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8.

Wie leicht geschieht's, daß Menschen sich betrügen!

Schiller.

In der Stadt hatte sich die Nachricht von der Ankunft des Kaisers bereits verbreitet und Alles strömte nach der Brücke hin, um von diesem hochgelegenen Punkte die Landung des Monarchen und seiner Begleitung zu beobachten. Mit Mühe nur konnte sich der Junker von Sonnenberg einen Weg durch die Haufen der Entgegenströmenden bahnen. So schnell, als es unter diesen Umständen möglich war, gelangte er endlich doch in die Nähe der Herberge zur Goldgrube und schlug nun ein menschenleeres Seitengäßchen ein, das ihm einer der Vorübergehenden als einen abkürzenden Weg dahin bezeichnete.

Kaum aber hatte er hier, wo nur noch das Gehör von dem geräuschvollen Treiben in dem benachbarten Theile der Stadt Kunde erhielt, eine kurze Strecke zurückgelegt, so sah er sich durch die plötzliche Erscheinung eines Mannes aufgehalten, die ihn auf die überraschendste Weise an den seltsamen Vorfall auf dem Mainflusse erinnerte, und vielleicht mit dem Urheber desselben eine und die nämliche Person war.

Aus der schmalen Pforte eines unansehnlichen und verfallenen Hauses trat mit raschem Schritte ein Mönch in der Kleidung des Ordens der weißen Büßenden hervor. Seine Gestalt hatte die Größe und Stärke jenes wunderlichen Schiffers, sein Antlitz war ebenfalls unter der herabhängenden Kaputze, die eine Art von Larve bildete, verborgen und aus den zwei hier eingeschnittenen Oeffnungen blickte ein funkelndes Augenpaar hervor, das mit einem seltsam gemischten Ausdrucke von List, Grausamkeit und Tücke den Junker anstarrte. Friedmann hatte von giftigen Schlangen gehört, die durch den Zauberblick ihres Auges das unglückliche Opfer fest zu bannen vermöchten, das der Zufall in ihre Nähe geführt hatte. An diese Thiere erinnerte ihn das Auge des Mönches, der sich ihm gerade in den Weg stellte und offenbar die Absicht hatte, ihn anzureden.

Die Warnung des Lombarden Antonio Bandini war nicht ohne Eindruck auf Friedmann geblieben. Bei der ersten Erscheinung des Mönchs zuckte seine Hand nach dem Schwerte. Als er aber bedachte, wie wenig es ihm anständig sei, gegen einen friedlichen Klosterbruder feindselige Gesinnungen an den Tag zu legen, als er erwog, wie des Italieners Worte nur verwirrte und unbestimmte Angaben enthalten, und als der Gedanke sich ihm aufdrängte, daß dieser Büßende auch ein ganz anderer sein könne, als der, welchen Bandini gemeint: da zog er schnell die Hand von dem Griffe des Schwertes zurück und sah ruhig und mit der Haltung eines Mannes, der eine Anrede erwartet, in das durchbohrende Auge des Mönchs.

»Seid mir gegrüßt, Junker von Sonnenberg!« sprach dieser jetzt mit einem dumpfen, aber nicht unangenehmen Tone der Stimme. »Seid mir gegrüßt in der mächtigen Reichsstadt Frankfurt um Eurer selbst und um der guten Botschaft Willen, die Ihr dem edlen Kaiser Adolphus überbringt!«

Der Junker war nicht wenig betroffen, sich von einem ihm gänzlich fremden Manne gekannt zu sehn und zugleich zu erfahren, daß dieser um sein Geschäft bei dem Monarchen wisse. Neuer Argwohn erwachte in ihm, aber es gelang ihm, seine innere Bewegung zu verbergen und im gleichgültigsten Tone die Worte vorzubringen:

»Was wißt Ihr von meinem Vorhaben und woher kennt Ihr mich? Erinnere ich mich doch nicht, jemals einen Bruder Eueres Ordens gesehn zu haben, als heute vor einer Viertelstunde etwa und noch überdem in einer Lage, die ihm wohl nicht gestattete, mir eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen, wenn ich ihm auch näher gestanden hätte, wie dieses wirklich der Fall war!«

Der Mönch schwieg einige Augenblicke, ohne jedoch die starren Blicke von dem Junker abzuwenden. Dann erwiederte er, indem er die in den letzten Worten Friedmanns enthaltene Beziehung zu überhören schien:

»Oftmals habe ich Euch auf Burg Sonnenberg erschaut an der Seite Eueres würdigen Vaters, wenn ich dort, auf frommer Wallfahrt zu dem wunderbaren Heilandsbilde im Kloster Noth Gottes gastliche Aufnahme und Pflege fand. Aber wie wolltet Ihr das Bild des Einzelnen in Euer Gedächtniß aufgenommen haben unter den Vielen, die dort seit Jahren eingesprochen und welche des Vaters gottesfürchtiger Sinn nicht unerquickt und ungestärkt weiter ziehen lassen? Glaubt, edler Junker, es ist mir eine große Freude, Euch zum stattlichen Mann herangewachsen zu sehn und ich trage ein dankbares Herz in der Brust gegen den Sohn meines Wohlthäters. Aber wie vermöchte ein armer Klosterbruder, der sein Leben der Betrachtung und Buße gewidmet hat, Euch oder Euerm Vater, dem mächtigen Statthalter des Kaisers, zu vergelten? Ach! deshalb stehe ich auch nicht vor Euch, sondern vielmehr, um eine neue Gunst zu erflehn, die mir und meinem Kloster gute Früchte tragen könnte.«

