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2.

Das ist der Liebe heil'ger Götterstrahl,
Der in die Seele schlägt und trifft und zündet,
Wenn sich Verwandtes zum Verwandten findet;
Da ist kein Widerstand und keine Wahl:
Es löst der Mensch nicht, was der Himmel bindet.

Schiller.

Junker Friedmann hatte bisher auf der Burg seines Vaters, Herrn Ludwig von Sonnenberg, still und abgeschieden, ohne Geschwister und Freund gelebt. Seine Knaben- und Jugendjahre waren ritterlichen und kriegerischen Uebungen gewidmet gewesen. Nur wenn Kaiser Adolph von Nassau seinen Marschalk und Statthalter, Friedmann's würdigen Vater, auf Schloß Sonnenberg heimgesucht und dort seine Hofhaltung aufgeschlagen hatte, war dem zum Jünglinge heranwachsenden Knaben das geräuschvolle Treiben der damaligen großen Welt in ritterlichen Spielen und Kämpfen vor die Augen getreten. Bewunderung erfüllte ihn, wenn er Zeuge von des kühnen und in jedem Waffenwerke geübten Kaisers Heldenthaten war und im tief Innersten seiner Seele hegte und pflegte er mit Liebe den glühenden Wunsch, dermaleinst von der Hand des hochverehrten Helden die Ritterwürde zu empfangen.

Jahre waren vergangen, seit Kaiser Adolph nicht mehr auf Sonnenberg erschienen war. Seine Kriege in Thüringen mit den Prinzen Friedrich und Dietzmann von Meißen und seine Händel mit seinem eigenen Vetter, dem Erzbischofe von Mainz, Gerhard von Epstein, erhielten ihn fortwährend in Thätigkeit und machten es ihm unmöglich eines ruhigen Glückes in seinem kleinen Erblande zu genießen. Wie sein großer Vorgänger Rudolph von Habsburg, so hatte auch er durch seine ritterliche Tugenden sich einen berühmten Namen gemacht und die Reichsfürsten zu Freunden gewonnen. Niemand hatte seine Wahl zum deutschen Kaiser eifriger unterstützt und betrieben, als der mächtige Erzbischof Gerhard von Mainz. Nur zu bald aber traten die eigennützigen Absichten, welche sein Verfahren geleitet, an den Tag. Er erheischte Dinge von dem Kaiser, welche dieser ohne den Nachtheil des Reichs nicht gewähren konnte. Als Adolph sein Begehren abschlug, wandte sich Gerhard auf die Seite seines erbittertsten Feindes, des Herzogs Albrecht von Oestreich, der früher sich mit ihm um die Kaiserkrone beworben hatte, dessen Absichten aber hauptsächlich durch Gerhards Einfluß vereitelt worden waren. Nun setzte der Erzbischof Alles in Bewegung, um denjenigen zu stürzen, den er früher selbst erhoben und den zu erheben, den er einst ausgeschlossen von der Kaiserwahl. Seine Verwandten, die mächtigen Dynasten von Epstein, mußten Adolphs Erbland mit Fehde überziehn, während der Kaiser sein schwer erkauftes Recht auf Thüringen und Meißen in diesen fernen Ländern mit Gewalt der Waffen zu behaupten suchte. Er selbst nahm Gesandte des Oestreichers an und ließ sich durch reiche Geschenke bewegen, diesem Adolphs Entsetzung und seine Erhebung auf den Kaiserthron zuzusichern.

Die Angriffe, welche die Dynasten von Epstein auf mehrere feste Punkte des kaiserlichen Erblandes machten, wurden sämmtlich durch die Tapferkeit und Kriegserfahrenheit des Statthalters Ludwig von Sonnenberg zurückgeschlagen. Indem er aber im Begriffe war, das feste Schloß der Stadt Wiesbaden gegen einen überlegenen Feind zu vertheidigen, wurde Burg Sonnenberg selbst, in der sich nur Junker Friedmann mit einer kleinen Anzahl rüstiger Männer befand, von einem feindlichen Kriegerhaufen angegriffen. Der zwei und zwanzigjährige Friedmann vertheidigte sich bei den geringen Mitteln, welche ihm zu Gebote standen, mit einem Muthe und einer Umsicht, deren der erfahrendste Krieger sich nicht hätte schämen dürfen. Es gelang ihm die Burg so lange zu erhalten, bis sein Vater die Belagerer von Wiesbaden zurückgetrieben hatte und nun zum Entsatze von Sonnenberg herbeieilen konnte. Die Epsteiner retteten sich in wilder Flucht in ihre Berge. Friedmann erhielt von seinem Vater den Auftrag, dem Kaiser, der auf der Rückkehr nach dem Rheine begriffen war, entgegen zu reiten und Bericht von dem Vorgefallenen zu bringen.

