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Der Schutzgeist

Eine dramatische Legende von Kotzebue

1818

Der Schutzgeist der Bühne war es nicht, welcher diesen Schutzgeist auf die Bühne gebracht, Voltaire hat Lustspiele geschrieben und Kotzebue Trauerspiele: sie haben beide nicht wohl daran getan. Der Bewunderung und Dankbarkeit fällt es freilich nicht schwer, diesen großen Männern ihre Schwächen nachzusehen; aber diesen Schwächen auch zuzusehen, vier Stunden lang durch sieben Akte, das ist schon nicht so leicht. Wie abgeschmackt, ohne Phantasie erdacht und ohne sinnbildliche Bedeutung ist diese Legende vom Schutzgeiste, soweit sie aus ihrer dramatischen Bearbeitung erkannt wird. – Ein Knabe wird auf der Chaussee vom Blitze gerührt und von seinen Eltern auf die Bahre gelegt. Nicht lange, so steht er vom Tode wieder auf, will aber mit seinen betrübten, ihn beweinenden Eltern nichts mehr zu tun haben und sagt, er habe wichtigere Geschäfte, nämlich der Schutzgeist einer bedrängten Königswitwe zu sein. Wie dieser junge zu der Ehre komme, als Himmelsbote gebraucht zu werden, ist ebensowenig begreiflich, als wodurch die Königin Adelheid diese himmlische Einmischung in ihr irdisches Dasein verdient haben mag. Unglück allein gibt keine Ansprüche auf die Heiligkeit; wäre dies, so gäbe es viele Heilige. Königin Adelheid hat eine Krone und ihren Mann verloren und trägt ihre Leiden keineswegs mit Ergebung. Auch läßt sie sich überreden, noch einmal zu heiraten, und ist wahrscheinlich im siebenten Akte, der nicht mehr auf der Bühne spielt, sehr vergnügt. Ich möchte wissen, worin ihre Tugend bestehe? Wie nur Kotzebue mit der ihm eigenen Klarheit und Verständigkeit einen solchen Stoff hat bearbeiten mögen!


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