn den unangenehmen Gedanken, denen er sich hingegeben hatte, zu entreißen. Die Meßzeit hatte eine große Menge Handelsschiffe herbeigeführt, deren Masten wie ein dichter Wald am Ufer emporstiegen. Fähnlein von allen Farben flatterten von den Schiffen in die Lüfte, und ein reges Leben zeigte sich auf den Verdecken. Dort lag ein offenes Obstschiff, wo den Käufern ihr Bedarf mit großer Behendigkeit zugemessen wurde, dort ein rheinisches Weinschiff, auf dessen Verdeck fröhliche Zecher in bunter Doppelreihe saßen. Fahrzeuge, welche eben anlangten, wurden mit ungemeiner Geschäftigkeit ausgeladen und tausend Hände waren bereit, die Verschläge und Ballen mit Handelsgütern in die Stadt zu bringen. Da kamen den Rhein und Mainstrom herauf die englischen Kaufherrn mit feiner Wolle, die wallonischen mit starken Tüchern und die Köllner mit kunstreichen Webereien. Da kamen den Rheinstrom hinab und den Mainstrom wiederum aufwärts die französischen Handelsherrn, welche in Straßburg eingeladen hatten, mit prachtvollen Stickereien und tausend andern Gegenständen des Luxus. Da fanden sich den Mainstrom herabfahrend die Nürnberger mit ihren berühmten Waffenarbeiten, mit indischen Spezereien und Gewürzen ein; die Augsburger mit den zierlichen Kunstwerken von Gold und Silber, mit der feinen und schön gebleichten Leinwand; die Lombarden mit seidenen Zeugen, Sammeten, Brocaten, Gold- und Silberstoffen und einer großen Menge anderer Handelsartikel, an deren Verfertigung so ziemlich alle Gewerke Antheil haben mochten. Von diesen Betrachtungen angeregt, konnte sich Friedmann nicht erwehren, die alte Reichsstadt als einen Mittelpunkt der Handelswelt anzusehen, zu dem aus allen Ländern Waaren und Kunstarbeiten sich herbeidrängten, und der das, was sonst nur an vielen von einander weit entlegenen Orten zerstreut anzutreffen war, in sich vereinigte.

Durch die Ankunft eines neuen Schiffs, das in seiner Nähe landete und zu welchem sogleich eine Menge dienstwilliger Lastträger strömte, war der Junker von Sonnenberg gegen seinen Willen wieder in ein Gewühl gerathen, das ihn belästigte. Nicht ohne Mühe entfernte er sich aus dem Gedränge und begab sich auf die neu erbauete, steinerne Mainbrücke, die nach dem der Stadt gegenüber liegenden Dorfe Sachsenhausen führte. Hier konnte er den Lauf des Stromes hinauf- und hinabwärts und die Ufer, welche ihn einschlossen, frei überblicken.

Wie herrlich wogte der bewegliche Silberspiegel nach den blauen Anhöhen hinab, die ihn bekränzten! Wie tauchte das Bild der Sonne, von den Wellen unzähligemale wiedergegeben, zu unzähligen strahlenden Edelsteinen zertheilt, in gemildertem Glanze strahlend empor. In einem weiten Bogen drängte sich der friedliche Strom in das Ufer, an dem sich die stattliche Kaiserpfalz erhob; in einer majestätischen Wendung zog er weiter, seiner Vereinigung mit dem königlichen Rheine entgegen. Das rechte Ufer zeigte jenseits der Stadt ein heiteres Wiesengrün, bis zu einer einzeln stehenden Gruppe mächtiger Bäume, die wie eine Krone des grünen Planes über diesem schwebte. Hinter der Stadt und hinter diesen Wiesen trat das dunkelblaue Waldgebirge des Taunus, mit seinen sanft abgerundeten Gipfeln, mächtig und freundlich zugleich hervor. In einem stillen Thale dieses Gebirgs lag Friedmanns Heimath. Da erhob sich aus einem bachdurchwässerten Waldgrunde die väterliche Burg, in der er eine süße Kindheit an dem Busen der liebevollen Mutter in glücklichen Spielen verlebt, wo er den Tod dieser Mutter mit bittern Thränen beweint, wo er unter des Vaters ernster Aufsicht sich in Waffenwerken geübt und dann im blutigen Widerstandskampfe gegen die Feinde seines Kaisers bewiesen hatte, daß die väterliche Lehre nicht an ihm verloren gegangen sei. Alle seine Gedanken flogen nach der Heimath. Er und Amalgundis dort in den traulichen Gemächern wandelnd im glücklichen Vereine, wie sein Vater und die früh verblichene freundliche Mutter dort gewandelt! Mit ihr jedes Plätzchen zu besuchen, das ihm theuer geworden, mit ihr, abgeschieden von der ganzen Welt, sich einem friedlichen Dasein hinzugeben, ungestört durch blutige Zwietracht und mörderische Fehde! Das schien ihm in diesem Augenblicke das höchste Glück, das ihm zu erreichen bleibe, das einzige, welches ihm genügen könne.

