J. F. Cooper
Der letzte Mohikaner - Gekürzte Jugendbuchversion
J. F. Cooper

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11. Kapitel

Die Huronen waren sichtlich bestürzt, als der Tod einen von ihnen hinwegraffte. Mit lautem Geschrei stürzten Chingachgook und Falkenauge herbei. An ihnen vorüber stürmte Unkas, der drohend den Tomahawk schwang und sich vor Kora stellte. Doch Magua, der schlaue Hurone, war nicht so leicht aus der Fassung zu bringen. Mit scharfem Auge überblickte er den Schauplatz des Geschehens, zückte ein langes Messer und stürzte mit lautem Geheul auf Chingachgook los. Das war das Signal zu einem furchtbaren Kampfe. Da keiner der Wilden Feuerwaffen hatte, war es ein Kampf Mann gegen Mann.

Unkas sprang einem Feind entgegen und zerschmetterte ihm mit einem einzigen wohlgezielten Schlag den Schädel. Auch Heyward hatte sich in den Kampf geworfen und versuchte ohne Waffen sich seines Gegners zu erwehren. Nur mühsam und unter Aufbietung aller seiner Kräfte konnte er den Messerstößen des Huronen entgehen. Da er auf die Dauer diesem Angriff nicht standhalten konnte, umfaßte er den Indianer und drückte mit eisernem Griff dessen Hände fest an den Körper. Aber diese Anstrengung war zu stark und er wäre bald erschöpft gewesen, wenn nicht in diesem Augenblick der schwere Kolben der Büchse des Kundschafters auf den Kopf von Heywards Gegner schmetterte. Tot sank der Hurone aus Duncans Armen zu Boden.

Nachdem Unkas seinen ersten Feind niedergeschmettert hatte, suchte er nach einem neuen Gegner. Einer der Huronen hatte einen kurzen Augenblick unentschlossen dagestanden und die wehrlose Kora erblickt. Mit teuflischem Geheul sprang er auf das wehrlose Mädchen zu und schleuderte das scharfe Kriegsbeil nach ihr, ohne sie ernstlich zu treffen. Jetzt ergriff er ihre Locken und riß sie auf die Knie nieder, um sie zu skalpieren. Da erblickte Unkas die furchtbare Szene. Mit aller Kraft sprang der junge Mohikaner den Huronen an und beide wurden durch den Anprall zu Boden geworfen. Doch der Kampf war bald entschieden. Das Beil Heywards und die Büchse Falkenauges erreichten den Schädel des Huronen zur gleichen Zeit, als Unkas sein Messer in das Herz des Huronen bohrte.

Immer noch kämpften Chingachgook und Magua. Die beiden Gegner bewiesen, daß sie ihre Kriegsnamen wohl verdienten. Zuerst hatten sie sich ihrer Wurfbeile bedient. Dann stürzten sie aufeinander los, umfaßten sich und fielen zu Boden. Es war ein aufregender Kampf auf Leben und Tod. Vergeblich versuchten die Freunde Chingachgooks, ihm beizustehen. Aber ihr Bemühen war vergeblich, da die Kämpfenden durch ihre schnellen Bewegungen wie zu einem Körper verwachsen schienen. Das finstere Gesicht Chingachgooks und das verbissene des Huronen wechselten in schneller Folge, ohne daß die Freunde wußten, wann und wie sie dem Mohikaner hilfreich beispringen konnten. Endlich gelang es dem Mohikaner, seinem Gegner einen furchtbaren Stoß mit dem Messer zu versetzen. Magua ließ Chingachgook plötzlich los und sank gleich einem Toten zurück. Sein Gegner sprang sofort auf und stieß einen Siegesschrei aus. Doch im gleichen Augenblick ließ sich der Hurone über den Rand des Absturzes rollen und verschwand mit einem einzigen Sprung in das Dickicht eines niedrigen Buschwerkes. Die Delawaren, die den Feind tot geglaubt hatten, versuchten Magua zu verfolgen. Aber ein schriller Pfiff des Kundschafters rief sie auf den Gipfel des Hügels zurück.

»Das sieht ihm ähnlich!« rief der Jäger. »Ein betrügerischer Kerl! Ein ehrlicher Delaware, einmal besiegt, wäre ruhig liegengeblieben und hätte sich den Todesstoß geben lassen. Doch diese schurkischen Huronen haben ein zähes Leben, wie wilde Katzen. Laßt ihn laufen! Er ist ein Mann ohne Waffen.«

Der Kundschafter sammelte alle eroberten Waffen der Huronen ein und fand dabei auch seine eigenen, wie die Waffen seiner Freunde.

Nachdem die Beute verteilt war, drängte der Kundschafter zum Aufbruch. Am Fuße des Hügels fanden sie die Pferde, die an den Büschen weideten. Sie stiegen auf und folgten dem Jäger, der sie nach einiger Zeit in ein kleines Tal führte.

