Björnstjerne Björnson
Gedichte
Björnstjerne Björnson

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An meinen Vater

(Als er Abschied nahm)

Unser Geschlecht sah einstmals stolze Tage.
Noch in geräumigen Weilern und auf breiten
Gehöften sitzt es; doch in harten Zeiten
Ward unser Zweig gebeugt in andre Lage.
Nun reckt er wieder sich zum Licht empor,
Und frische Knospen sprießen draus hervor:
Du stärktest ihn; dein Abend sieht aufs neue
Ihn blühn, gelabt vom Quickborn deiner Treue.

Wie das Geschlecht sich ausruht, um zu steigen
In seines Wesens Tiefe, still geschäftig
Dort einzusaugen, was erlösungskräftig
Die reichen Gaben aufweckt, die sein eigen –
So konnt' ich fühlen noch in dir die Spur
Der dumpfen, ungezügelten Natur;
Sie war so stark, daß ihre dunklen Mächte
Fortwirken bis zum spätesten Geschlechte.

Ein Funke fiel hinein vom warmen Herzen
Der Mutter, und der Bund, der euch beglückte,
Wird, wie er segnend euer Alter schmückte,
Noch leuchten nach dem Tod mit hellen Kerzen.
Wenn unser Volk einst recht versteht das Bild
Der Heimat, der mein ganzes Dichten gilt,
Des Glaubens und der Liebe stilles Walten,
Dann soll's auch euch für immer lieb behalten.

Wird Norges Bauer, wie ich ihn beschrieben
Aus Sagas oder bei des Pfluges Lenken,
Genannt, – muß, Vater, man auch dein gedenken:
Ich ahnt' ihn nur, weil dich ich lieben durfte.
Und wenn das treue Weib, das ich gemalt,
Mit wackrem Mut, von Glaubensglanz umstrahlt,
Von Fraun genannt wird, mag es leicht geschehen,
Daß meine gute Mutter sie erspähen.

Und nun in Abendrast mögt ihr verweilen
Nach schwerem Tagwerk und nach manchen Plagen,
Mögt euch erzählen von entschwundnen Tagen,
Von manchem müden Schritt die tausend Meilen –
Wie über Winterschnee der Sonnenschein
Blickt euch ins Fenster freudiger Dank herein,
Umwebend einstiges Leid mit goldner Hülle,
Und Leben quillt euch aus des Glaubens Fülle.

Doch niemand ist, der wärmer für euch betet
Als euer Sohn, den ihr in Angst und Beben
Gehegt vom ersten leisen Flügelheben,
Für dessen Wohl zu Gott ihr täglich flehtet.
Wißt, wenn das Blut zu wild mir schoß durchs Hirn,
War mir, als rührten Hände meine Stirn;
Und pochte Reue still an meine Schläfen,
War mir, als ob wir uns beim Höchsten träfen.

Seht, deshalb bitt' ich Gott, mir Kraft zu senden
(Fürs Leben werden wir uns neu begegnen,
Und Scherz wird Hoffnung und Erinnrung segnen),
Um einen heitern Abend euch zu spenden!
O laß die Enkel, wenn dein Arm sie hält,
Im Abend schaun die morgendliche Welt!
So wird einst tröstlich ihnen noch im Sterben
Das Morgenrot die blassen Häupter färben.


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