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III.
Brief des Kaisers Tsimiskes an die Prinzessin Theophano Skleros

Im Hauptquartier der kappadokischen Westarmee, am 20. Juni 971.

Der (lang erwartete) Besuch Ihres Vaters, geliebte Theophano, ist die Ursache, daß ich erst heute einen weiteren Brief an Sie absenden kann.

Sie wissen, daß sich der deutsche Kaiser Otto I. schon seit Ende 967 (als er seinen Sohn, Otto II., zum Mitkaiser hatte krönen lassen) mit der Absicht trug, eine Verbindung zwischen der sächsischen und makedonischen Dynastie herzustellen. Seine beiden Werbungen scheiterten an der Maßlosigkeit des Kaisers Nikephoros Phokas. Es ist gut, daß es so kam. Denn was hülfe ihm heute eine Schwiegertochter aus einer Familie, welche auf Jahre hinaus von der Herrschaft ausgeschlossen ist? Seitdem ich selbst der gekrönte und anerkannte Herrscher des byzantinischen Reiches bin, kann nur der Ehe zwischen Ottos Sohn und einer meinem eignen Hause verwandten Prinzessin politische Bedeutung zugemessen werden. Es mag am deutschen Kaiserhofe ein paar hochmütige Starrköpfe gegeben haben (und noch geben), welche mich für einen Usurpator halten und nur eine Prinzessin aus der »legitimen« makedonischen Dynastie als »ebenbürtige« Gattin des deutschen Kaisersohnes anerkennen wollen (es wird sogar gemunkelt, die Kaiserin Adelheid stehe diesen Leuten nicht fern): ich weiß jedenfalls, daß Otto I. viel zu klar denkt, als daß er sich durch solche Schrullen von einem wohlberechneten Plane abbringen ließe. Ja, ich weiß sogar, daß er seit meiner Thronbesteigung eine Ehe seines Sohnes mit der Makedonentochter Anna abgelehnt hätte.

Daß der Herzog Pandulf von Benevent im Sommer 969 nach der Schlacht von Bovino in byzantinische Gefangenschaft geriet und – auf meine geheime Anweisung hin – noch im gleichen Jahre nach der Hauptstadt gebracht wurde, muß als Fügung Gottes angesprochen werden. Denn dieser ausgezeichnete Mann und Soldat erwies sich ja – ohne jemals meinem Einflusse ausgesetzt gewesen zu sein – als der genaueste Verfechter meiner eignen Gedanken! Er sah – wie ich – in einem Friedensschlusse zwischen Ost und West die einzige Möglichkeit, der Sarazenengefahr – einer Weltgefahr – mit Erfolg zu begegnen und die Werte der christlichen Gesittung zu erhalten. Er schilderte mir diese Notwendigkeit so überzeugend, daß ich es für angebracht hielt, die Vorbereitungen zur Absetzung des Kaisers Nikephoros zu beschleunigen. Denn es durfte nicht zum drittenmal geschehen, daß der Eigensinn dieses Despoten die Welt um ihren Frieden brachte.

Aber der Herzog Pandulf wurde mir noch viel wichtiger durch seine Darlegungen über die Stellung des deutschen Kaisertums in der westlichen Welt. Er bestätigte mir die Zielbewußtheit der ottonischen Machtpolitik, die Abhängigkeit der Kurie von der kaiserlichen Vorherrschaft und die ständig wachsende Kraft des imperialen Bewußtseins. Vor allem aber die leidenschaftliche Gefolgstreue der deutsch-langobardischen Aristokratie, welche – wenn auch spät – begriffen hatte, daß die Sache des Kaisers unter allen Umständen die ihre sei.

Was mir besonderes Vertrauen zu diesem Manne eingeflößt hatte, war die Sachlichkeit seines Urteils. Er kannte die Grenzen der menschlichen Natur und haßte Verstiegenheiten. Er meinte, man dürfe von Otto I. das gleiche behaupten.

