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XIII.

Es war Herbst geworden, aber Friedrich Franz von Kaufmann befand sich immer noch in Sofia. Die ihm vorgesetzte Berliner Stelle hatte ihm mitgeteilt, daß man sein Gesuch um anderweitige Verwendung im Auge behalten wolle, daß man ihn aber ersuchen müsse, jedenfalls noch einige Monate auf dem Posten in Sofia zu verbleiben, bis sich die russische Lage weiter geklärt habe, die noch gar manche Überraschung zeitigen könne. Man hatte ihn ersucht, mit Hilfe der Mazedonier sein Augenmerk besonders auch auf die Stimmung bei den linksstehenden Kreisen in Bulgarien zu richten und darüber fortlaufend zu berichten.

Zunächst war Friedrich Franz recht erbittert über dies Schreiben gewesen, aber das half ihm nichts. Freiwillig und auf Wunsch Herrn von Henningens hatte er die Aufgabe hier übernommen, in der stillen Hoffnung, sie jederzeit wieder verlassen zu können, wenn ihm das zweckmäßig erschien. Was er freiwillig übernommen, mußte er jetzt gegen seinen Willen auf höhere Weisung fortführen. Von Berlin aus hielt man ihn fest an der Leine.

Es war ja auch begreiflich, denn Kerenski war gestürzt, und die Bolschewiki waren ans Ruder gekommen, die Bolschewiki mit ihren ultraradikalen Weltverbesserungsplänen, die gerade bei den Linksradikalen in Bulgarien auf guten Boden fallen mußten.

Da galt es aufzupassen, auf der Hut sein und sich nicht überrumpeln lassen. Die Ereignisse überstürzten sich ja.

Die linksradikalen Bulgaren jubelten, die andern zeigten bedenkliche Gesichter.

»Mit den Waffen haben uns die Russen nicht besiegen können, wenn es ihnen jetzt nur nicht mit dem Maul gelingt«, meinte Peter Karakinow und schien ernstlich besorgt zu sein.

Schön waren die Herbsttage, die schönste Jahreszeit in Sofia. Die Sonne stand groß am klaren Himmel. Sie wärmte, aber erhitzte nicht mehr. Die Winde waren schlafen gegangen. Die Bäume funkelten in allen bunten Farben des Herbstes. Die Witoscha stand zum Greifen nah vor allen Fenstern, die nach Westen sahen.

Herrliche, ruhige, klare Herbsttage. Aber Unsicherheit, Unruhe in der Politik. Diese verdammte Politik! Wie oft hatte Friedrich Franz es schon verflucht, daß er sich darauf eingelassen hatte. Sie fraß Zeit und Kraft und Nerven, und es kam dann doch immer anders, als man erwartet und angenommen hatte. Ein fürchterliches Gewerbe, das den Menschen mit Haut und Haaren fraß, ehe es sich dessen versah.

Er konnte es ja bei den Bulgaren Tag für Tag immer wieder beobachten. Freilich hatte es in diesem Lande wenigstens einen Sinn, sich davon verzehren zu lassen. Das Land war klein, jeder gebildete Mensch hatte eine politische Chance ... Aber er als Deutscher, was hatte er für eine Chance? Wenn er ehrlich sein wollte, mußte er sich eingestehen: so gut wie gar keine. Im Grunde seines Herzens verlangte er auch gar nicht danach. Das war keine Tätigkeit, die ihn ausfüllen oder befriedigen konnte. An irgendeine maßgebende Stelle gelangte er doch nicht. Was seiner bei solcher Tätigkeit harrte, war, Handlangerdienste tun und Stroh dreschen. Um sich mit dem ersten zufrieden zu geben, dazu war er sich zu gut, das Leben in Afrika hatte ihn verwöhnt. Um das zweite geduldig auf sich zu nehmen, dazu mußte man wenigstens Illusionen über seine Tätigkeit haben, die er aber schon längst nicht mehr besaß. Wenn der Krieg aus war, würde er entweder wieder nach Afrika gehen oder sich irgendwo eine kleine Klitsche kaufen und verbauern. Das war noch das einzig Vernünftige.

