Björnstjerne Björnson
Gedichte
Björnstjerne Björnson

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Norwegische Natur

(Auf Ringerike während des Studententages 1869)

Wohlauf, ihr Wanderer, singt,
Von Norges Herrlichkeit umringt!
    Laßt stille den Ton sich ranken,
    Wie Farben vorüberschwanken
Zu Fjord und Strand, Gebirg und Flur
Und Wald im Borne der Natur.

Die Glut in des Volkes Drang,
Die tiefe Kraft in seinem Sang,
    Hier hebt sie zu dir die Augen,
    Um deine Schönheit zu saugen,
Und daß du dich vor ihr enthüllt,
Dankt dir ein Blick, von Lieb' erfüllt.

Hier kam die Geschichte zur Welt,
Hier träumte Halvdan als ein Held.
    Er sah in Nebelgestalten
    Das ganze Reich sich entfalten,
Und Nore stand und gab ihm Mut,
Und in die Weite wies die Flut.

Hier führe des Liedes Chor
Der Heimat ganzes Bild uns vor!
    Es brause der Sturm in der Stille;
    Ins Milde soll dringen der Wille:
Wenn sich das Land zusammenschart,
Erkennt ein jeder unsre Art.

Was immer als erstes sie will,
Sind hundert Häfen im April.
    Da hebt sich das Herz zum Gotte,
    Wenn Anker lichtet die Flotte;
Norges Gebete segeln fort
Mit sechzigtausend Mann an Bord.

Schau'    felsigen Küstenhang
Mit Möwen, Walen, Platz zum Fang,
    Fahrzeugen im Inselschutze,
    Doch Boten im Wogentrutze
Und Garn im Fjord, Schleppnetz im Sund –
Von Rogen weiß den ganzen Grund.

Im wilden Lofotenschwarm
Umschlingt den Fels der Meeresarm;
    Die Höhen hält Nebel umzogen,
    Doch am Fuße keuchen die Wogen,
Und alles dunkelt, schreckt und droht;
Jedoch im Strudel Boot an Boot.

Den Eismeerfahrer dort schau'
Hinziehn durch Schnee und Dämmergrau.
    Laut schallen Kommandoworte;
    Durchs Eis wird gebrochen die Pforte,
Und Schuß auf Schuß die Seehundsjagd,
Doch Leib und Seele unverzagt.

Dann kommen wird abends zu Gast,
Wo das Gebirgsvolk weilt zur Rast,
    Wo Kühe man melkt auf den Matten
    In des dräuenden Felshangs Schatten,
Wo sehnsuchtsbangem Fragelaut
Natur die Antwort anvertraut.

Doch müssen wir weiter im Flug;
Denn unser wartet noch genug, –
    Das Bergwerk, drin Erze wuchten,
    Die Renntierjagd in den Schluchten,
Der schäumend weiße Strom, der stolz
Zu Tale trägt des Flößers Holz.

Und weilen wir wieder hier,
Die breiten Dörfer lieben wir,
    Wo Bauern in treuem Walten
    Hoch unsere Ehre halten;
Von ihrer Ahnen Glanz umloht
War unsres Aufgangs Morgenrot.

Wohlauf, ihr Wanderer, singt,
Von Norges Herrlichkeit umringt!
    Uns leiht unser Wirken Flügel,
    Es grüßt uns die Vorzeit vom Hügel,
Und unsre Zukunft werd' erbaut
So stark wie Gott, dem sie vertraut.


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