Georg Bötticher
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Georg Bötticher

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Der König und die Harfnerin.

              Was schleppen die vier Mannen
In den hohen Königssaal?
Ein Kasten ist's von Tannen,
Gar breit und schwer zumal.
Dem Kasten sie entschälen
Eine Harfe, reich und stark,
Ein Kunstwerk ohne Fehlen,
Wohl wert an tausend güldne Mark.

Die Harfnerin, die nette,
Tritt, neigend sich, heran,
Abstreift sie die Manschette
Und fängt zu harfen an:
Hei, wie sie silbertönig
Die straffen Saiten streicht!
Dem alten guten König
Das Herz im Leib zu hüpfen deucht.

Ihm wird, je mehr die Kleine
Die Harfe zupft und knipst,
Ihm wird, als wär vom Weine
Er selig-süß beschwipst.
Er ruft zu der Gemahlin:
»Ich finde das kolossal!«
Und dann laut in den Saal hin:
»O bitte, spielen Sie das noch mal!«

Von neuem silbertönig
Erklingt das Zauberstück . . .
Die Königin dem König
Zuschleudert einen Blick!
Der hat sich abgewendet
Vom Klang rein wie betört . . .
Und als das Spiel geendet,
Er stürmisch auf vom Sessel fährt!

Die zarten Händchen beide
Der Kleinen er erfaßt:
»Sie machen uns die Freude
Und bleiben hier zu Gast?
Nicht wahr, Sie ziehn nicht weiter,
Sie liebe Harfnerin?« . . .
Da trifft ihn jäh ein zweiter
Furchtbarer Blick der Königin!

Er stammelt, stockt verlegen:
»Das heißt – es fällt mir ein –
Es wird des Umbaus wegen
Für jetzt nicht möglich sein –
Jedoch in spätern Tagen –
Sobald wir erst instand –
Und – was ich wollte sagen:
Ihr Spiel war wirklich höchst scharmant!«

Die Harfnerin, die nette,
Neigt sich, die Hand aufs Herz,
Anlegt sie die Manschette
Und zieht sich rückewärts.
Es bergen die vier Mannen
Die Harfe im Futteral –
Und mit dem Kasten von Tannen
Verlassen langsam sie den Saal . . .


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