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11.

Gift! Asche! Nacht! Chaotische Verwirrung!

Heinrich von Kleist.

Zu dem alten Doktor aus Salerno war indessen einer der im kaiserlichen Gefolge befindlichen Falkenirer getreten und hatte ihm auf sein Verlangen ein Stück von dem zur Atzung der Falken bestimmten Wildfleische überreicht. Dieses schob der Greis in die Pergamentrolle und hielt die Oeffnung der letztern einem Jagdhunde vor, der, nachdem er sich nur wenig mit der Schnauze genähert, niedersank, in heftige Zuckungen verfiel und nach einigen Augenblicken starb.

Ein Schrei des Entsetzens und des Abscheu's ertönte rings im Kreise. Erbleichend und mit Thränen im Auge blickte Amalgundis nach dem Monarchen und hob die Arme gegen ihn hin, welche sie jedoch gleich wieder sinken ließ, was in der allgemeinen Verwirrung von Niemanden bemerkt wurde. Zu einer leblosen Bildsäule erstarrt stand Friedmann, der sich bisher nicht hatte erklären können, weshalb das todte Pergament solche Besorgnisse errege und die Untersuchung des Arztes veranlasse. Erst der Ruf des Ritters von Nollingen, welcher mit den Worten: »Ergreift den Mörder und bindet ihn!« die allgemeine Stille unterbrach und mit gezücktem Schwert auf ihn eindrang, brachte ihn wieder zur Besinnung. Wild schauete er um sich und auch seine Hand flog an's Schwert.

Da erhob der Monarch, der bei dem ganzen Vorfalle eine würdige Ruhe und Kaltblütigkeit gezeigt hatte, die Rechte und rief mit gewaltiger Stimme:

»Niemand wage diesen Jüngling zu berühren! Er ist unschuldig und steht so rein vor uns, wie der besten einer unter unsern Rittern. Ihm gebührt Lohn, aber keine Strafe. Nur Euerer Anhänglichkeit an unsere Person verzeihe ich diesen unzeitigen Eifer, Ritter Günther.«

Mit einem hämischen Seitenblick auf Friedmann trat der Herr von Nollingen in den Kreis zurück. Aber der Stadtschultheiß Heinrich von Praunheim, der, in der strengen Beobachtung oft ungerechter gesetzlicher Formen, die Gerechtigkeit selbst zu üben glaubte, war durch diese kaiserliche Entscheidung nicht befriedigt worden. Seine Stirn verfinsterte sich, sein Auge weilte mit drohendem Ausdrucke auf dem jungen Manne, der die Hand wieder vom Schwerte genommen hatte und im Vertrauen auf seines Kaisers Huld ruhig und gefaßt umherblickte.

»Verzeiht mir, kaiserlicher Herr!« hob der Stadtschultheiß an und näherte sich dem Monarchen. »Der Frevel ist auf städtischem Grunde und Boden versucht worden und ich halte es für meine Pflicht, den Verdächtigen zu verhaften und peinlich befragen zu lassen.«

»Ihr vergeßt, Herr Stadtschultheiß, daß ich Kaiser bin im deutschen Lande und, daß ich den Junker von Sonnenberg unschuldig an diesem Anschlage auf mein Leben erklärt habe;« entgegnete ernst und mit Hoheit Adolph von Nassau. »Ihr vergeßt, daß des Reichs oberrichterliche Gewalt mir gebührt, wo ich erscheine im deutschen Lande, und daß das Verbrechen des Hochverraths gegen des Monarchen gesalbtes Haupt nur vor den obersten Richterstuhl gehört. Mögt Ihr immerhin das Recht handhaben, nach Euern alten Privilegien und Freiheiten, gegen Diejenigen, welche ihm verfallen sind; mögt Ihr immerhin mit einer Strenge, die wir nicht billigen können, auf Fehlende und Sünder, die Strafen grausamer Gesetze anwenden: aber auch wir haben unsere Gerechtsame und beim Schwerte des heiligen Mauritius!« – dieses war des Kaisers Wahlspruch – »wir wollen uns ihrer nicht unwürdig zeigen. Im Uebrigen,« setzte er freundlicher hinzu, »sind wir Euch sehr dankbar für Euere Dienstbeflissenheit, und wenn wir uns auch nicht mit Euerer Gerechtigkeitspflege befreunden können, so bleiben wir doch immer ein Freund Euerer Person.«

