Georg Bötticher
Allerlei Schnick-Schnack
Georg Bötticher

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An die Poeten und Kritiker.

        Verehrte Poeten! Im neuen Jahr
Nehmt, bitt ich, vor allem eines wahr:
    Sucht uns nicht immer nur zu verstimmen!
    Laßt's mit dem Häßlichen und Schlimmen,
    Des wir genug nun haben, bewenden!
    Reicht uns auch einmal mit freundlichen Händen
    Etwas Erquickliches, etwas Gutes!
    Zeigt euch auch einmal frohen Mutes,
    Nicht bloß strafend und weltverdrossen!
    Wir verlangen ja keine Possen,
    Möchten uns eben nur gern erfreuen.
    Aber können wir das bei euch Neuen?
    Ist nicht in all euern Büchern zu lesen:
    Wie so verworfen das menschliche Wesen,
    Wie so gemein die Kreatur,
    Wie so erbärmlich die Menschennatur?
    Ach, daß ihr zeigt, woran sie krankt,
    Wahrlich, das sei euch wenig gedankt.
    Haben wir das nicht immer gewußt?
    Löst ihr vielleicht die beklommene Brust
    Durch das allewige Lied vom Leide?
    Helft uns zu reiner Daseinsfreude!
    Laßt uns am Borne der Schönheit gesunden
    Von der Gemeinheit Gebresten und Wunden,
    Von der Alltäglichkeit Dünsten und Schwaden
    Unsre unsterbliche Seele entladen!
    Laßt uns die Quellen des Guten blinken,
    Daß wir vom Bösen Genesung trinken!
    Wollt ihr uns Bilder des Lebens geben,
    Wohl, so gebt uns erfreuliches Leben!
    Also haben's die großen Alten,
    Werden's die großen Neuen halten.
    Glaubt: nur an dem, was gut und schön,
    Kann sich die Menschennatur erhöhn. –
Euch aber, werte kritische Degen,
Möcht ich ein Andres ans Herze legen:
    Wenn ein armseliges Schankwirtlein
    Einmal versucht, seinem saueren Wein
    Mittels Zucker und Blaubeersaft
    Süße zu schaffen und Farbe und Kraft –
    O, was ihr da die Nasen rümpft
    Und auf die Mantscher und Pantscher schimpft!
    Was ihr da Zeter und Mordio schreit,
    Daß sie die »edelste Flüssigkeit«
    Uns verderben, vergiften – die Bösen!
    Wenn aber eure modernen »Größen«
    In den Nektar, der »Freude« heißt,
    In den lautersten Lebenstrank,
    Dem die Menschheit ewigen Dank
    Schuldet, den sie als göttlich preist,
    Allerlei Greuliches, Scheußliches gießen,
    Daß ihn der Teufel möchte genießen –
    Da schaut ihr Kritiker ruhig zu,
    Definiert uns wohl gar den Hautgout
    Von dem eklen Höllengebräu
    Und belehrt uns noch heilig dabei:
    Wie der unheimlich-widrige Dunst
    Hergestellt sei mit großer Kunst!
    Ei, so gehabt euch doch nicht so verzwickt:
    Nennt, was verrückt ist, auch eben verrückt!
    Mögt ihr den Wahnsinn im Zimmer leiden?
    Seid ja doch sonst nicht allzu bescheiden.
    Nennt ihr euch Kämpfer, so setzt euch zur Wehre! –
    Fahrt mir auch tapfer einmal mit der Schere
    Unter die jüngsten poetischen Sprossen,
    Die so frech in die Höhe geschossen,
    In das prahlerisch-wuchernde Grün!
    Schneidet nur wacker, so wird's vielleicht blühn,
    Blühn und am Ende auch Früchte tragen,
    Nämlich solche, die mit Behagen
    Reinliche Menschen mögen verspeisen
    Und nicht mit Ekel von sich weisen.
        Tut so! Von allen euern Werken,
        Wird dies am meisten die Dichtkunst stärken!

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