Als er im Herbste 970 den Hof verließ, wußte ich, daß ich mein Vertrauen einem Vertrauenswürdigen geschenkt hatte. Meine Abmachungen mit Pandulf ahnte niemand. Nicht einmal mein vereidigter Geheimschreiber. Und ebenso verborgen hielt ich den Fortgang des Gedankenaustausches über die Regelung der süditalischen Frage, der einzigen, welche vielleicht noch Unstimmigkeiten hätte hervorrufen können. Es ist notwendig, daß ich Ihnen diese Frage ausführlich erläutere. Ich hatte durch Pandulf meinen endgültigen Verzicht auf jene Forderungen des Größenwahnes aussprechen lassen, welche Nikephoros Phokas im Jahre 967 an Otto I. gerichtet hatte, nämlich auf: die Abtretung der Herzogtümer Capua, Benevent und Spoleto an Byzanz, die Beseitigung der deutschen Oberherrschaft in Rom und die Abschaffung des westlichen Kaisertumes. Ottos Gegenforderungen waren damals gewesen: die Rückgabe der byzantinischen Themen Apulien und Kalabrien an das Reich – oder die Entsendung der gewünschten byzantinischen Braut: was doch füglich nur bedeuten konnte, daß er in der von ihm angestrebten Heirat das Unterpfand eines Friedens erblickte, der die süditalischen Frage gegenstandslos werden ließ. Es kam zu keiner Lösung. Sie wissen, welche unmögliche Behandlung Nikephoros Phokas dem Gesandten des Kaisers, Bischof Liutprand von Cremona, widerfahren ließ: unmöglich auch dann noch, wenn man in Rechnung stellt, daß dieser hochfahrende Mann durch die Schroffheit seines Auftretens Anlaß zu Wut und Trotz gegeben hatte. Pandulf hat mir vor kurzem eine Abschrift des Berichtes gesandt, welchen Liutprand Otto I. vorlegte. Ich muß zugeben, daß daraus für einen byzantinischen Kaiser viel zu lernen sei. Auch Ihnen möchte ich raten, sich mit diesem Dokument vertraut zu machen. Es wird Ihnen einige Aufschlüsse über die germanische Seele geben. Liutprand ist langobardischen Blutes ... Im Jahre 968 also ging Otto I. – nach dem Scheitern der Verhandlungen – in Süditalien wieder zum Angriff über, indem er sich auf den Grundsatz stützte, die Themen gehörten zum Westreiche, seien diesem von Byzanz mit Gewalt entrissen worden und müßten wieder »Groß-Italien« wie zur Zeit der langobardischen Herrschaft einverleibt werden ... Ich nenne Ihnen absichtlich diese Art der Begründung. Da man Politik zwar in gewisse Bahnen lenken, da man aber niemals voraussehen kann, ob diese Bahnen auch eingehalten werden, sollten Sie sich nicht wundern, wenn Sie am deutschen Hofe vielleicht Menschen begegneten, welche dieser veralteten Auffassung noch beipflichten, ja, sie sogar eines Tages wieder in die Waagschale politischer Entscheidungen werfen möchten.