Heinrich von Praunheim kehrte schweigend an seine Stelle zurück. Er fühlte, daß ihn sein Eifer zu weit geführt hatte. Schon oft war ihm durch kaiserliche Mahnschreiben empfohlen worden, die grausame Strenge der reichsstädtischen Strafgesetze in ihrer Anwendung zu mildern. Wen es nach Beispielen dieser Strenge gelüstet, der kann sie in Lersners Chronik im Ueberfluß finden. Unter andern ward im Jahre 1438 ein falscher Spieler ertränkt und 1570 ein Knabe von vierzehn Jahren als Dieb aufgehängt. Allein sowohl sein Charakter, wie auch die Rücksicht auf die Erhaltung und Behauptung der Privilegien des kleinen aber mächtigen Staates, dessen erste Beamtenwürde er bekleidete, hatten ihm nicht erlaubt, jenen Erinnerungen Gehör zu leihen. Ein kaiserliches Machtgebot hatte er nicht zu fürchten, denn er stand innerhalb der Schranken jener altherkömmlichen Freiheiten. Der gegenwärtige Fall jedoch war ein andrer. Er hatte die Grenzen überschritten, die ihm Schutz und Wiederhalt gewährten, er hatte seine Macht in einer Sache geltend machen wollen, die über seine Befugniß war. Zum erstenmale vielleicht in seinem langjährigen Leben fühlte er sich gedemüthigt; aber der gerade Sinn, den er bei aller seiner Härte in der Uebung seiner Pflicht besaß, ließ ihn deshalb nur mit sich selbst zürnen und keinen Groll gegen den Kaiser oder gar gegen den Junker von Sonnenberg in seiner Seele aufkeimen.

Nicht mit gleichen Gesinnungen mochten Volrad und Jutta das Betragen des Kaisers aufnehmen. Der erste blickte finster und trotzig um sich her, während das stolze Fräulein die Purpurlippe höhnisch aufwarf und ihr dunkelglühendes Auge sich zur Erde senkte. Die schöne Amalgundis aber lächelte freudig und dankbar den Monarchen an, der mit einem vorüberfliegenden Ausdrucke des Erstaunens diese lebendige Theilnahme an Friedmanns Geschick zu bemerken schien. Von dem Antlitze des Ritters von Nollingen war jeder Zug des Unmuths verschwunden. Wiederum hatte sich hier das glatte Lächeln eingefunden, das ihn nur bei seltenen Gelegenheiten verließ.

»Meister Ales,« wandte sich jetzt Adolph von Nassau zu seinem Leibarzt, den er oft mit dieser Abkürzung seines Namens anzureden pflegte. »Du hast den gegen uns beabsichtigten Frevel klug an den Tag gezogen und die gräßliche Wirkung gezeigt, die das Gift auf uns hervorgebracht haben würde, hätte nicht unsere Vorsicht uns dagegen bewahrt. Liegt es in der Macht Deiner Kunst, die schädliche Eigenschaft dieses Pergaments zu vernichten, daß wir ohne Nachtheil erkennen mögen, was es sonst enthält, so thue es und erwarte für diesen Dienst neue Beweise unserer kaiserlichen Huld!«

Der salernitanische Arzt erwiederte nichts, sondern drückte einen an seinem Stabe befindlichen Stift nieder, worauf sich sogleich eine dunkelrothe Flüßigkeit aus dem Munde der sich um den Stab ringelnden goldnen Schlange in die Achatschale ergoß.