Auf dieser Wanderung begegneten wir dem jungen Manne in der freien Reichs- und Handelsstadt Frankfurt am Main, gerade zur frohen Zeit der Herbstmesse, wo ein lustiges Gewimmel von Käufern und Verkäufern und die bunte Pracht der kostbaren, aus allen Ländern damals schon zusammenströmenden Waaren, gewiß die Aufmerksamkeit eines unerfahrnen Jünglings auf das lebendigste anzuziehn und zu beschäftigen vermochten.

Gleich bei seiner Ankunft in der edlen Reichsstadt hatte er vernommen, daß der Kaiser bereits näher sei, als er geglaubt hatte und noch am heutigen Tage in der Kaiser-Pfalz Dieses Gebäude befand sich an der Stelle, wo jetzt der Saalhof steht. Noch ist eine Kapelle der alten Kaiser-Pfalz übrig. eintreffen werde. Er beschloß also, ihn zu erwarten und bis dahin seine Zeit mit Besichtigung der Stadt und der Merkwürdigkeiten, welche die Messe mit sich brachte, auszufüllen.

Durch den Anblick der lieblichen Beata war sein Herz in eine ihm bisher unbekannte Bewegung gesetzt worden. Es war die Ahnung der Liebe, nicht die Liebe selbst, welche ihn zum erstenmale ergriff. Rosse und Waffen, Kampfspiel und Fehde waren die Dinge gewesen, an denen er in der Wirklichkeit, wie in den Träumen seiner Phantasie das höchste Behagen gefunden hatte. Jetzt glaubte er zu erkennen, daß dem Leben ein weit edleres und herrlicheres Gut verliehen sein möge, durch welches es erst seinen eigentlichen Werth erhalte und zu dessen Erreichung alles Wirken, alle Thätigkeit abzwecken müsse. Er hatte für seinen Fürsten, er hatte für sein Vaterland gekämpft. Der Frauen Huld aber, so däuchte ihn jetzt, sei der schönste Preis und das wahre Ziel ächter Ritterlichkeit. Die kriegerischen Verhältnisse hatten feierliche Turniere zu Ehren der Frauen verbannt. Friedmann war noch nie Zeuge dieser höchsten Festlichkeit der damaligen Zeit gewesen. Sein Herz pochte in mächtigern Schlägen, wenn er daran dachte, daß ihm auch, sobald er die Ritterwürde empfangen, vergönnt sein würde im Angesichte der edelsten und reizendsten Frauen Lanze und Schwert mit den berühmtesten Kämpfern zu messen. Seine regsame Phantasie versetzte ihn bald mitten in ein solches Kampfspiel, tapferen Rittern gegenüber, im Angesichte lieblicher Frauen, die sämmtlich aber Beatens, der Augsburger Goldhändlerin, Züge trugen. Mit Gewalt riß er sich aus diesen Träumen empor. Es wurde ihm mit einem Male einleuchtend, daß Beata, die schlichte Bürgersmagd, nicht in einen solchen Kreis gehöre und daß es ihm, dem Edeljunker, nicht zieme sie sich dahin zu denken.

