Laurids Bruun
Aus dem Geschlecht der Byge. Zweiter Band
Laurids Bruun

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25

Der Bürgermeister besprach die Sache mit seiner Frau, die ganz beschämt war bei dem Gedanken, wie gründlich man sich in Herrn Byge geirrt hatte.

Man hatte einen akademisch gebildeten Mann aus guter alter Familie boykottiert, der noch dazu – das wurde bald herausgefunden, als man erst wußte, wo er hingehörte – der Schwiegersohn des angesehenen Departementschefs Kruse gewesen war. Einen Mann, der erhabene patriotische Gefühle und ideale Grundsätze über die Forderungen nährte, die an die Erziehung der heranwachsenden Generation gestellt werden mußten.

Der Bürgermeister vertraute sich dem alten Stiftsphysikus an, der sich köstlich über die Geschichte amüsierte. Er war seit langem pensioniert und konnte es sich leisten, die Rolle eines Zuschauers zu spielen.

Sowohl er wie der Amtsvorsteher waren sich darin einig, daß man diesem Mann, der ohne kleinlichen Groll zum Bürgermeister gekommen war, um ihm dieses Ehrenamt anzubieten, eine Rehabilitierung schuldig sei.

Der Bürgermeister sprach mit dem Apotheker, den er am nächsten Morgen auf dem Marktplatz traf, in den lebendsten Ausdrücken von der Errungenschaft, die Herr Byge mit seinem seltenen Bürgersinn für die Stadt sei.

Als der Apotheker kurz darauf Svend begegnete, nahm er den Hut tief vor ihm ab.

Es war ein vollständiger Umschwung in weniger als zwei Tagen.

 

Der Bürgermeister kam offiziell ins Hotel, um Svends Besuch feierlich zu erwidern.

Er dankte in zierlichen Redewendungen für das Zutrauen, das Byge ihm erzeigt habe. Er habe sich die Sache überlegt und willige mit Vergnügen ein, Vorsitzender des Komitees zu werden. Im Anschluß daran wolle er den Vorschlag machen, daß das Komitee seine Wirksamkeit damit eröffne, eine öffentliche Versammlung zu veranstalten, damit Herr Byge seine Ideen den Bürgern entwickeln und sie für einen allgemeinen Anschluß erwärmen könne.

Von da ging der Bürgermeister behend zu dem kitzligen Punkt über, zu der Entschuldigung, die er im Namen des Vereins von 1888 machen sollte.

»Diese öffentliche Versammlung, mein lieber Herr Byge, möchten wir hier im Hotel abhalten, und ich habe den Auftrag, Sie im Namen des Vereins – der aufs tiefste bedauert, sich durch grundlose Gerüchte zu einer äußerst ungeschickten Demonstration haben verleiten lassen – zu bitten, ob Sie und Ihre Frau uns die Ehre antun wollen, sich als Mitglieder des Vereins zu zeichnen. Dem Verein wird es ein Vergnügen sein, durch vollzähliges Erscheinen der von Ihnen angeregten Sache seinen wärmsten Beifall zu erkennen zu geben.«

Svend dankte lächelnd.

Nachdem die offizielle Seite der Sache glücklich überstanden war, teilte der Bürgermeister ihm mit, daß er auch über die Angelegenheit mit der Volksschule nachgedacht habe.

Es sei nämlich eine Schwierigkeit dabei, die Herr Byge übersehen habe, und zwar die Rücksicht auf die beiden Privatschulen, auf deren Rektoren und Lehrerpersonal. Es seien brave, tüchtige Leute, die man nicht so ohne weiteres brotlos machen könne. Aber nun habe er eine Lösung gefunden, die jedoch vorläufig unter ihnen bleiben müsse. Er wolle in einer der ersten Stadtratssitzungen vorschlagen, daß die Stadt diese Schulen übernehmen, sie vereinigen und zu einer Fortbildungsschule machen solle, bei der jedes Volksschulkind ganz ohne Standesunterschied angemeldet werden könne, wenn die nötige Begabung vorhanden sei.

