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Der Überfall der Araber

Sobald sich der erste Schreck über das Erdbeben gelegt hatte, hastete Basuli mit seinen Kriegern in den Stollen zurück, um nach Tarzan und zwei gleichfalls fehlenden Leuten zu sehen.

Sie fanden den Weg durch zackige und verkeilte Felsblöcke völlig versperrt. Zwei Tage lang suchten sie sich einen Weg zu ihren eingekerkerten Genossen zu bahnen, aber als sie nach heroischen Anstrengungen erst zwei Meter des verschütteten Ganges freigelegt hatten und dabei die verstümmelten Reste ihres einen Gefährten entdeckten, mußten sie notwendigerweise zur Überzeugung kommen, daß Tarzan und der zweite Waziri ebenfalls weiter zurück unter den Felsmassen begraben lagen und längst über jede menschliche Hilfe hinaus waren.

Wieder und wieder in Arbeitspausen riefen sie ihren Herrn und ihren Kameraden beim Namen. Aber keine Antwort kam, um ihre lauschenden Ohren zu belohnen. So gaben sie endlich die Suche auf. Sie warfen einen letzten wehen Blick auf das Trümmergrab ihres Herrn, dann nahmen sie die gewichtigen Goldbarren auf, die ihrer geliebten, nun so verlassenen Herrin wenn auch kein Glück, aber wenigstens Behaglichkeit verschaffen sollten und machten sich auf ihren traurigen Weg durch das öde Tal von Opar und durch die Wälder nach dem fernen Bungalow. Aber noch während ihres Rückmarsches dahin traf dies friedliche, glückliche Heim ein trauriges Geschick.

*

Auf seines Leutnants Brief hin kam Achmed Zek von Norden her geritten und mit ihm kam seine Horde – teils gesetzlose Plünderer und Räuber arabischer Abkunft, teils ebenso schlimme Neger, die er auf seinen ungestraften Kreuz- und Querzügen aus den Dörfern der niedrigstehenden und unwissenden Kannibalen zusammengelesen hatte.

Mugambi, der ebenholzfarbene Herkules, der seit den Erlebnissen auf der einsamen Dschungelinsel des Ozeans alle Gefahren und Abenteuer seines geliebten »Bwana«, seines Herrn, bis zum Oberlauf des Ugambi geteilt hatte, bemerkte als erster das Eindringen der unheimlichen Karawane.

Ihm hatte Tarzan die Krieger unterstellt, welche er zu Lady Greystokes Schutz zurückgelassen hatte, und einen treueren und tapferen Wächter hätte er in keinem Lande gefunden. Ein Riese von Gestalt, ein wilder, furchtbarer Krieger, besaß Mugambi auch eine seiner Statur und Wildheit gleichkommende Seelengröße und Urteilskraft.

Nicht ein einziges Mal seit seines Herrn Abmarsch hatte er das Bungalow weiter als auf Sicht- oder Hörweite verlassen. Nur wenn Lady Greystoke der Eintönigkeit des Alleinseins müde über die Ebene ritt oder auf eine kurze Jagd ging, begleitete sie Mugambi auf einem zähen Araber wie ihr Schatten.

Die Räuber waren noch weit weg, als sie der Krieger schon mit seinen scharfen Augen entdeckte. Eine Zeitlang betrachtete er still prüfend die herannahende Schar, dann rannte er zurück zu den Hütten der Eingeborenen hinter dem Bungalow.

Er rief die müßig herumliegenden Krieger auf und gab schnell seine Befehle, denen zufolge die Leute zu den Waffen griffen. Einige eilten fort, um die Feldarbeiter und die Hirten bei den Herden zu warnen. Die Mehrzahl folgte Mugambi an das Bungalow.

Die Staubwolke der Eindringlinge war noch weit weg. Mugambi konnte nicht sicher wissen, ob sie einen Feind in sich barg. Aber er hatte sein ganzes rauhes Leben im wilden Afrika verbracht und hatte schon früher solche Horden unangemeldet kommen sehen. Sie konnten in friedlicher, sie konnten in feindlicher Absicht kommen. Das ließ sich nicht vorhersagen. Es war besser, gerüstet zu sein. Die hastige Annäherung war jedenfalls auffällig.

Das Greystoke-Bungalow war wenig auf Verteidigung eingerichtet. Es hatte nicht einmal eine Palisadenwand, denn hier im Herzen des Wazirilandes hatte sein Eigentümer keinen feindlichen Angriff für möglich gehalten. Lediglich schwere Holzschalter konnten die Fenster gegen feindliche Pfeile sichern, und diese ließ Mugambi gerade herunter, als Lady Greystoke auf der Veranda erschien.

He! Mugambi! rief sie. Was ist denn los? Warum schließt du die Schalter?

Mugambi deutete auf die weißmänteligen Reiter, die sich jetzt deutlich draußen auf der Ebene zeigten.

Araber, erklärte er. In der Abwesenheit des »großen Herrn« kommen sie mit keiner guten Absicht.