Die Umgebungen, in welchen er sich zufällig jetzt befand, waren ganz geeignet, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Er war in die Gegend des Kauf- oder Samstagsberges gerathen, wo die verschiedenen Waffenverfertiger aus den fränkischen und schwäbischen Reichsstädten ihre Waare feil hielten. Da hatten die Plattner ihre Rüstungen und Harnische kunstreich aufgestellt, so daß man meinte, die schimmernden Stahlgewänder würden bereits von den ritterlichen Gestalten getragen, denen sie bestimmt waren; dort glänzten die zierlichen Arbeiten der Helmschmiede mit allerlei bedeutsamen Sinnbildern, Adlern, Löwen, Leoparden und andern oft nur phantastischen und fabelhaften Wesen; dort hatten die Bogenmacher ungeheuere Niederlagen, dort die Pfeilschifter und neben ihnen die kunstreichen Armbrustschnitzer aus Salzburg und Tyrol. Die Lanzenschmiede und Schwertfeger hatten, als die zahlreichsten, ihre Läden in einem weiten Kreise um die übrigen errichtet.

»Beim Himmel!« sagte der Junker für sich hin und indem er sich mit Lust in den Anblick verlor; »das ist wohl die köstlichste und reichste Waffenkammer, die weithin gefunden werden mag. Wer doch da wählen könnte, wie er möchte! Wer doch da schon Ritterschmuck und Ritterzierde erkaufen dürfte!«

Er wandelte lange in den Gängen, welche hier durch die Kaufläden gebildet waren, auf und nieder.

Das war ein Schauspiel, das sein ganzes Herz erfreute und von dem er sich nur schwer zu trennen vermochte. Endlich ging er seufzend weiter und kaum hatte er die Stelle verlassen, welche so viel Anziehungskraft für ihn gehabt, so stand auch Beatens freundliches Bild wieder vor seiner Seele, mit aller seiner Schalkhaftigkeit, in dem lieblichen Gemische kecken Muthwillens und jungfräulicher Schüchternheit.

Der Junker zürnte mit sich selbst, daß er seine Einbildungskraft nicht bemeistern konnte. Er warf sich in das dichteste Menschengedränge. Er suchte mit Ernst jeden Gedanken an die artige Goldhändlerin aus seinem Innern zu verweisen.

Er möchte wohl noch lange vergeblich hiernach gestrebt haben, wenn ihm nicht der Zufall günstig gewesen wäre und ihn unter die lombardischen Krämer oder, wie sie im Munde des gemeinen Mannes genannt wurden, Cowertschen geführt hätte, die in welscher und deutscher Sprache durch einander ein so lärmendes Gerede führten, indem sie die Vorübergehenden zum Verkaufe anriefen, daß jeder, der nicht völlig taub war, ihnen Gehör und Aufmerksamkeit schenken mußte.

Die Buden der Lombarden waren mit allen Putzartikeln der damaligen Zeit, besonders für die Frauenwelt, ausgestattet. Goldgestickte Barettlein, Gürtel von jeder Gattung, böhmische Gugeln, die damals beliebteste Kopftracht, Perlenschnüre und Brustgehänge von edlen Steinen, seidene Stoffe mit Granaten durchwirkt und in Silber und Gold gestickt, duftende Salben sogar und tausend andere Dinge, welche die Mode jener Zeit erheischte, waren hier in großen Vorräthen dem Auge preisgegeben. Hier wandelten schöne Frauen und Jungfrauen auf und nieder, um sich theils an dem Anblicke der ausgestellten Herrlichkeiten zu weiden, oder auch um einen oder den andern Gegenstand zu feilschen. Nur wenige unter ihnen waren von Männern begleitet. Den meisten folgten bejahrte Dienerinnen, die den Geldsäckel der Herrin nachtrugen, und sich mit den etwa erkauften Waaren beladen hatten.

Junker Friedmann blieb vor einer großen und stattlichen Bude stehen, deren Besitzer mit köstlichen Reiherbüschen, Straußen- und Adlerfedern und lebendigen Falken jeder Gattung handelte. Das Innere der Bude war mit den vielfachen Federn in großen Büscheln stattlich ausgeschmückt. Besser vorn saßen auf glänzenden Stänglein von Silber die klugen Thiere, den Kopf mit der Haube bedeckt, welche das sonst so fern sehende Auge in Nacht verhüllte.