Falkenauge und die Mohikaner schienen den abgeschiedenen Platz genau zu kennen. Sie lehnten ihre Büchsen an die Bäume und begannen dürres Laub und bläuliche Tonerde wegzuräumen, worauf plötzlich eine klare reine Quelle hervorsprudelte. Heyward half den Damen von den Pferden und nahm an der Seite der Waldbewohner Platz. Während das Essen zubereitet wurde, fragte Heyward, auf welche Weise sie so unerwartet gerettet worden wären.

»Wie kommt es, daß wir euch so schnell und ohne Hilfe der Garnison von ›Edward‹ wiedersahen?«

»Wenn wir dem Flusse nachgegangen wären, so wäre es zu spät geworden, um eure Skalpe zu retten«, antwortete Falkenauge. »Um Zeit zu gewinnen, blieben wir im Hinterhalt am Ufer des Hudson verborgen und beobachteten die Bewegungen der Huronen.«

»So habt ihr alles gesehen, was mit uns vorging?«

»Keineswegs. Aus dem Geschrei der Indianer vermuteten wir, daß man euch entdeckt und ihr gefangengenommen wäret.«

»Wie verdanken wir euch also unsere Rettung?«

»Mir fiel ein, daß die Mingos wahrscheinlich mit ihren Gefangenen auf ihrem Marsch zu dieser Quelle gingen, da auch sie die Kraft dieses Wassers kennen.«

»Ist die Quelle so berühmt?« fragte Heyward.

»Fast jede Rothaut südlich und östlich der großen Seen kennt die Wunderkraft der Quelle und labt sich an ihrem Wasser. Wollt Ihr einmal kosten?«

Heyward nahm die Flasche, die ihm der Jäger entgegenhielt, und warf sie, nachdem er einen Schluck getrunken hatte, von sich. Der Kundschafter lachte still vor sich hin.

»Ja, Ihr müßt Euch erst an den rechten Geschmack gewöhnen. Doch jetzt ist es Zeit, an das Essen zu denken, denn unsere Reise ist noch lang.«

Das bescheidene Mahl wurde schnell gereicht und verzehrt. Dann nahm jeder der Waldbewohner noch einen Trunk aus der stillen Quelle und bald darauf setzte sich die Gesellschaft wieder in Bewegung.

Während des Marsches beobachtete der Jäger aufmerksam den Weg nach Spuren. Schon hatte sich die Sonne im Westen gesenkt und Dämmerung zog über die Landschaft, als Falkenauge das Zeichen gab, anzuhalten. Er stieg vom Pferde und trat in ein dichtes Gehölz junger Kastanienbäume. Dann gelangte er auf einen freien Rasenplatz, auf dem ein verfallenes Blockhaus stand. Seine Begleiter waren ihm gefolgt, und der Jäger erklärte, daß sie hier die Nacht zubrächten.

»Wäre es nicht besser, wir übernachteten an einem weniger bekannten Orte?« fragte Heyward, in der Annahme, daß die feindlichen Huronen von der Existenz dieses Gebäudes etwas wüßten.

»Wenige sind noch am Leben, die von der Errichtung dieses Blockhauses etwas wissen«, antwortete der Kundschafter und fuhr nach kurzem Nachdenken fort:

»Ich war damals noch ein junger Bursche, als ich mit den Delawaren auszog. Vierzig Tage und vierzig Nächte lagen die Schufte, nach unserem Blute dürstend, um dieses Blockhaus, dessen Plan ich selbst entworfen hatte. Die Delawaren halfen mir es bauen. Wir hielten es Zehn gegen Zwanzig. Endlich war unsere Zahl gleich, und wir unternahmen einen Ausfall auf unsere Feinde und keiner entkam.«

Aufmerksam hatten die Zuhörer den Erklärungen Falkenauges gelauscht, die zeigten, daß ihn auch mit dem schon verfallenen Gebäude alte Erinnerungen verbanden. Bald begaben sich alle zur Ruhe und lagen erschöpft in tiefem Schlummer. Nur Chingachgook saß unbeweglich mit wachen Sinnen vor der Pforte des Gebäudes.

Noch lag die Natur in tiefem Schlummer, als die Gesellschaft das Blockhaus verließ, das ihr kurze Stunden der Erholung geboten hatte. Der Kundschafter setzte sich wieder an die Spitze des Zuges und verfolgte trotz der Dunkelheit den Weg schnell und sicher. Der Pfad wurde immer beschwerlicher, und bald sahen sich die Reisenden immer enger von den Bergen eingeschlossen.

Falkenauge wich jetzt von der bisherigen Richtung ab und wandte sich aufwärts gegen die Berge. Der Weg wurde fast unpassierbar, da der Boden von Felsblöcken starrte. Als sie endlich aus einem Gehölz verkrüppelter Bäume hervortraten, das sich um die kahlen Wände des Gebirges zog, begrüßte sie der Morgen. Der Kundschafter ließ nun die Gesellschaft absteigen und die Pferde voller Freiheit das Gestrüpp abweiden.