»Das ist ein wunderbares Antidotum gegen jegliches Gift,« sagte er hierauf, »gebraut aus Kräutern, deren jedes in einem andern Lande gewachsen ist, von denen die meisten aus entlegenen Welttheilen geholt werden mußten. Und was hülfe es einem, sie zu besitzen,« fuhr er mit selbstgefälligem Lächeln fort, »der nicht die rechte Stunde wüßte, dem nicht die sonderbare Constellation der Gestirne bekannt wäre, unter deren Einfluß ihre Kräfte sich allein zu dem edelsten aller Heilmittel gestalten? Hätte ich es gekannt,« sagte er leise und mit einem Seufzer für sich hin, »als ich an dem Sterbebette des zweiten Friedrich von Hohenstaufen stand, so hätte er nicht seinen Tod gefunden vor der Zeit in den öden Bergen des Landes Apulien!« Nach dieser wehmüthigen Erinnerung raffte er sich gewaltsam empor und sprach dem ganzen Kreise vernehmlich: »Dein Wille soll geschehn, mein kaiserlicher Herr! Du wirst den Inhalt dieses Blattes erschauen ohne Gefahr, aber beeile Dich Deine Blicke darauf zu werfen, wenn Du es aus meinen Händen empfängst, denn nur wenige Augenblicke lang wird es nach der Operation, die ich mit ihm vorzunehmen gedenke, noch seine Gestalt beibehalten und alsbald in Staub zerfallen, den die Winde davon tragen.«

Indem der Greis die Pergamentrolle schräg vor sich hinhielt, schüttete er in diese die in der Achatschale befindliche dunkelrothe Flüßigkeit, so daß der größte Theil des Blattes davon genäßt wurde. In einem Augenblicke verwandelte sich die gelbliche Farbe des Pergaments in ein glänzendes Schwarz. Alle, die nahe genug standen, um diese plötzliche Veränderung wahrzunehmen, warfen einander bedeutende Blicke zu, in denen sich ihr Erstaunen und die Meinung aussprach, daß dieses ein Wunder sei, welches nur die übernatürliche Macht Alessandro's bewirkt haben könne. Auch der Junker von Sonnenberg sah überrascht und betroffen den alten Ritter Mainhard an, in dessen Zügen er jedoch keine Deutung der ihm unerklärlichen Erscheinung fand.

Niemand war ruhiger bei dem Vorgange geblieben, als Adolph von Nassau. Als aber jetzt der hundertjährige Doctor die Pergamentrolle mit einer raschen Bewegung aufriß und ihre innere Seite dem Monarchen vor das Antlitz brachte, doch so, daß dieser nur allein den Inhalt erkennen konnte, da wurde der Kaiser noch bleicher, als er gewöhnlich war, und trat schaudernd einen Schritt zurück. Er hatte gelesen. Die Worte: Te creavi. Deletus esto! hatten ihn wie das Antlitz der Meduse angestarrt. Kein Zweifel! Dieser meuchelmörderische Versuch war das Werk eines seiner nächsten Verwandten, und diese schreckliche Erkenntniß erfüllte das Gemüth des edeln Fürsten mit Schmerz und Abscheu.

»Vernichte das Blatt, Alessandro!« stieß er im ersten Augenblicke aus; allein dieses Gebot war überflüßig, den indem sein Odem es berührte, zerging es in eine dünne Asche, die in die Lüfte verschwand.

»Nur Dein Auge hat die Schrift gesehn, mein hoher Herr;« sagte der Arzt. »Sie ist Dein und ihres Urhebers Geheimniß. Auch Dein Alessandro weiß nicht, was das vernichtete Pergament enthielt.«