Unser junger Freund hatte nur kurze Zeit der Betrachtung dieser Gegenstände gewidmet, als seine Aufmerksamkeit durch ein Gespräch im Innern der Bude, bei dem süß tönende Frauenstimmen sich vernehmen ließen, erregt wurde. Seine forschenden Blicke fanden bald zwei Frauengestalten, welche ihm den Rücken zugewendet hatten, und mit dem lombardischen Handelsherrn den Preis eines weißen Falken von außerordentlicher Schönheit besprachen. Die eine der beiden Frauen war von höherem Wuchse als die andere, und ihre ganze Haltung sprach Stolz und selbst Herrschsucht aus. Ihre Gefährtin war zarter gebauet, und das herrlichste blonde Haar ringelte sich in wallenden Locken den Rücken hinab. Sie war einfacher gekleidet als jene und dennoch zierlicher. Ihr ganzes Benehmen war anspruchslos und dennoch im höchsten Grade anziehend. Beider stattliches Aeußere ließ übrigens den Junker gleich erkennen, daß sie von edler Herkunft und mit irdischen Glücksgütern gesegnet seien. In einem Winkel der Bude stand eine ältliche Dienerin, welche zu ihnen zu gehören schien.

Indem der Junker das zartere der beiden Frauenbilder betrachtete, war es ihm, als stehe er vor dem Magnetberge, von welchem die Sage jener Zeiten aus dem stürmischen Leben Herzog Ernst's von Schwaben erzählte. Wie das Schifflein dieses Herzogs immer näher zu dem wunderbaren Berge gezogen wurde, ob auch der Wind die Segel nach der entgegengesetzten Seite treiben und ob auch die Ruderer alle Macht verwenden mochten, das Fahrzeug von dem Berge zu entfernen: so fühlte Friedmann von dem Anblicke der lieblichen Gestalt sich wunderbar ergriffen, gehalten und näher gelockt. Wie endlich aus dem Schifflein jenes Ernst's, als es dem Berge immer näher gekommen, alle Nägel und alles übrige Eisenwerk sich gelöst und zu dem Wunderberge hingeflogen; so lösten sich, da nun plötzlich das zartere Frauenbild sich umwandte und ein unendlich liebliches Antlitz, weit herrlicher und schöner als das jener Beata zeigte, alle Gefühle aus dem Herzen des jungen Mannes und flogen zu ihr hinüber und siedelten sich in einem Augenblicke so fest dort an, daß Friedmann wohl erkannte, dieses sei für immerdar und ewig. Seine Augen ruheten fest auf dem Himmelsangesichte, das sich ihm zeigte. Umschuld, Anmuth und Offenheit hatten hier ihren Thron aufgeschlagen. Die zarte Gestalt schien nicht der Erde anzugehören. So hatte Friedmann sich immer die Engel gedacht und indem er nun einen solchen leiblich vor sich sah, vergaß er die Welt und sich und versank ganz in den süßen Genuß des Anschauens.

Da trafen mit einemmale die Blicke des bewunderten Frauenbildes auf die seinigen und dieses Begegnen entriß ihn dem träumerischen Hinstarren, das die schöne Unbekannte in Verlegenheit zu setzen schien. Das zarte Roth ihrer Wangen wich einer höhern Gluth und die tief dunkeln blauen Augen sanken, nachdem sie einige Augenblicke auf dem Jünglinge geweilt hatten, zur Erde. Dann wendete sie sich wieder zu ihrer Gefährtin, die mit dem Lombarden noch immer nicht Handels einig werden konnte.

»O Du wundersame Schönheit!« sagte Friedmann für sich, ohne sich entschließen zu können, die Stelle zu verlassen, wo er sich befand. »Wie soll ich Dich nennen und wo soll ich Dich wieder finden? Denn nach Dir hat sich mit einemmale all mein Sehnen und Hoffen gerichtet und so ich denken müßte, ich sollte Dich nimmer wieder erschauen und sollte nimmer wieder erfreuet werden durch Deine Nähe, so würde ich mein Dasein verwünschen und aller Muth zu ritterlichen Werken würde ersterben in meiner Brust!«