Es gelang Otto I. nicht, Bari zu erobern. (Nikephoros Phokas, dem schon am 24. Oktober 964 eine bedenkliche Niederlage von den Sarazenen Siziliens auf dem Festlande beigebracht worden war, hatte im Jahre 967 seinen Frieden mit dem fatimidischen Kalifen Moëzz machen müssen, um Streitkräfte für den Krieg mit den Deutschen freizubekommen.) Otto wollte den militärischen Mißerfolg auf geistlichem Gebiete wettmachen: Er erhob das Bistum Benevent zum Erzbistum. Worauf der Gouverneur der süditalischen Themen umgehend mit der Einführung des griechischen Kultes in einer Reihe von Gemeinden begann, in welchen seither der Gottesdienst nach römischem Ritus abgehalten wurde. Sie sehen, welche törichte Politik der Nadelstiche da getrieben wurde. Die byzantinische Sache stand also nicht schlecht in Süditalien. Ja sie hätte, nach Pandulfs Niederlage bei Bovino im Mai 969, noch mit einem vollen Erfolge für uns enden können, wenn nicht in eben diesem Jahre jenes Ereignis eingetreten wäre, das mich auf den vordersten Posten rief: die Festsetzung der fatimidischen Herrschaft in Ägypten und die Verlegung des fatimidischen Kalifates nach Kairo. Noch immer wollten die Umnebelten die ungeheure Gefahr nicht sehen! Ich sah sie, stellte mich ganz offen gegen Nikephoros, schlug in brutaler Geschwindigkeit zu – und warf das Steuer unserer Außenpolitik in einer einzigen Nacht herum: Schluß mit dem Krieg gegen die Deutschen in Süditalien – und Sammlung aller Kräfte zum Abwehrkampf im Osten. Der deutsche Kaiser verlangte ja gar nicht die Rückgabe der Themen, sofern er auf die byzantinische Heirat zählen durfte. Hier war die Grundlage, auf der verhandelt werden konnte ... Schwierig blieb allein die Frage: Erachtete die deutsche Politik den Verzicht auf Süditalien nur als ein Gebot des Augenblicks oder als die grundsätzliche Aufgabe von Ansprüchen, welche für Byzanz unannehmbar waren? Ich habe dem Kaiser Otto I. mitteilen lassen, daß ich mich – Sie begreifen meine doppelten Gründe – damit begnügen würde, wenn er mir die erbetene Zusage für die Dauer meiner Regierung gewährte. Am 12. Juni erhielt ich von Pandulf den Bericht, daß er angenommen habe, und zwar gegen die Auffassung einiger Heißsporne, eine byzantinische Gattin Ottos II. habe dem Reiche unter allen Umständen Apulien und Kalabrien als Hochzeitsgabe darzubringen. Sie sehen, daß die Verstocktheit überall zu Hause ist. Immer stößt kluge Mäßigung, welche Stärke und nicht Schwäche bedeutet, auf das plumpe und verbrecherische Unmaß – ganz besonders aber bei den sogenannten Politikern. Auch dieses dürfen Sie nie vergessen, wenn Sie in Ihre neue Aufgabe eintreten.

Solange ich in Byzanz am Ruder bin, wird Ihnen keine Sorge durch ein Wiederaufrollen italischer Fragen entstehen. Und solange der Kaiser Otto im Westen regiert, wohl auch nicht. Wie sich allerdings der Sohn nach einem vielleicht vorzeitigen Tode seines Vaters verhalten wird: das ist eine andere Frage. Aber bis dahin hätten Sie ja schon ein entscheidendes Wort mitzureden, denn ich erachte es als eine Ihrer wichtigsten Aufgaben, Ihren Gatten so tief in die Klarheit Ihres Geistes zu ziehen, daß er sich von niemandem in die Bahnen unüberlegten Draufgängertumes drängen läßt. Soweit ich durch Pandulf über das Wesen dieses begabten und gebildeten Fürsten unterrichtet bin, dürfte Ihnen Ihre Aufgabe nicht allzu schwer werden. Nicht nur er wird einer Frau von Ihrer fremdartigen Schönheit ergeben sein, sondern Sie selbst werden an ihm Gefallen finden. Sie werden sich ihm gerne erschließen und damit Ihre größte Macht über ihn ausüben. Sie werden keinerlei Abneigungen zu überwinden haben. Betrachten Sie das Bildnis, das mit der Antwort Pandulfs eintraf. Sie werden diesem jugendlichen Antlitz Anmut und Adel nicht absprechen können. Pandulf schreibt mir, daß das Gemälde hinter der Wirklichkeit zurückbleibe, da weder die Helligkeit der Augen noch das Gold der Haare völlig zum Ausdruck gelange.

Nicht sehr einfach wird sich aller Voraussicht nach das Verhältnis zu Ihrer Schwiegermutter, der Kaiserin Adelheid, gestalten. Ich möchte Sie wissen lassen, was ich über diese Frau erfahren konnte, Sie aber gleichzeitig bitten, Ihre späteren persönlichen Eindrücke für wichtiger zu halten als meine Mitteilungen.