Wenn es nur schon soweit wäre! Dann würde er auch diese Liebesaffäre bald vergessen haben, dann würde er über sich selbst lachen können, daß er die Sache einmal so tragisch genommen hatte. Aber hier, in derselben Stadt mit Leda, da gelang es ihm nicht, so sehr er sich auch darum bemühte.

Man wird älter, dachte er spöttisch, man ist nicht mehr so elastisch wie früher in solchen Dingen, man kann sie nicht mehr einfach von sich abschütteln.

War das eine unerfreuliche Situation! Dabei schienen es die Mazedonier förmlich darauf abzulegen, ihn mit Leda zusammenzubringen. Er konnte sie nicht gut daran hindern, denn er mußte Rücksichten auf die Leute nehmen. Aber sie hätte es doch leicht verhindern können. Es war wenig geschmackvoll von ihr, das nach allem, was vorgefallen war, nicht zu tun. Es ist eben doch eine fremde, eine ganz anders geartete Rasse mit anderen Empfindungen, anderen Anschauungen und ohne Nerven.

Gift muß man mit Gift vertreiben, hatte er gedacht und Maria Petrow den Hof gemacht. Sie war gewiß ein braves, hübsches Mädchen, das den allerbesten Mann verdiente. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht ernsthaft für sie interessieren und sie für ihn auch nicht. Da zog sie sogar den kleinen Gonthard vor.

Jetzt befaßte er sich ein wenig mehr mit Eveline. Ein interessantes Mädel, kein Zweifel, und nichts an ihr erinnerte ihn an Leda, was kein geringer Vorzug war in seinen Augen. Wie Quecksilber konnte sie sein, witzig, nichts weniger als auf den Mund gefallen, eine vorzügliche Unterhalterin. Und schön war sie auch, wenn auch ein ganz anderer Typus als Leda. Eigentlich viel amüsanter und anregender. Da lohnte sich ein kleiner Flirt schon eher. Gelegenheit dazu gab es genug. Bei Nachmittagstees, beim Tennis, bei Abendgesellschaften. Die Vergnügungen rissen hier ja gar nicht ab. Und ihr selbst machte jeder Flirt Spaß, wie es schien. Unermüdlich war sie im Kokettieren und Witzemachen. Aber wenn sie nun wieder nach Konstantinopel abreisen würde, was dann? Dann war es wieder unerträglich langweilig und öde, zumal er um so weniger zu tun hatte, je besser er sich einarbeitete. Besonders schrecklich waren die Abende, wenn es keine Gesellschaft gab. Was sollte man da mit sich anfangen? Man drosch Skat, spielte Bridge oder versuchte sich an einem kleinen Poker.

Aber auf die Dauer langweilte das auch. Immer dieselben Menschen, immer dieselben Gespräche. Am glücklichsten war noch, wer seine Person und seine Tätigkeit, mochte sie noch so armselig sein, wichtig nahm. Aber was bedeutete in diesem Riesengeschehen der Zeit ein einzelner Mensch, eines einzelnen Tätigkeit? Nur wer in der Front war, führte noch ein befriedigendes Leben, das seinen Zweck erfüllte. Hinter der Front sein, das machte mürbe, unwirsch, ekelte einen an.

Nur nicht nachdenken über das alles. Aber wie sollte man das Nachdenken verhindern, wenn man nicht viel zu tun hatte? Und den ganzen Tag immer wieder dasselbe politische Geschwätz mit anhören müssen oder bestenfalls einer neuen politischen Kombination nachgehen? Wie unfruchtbar war das alles.

Nicht einmal die Jagd bot Aufregung und Abwechslung.

Und immer noch nagte die Geschichte mit Leda an ihm. Zuweilen sprachen sie sogar wieder miteinander. Aber jedes Wort, das der eine sprach, war gewählt, um den andern zu kränken und zu verletzen, so daß die Leute sich immer mehr wunderten über die zwei, die so unhöflich zueinander waren und es doch kaum abwarten konnten, aneinander zu geraten.

