Björnstjerne Björnson
Gedichte
Björnstjerne Björnson

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Psalmen

I

    Ich fühl' in mir
    Den Drang nach dir,
Du Harmonie, im All entfaltet.
    Bin ich verbannt?
    Hast du erkannt,
Daß ich mein Eigen schlecht verwaltet?
    Denn ohne Kraft,
    Bald feig erschlafft,
Bald in Verzweiflung sieh mich beten,
    Daß Trost und Gnad',
    Ein Ruf, ein Rat
Mich aufhebt, wo du mich zertreten.
    Gott, hör' mein Wort!
    Stoß mich nicht fort
Vom Hoffen auf mein Ziel und Streben!
    Mein Stern lischt aus; –
    Von nächtigem Graus
Sind meine Schritte nun umgeben.
    Im öden Sinn
    Wogt her und hin
Ein Schwarm von schreckensvollen Geistern.
    Ihr, oft verjagt,
    Was wollt ihr, sagt?
Nur heut kann ich sie nicht bemeistern.
    Ach, Friede, komm!
    Laß glaubensfromm
Des Lebens starkes Band mich tragen!
    Laß nicht nach mir
    Vergebens hier
Mich zweifelnd suchen, rufen, fragen!

II

Ehre dem ewigen Frühling im Leben,
    Der alles durchweht!
Kleinstem wird Auferstehung gegeben,
Die Form nur vergeht.
    Geschlecht auf Geschlecht
Müht sich empor zu schreiten;
    Art bringt Art hervor
In unendlichen Zeiten;
Welten gehn unter und steigen empor.

Nichts ist so klein, daß nicht Kleinres bestünde
    Unsichtbar.
Nichts ist so groß, daß nichts Größres bestünde
    Ferne von ihm.
    In der Erde der Wurm
Ist Berge zu bauen imstand'.
    Der Staub im Sturm
Oder der rinnende Sand,
Reiche hat er gegründet einst.

Unendlich das All, und Großes und Kleines
    Verschmelzen darin.
Kein Auge wird schauen das Ende – keines
    Sah den Beginn.
    Der Ordnung Gebot
Hat lebenerhaltend das All beseelt;
    Furcht und Not
Zeugen einander; was uns quält,
Wird zum Born, der die Menschheit stählt.

Ewigkeitssamen sind wir, die leben.
    Im Schöpfungstage
Wurzeln unsre Gedanken; sie schweben,
    Antwort wie Frage,
    Saatenvoll,
Über dem ewigen Grunde;
    Frohlocken drum soll,
Wer in einer schwindenden Stunde
Mehrte die Erbschaft der Ewigkeit.

Tauch' in die Wonnen des Lebens, du Blüte
    Im Frühlingsrain;
Genieße, preisend des Ewigen Güte,
Dein kurzes Sein.
    Füg' auch du
Schaffend dein Scherflein hinzu;
    Klein und zag,
Atme, soviel deine Kraft vermag,
Einen Zug in den ewigen Tag!

III

Chor

Wer bist du, von tausend Zeiten und Zungen
Mit tausend Namen genannt?
Du hieltst unsre Sehnsucht mit Armen umschlungen,
Warst Hoffnung den Vätern ins Joch gebannt;
Warst Ängsten des Todes der nachtdunkle Gast,
Warst Lebensfesten der Sonnenglast.
Noch bilden wir alle verschieden dein Bild,
Noch nennen wir jedes Offenbarung,
Und jedem seins für das wahre gilt –
Bis daß es zerbricht in bittrer Erfahrung.

Solo

    Ach, wer du auch seist,
    In mir ist dein Geist;
Meiner Seele ewiger Ruf – das bist du! –
    Nach Licht und nach Recht,
    Nach Sieg im Gefecht
Für den kommenden Tag, das bist du, das bist du! –
    Ein jedes Gebot,
    Das ins Aug' uns loht,
Oder das nie uns bewußt, das bist du! –
    Mein Leben ruht
    In schirmender Hut,
Und es jubelt in mir: das bist du, das bist du!

Chor

Da nimmer wir können dein Wesen erreichen,
Erdachten wir uns Vermittler von dir;
Sie alle ließ ein Jahrtausend erbleichen,
Und wieder stehen wir weglos hier.
Sind krank wir geworden und klammern uns an?
Wo winkt uns ein Trost für den Traum, der zerrann?
Der Ewigkeitshoffnungen leuchtend Verlangen,
Das hoch uns erhob aus des Lebens Jammer,
Soll's weichen in schauderndem Todesbangen,
Sich wandeln zum Wurm in unserer Kammer?

Solo

    Er, der mich durchhaucht,
    Nein, nimmer er braucht
Den Mittler; ich hab' ihn in mir: das bist du!
    Ist mein Ewigkeitsflug
    Sein Wille, und trug
Mich zur Taufe sein Geist – bist es du, bist es du. –
    Werd' ich teilhaft, ich Nichts,
    Des ewigen Lichts?
In Demut mich beug' ich; denn ich weiß, das bist du!
    Still wart' ich und fromm:
    Erwecker, o komm,
Wenn du willst, wie du willst – das bist du, das bist du!


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