Der Berg, auf dem sie standen, erhob sich tausend Fuß über der Niederung. Unmittelbar unter ihren Füßen beschrieb der Horikan von einem Berg zum anderen einen großen Halbkreis. Von den Bergen stiegen Dunstwolken empor und unten im Tal lag ein stiller See. An seinen Ufern dehnten sich die Erdwälle und Gebäude von »William Henry« aus. Vor den Festungswerken war das Land von Bäumen abgeholzt. Auf dem Fort waren Schildwachen zu sehen, die ihre Feinde aufmerksam zu beobachten schienen.

»Das Fort ist tätsächlich eingeschlossen«, bemerkte Duncan. »Gibt es kein Mittel hineinzukommen? Besser in der Festung belagert zu sein, als den herumschwärmenden Indianern in die Hände zu fallen.«

»Heyward, ich sterbe bei dem Gedanken, die Gefahr mit meinem Vater nicht teilen zu können«, sprach Kora. »Gehen wir zu Montcalm und bitten ihn, uns einzulassen.«

»Ihr würdet schwerlich mit einem Haar auf dem Kopf in das Zelt des Franzosen kommen«, entgegnete der Jäger. »Wenn ich nur eines der vielen Boote hätte, die am Ufer des Sees liegen, dann ließe es sich machen. – Doch da kommt Nebel auf. Wenn Ihr euch's getraut und mir folgen wollt, dann will ich es versuchen.«

»Wir sind bereit«, entgegnete tapfer Kora.

Der Kundschafter winkte ihnen mit der Hand zu folgen und eilte schnell, aber vorsichtig den steilen Abhang hinab. Heyward unterstützte die Schwestern und in wenigen Minuten waren sie am Fuße des Berges. Der von Falkenauge eingeschlagene Weg brachte sie bald auf die Ebene. Jetzt befanden sie sich nur noch eine halbe Meile von einem der Ausfalltore des Forts entfernt. Bald hüllte der dichter aufkommende Nebel das Lager ein. Die Mohikaner hatten rasch die nähere Umgebung nach Feinden abgesucht, ohne eine Gefahr zu entdecken.

»So kommt, der Nebel wird dichter und wir müssen handeln«, sprach in gedämpftem Tone der Kundschafter.

Auch Heyward erkannte, daß jetzt der entscheidende Augenblick gekommen war. Er trat zwischen die beiden Schwestern und trieb sie zur Eile an. Bald zeigte es sich, daß Falkenauge die Stärke des Nebels nicht überschätzt hatte. Denn kaum mehr waren die einzelnen Personen voneinander zu unterscheiden.

Schon glaubte Heyward, daß sie fast die Hälfte des Weges zurückgelegt hätten, als sie plötzlich von einem französischen Posten angerufen wurden.

»Vorwärts!« flüsterte der Kundschafter und trieb sie zur Eile an.

Im gleichen Augenblick wurde der Nebel von dem Knall von 50 Musketen erschüttert. Zum Glück konnten die Franzosen, durch den Dunst behindert, nur ins Ungewisse feuern, und die Kugeln durchpfiffen die Luft in verschiedenen Richtungen.

»Wir bekommen das ganze Heer auf den Hals!« rief Duncan aufgeregt.

Von allen Seiten waren jetzt Geschrei, Flüche und Rufe zu hören. Plötzlich erleuchtete ein starker Feuerstrahl den Nebel und mehrere Kanonenschüsse flogen über die Ebene und die Echos der Berge hallten von dem Donner der Geschütze wider.

»Die Schüsse kommen vom Fort!« rief Falkenauge und blieb plötzlich stehen. »Wir laufen falsch und gerade den Indianern in die Messer.«

Schnell beeilten sie sich, die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen. Offenbar hatten sich viele Verfolger an ihre Fersen geheftet und jeden Augenblick drohte Gefangenschaft.

»Keine Gnade den Schuften!« rief ein Verfolger, der die Bewegungen der Feinde zu leiten schien.

»Steht fest und seid bereit, meine Tapferen vom sechzigsten Regiment!« rief plötzlich eine Stimme über ihnen.

»Vater, Vater!« rief eine helle Stimme aus dem Nebel. »Wir sind es, rette deine Töchter!«

»Halt!« schrie der frühere Sprecher in väterlicher Angst. »Sie sind es! Gott hat mir meine Kinder wiedergeschenkt! Das Ausfalltor geöffnet, hinaus ihr Sechziger! Keinen Schuß, ihr könntet meine Kinder töten!«

Duncan hörte das Rasseln der rostigen Angeln und eilte rasch in die Richtung des Geräusches und stieß auf eine lange Reihe dunkelrot uniformierter Soldaten. Es war sein eigenes Bataillon, an dessen Spitze er sich sofort stellte und die Verfolger von den Festungswerken vertrieb.

Einen Augenblick hatten Kora und Alice zitternd und verwirrt dagestanden, da stürzte ein groß gewachsener Offizier mitten aus dem Nebel auf sie zu und drückte sie an seine Brust, während Tränen über sein bleiches und tiefgefurchtes Antlitz rollten.


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