Die Kaiserin gilt als bedeutende und – eben deshalb – gefährliche Frau. Sie ist jetzt genau vierzig Jahre alt, sieht aber um einige Jahre jünger aus. Sie hat es gut verstanden, einen Nimbus um sich her zu schaffen, in dessen Schutz sich ihre Unzulänglichkeiten verbergen lassen. Das ist ihr gutes Recht, und um so mehr, als ihr der Kaiser nicht den Einfluß auf die Führung der Geschäfte gewährt hat, den sie anstrebte. Ihr politischer Ehrgeiz war groß. Da er nicht befriedigt wurde, mußte sich ihr Bedürfnis, zu gelten und sichtbar zu sein, oft an der unrechten Stelle und vielleicht zu unerwünschtem Zeitpunkt äußern. Sie ist nicht in politischem Sinne herrschsüchtig, aber sie kann nicht leben, ohne ihre Macht über Menschen zu spüren. Wer sich ihrem Einfluß entzieht, hat es mit ihr verdorben. Es ist also besser, sich niemals unter diesen Einfluß begeben zu haben ... Es scheint, daß der Kaiser viel von ihr lernen mußte und daß sie ihm sehr rasch beigebracht hat, man könne ein vorzüglicher Deutscher sein und doch die Grazie des Mittelmeermenschen haben. Da sie eine sehr hohe Meinung von ihrer kaiserlichen Würde hat, duldet sie nur wenig Widerspruch. Ihr starker Sinn für germanische Sippenüberlieferung – sie ist als Tochter des burgundischen Königs Rudolf II. und seiner Gemahlin Berta von Schwaben welfisch-alemannischen Blutes – verschließt ihr manchmal einen Sachverhalt, aber es wäre falsch, ihr deshalb Enge des Denkens oder Fühlens vorzuwerfen. Eine Reihe von klugen Leuten halten dafür, daß sie Vorzügliches zustande bringen werde, wenn man ihr die Reichsverweserschaft in Italien anvertraue. Sie war in erster Ehe mit dem jugendlichen König Lothar von Italien verheiratet, der, wie man sagt – von seinem Rivalen Berengar von Ivrea vergiftet wurde. Durch seine Heirat mit ihr wurde Otto I. rechtmäßiger Träger der langobardischen Krone (denn Italien ist Langobardien), was nach der herrschenden Auffassung die Voraussetzung zur Erwerbung der Kaiserkrone war. Es liegt auf der Hand, daß Adelheid in ihrem zweiten Gatten das Bewußtsein dessen, was er ihr verdankte, mit allen Mitteln aufrechterhielt. Dies sollten Sie niemals aus dem Auge verlieren. Denn sie wird auch von Ihnen eine Art mittelbarer Dankbarkeit verlangen. Sie sind zu gut erzogen, um einer werdenden Matrone nicht die Ehrerbietung zu bezeugen, die sie sich wünscht. Ja, Sie werden um so höflicher sein, je deutlicher sich das innere Mißtrauen fühlbar macht, mit dem man Ihnen begegnen wird. Byzanz ist nun einmal rotes Tuch für Adelheid. Es wird behauptet, ihre Schwägerin, die Herzoginwitwe Judith von Bayern (deren Tochter Hadwig als Kind mit Romanos II. verlobt werden sollte), sei die Ursache dieser feindlichen Gesinnung. Sie habe – anläßlich ihrer Pilgerreise nach Jerusalem – aus Byzanz derartig erschreckende Eindrücke mit nach Hause gebracht, daß noch heute den Damen des Westens bei der bloßen Nennung der Magnaura das Blut in den Adern stehenbleibe.

Wie dem auch sei: Wundern Sie sich niemals, wenn man Ihnen allerlei Hexenkünste zutraut. Mit Ihren byzantinischen Hofdamen werden Sie sich ja auslachen können.

Daß man der Kaiserin Adelheid allerlei Vorlieben für schöne junge Leute nachsagt – so zum Beispiel in den fünfziger Jahren für ihren Stiefsohn Liudolf oder heute noch für den König Lothar von Frankreich, den Gemahl ihrer Tochter Emma aus erster Ehe – spricht in meinen Augen für sie, zeigt aber auch, daß ihr fast sechzigjähriger Gatte wohl kaum jemals dem Bilde ihrer heimlichen Wünsche entsprochen hat. Die berühmte Mähne, welche er auf der Brust trägt, mag sie manche Überwindung gekostet haben. Schonen Sie also die verborgene Wunde, welche ich Ihnen zeige – und lassen Sie nie erkennen, daß Sie um ihr Vorhandensein wissen. Der außerordentliche Stolz dieser Frau würde das kaum ertragen. Seien Sie sehr höflich gegen sie, doch lassen Sie spüren, daß Ihre Ehe mit dem jungen Kaiser ein – Geschenk ist. Die Stolzen achten nur den Stolz, auch wenn sie ihn nicht lieben.