Jenseits des sauberen Rasens und der blühenden Büsche sah Jane Clayton die glänzenden Körper der Waziri. Die Sonne leuchtete auf den Speerspitzen und den prächtigen Farben ihres Kriegsaufputzes aus Federn, auf die glatte Haut ihrer breiten Schultern bronzene Reflexe gießend.

Jane schaute mit ungemischtem Stolz und mit Freude auf sie. Was konnte ihr unter solchem Schutz weiter begegnen?

Die Räuber hielten kaum hundert Schritte entfernt auf der Ebene. Mugambi eilte hinab zu seinen Kriegern. Er trat einige Schritte vor sie und rief die Fremden an. Achmed Zek saß aufrecht im Sattel vor seinen Halsabschneidern.

Araber! rief Mugambi, was suchst du hier?

Wir kommen in Frieden, rief Achmed Zek zurück.

Dann gehe in Frieden, erwiderte Mugambi. Wir brauchen euch hier nicht. Zwischen Araber und Waziri gibt es keinen Frieden.

Mugambi, obgleich kein geborener Waziri, war in den Stamm aufgenommen worden, und es gab keinen, der eifriger auf dessen Ruf und dessen Tapferkeit gesehen hätte.

Achmed Zek zog sich auf eine Seite seiner Horde und sagte leise etwas. Einen Augenblick danach prasselte eine Salve ohne vorherige Warnung in die Reihen der Waziri. Einige Krieger fielen, die übrigen wollten sich auf die Angreifer stürzen. Aber Mugambi war ein ebenso vorsichtiger als tapferer Führer. Er wußte, wie nutzlos es war, flintenbewaffnete Gegner so anzugreifen; deshalb zog er seine Streitkräfte hinter die Büsche des Gartens zurück. Einige verteilte er auf verschiedene Stellen rund um das Bungalow, ein halbes Dutzend schickte er hinein mit dem Befehl, ihre Herrin drin zurückzuhalten und mit ihren Leibern zu decken. Achmed Zek wendete nun die Gefechtsart der Wüstenkämpfer an, von welchen er stammte. Er führte seine Mannen im Galopp als lange dünne Linie in einem großen, allmählich kleiner werdenden Kreise um die Verteidiger.

Aus dem den Verteidigern nächsten Bogen des Kreises regnete ein dauerndes Feuer auf die hinter den Büschen verborgenen schwarzen Krieger. Die ihrerseits sandten ihre schlanken Pfeile auf die nächsten Gegner. An diesem Tage brauchten sich die als gute Bogenschützen bekannten Waziri ihrer Leistung nicht zu schämen. Wieder und wieder warf einer der braunen Reiter die Arme hoch und stürzte, von einem tödlichen Pfeil durchbohrt, aus dem Sattel. Aber der Kampf war zu ungleich. Die Araber waren den Waziri an Zahl überlegen, und ihre Kugeln drangen in die Büsche und trafen selbst Ziele, welche die arabischen Schützen gar nicht gesehen hatten. Bald schwenkte Achmed Zek eine halbe Meile hinter dem Bungalow ein, riß einen Teil der Zäune nieder und führte seine Schurken hinein in die Farm.

In wilder Jagd hetzten sie querfeldein. Sie hielten nicht an, um weitere Zäune niederzureißen, geradewegs trieben sie ihre wilden Rosse und setzten so leicht wie beschwingte Möven darüber hin.

Mugambi sah sie kommen und schrie den übriggebliebenen Kriegern zu, sich direkt an das Bungalow zurückzuziehen. Auf der Veranda stand Lady Greystoke mit der Büchse, und mehr als ein Räuber erlag ihren festen Nerven und ihrem ruhigen Zielen. Mehr als ein Pferd lief reiterlos die Attacke der anderen mit.

Mugambi schob seine Herrin zurück in die Sicherheit der Innenräume und suchte mit seinen auseinandergezogenen Leuten dem Feind zum letzten Male Halt zu bieten.

Die Araber kamen mit Geschrei heran und schwangen ihre langen Flinten über den Köpfen. Sie jagten an der Veranda vorbei und sandten ein mörderisches Feuer in die Waziri, welche ihre Salve von Pfeilen kniend hinter ihren langen ovalen Schilden abgaben. Um einen Pfeil oder einen Speer abzuhalten, waren die Schilde gut genug, aber gegen die Bleigeschosse der Flinten waren sie wertlos.

Unter den halbgeöffneten Schaltern des Bungalows schossen die anderen Bogenschützen besser und gedeckter, deshalb zog Mugambi nach diesem ersten Angriff seine sämtlichen Leute in das Haus zurück.

Wieder und wieder griffen die Araber an, bis sie schließlich außerhalb der Tragweite für die Pfeile des Verteidigers im Kreise hielten und aus dieser neuen Stellung die Fenster beschossen.

Die Waziri fielen einer nach dem anderen. Weniger und weniger Pfeile antworteten auf die Gewehrschüsse der Räuber, bis Achmed Zek zuletzt einen Sturm für erfolgreich hielt.