»Thörigter, woran denkst du?« mit diesen für sich hingesprochenen Worten unterbrach er plötzlich selbst die Gedankenreihe, die ihn einem seligen Traume zugeführt hatte. »Was hast Du gethan, das würdig wäre ihrer Gegenliebe? Noch wird Dein Name nicht genannt unter den ersten des Landes, noch darfst Du Dein Wappenschild nicht aufstellen bei denen der Ritter und Herren, noch darfst Du der Geliebten zu Ehren nicht einmal die Lanze heben im ritterlichen Kampfe! Bezwinge Deine kühnen Wünsche! Kämpfe und ringe! Hoffe und entbehre!«

Gewaltsam suchte er den Gedanken an diejenige, die ihm erschienen war, um ihn für immer zu fesseln, aus seiner Seele zu verbannen. Mit einem Seufzer wendete er die Blicke von den Bergen der Heimath ab. Sie flogen wieder stromabwärts, wo sie aber sogleich von einem Gegenstande angezogen wurden, der dem wenig erfahrenen Friedmann neu war und einen Auftritt veranlaßte, welcher ihm jetzt seltsam dünkte und in der Folge erst in seiner ganzen Wichtigkeit klar wurde.

Als sein Auge an dem Saume des dunkeln Kaiserforstes hinstreifte, der in sanfter Wölbung von den Anhöhen hinter dem Dorfe Sachsenhausen bis an die ersten Häuser dieses Ortes und dicht an das linke Mainufer hinabstieg, bemerkte er eine wunderliche Gestalt, die weit unter der zur Ueberfahrt bestimmten Stelle aus dem Dickigt trat, mit raschen Schritten an den Strand eilte, und hier einen unter Schilf und Gesträuch verborgenen Nachen hervorzog. Die Gestalt trug eine weite Mönchskutte von weißer Farbe. Die Kaputze derselben war über den Kopf geschlagen und hing selbst über das Antlitz herab, so daß von diesem nur etwa durch eigene Oeffnungen die Augen frei sein mochten, was übrigens der Junker von Sonnenberg in der bedeutenden Entfernung, in der er sich von dieser sonderbaren Erscheinung befand, nur vermuthen aber nicht erkennen konnte. Als der Unbekannte jetzt den Nachen betrat, zeigte es sich, daß er von ansehnlicher Größe und starkem Baue war. Er selbst führte das Ruder und that dieses mit solcher Kraft und Geschicklichkeit, daß er schon nahe an dem untern Theile des Ufers, den Trümmern des alten fränkischen Königshofes Wo jetzt die St. Leonhardskirche steht., gegenüber war, als ihn die Wächter bei dem Ueberfahrzolle erst bemerkten und ihm durch Ruf und Zeichen zu verstehen gaben, er solle an dem herkömmlichen Platze landen. Der Mönch aber schien den Ruf nicht zu hören und die Zeichen nicht zu bemerken oder er wollte auch vielleicht Beides nicht beachten. Mit vermehrter Kraftanstrengung eilte er dem Ufer näher. Da entstand unter den Zollwächtern, die wohl ahnen mochten, daß der kühne Schiffer in irgend einer besonderen Absicht jenen unerlaubten Landungsplatz zu erreichen suche, ein unruhiges Getümmel und Geschrei. Viele von ihnen liefen am Ufer hinab; es war aber nicht zu erwarten, daß sie eher als der Mönch an die Stelle, nach welcher dieser seinen Kahn gerichtet hatte, gelangen würden, da vor dieser nicht allein eine Menge Steine und Holzwerk zum Baue einer neuen Kapelle angehäuft lag, sondern auch der Mönch ganz augenscheinlich bei den Trümmern zu landen beabsichtigte, die noch mehr, wie jenes Baumaterial, den Wächtern Hindernisse, ihn bald zu erreichen, in den Weg legten, während sie dem Verfolgten vielfache Gelegenheit, sich zu verbergen und glücklich zu entkommen, darboten.

Indem der Junker von Sonnenberg seine neugierigen Blicke auf das Schauspiel heftete, dessen Ausgange er mit gespannter Erwartung entgegensah, fühlte er seinen Arm von einem Menschen berührt, der neben ihn an das steinerne Brückengeländer trat. Er sah flüchtig hin und gewahrte den lombardischen Handelsmann Antonio Bandini. Dieser grüßte ihn so ehrerbietig, wie es damals der Edelmann von dem Bürger erwarten durfte. Dann wendete auch er seine Aufmerksamkeit dem Vorgange am untern Mainufer zu. Kaum aber hatte er die Gestalt des weißen Mönchs, der in diesem Augenblicke aus seinem Nachen ans Ufer sprang und das leichte Fahrzeug mit einem starken Fußtritte zurückschleuderte, erblickt: so schrack er so heftig zusammen, daß der Junker durch die unwillkürliche Bewegung, die diese Gemüthserschütterung auch dem Körper mittheilte, aufmerksam gemacht, einen Blick nach seinem Nachbar warf, und mit Erstaunen die Spuren des Entsetzens wahrnahm, die mit dem lebendigsten Ausdrücke auf seinem Angesichte hervortraten.