Viele Pilger und fromme Wallfahrer hatten in friedlichen Zeiten Schloß Sonnenberg besucht, so daß die Aussage des Mönch's dem Junker nicht unwahrscheinlich dünkte. Demungeachtet fielen die mit dem Anscheine der Absichtlichkeit in dessen Rede verflochtenen Lobeserhebungen seines Vaters und seiner selbst unserm jungen Freunde unangenehm auf und er versetzte mit einem leichten Anfluge von Unwillen:

»Sprecht schnell Euer Verlangen aus, denn ich habe nicht Zeit zu langem Aufenthalte. Ist es eine erlaubte Sache und steht sie in meiner Gewalt, so werde ich Euch nicht entgegen sein und will gern nach Kräften dafür mein Bestes thun.«

»Ihr seid einer der wenigen Erwählten, die das Angesicht des Gesalbten schauen dürfen in der Nähe, und welchen es gestattet ist, zu dem zu reden, dem der Herr des Himmels die kaiserliche Macht verliehen hat auf Erden;« sagte der Mönch, indem er den Ton seiner Rede zur Demuth herabstimmte. »Ihr werdet die Blicke seiner Gunst auf Euch wenden, Ihr werdet die Stunde, in der Ihr vor ihn tretet, zu einer guten und frohen machen durch die Nachricht von der kühnen Vertheidigung Eurer väterlichen Burg gegen die Epsteiner und werdet den Lohn erndten, der Euch gebührt. Gewißlich seid Ihr deßhalb hier und mir kam dieser Gedanke, als ich Euch das Gäßlein herabschreiten sah, gleich in den Sinn. Ich bin ein armer Mönch, aus einem Kloster am Rheine. Schon vor länger als einem Jahre haben die Söldner des Kaisers, sicherlich ohne sein Vorwissen, unser Gotteshaus niedergebrannt und geraubt, was wir mit Lebensgefahr aus dem Brande erretteten. Seitdem irren wir einzeln und oft des Nothwendigsten entbehrend umher. Mich hat der Prior ausersehn, seine Bittschrift an kaiserliche Majestät zu bringen, indem er fest hofft, Adolphus werde, sobald er unsere Noth erfahre, uns auch helfen. Wie aber soll ich durchdringen durch die Schaar der Ritter und Trabanten, welche ihn umgibt? Keiner wird dem büßenden Bruder den Zutritt erlauben, da er leicht selbst in der Klagschrift des Priors genannt sein könnte und da überdem Kaiser Adolphus eine große Abneigung gegen alle Geistlichkeit hegt. Der Herr selbst führt Dir den Edeljunker von Sonnenberg zu, dachte ich, als ich Euch erblickte. Er wird eine neue Wohlthat zu denen fügen, die Du seinem Vater bereits verdankst und wird Deine Schrift in kaiserliche Hände niederlegen.«

Der Mönch schwieg, aber seine Blicke erglühten mehr und mehr, und ruheten mit dem Ausdrucke gespannter Erwartung auf dem Junker. Leider war es, wie Friedmann wohl wußte, nur zu oft der Fall, daß die Söldner, welche der länderarme Adolph zu halten genöthigt war, sich den wildesten Ausschweifungen überließen. Auch trafen diese zum größten Theile die Mönche der Klöster, von denen man glaubte, daß sie es mit dem Erzbischofe von Mainz gegen den Kaiser hielten. Ueberhaupt war die ganze Geistlichkeit, selbst in den Ländern, deren Fürsten mit Adolph verbündet waren, gegen diesen durch die Ränke jenes Erzbischofs aufgehetzt, und suchte ihm im Geheim so viel zu schaden, wie sie nur konnte. Adolph erkannte das wohl und diese Umstände waren es, welche seinen Widerwillen gegen Alles, was eine Kutte trug, veranlaßten.

Friedmann sah leicht ein, daß es dem Mönch unmöglich gemacht werden würde, seine Sendung persönlich an den Kaiser zu bringen. Ihn dauerte die Lage der armen umherirrenden Klosterbrüder und da er in dem Ansinnen ihres Abgeordneten nichts Verfängliches erblicken konnte, ja! in seiner Unerfahrenheit sogar glaubte, dem Kaiser, indem er ihm Anlaß zu einer Handlung der Gerechtigkeit gebe, einen Dienst zu leisten, so versetzte er mit einer Gebehrde der Einwilligung:

»Gebt schnell her Euer Pergament! Ich besorge es richtig in Kaiserliche Hände, so wahr ich Friedmann von Sonnenberg heiße. Kommt heute Abends zu mir in die Herberge zur Goldgrube, daß ich Euch den weitern Verlauf der Sache berichte.«

Hastig nahm der Mönch die versiegelte Pergamentrolle aus den Falten seines weiten Gewandes hervor und überreichte sie dem Junker. Den vorläufigen Dank, den er in lauter Rede an den Tag legen wollte, lehnte Friedmann ab und eilte nun mit beflügelten Schritten seiner Herberge zu.

Die Blicke des büßenden Bruders verfolgten ihn, so lange sie ihn erreichen konnten. Dann ging auch der Mönch rasch und mit stolzer Haltung in das verfallene Haus zurück, aus welchem er in den Weg Friedmanns getreten war. Die Gluth seines Auges war zum sprühenden Blitz geworden. Der Triumph eines Tigers, der sein Opfer zerfleischt, verkündete sich in diesen Blicken.



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