Im Laufen weiterfeuernd, stürzte die Horde nach der Veranda. Ein Dutzend fiel unter den Pfeilen der Verteidiger, aber die Mehrzahl erreichte die Tür. Schwere Gewehrkolben schmetterten dagegen. In das Krachen des splitternden Holzes mischte sich der Knall des Gewehres, wenn Jane Clayton durch die Paneele auf den zähen Feind schoß.

Auf beiden Seiten der Tür fielen Leute, aber schließlich gab die schwache Trennungswand dem wilden Ansturm der Angreifer nach. Sie fiel nach innen, und ein Dutzend finsterer Männer brachen in den Wohnraum. Am anderen Ende stand Jane Clayton, umgeben vom Rest ihrer treuen Beschützer. Der Boden war mit Körpern derer bedeckt, welche bereits ihr Leben für sie gelassen hatten. Vorne vor allen anderen stand der riesige Mugambi. Die Araber hoben die Gewehre, um mit einer letzten Salve jeden Widerstand zu brechen, aber Achmed Zek schrie ein Verbot und die Zeigefinger am Abzug blieben lang.

Nicht auf das Weib feuern! schrie er. Wer sie verletzt, stirbt! Fangt das Weib lebendig!

Die Araber sprangen durch das Zimmer, die Waziri begegneten ihnen mit ihren Speeren. Schwerter blitzten, lange Doppelpistolen knallten todbringend dazwischen. Mugambi trieb seinen Speer dem nächsten Gegner durch den Leib, dann entriß er einem anderen die Pistole, faßte sie am Lauf und zerschmetterte jedem den Schädel, der seiner Herrin zu nahe kam.

Durch sein Beispiel angefeuert, fochten die wenigen Verbliebenen wie wahre Teufel, aber einer nach dem anderen fiel, bis nur noch Mugambi übrig war, um Leben und Ehre von des Affenmenschen Weib zu verteidigen.

Aus der anderen Ecke des Zimmers bewachte Achmed Zek mit seiner edelsteinbesetzten Flinte in der Hand den ungleichen Kampf und feuerte seine Häscher an. Jetzt hob er langsam die Flinte und wartete, bis Mugambi bei einer Bewegung so stehen würde, daß er, ohne das Weib oder einen Gefährten zu treffen, auf ihn schießen konnte.

Endlich ersah er den Augenblick, berührte den Abzug und der tapfere Mugambi sank ohne einen Laut von sich zu geben vor die Füße Jane Claytons.

Im Nu war sie umzingelt und entwaffnet. Ohne ein Wort schleppte man sie aus dem Bungalow. Ein riesiger Neger hob sie vor sich auf den Sattel und ritt mit ihr aus der Umzäunung, um auf seinen Herrn zu warten, während die Räuber Bungalow und Nebengebäude plünderten.

Jane Clayton sah, wie die Räuber die Pferde von der Koppel holten und das Vieh von den Feldern zusammentrieben. Sie sah, wie alles, was für die Araber nur den geringsten Wert hatte, aus ihrem Heim herausgeholt wurde, sie sah, wie Feuer angelegt wurde und wie die Flammen ergriffen, was übrig war.

Als dann zuletzt die Räuber ihrem Grimm und ihrer Habgier Genüge getan hatten, ritten sie mit ihr nach Norden davon, aber sie sah noch den Rauch und die Flammen zum Himmel steigen, bis der Weg ins Waldesinnere führte, wo das traurige Bild ihren Augen verhüllt wurde.

Als die Flammen den Wohnraum erreichten und schon mit gierigen Zungen die Leichen der Gefallenen beleckten, bewegte sich aus der stillen Versammlung einer, dessen Wunden seit einiger Zeit zu fließen aufgehört hatten. Mugambi, den die Araber für tot hatten liegen lassen, lebte noch.

Als ihn die sengenden Flammen schon erreichten, erhob er sich unter Qualen auf Hände und Knie und kroch langsam nach der Tür. Wieder und wieder fiel er zusammen, aber jedesmal raffte er sich auf, um seinen peinvollen Weg nach dem rettenden Ausgang fortzusetzen. Nach einer ihm unendlich scheinenden Zeit, während der die Flammen am anderen Ende des Raumes schon wie in einem feurigen Schmelzofen rasten, gelang es dem schwarzen Riesen, die Veranda zu erreichen. Er rollte sich die Stufen hinab und kroch in die sichere Kühle einiger nahestehender Sträucher. Dort lag er die ganze Nacht, bald bewußtlos, bald wieder bei schmerzvoller Besinnung. In solchen Augenblicken sah er mit wildem Grimm in die Flammen, die immer noch aus dem brennenden Stall und dem Heuschober aufstiegen. Ein herumstreichender Löwe brüllte in nächster Nähe, aber der riesige Schwarze wußte nichts von Furcht. In seinem wilden Herzen war nur Raum für einen Gedanken: Vergeltung! Vergeltung!


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