Sie werden in der Umgebung der Kaiserin viele Vertreter der Hohen Geistlichkeit finden. Es wird Ihnen nicht schwerfallen, zu erkennen, daß zwischen einem byzantinischen und einem deutschen Bischof ein großer Unterschied ist. Der deutsche Klerus, wie auch der französische und italienische, trägt sehr weltlichen Charakter. Eben dieser Umstand ermöglicht es der Kaiserin, im »vergeistigenden Sinne zu wirken«, wie sich einer meiner Berichterstatter in Anlehnung an die westliche Sprache ausgedrückt hat. Geist aber bedeutet im Westen bei Laien fast immer religiöser Geist. Und die hohe Bildung, welche man – sicher zu Recht – der Kaiserin nachrühmt, wird wohl auf einem durch die Klosterschulen übermittelten Wissen beruhen. Mit dem unsrigen kann dieses kaum verglichen werden.

Das Verhältnis Adelheids zu ihrem Sohne soll starken Schwankungen unterworfen sein. Die Ähnlichkeit der (leidenschaftlichen ) Temperamente soll oft zur Ursache heftiger, aber rasch wieder überwundener Zusammenstöße werden. Und zwar soll die Mutter meistens als erste einlenken, weil sie unbedingt ihren Einfluß auf den Sohn behalten will. Sie ist also eine sehr kluge Frau, welche es Ihnen zur Pflicht macht, noch um einiges klüger zu sein ... Die Beziehung dagegen zwischen Mutter und Tochter – die Prinzessin Mathilde ist Äbtissin von Quedlinburg und gilt als Frau von hohem Verstande – läuft in ebeneren Bahnen. Mathilde soll in ihrem Wesen auf den Vater hinauskommen: Sie weiß, was sie will, und versteht zu schweigen. Ich könnte mir denken, daß Sie an ihr – sobald Sie sich in das Leben am deutschen Hofe eingespielt haben – eine ernst zu nehmende Beraterin fänden. Sie soll Griechisch verstehen ...

Die Kaiserin Adelheid wird Sie natürlich zunächst ganz in ihre »mütterliche« Obhut nehmen. Sie wird wünschen, daß Sie sich ihr verpflichtet fühlen. Sie werden – hier unterstreiche ich – diesem Wunsche durch Ihr Verhalten nur insoweit entgegenkommen, als Ihre Beziehung zu Ihrem Gatten dadurch nicht berührt wird. Dulden Sie es niemals – indem Sie sich auf das lateinische Sprichwort »principiis obsta« stützen –, daß sich die Kaiserin in irgendwelche Dinge Ihrer Ehe mische: weder über Sie selbst noch über Ihren Gatten. Aber vermeiden Sie es – zum mindesten in den Anfängen –, den Sohn gegen die Mutter auszuspielen. Wenn Ihnen einmal der Gesprächsstoff ausgeht, so reden Sie von Dingen der Mode. Die Kaiserin ist – trotz ihrer geistlichen Neigungen – eine sehr gut gekleidete Frau. Und jede Frau, sei sie, wer sie sei, läßt sich gerne sagen, was ihre äußere Erscheinung zu erhöhter Geltung bringt. Die Kaiserin Adelheid hat einen ausgesprochenen Sinn für wirkungsvolles Auftreten und bildhaftes Verweilen im Raum. Dazu gehören die entsprechenden Kleider. Der junge Graf Foulques d'Issoudun, der sie vom französischen Hofe her kennt, hat mir gesagt, »que ses entrées sont fulgurantes et que personne ne saurait se soustraire ni à sa splendeur ni à sa dignité«.