Während Friedmann seine ganze Aufmerksamkeit der lieblichen Frauengestalt im Innern der Bude gewidmet hatte, war es um ihn her immer lebhafter geworden, und das Gedränge und der Lärm hatten so sehr zugenommen, daß er sich endlich bewogen fühlte, nach der Ursache dieses Volksauflaufes zu forschen. Es war eins der damaligen heiligen Schauspiele, der sogenannten Mysterien, das von Bettelmönchen aufgeführt wurde und durch die von Buden gebildeten Straßen des Meßplatzes zog, an einzelnen Stellen hielt und hier die Szene seiner, das Volk höchlich erbauenden und zugleich belustigenden Darstellungen fand. Während der Meßzeit wurden mehrere dergleichen Mysterien veranstaltet, da von den reichen fremden Kaufleuten und von andern Gästen, welche die Messe herbeigelockt, ansehnliche Gaben zu erwarten waren.

So weit war die dramatische Kunst damals noch nicht gediehen, daß sie sich auch nur auf schnell errichteten Holzgerüsten in einigem Schmucke des Kostüms und der Decorationen dargestellt hätte. Es wurde nur vom Volke ein Kreis gebildet, welchen die Schauspieler, denen die Rollen der Teufel zugefallen waren, in den nothwendigen Schranken zu halten bemüht waren, indem sie mit allerlei derben und handgreiflichen Scherzen die Menge zu ergötzen suchten. Diese Dämonen durften bei keinem geistlichen Schauspiele fehlen und sie vertraten die Stelle der später bei dem weltlichen erscheinenden Narren mit Schellenkappe und Pritsche.

Als Junker Friedmann seine neugierigen Blicke auf das früher nie gesehene Schauspiel warf, war dieses schon im vollen Gange und er erblickte den König Ahasverus mit der schönen Esther in einer lebhaften Unterredung begriffen, die, wie der ganze Dialog solcher Darstellungen, in lateinischer Sprache gehalten wurde. Ein feister Bettelmönch, dessen ganzes Aeußere den Gelübden der Enthaltsamkeit wenig entsprach, stellte den mächtigen Herrscher vor. Eine Krone von glänzendem Bleche und ein hölzernes, gelb angemaltes Szepter waren die Zeichen seiner Würde. Sonst trug er die zerrissene Kutte seines Ordens, den Knotenstrick zur Geißelung und den Rosenkranz. Der Donnerton, in welchem er der schönen Esther seine zärtliche Neigung erklärte, überschrie den Lärm der versammelten Volksmenge und mäßigte sich erst dann, als die Aufmerksamkeit allgemein geworden war und man in andächtiger Stille auf Ahasverus Worte und Esthers Entgegnungen lauschte. In der Rolle der Esther zeigte sich ein junger Mönch von fast mädchenhaftem Ansehen, mit feinen Zügen und frischen rothen Wangen. Auch er war in die gewöhnliche Tracht seines Ordens gekleidet. Sein Kopf aber war mit einer goldgestickten Frauenhaube bedeckt und auf der Brust trug er ein kleines schwarzes Schild mit der weißen Aufschrift: Esther, die schöne Jüdin. Er bemühete sich seine von Natur starke und tiefe Stimme zu einem hohen Diskant zu verfeinern, allein nicht mit so gutem Erfolge, daß nicht zum Oeftern einige tiefe Töne hörbar geworden wären und die Unweiblichkeit der schönen Jüdin verrathen hätten. Haman und Mardochai standen im Hintergrunde und erwarteten den Augenblick, wo sie ihre Rollen auf den Schauplatz riefen. Der erste hatte eine Tafel auf der Brust, die in schlechter Malerei einen Galgen, von Teufeln umtanzt, zeigte; der andere trug einen ungeheuer langen falschen Bart, der fast bis zur Erde hinabreichte.

Die Neuheit dieses Schauspiels konnte jedoch die Aufmerksamkeit des Junkers von Sonnenberg nur kurze Zeit fesseln. Er richtete bald seine Blicke wieder in das Innere der Bude, wo noch immer das bezaubernde Frauenbild mit seiner Gefährtin und der alten Dienerin verweilte. Zwar schien der Handel jetzt geschlossen, denn der schöne weiße Falke, um welchen die höhere der beiden Frauengestalten gefeilscht hatte, ruhete auf ihrer von dem starken wildledernen Handschuhe bekleideten Hand; allein die auf dem Platze vor der Bude versammelte Volksmenge, die sich in zunehmendem Gedränge an den Ladentisch und den Eingang schob, hielt wahrscheinlich die beiden Frauen ab, den Ort zu verlassen. Friedmann selbst war, ohne es zu bemerken, in die Thüre gedrängt worden und hatte hier noch bessere Gelegenheit als früher, die Beobachtungen, zu denen ihn eine stets mächtiger werdende Empfindung in seinem Innern veranlaßte, fortzusetzen.

