J. F. Cooper
Der letzte Mohikaner - Gekürzte Jugendbuchversion
J. F. Cooper

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14. Kapitel

Der dritte Tag nach der Übergabe des Forts neigte sich dem Ende zu. Die Festung bestand nur noch aus rauchenden Trümmern. Überall sah man verkohltes Holz, zerrissene Geschützteile und zersprengtes Mauerwerk auf den Erdwällen umherliegen.

Auch in der Witterung war ein Wechsel eingetreten. Die Sonne hatte ihre wärmenden Strahlen hinter einer undurchdringlichen Wolkenschicht verborgen. Dichte Nebelwolken zogen über die Berge nach Norden. Die Wasser des Horikan waren unruhig. Grüne Fluten peitschten die Ufer.

An diesem Tage, wenige Stunden vor Sonnenuntergang, traten fünf Männer aus dem Walde und schritten dem zerstörten Festungswerk zu. Sie bewegten sich äußerst vorsichtig. Unkas, der voranging, hatte die Mitte der Ebene erreicht, als er einen Schrei ausstieß. Sogleich waren seine Gefährten bei ihm. Der junge Krieger stand vor einer Gruppe weiblicher Leichen, die am Boden lagen. Vergeblich suchten Munro und Heyward nach Spuren der vermißten Töchter.

»Howgh!« rief plötzlich der junge Mohikaner, der aufmerksam die nähere Umgebung mit seinem scharfen Blick gemustert hatte.

»Was gibt es, Unkas?« flüsterte der Kundschafter, der den Ausruf des Mohikaners hörte.

Ohne eine Antwort zu geben, schritt Unkas auf ein Gebüsch zu und brachte ein Stückchen von Koras grünem Schleier zurück.

»Mein Kind! Ein Zeichen von meinem Kind!« rief Munro aufgeregt.

»Unkas, du hast recht«, sprach der Kundschafter, ohne auf die Worte Munros einzugehen, »das ›Schwarzlockige Mädchen‹ ist hier gewesen und in den Wald geflohen. Wir wollen nach ihrer Spur forschen.«

Der Mohikaner hatte sich wieder auf die Suche nach weiteren Spuren gemacht, und bald ertönte ein neuer Freudenruf. Wieder eilten die Gefährten herbei und bemerkten ein anderes Stück des Schleiers, das an dem niedrigen Aste einer Buche flatterte.

»Langsam!« rief der Kundschafter dem herbeieilenden Heyward entgegen. »Vielleicht können wir noch andere Spuren entdecken.«

»Howgh!« erhob Chingachgook seine Stimme und zeigte auf die Erde.

»Das ist die Spur eines Männerfußes!« rief Heyward.

Unkas untersuchte die Spur und prüfte ihren weiteren Verlauf. Endlich erhob er sich und schien mit dem Erfolg seiner Untersuchung zufrieden.

»Nun, Unkas«, fragte der Kundschafter, »was meinst du?«

»Le Renard Subtil!« antwortete der Mohikaner bestimmt.

»Wir wissen es jetzt genau«, sprach Falkenauge, »hier ist das Mädchen mit dem schwarzen Haar und Magua vorbeigekommen.«

»Und Alice?« fragte Heyward beunruhigt.

»Von ihr haben wir bis jetzt noch keine Spur entdeckt«, erwiderte der Kundschafter und betrachtete aufmerksam die Bäume und das Gebüsch.

»Doch was sehe ich da? Unkas, hol mal das Ding herbei, das dort an dem Dornenbusch hängt.«

Der Indianer gehorchte und der Kundschafter betrachtete still vor sich hinlachend den eigenartigen Fund.

»Das ist die Tonpfeife des Sängers«, sprach der Jäger, »jetzt haben wir eine Spur, die wir auch nachts verfolgen können.«

»Anscheinend hat David treu auf seinem Posten ausgehalten und Kora und Alice sind nicht allein.«

Während des Gespräches waren die beiden Indianer vorsichtig einige Schritte weitergegangen und prüften aufmerksam die Erde. Vater und Sohn unterhielten sich in delawarischer Mundart über ihre Entdeckung.

»Sie haben den kleinen Fuß gefunden!« rief der Kundschafter und schritt auf sie zu. »Jetzt ist das Geheimnis entdeckt. Hier sind sie auf die Pferde gestiegen. Dort waren die Tiere an dem jungen Baum gebunden. Und nun führt eine breite Fährte in voller Eile nach Kanada.«

»Aber noch fehlt eine Spur von Alice, der jüngeren Miß Munro«, sagte Duncan.

»Das schimmernde Schmuckstück, das Unkas soeben vom Boden aufgehoben hat, wird uns schon einen Fingerzeig geben.«

Heyward erkannte den Gegenstand als einen Schmuck, der Alice gehörte.


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