Nach diesen Worten kehrte der Greis, indem er sorglich mit einem feinen Tuche die Achatschale auf seinem Stabe trocknete, an die Stelle zurück, welche er früher eingenommen hatte. Adolph von Nassau blickte, in ein trübes Nachdenken verloren, vor sich hin. Er hatte in diesem Augenblicke den Ort, wo er stand, seine Umgebung, den Zweck der ihn hierher führte, vergessen. Ereignisse aus seinem Kinderleben, aus seiner Jugendzeit und aus den Tagen seines Mannesalters, zwischen denen und der Gegenwart nur wenige Jahre lagen, zogen im raschen Wechsel an seiner Erinnerung vorüber. Er gedachte, wie er mit dem, der ihm jetzt in offener Fehde und im dunkelschleichenden Meuchelmorde Krone und Leben zu entreißen strebte, als Knabe jede Freude und selbst oft das Lager getheilt, wie er als Jüngling den Rathschlüssen des gelehrten Freundes aufmerksam gelauscht, wie dieser dem Manne Treue und Beistand gelobt habe für das Leben. Und das war nun Alles umsonst gewesen! Jene gemeinsamen Kinderfreuden, jene ernsteren Jünglingsstunden, jene Gelübde des Mannes hatte der Gifthauch des Ehrgeizes und der Habsucht verweht und vernichtet und sie waren untergangen in feindlichen Ränken und verabscheuungswürdigen Mordversuchen. Der Beistand hatte so lange gewährt, wie der eigene Vortheil jenes Mannes damit vereinbar gewesen; als aber die Pflicht eines Oberhauptes des Reichs, sich seinen weit greifenden Erheischungen widersetzte, als Adolph von Nassau seinen Anmaßungen erst freundliche Abmahnung, dann bestimmte Verweigerung entgegengestellt: da war der bisherige Freund, das Gebot des Rechts verkennend, und in Adolphs Handlungsweise eine Widerwilligkeit und Mißbrauch der Macht sehend, welche er doch nur durch seine Hülfe errungen, des Monarchen erbittertster Feind geworden, der gierig nach dem Blute dürstete, das mit dem seinigen aus einer Quelle entsprungen war.

Während der Kaiser sich diesen trüben Gedanken überließ, war unter dem zunächst dem Kreise befindlichen Volkshaufen eine unruhige Bewegung entstanden, die endlich sich so sehr vermehrte, daß Adolph durch ihr Geräusch seiner Tiefsinnigkeit entrissen wurde und er mit den ihn Umgebenden nach dem Orte, wo der Lärm stattfand, hinblickte. Dieser schien dadurch veranlaßt worden zu sein, daß ein hoher stämmiger Mann in Bürgerkleidung, sich mit Gewalt einen Weg durch die dichtgedrängte Volksmenge nach dem Stadtthore hin zu bahnen suchte. Er mochte bei diesem Versuche durch die Derbheit seines Benehmens sich Gegner erweckt haben; denn laute Schimpfreden ertönten hinter ihm her und der Unwille der von ihm unsanft Berührten äußerte sich in wilden Drohungen. Dennoch war es ihm gelungen, bis in die Nähe der Fahrpforte zu kommen. Hier stellte sich ihm aber in der Person eines Lastträgers, dessen Ehefrau von dem Vordrängenden verletzt worden war, ein Hinderniß in den Weg, das nur mit Gewalt beseitigt werden zu können schien. Der Lastträger griff ihn, indem eine Fluth von Schimpfreden aus seinem Munde floß, sogleich thätlich an. Indem der Unruhestifter sich mit ungemeiner Kraft und Gewandtheit vertheidigte, kehrte sich zufällig sein Auge nicht nur auf einen Moment nach dem Kreise hin, in dessen Mitte Adolph von Nassau noch immer stand. Da blickte der Junker von Sonnenberg, dem seine hochgewachsene Gestalt den Vortheil gab, über die Menge hinwegsehn zu können, zwar nicht in bekannte Züge, aber in ein Paar Augen, deren schrecklicher Ausdruck ihm noch in zu gutem Angedenken war, als daß er sie hätte verkennen können.

»Haltet ihn auf!« rief er mit aller Anstrengung seiner Stimme, die jedoch den Lärm nicht übertönen konnte. »Es ist der Mönch, es ist der schändliche Giftmischer!«

Zugleich sprang er mit gezogenem Schwert in die Volksmasse hinein, die, vor dem bloßen Stahle sich entsetzend, bestürzt nach beiden Seiten auswich.

» Diable!« murmelte in nämlichem Augenblicke Herr Günther von Nollingen, der das Angesicht jenes Mannes ebenfalls erschaut hatte, für sich hin. »Er ist es selbst! Er hat es gewagt, der Ausführung seines Anschlags assistiren zu wollen. Da kann nur rasche That Rettung bringen. En avant, Nollingen!«

Mit einigen gewaltigen Sprüngen flog er an Friedmann, den ein im Wege liegender Stein aufgehalten hatte, vorüber, nach der Stelle des Streites hin. Mehrere Ritter und Edeljunker folgten ihm nach. Ehe sie aber sämmtlich in die Nähe der Streitenden gelangt waren, hatte der Gegner des Lastträgers durch einen mächtigen Faustschlag, womit er diesen zu Boden streckte, dem Kampfe ein Ende gemacht. Der Sieger eilte in's Thor. Herr Günther war der einzige, der ihm so nahe gekommen, daß er ihn wohl hätte erreichen können. Statt ihn aber, den er, wie wir wissen, recht gut erkannt hatte, weiter zu verfolgen, packte er den zu Boden gesunkenen Lastträger bei'm Kragen.