Indem er sich umwandte, konnte er bemerken, daß die beiden Frauen von ihm gesprochen hatten. Beider Blicke ruheten noch auf ihm. Diejenige aber, deren Nähe eine so ungemeine Anziehungskraft auf ihn übte, schlug alsogleich vor seinem begegnenden Blicke die Augen nieder, während die andere mit einem stolzen und übermüthigen Wesen fortfuhr ihn vom Kopfe bis zu den Füßen zu messen, und endlich mit einem höhnischen Lächeln sich zu ihrer Gefährtin wandte und einige wahrscheinlich ihn betreffende Worte zu dieser sprach. Auch sie war schön. Das konnte Friedmann nicht läugnen. Schöner vielleicht als die andere, deren Reize jedoch in den Augen unseres jungen Freundes immer die mächtigern blieben. Die stolze Schönheit glich in Gestalt und Anzug einer Amazonenkönigin. Ihre hohe schlanke Gestalt war von einem mit goldenen Schuppen gestickten Gewande, wie sie die Ritter über ihren Rüstungen zu tragen pflegten, umgeben. Indem sich das Schuppenkleid um den reizenden Oberleib eng anschloß, gab es ihr ein kriegerisches Ansehen, das durch den helmartigen Kopfputz, den sie auf dem, von einer Fülle dunkeler Locken beschatteten Haupte trug, noch vermehrt wurde. Große schwarze Augen blickten mit kühnem männlichem Ausdrucke über die schön gebogene Nase; ein wegwerfendes Lächeln schwebte auf den Wangen, welche unter einem heißeren Himmelstriche ihre bräunliche Farbe erhalten zu haben schienen, dennoch aber liebliche Rosen trugen. Die Purpurlippen des kleinen Mundes waren keck aufgeworfen und auch sie bekundeten auf diese Weise den Stolz, der die Unbekannte beseelte.

Ob auch Friedmann das Ebenmaaß ihrer schönen Gestalt und das reizende Antlitz bewunderte, so fühlte er sich dennoch von ihr abgestoßen und sogar durch die verächtliche Miene, mit der sie von ihm zu sprechen schien, beleidigt.

»Was kann sie von mir wissen, das mir nachtheilig wäre?« sagte er unmuthig bei sich selbst. »Sie kennt mich gewiß so wenig wie ich sie, und wenn sie Uebels von mir redet, so ist es eitel Trug und falscher Leumund. Möchte sie immerhin ihrem häßlichen Gelüste folgen! Nur soll sie das Engelsbild nicht mit feindlichen Gedanken gegen mich erfüllen, das wunderbar mich festhält und bannt an diese Stelle.«

Zu seiner Freude nahm er wahr, daß die schöne Blondgelockte der Rede ihrer Begleiterin wenig Vertrauen geschenkt haben mochte; denn ein gütiger Blick auf ihn und ein sanftes, mit einem sinnigen Kopfschütteln verbundenes Lächeln begleitete ihre Entgegnung, von der er übrigens bei dem stets wachsenden Lärm von außen nichts verstehen konnte.

»O vermöchte ich doch ihr einen recht großen Dienst zu leisten!« seufzte Friedmann. »Einen Dienst, bei dem etwas Lebensgefahr vorhanden wäre so daß ich auch Ehre davon hätte und mich ihres Dankes erfreuen dürfte!«

Dieser Wunsch sollte schon in den nächsten Augenblicken erfüllt werden, zwar nicht in dem Grade wie der Junker es ersehnte; allein hinreichend, um ihn den beiden Frauen näher zu bringen und ihm einen Anspruch auf ihre Erkenntlichkeit zu sichern.



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