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Vorwort des Verfassers

Erst seit der Verfasser dieses Buches – angeregt durch Johannes Moltmanns Göttinger Dissertation (1878) – nachweisen konnte, daß die Kaiserin Theophano (956 bis 991) nicht, wie man es jahrhundertelang geglaubt hatte, die Tochter des byzantinischen Kaisers Romanos II. (aus der makedonischen Dynastie), sondern die Tochter des Fürsten Konstantin Skleros und der Prinzessin Sofia Phokas gewesen ist, vermochte eine dichterische Deutung ihres Lebens jene Stufe innerer Wahrhaftigkeit zu erreichen, welche das entfernte und von minderwertiger Legende umschattete Bildnis in seinen vollen Glanz rückte.

Bis zum heutigen Tage hat kein Historiker auch nur versucht, jener großartigsten Frauenerscheinung, welche im frühen Mittelalter die deutsch-römische Krone trug, in einer geschlossenen Darstellung gerecht zu werden und die gewaltige politische Leistung zu schildern, welche Theophano nach dem Tode ihres Gatten (983) in enger Zusammenarbeit mit dem Erzkanzler Willigis von Mainz vollbracht hat (983-991). Erst dieser letzte Abschnitt ihres Lebens, der ganz von dem Problem des deutsch-französischen Verhältnisses beherrscht wird, enthüllt ihre volle Größe: eine Größe allerdings, welche die gedankenlosen Wiederkäuer landläufiger Meinungen nicht einmal zu wittern vermöchten.

Dem unbefangenen Forscher und Überprüfer wird zur unantastbaren Gewißheit, daß Theophano – obwohl byzantinischer Geburt – die deutscheste aller deutschen Kaiserinnen war, denen jemals eine selbständige politische Aufgabe zufiel. Das vorbehaltlose Lob, welches sie durch ihren Zeitgenossen, den sächsischen Bischof und Geschichtsschreiber Thietmar von Merseburg, erfahren hat, besteht mehr als zu Recht: »Sie erfüllte mit geradezu männlicher Kraft ihre Pflichten gegen Sohn und Reich.« Thietmar war einer der gebildetsten, der kritischsten, der unbestechlichsten Berichterstatter seines Jahrhunderts.

Die seelisch-geistigen Kräfte, welche zur Tat führen, entscheiden, nicht aber die »Tatsachen«. So dürfen wir von Theophano – nach jahrelanger Bemühung um die Erkenntnis ihres Wesens sagen: Es war eine ihrer kaiserlichsten Eigenschaften, daß sie das Gesetz der Grenzen kannte und übte. Sie faszinierte, weil sie zu herrschen verstand, aber sie herrschte nicht, weil sie faszinierte. Sie hat gehandelt und gewirkt nach ihrem Auftrag und nach ihren Möglichkeiten. Sie war groß, weil sie nicht vom Wahn der Größe besessen war. In schlaflosen Nächten brauchte sie nicht nur zum Brevier, nein: sie konnte zu Homer, zu Sappho, zu Thukydides greifen. Sie wußte, daß jedes Lächeln schon gelächelt und jedes Weinen schon geweint worden sei. Sie betete stumm vor der verhaltenen Glut der Ikone. Sie versank im Gebet und erhob sich aus ihm wie alle täterischen Menschen, welche die Phrase hassen. Sie hatte es niemals nötig gehabt, pathetisch zu sein.


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