Mit dem Ausrufe: »Ich halte ihn, er ist gefangen!« wendete er Aller Aufmerksamkeit von dem Entflohenen ab und auf sich hin. Die Ritter und Junker sammelten sich um ihn, das Volk drängte sich herbei. Wildes Schreien und schreckliche Verwünschungen erklangen von allen Seiten. Da stürzte die Frau des Lastträgers über diesen hin, und beschwor jammernd seine Unschuld; da konnte auch endlich der Junker von Sonnenberg, der sich am Fuße verletzt hatte und deshalb zurückgeblieben war, nach langen fruchtlosen Bemühungen durch das Gedränge herankommen und erklären, daß man den unrechten festgenommen, daß der Bösewicht, der ihm das Todenthaltende Pergament übergeben habe, entwischt sei.

Laut auf lachte Herr Schelm vom Berge und sprach mit sarkastischer Miene zu dem Ritter von Nollingen:

»Ihr habt doch sonst helle Augen, wenn Ihr sehen wollt: Aber diesesmal habt Ihr eine Eule für einen Geier gehalten!«

» Va-t-en, coquin!« rief Herr Günther, indem er mit allen Zeichen des Unwillens dem ohnmächtigen Lastträger einen Fußstoß gab. »Du kannst Dich rühmen, einem Hochverräther das Leben gerettet zu haben.«

Der unglückliche Besiegte wurde von seinen Bekannten hinweggetragen und die Ritter und Edeljunker kehrten in die Nähe des Kaisers zurück, der eben das Anerbieten des Stadtschultheißen, den entronnenen Frevler in dem Gebiete der Reichsstadt allenthalben aufsuchen zu lassen, mit Freundlichkeit ablehnte. Auch war nicht mehr daran zu denken, daß man dem einmal Entschwundenen wieder auf die Spur kommen würde. Niemand konnte eine genaue Beschreibung seiner Person geben, und der Einzige, welcher das vermocht hätte, Ritter Günther von Nollingen, hatte gute Gründe, seine Bekanntschaft mit dem kühnen Frevler geheim zu halten. Außerdem ließ noch die Messe, welche so vielen Fremden und einer Menge herumstreichenden Gesindels Freiheit gab, in die Stadt zu kommen, keine Hoffnung übrig, den einzelnen Unbekannten aufzufinden.

»Ueberlaßt ihn seinem innern Richter und einem andern, der ihn wohl kennt und dereinst zu schwerer Rechenschaft ziehen wird;« sagte der Kaiser, indem er von Allen, die zu seinem Hofstaate gehörten, begleitet, sich dem Thore der Stadt näherte. »Seltsame Ereignisse haben uns begrüßt auf diesem Boden. Vielleicht waren sie die Verkündiger drohender Begebenheiten, welche noch die nächste Zukunft umschleiert. Sei dem wie es wolle! Wir sehen ruhig dem Wetter entgegen, das die dunkel aufsteigende Wolke noch birgt. Nichts kann uns schrecken, wo es gilt, unsere kaiserliche Würde und unser kaiserliches Recht zu behaupten.«

Die Herolde aus des Kaisers Gefolge machten unter dem Volke Raum, indem sie mit ihren Stäben die ehrfurchtsvoll zurückweichende Menge zu einer Gasse bildeten. Durch diese schritt Adolph von Nassau, von seinen Edeln und Dienern umgeben, in das Thor der Kaiserpfalz ein, während der Junker von Sonnenberg, so manchem Räthsel, das ihm die verwichene Stunde geboten hatte, nachsinnend, sich in die Herberge zur Goldgrube verfügte.



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