Wieder einmal war irgendein Festessen im Klub gewesen. Die Menschen wußten ja schon gar nicht mehr, wie sie die Zeit totschlagen sollten bis zum Frieden. Und es war in diesen drei Jahren so viel Gewaltiges und Großes geschehen, daß jedermann gegen kleine Ereignisse immer mehr abgestumpft wurde. Da half man sich halt mit Essen und Trinken über die Öde der Zeit hinweg. Man kann nicht mehrere Jahre lang ununterbrochen begeistert sein. Wer immer noch leicht in Begeisterung geriet, ging den meisten Menschen nachgerade auf die Nerven.

Peter Karakinow hatte bei dem Festmahl wieder einmal ein bißchen zuviel getrunken, hatte seine offenherzige Stunde und nahm Friedrich Franz beiseite.

Aber nicht einmal das machte Friedrich Franz noch Vergnügen. Es wollte ihm nachgerade so vorkommen, als versetze sich der Mazedonier absichtlich von Zeit zu Zeit mit Hilfe von Sekt in diese Offenherzigkeit, weil er auch damit bestimmte Ziele verfolge. Auch die anderen Leute ließen sich in solchen Stunden etwas mehr gehen als sonst, schon weil sie annahmen, der Mazedonier könne doch nicht so ganz mehr folgen. Das war es gerade, was Peter Karakinow bezweckte, sagte sich Friedrich Franz und war auf seiner Hut.

»Prost, Herr Baron, es ist langweilig in Sofia, so langweilig wie noch nie.«

»Das kommt daher, daß Sie alles erreicht haben, Gospodin Karakinow. Ist der Erfolg erst da, kommen ein paar öde Stunden. Das ist unvermeidlich. Bis man wieder einem neuen Erfolg nachjagt.«

»Ihnen geht's auch nicht besser, Sie langweilen sich ebenfalls.«

Friedrich Franz nahm sich zusammen. Er brachte es wirklich fertig, mit ernstem Gesicht zu antworten: »Man tut seine Pflicht, das ist alles.«

Der Mazedonier ächzte: »Aber von der Pflicht allein kann man doch nicht leben. Auf die Dauer hält das niemand aus, Sie auch nicht. Ich wette, Sie möchten fort von hier, lieber heute als morgen.«

»Als ob es wo anders in dieser Zeit interessanter wäre? Ich glaube, auf der ganzen weiten Welt, soweit sie mit dem Krieg zu tun hat, sitzen jetzt die meisten Menschen, die nicht in der Front sind, wie wir, essen und trinken mehr als nötig ist und langweilen sich ein wenig. Die meisten sind irgendwie aus ihrer Friedensbeschäftigung herausgerissen. Zuerst war das ja ganz schön und erhebend. Aber auf die Dauer ist es doch nicht zum Aushalten.«

Der Mazedonier lächelte. »Mit dem Essen und Trinken ist das so eine Sache. Ich glaube, die meisten Menschen in der Welt haben es darin nicht mehr so gut wie wir hier.«

»Mit dem Essen, das gebe ich zu. Mit dem Trinken wird es auch anderswo nicht viel anders sein.«

Wenn Friedrich Franz glaubte, dadurch Peter Karakinow auf ein anderes Thema bringen zu können, so irrte er sich.

»Wenn man wenigstens noch was fürs Herz hätte in diesen öden Stunden«, meinte Peter Karakinow, und seine schwarzen Augen blinzelten lüstern.

»Das sagen Sie, ein alter Ehemann?«

Der Mazedonier seufzte kläglich. »Man ist deshalb doch kein Krüppel, wie ihr jungen Leute immer tut, man hat doch auch noch ein Herz für junge hübsche Mädchen.«

»Dann sind Sie ja fein heraus, Gospodin Karakinow. Sehen Sie, da wissen Sie doch wenigstens, womit Sie Ihre leeren Stunden ausfüllen können.«

»Das ist nicht so einfach, wie Sie sich das als Junggeselle denken, verehrter Herr Baron, und gerade hierzulande, wo man in der Moral noch ein wenig engherzig ist, und wo jeder dem Nachbarn in die Suppenschüssel guckt ... Da möchte ich Sie als Junggeselle und Ausländer fast beneiden. Sie haben keine Rücksichten zu nehmen, und wenn die Sache Ihnen unbequem wird, nehmen Sie den Balkanzug und fahren eine Strecke weiter. Sie haben es gut.«

»Schade nur, daß ich mich für diese Art, leere Stunden totzuschlagen, weniger interessiere als Sie, Gospodin Karakinow.«

Der Mazedonier lachte. »Das werden Sie mir doch nicht weismachen! Nein, Herr Baron, ich habe doch Augen im Kopf. Erst machen Sie der Petrowa den Hof, jetzt ist Eveline Ali Bey an der Reche. Ihr habt es schon gut, ihr jungen Leute.«

»Ich versichere Ihnen ...« fiel Friedrich Franz etwas unwillig ein.