»Jetzt ist er gerettet!« sprach mit bebenden Lippen der Italiener und zeigte nach dem Mönche, der glücklich die Trümmer des alten Kaiserhofs erreicht hatte und in diesem verschwand, während seine Verfolger lärmend und schimpfend von weiterm Nachsetzen abließen und an ihren Posten zurückkehrten. »Jetzt würden sie ihn nicht finden, wenn sie auch den Scharfblick des Adlers und die Klugheit des Fuchses hätten, denn er zählt tausend Freunde in der Stadt, die ihm gern helfen mit Rath und That.«

»Aber wer ist der Mann, daß er auf solchem Schleichwege mit Gefahr Eingang in eine Stadt sucht, die jedem offen steht?« fragte mit Befremdung der Junker von Sonnenberg. »Wen habt Ihr in ihm erkannt, daß Ihr Euch so sehr vor ihm entsetztet? Mir schien er ein Klostergeistlicher von der friedlichsten Art, ob ich gleich die ganz verhüllende Tracht seines Ordens noch nie gesehen zu haben mich erinnere.«

»Hütet Euch vor ihm!« erwiederte der Lombarde, der, während Friedmann sprach, seine Fassung wieder gewonnen hatte. »Mit Bestimmtheit kann ich nicht sagen, ob der Mönch in der Kutte eines büßenden Bruders, den wir beide so eben sahen, derjenige ist, für den ich ihn halte, aber ist er es wirklich, so möge Euch Euer gutes Glück bewahren, je Gemeinschaft mit ihm auf irgend eine Weise zu haben. Der Mann, den ich meine, ist Alles, was ihm zu seinem Zwecke gut dünkt: Geistlicher, Weltlicher, Kriegsmann oder Bürger. Er ist – doch ich habe schon zuviel gesagt,« unterbrach er sich plötzlich selbst, »was gehn unser einen die Händel der großen Herrn an! Wir verkaufen ihnen unsere Waaren und sind froh, wenn wir unser Geld erhalten. Wir dürfen es mit keinem verderben.«

»Was soll mir diese verwirrte Rede?« rief mit Unwillen der Junker. »Was hilft mir Euere Warnung vor einem Manne, den ich nur in einer völligen Vermummung gesehn habe und dessen Namen ich nicht einmal weiß? Sagt mir mehr von dem, der mir, wie Ihr glaubt, Gefahr bringen kann oder behaltet in Zukunft Euere thörigten Träumereien für Euch.«

»Es wird sich zeigen, ob der Mann Eueren Absichten gefährlich ist oder nicht!« versetzte ruhig der Krämer. »Aber ich habe schon mehr gesagt, als ich hätte sagen sollen. Das Uebrige behalte ich für mich und habe den guten Spruch im Auge: Schweigen gewinnt, Plaudern verliert!«

Ungeachtet dieser bestimmt ausgesprochenen Weigerung, würde Friedmann dennoch ferner in den Lombarden gedrungen sein, ihm etwas Genaueres über den weißen Büßenden zu sagen, wenn nicht in diesem Augenblicke eine rauschende Musik den Fluß herabwärts erklungen wäre und Alle, die auf dieser Seite der Brücke dem Unternehmen des Mönchs zugesehen hatten, durch die Töne der Zinken, Trompeten, Pauken und Cymbeln auf die andere hingelockt hätte. Auch Bandini begab sich mit der Menge dahin und Friedmann folgte ihm nach, immer in der Absicht ihn weiter zu befragen.

Da schlug an sein Ohr der hundertstimmige Ruf: »Der Kaiser! Der Kaiser: Vivat Adolphus!«

Er warf einen Blick über das Brückengeländer den Strome hinauf. Viele kleine geschmückte Barken schwammen der Stadt zu, unter ihnen eine von besonderer Pracht und Größe mit der goldenen Kaiserkrone auf der Spitze des Mastes. Die Spielleute, welche sich in einem der Fahrzeuge befanden, ließen eine jubelnde Fanfare ertönen, in die das Vivatgeschrei des Volkes unaufhörlich mit einstimmte; der Junker von Sonnenberg aber bedachte, was jetzt seine Pflicht von ihm fordere und eilte mit stürmischen Schritten in das Innere der Stadt, ohne weiter an die Aufschlüsse zu denken, welche er dem Italiener noch abdringen wollte.

Dieser blieb auf der Brücke stehen und warf einen seltsamen Blick auf das herannahende Kaiserschiff. Dann sagte er leise für sich hin:

»Der Tiger hat sich eingeschlichen, der Löwe hält seinen Einzug beim Lichte des Tages. Wunderbares Zusammentreffen! Schlimme Zeiten für Handel und Wandel! Noch schlimmere, mit welchen die Zukunft droht! Wer wird Sieger bleiben in diesem Kampfe um Herrschaft und Leben? Der Löwe oder der Tiger?«



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