Georg Bötticher
Allerlei Schnick-Schnack
Georg Bötticher

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Bruder Liffard.

        Im Kloster Himmerode war
Ein wackrer Schweinehüter,
Herr Liffard, mehr als vierzig Jahr
Die Zier der Laienbrüder.
Voll Demut und Bescheidenheit
Hat er in dieser langen Zeit
Des wichtgen Amts gewaltet
Und liebevoll geschaltet.

In diesen Mann ist jäh der Geist
Der Hoffart eingefahren.
Er zeigte plötzlich – wie es heißt –
Ein »dünkelhaft Gebahren«:
Verweigerte der Schweine Hut,
Ja, hielt in seinem Übermut
Und als begnadet Wesen
Für Rindvieh sich erlesen!

Da ist ihm nachts im Kämmerlein
Einst ein »Gesicht« erschienen:
Er sah, umstrahlt von hellem Schein,
Mit hoheitsvollen Mienen
Gar hold und unbeschreiblich schön
Die Mutter Gottes vor sich stehn.
Die tat ihn ernst bedeuten,
In's Feld sie zu begleiten.

Sieh, da war draußen auf dem Feld
Sein Herdenvolk zu schauen:
In Reihen hockten dicht gesellt
Hacksch, Ferkelchen und Sauen.
Und jedes trug von Ohr zu Ohr
Am Halse einen schwarzen Flor,
Und alle schluchzten kläglich
Und wahrhaft herzbeweglich.

Die Mutter Gottes aber führt'
Ihn durch die Trauerreihen,
Die ganz erbärmlich quinquiliert . . .
Und als das Klageschreien
Und Quieken laut und lauter scholl,
Sprach sie zu Liffard vorwurfsvoll:
»Du hörst es, wie sie leiden.
Von diesen wolltst du scheiden?!«

Nach selbigem ist auf dem Fleck
Die hohe Frau verschwunden . . .
Der Liffard aber ward vor Schreck
Halbtot im Bett gefunden.
War auch nach diesem unverweilt
Von allem Hoffartsgeist geheilt
Und ganz wie ehmals wieder
Der treu'ste Schweinehüter.


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