Bevor der Bürgermeister ging, äußerte er den Wunsch, der Frau des Hauses vorgestellt zu werden. Lisbeth kam herein und wurde mit ausgesuchter Höflichkeit fünf Minuten lang konversiert. Der Bürgermeister schloß damit, daß er hoffe, Svend und Lisbeth bald als Gäste in seinem Haus zu sehen, worauf er das Hotel verließ, mit sich selbst zufrieden und in dem sicheren Gefühl, daß er wie gewöhnlich Herr der Situation geblieben sei.

 

Die öffentliche Versammlung wurde durch die drei Zeitungen der Stadt und durch Plakate an allen Straßenecken bekanntgegeben.

Als der Tag kam, war der große Saal des Hotels, gleich nachdem die Türen geöffnet waren, bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Mitglieder des Vereins von 1888 waren versprochenermaßen vollzählig erschienen.

Svend hielt seinen Vortrag, ruhig, kurz und klar. Er gab ihnen nicht mehr, als sie vorläufig zu wissen brauchten – sagte, daß Aaberg ein Beispiel geben und dem ganzen Lande vorangehen sollte, appellierte an die Opferwilligkeit, indem er gleichzeitig hervorhob, daß es mit der Zeit eine ausgezeichnete Geldanlage werden würde. Dafür bürgten so ausgezeichnete Namen wie der Bürgermeister und der Schiffsbauer Christensen. »Aaberg, das dem ganzen Lande vorangehen sollte«, zündete gewaltig. Besonders der Verein empfand es als Ehrenpflicht zu applaudieren.

Als Svend die Rednertribüne verließ, drückte der Bürgermeister ihm feierlich die Hand. Darauf bestieg er selbst den Rednerstuhl und hielt eine seiner sein ausgearbeiteten und eleganten Reden, in denen er wirklich Meister war. Das hatte selbst Christensen, der für gewöhnlich sein Gegner war, mehrmals einräumen müssen. Er endigte mit einem Hoch auf Svend Byge!

Es wurde so laut gerufen, daß die Fensterscheiben klirrten. Wer am schlimmsten über Svend und Lisbeth geklatscht hatte, rief am lautesten. Der Apotheker hörte nicht auf, seinen Hut zu schwingen, bevor er sicher war, daß sowohl der Hotelbesitzer wie seine Frau seine Anerkennung bemerkt hatten.

Hinterher war ein gemeinsames Mittagessen.

Beim Dessert stand Christensen auf und zeichnete Aktien für zehntausend Kronen und imponierte dem Bürgermeister, indem er ihm als Vorsitzendem den Betrag in einem Scheck überreichte.

Aber nicht genug damit. Er wartete, bis die Aufregung sich gelegt hatte. Dann spielte er noch einen Trumpf aus.

»Außerdem verspreche ich, daß mein Sohn, Knud Grönvold-Christensen, in die Fischereilehre kommen soll! – Denn wie Byge sagt: ›Wir brauchen nicht nur Geld, sondern auch junge Leute‹!«

Die Stimmung war auf ihrem Höhepunkt. »Geld und junge Leute«, das war gut. Das ging wie ein Refrain von Mund zu Mund.

Als Svend schließlich aufstand und 5000 Kronen und zwei Jungen versprach, wollte der Jubel kein Ende nehmen.

Keiner wollte zurückstehen. Und mehr als ein ehrsamer Bürger kratzte sich am nächsten Tage bedenklich den Kopf, weil er fürchtete, daß er bei Becherklang nicht nur all sein Erspartes, sondern auch seinen einzigen Jungen versprochen hatte, der einst sein Geschäft übernehmen sollte, wie er selbst es von den Vätern ererbt hatte.

 

Tags darauf stand in der größten Zeitung der Stadt an hervorragender Stelle ein Artikel mit der Überschrift: »Wahrer Patriotismus«, in der die neue Sache, die die Stadt eingeleitet, und der Plan, den das Komitee vorläufig seinen Arbeiten zugrunde gelegt hatte, geschildert wurden. Der Artikel erinnerte auffallend an die Rede des Bürgermeisters, und Eingeweihte behaupteten, daß er von ihm sei.


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