Lachen Sie nicht über meine Winke! Glauben Sie auch nicht, ich treibe meine »Fürsorge« zu weit! Ich habe genau abgewogen, was ich Ihnen sage und was ich Ihrem eigenen Ermessen überlasse. Ich bin nicht mehr jung genug, um Dinge zu übersehen, von deren Nichtbeachtung Ihnen überflüssiger Ärger kommen könnte. Sie werden bestimmt am deutschen Hofe ein großzügiges Leben leben, aber Sie wissen ja, daß auch die lockerste Etikette noch viele Belastungen mit sich bringt. Warum sich also deren mehr aufbürden, als schon vorhanden sind?

Ich hätte Ihnen jetzt noch von dem wichtigsten Menschen am deutschen Kaiserhofe zu sprechen: von dem deutschen Kaiser Otto I. selbst. Aber ich werde mich auf ein paar Andeutungen beschränken können. Meine »Anmerkungen zur Politik Ottos I.« werden Sie zur Genüge über diesen bedeutenden Fürsten unterrichten. Es ist mir wichtig, daß Sie die genaue Auffassung der byzantinischen Regierung kennen, bevor man Ihnen die der deutschen unterbreitet. Denn es besteht für mich kein Zweifel daran, daß schon der Gesandtschaft, welche Sie hier abholt, ein hoher Beamter der kaiserlichen Kanzlei zu Ihrer politischen Unterrichtung beigegeben sein wird. Dagegen ist nichts zu sagen. Die Deutschen sind gründliche Leute. Aber es wäre eine unverzeihliche Unterlassungssünde, wenn wir einem so wachen, so kritischen Geiste wie dem Ihren nicht die Möglichkeiten des Vergleichens gäben.

Ein Mann wie Otto I. – so will es mir scheinen – ist schon über die Grenzen des persönlichen Lebens hinausgehoben. Er lebt nur noch als die Verkörperung seiner politischen Leistung – die spärlichen unmittelbaren Äußerungen seiner Natur dürften eher belanglos als bedeutsam sein. Er wird Sie mit großer Freundlichkeit empfangen, denn Sie sind ja für ihn die lebendige, ich möchte fast sagen: die greifbare Verkörperung eines politischen Planes, den er gegen feindliche Strömungen an seinem Hofe und viele äußere Hindernisse schließlich durchgesetzt hat. Er wird Ihnen mit jener Bonhomie der Bärtigen begegnen, mit jener verschämten Verliebtheit der Schwiegerväter, welche ihre Söhne zwar im stillen beneiden, im Grunde jedoch froh sind, daß sie ihre wohlverdiente Ruhe behalten dürfen. Er wird Sie als halbes Kind behandeln und Ihnen seinen väterlichen Beistand zusichern, »wo immer Sie ihn benötigen könnten«. Er wird Ihnen dann und wann über Haar und Wange fahren – und danach ein Schmuckstück aus der Tasche seines Jagdrockes ziehen ... Er ist natürlich ein großer Jäger vor dem Herrn ... Lustige Weidmannslieder sollen ihn entzücken ... Singen Sie ihm unser armenisches ›Der Fuchs ist mir ins Garn gegangen‹ ... Aber nicht zu oft. Damit die Kaiserin nicht aufhorcht ... Sticken Sie ihm auch etwas. Ältere Fürsten sind sehr empfänglich für solche Aufmerksamkeiten ...

Nun aber überlasse ich Sie den »Anmerkungen«. Sie werden einige Torheiten, welche Ihnen gewisse Lehrer in der Palastschule über den Westen beigebracht haben, vergessen müssen, bevor Sie ganz verstehen.

Wenn Sie aber verstanden haben, werden Sie auch erkennen, daß Sie den einzigen Thron besteigen, welcher heute einer byzantinischen Prinzessin würdig ist, sofern es nicht der byzantinische Thron selbst sein kann.

Verjagen wir alle Vorurteile! Sehen wir, was ist, und seien wir rechtzeitig Teilhaber an dem, was wird! Aus Dünkel beiseite zu stehen ist das unverzeihlichste Verbrechen ... Bis morgen oder übermorgen ...

Tsimiskes


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