Aber der Mazedonier ließ ihn gar nicht zu Worte kommen. »Nein, Herr Baron, das gilt nicht. Zwischendurch haben Sie sogar Leda Serafinow den Hof gemacht, Sie Schmetterling. Ja, lieber Baron, Sofia ist klein, da spricht sich so etwas sofort herum. Der junge Makarow war nicht wenig wütend darüber, kann ich Ihnen versichern.«

»Dann muß er jetzt ja um so vergnügter sein.«

»Das sagen Sie so. Aber wenn sich Leda nun gar nichts mehr aus ihm macht? Was dann? Dann hat er doch wohl keinen besonderen Grund, vergnügt zu sein? Nicht wahr? Pech für den armen Kerl. Früher interessierte sich ja meine Nichte für ihn, wenigstens hatten wir alle den Eindruck, aber jetzt ist es vorbei damit.«

»Es tut mir aufrichtig leid, daß ich das nicht ändern kann.«

Der Mazedonier drohte ihm lächelnd. »Sie machen es sich leicht, Sie brechen Herzen, und dann flattern Sie weiter, Sie Schmetterling.«

Friedrich Franz hatte alle Mühe, an sich zu halten. Ekelhaft benahm sich der Kerl.

»Im Vertrauen gesagt, meine Nichte ist, glaube ich, nicht gerade glücklich darüber.«

»Sind Sie denn so nahe verwandt?«

»Das nicht gerade, aber wir nennen uns mal so, Onkel und Nichte, wenn wir auch nur entfernt verwandt sind. Bei uns kommt das häufiger vor, namentlich wenn zwei Familien so eng befreundet sind wie wir.«

Beide schwiegen.

Der Mazedonier begann wieder. »Eigentlich tut mir meine Nichte doch ein wenig leid, wissen Sie. Wenn man so schön ist, hat man es sowieso schon nicht leicht. Aber was braucht sich das Mädel auch noch eine, wie es scheint, unglückliche Liebe zuzulegen? Finden Sie nicht auch? Das ist doch wirklich überflüssig, wo sie es so gut haben könnte. Da ist Eveline vernünftiger. Bei ihr geht so leicht nichts in die Tiefe, wie es scheint. Sie amüsiert sich mit allen und jedem. Das ist viel bequemer auch für die Eltern, denn ernstlich brauchen sie sich um so ein Mädchen keine Sorgen zu machen. Die findet sich immer wieder zurecht im Leben und macht keine Dummheiten.«

Friedrich Franz stand hastig auf, ehe ihn Peter Karakinow verhindern konnte. »Entschuldigen Sie, der Legationsrat da drüben winkt mir, einen Augenblick, bitte.«

Er trat zu dem Legationsrat, der ihm gar nicht gewinkt hatte, sprach ein paar Worte mit ihm und verließ dann den Klub. Mochte der Mazedonier darüber denken, was er Lust hatte, mochte er es übelnehmen, soviel er wollte. Vielleicht bestand er dann sogar auf seiner Abberufung und erwies ihm so den größten Gefallen.

Peter Karakinow drückte sich noch tiefer und bequemer in seinem Ledersessel zurecht und schenkte sich ein neues Glas Sekt ein. Er grinste vor sich hin. Eigensinnig wie die Esel waren sie alle beide. Aus ihm war nichts herauszubringen und aus Leda auch nicht. Am besten läßt man sie sich alle beide noch ein wenig abzappeln, wie Fische an der Angel. Eines schönen Tages werden sie beide davon genug haben, des törichten Spieles müde werden, und dann hatte man sie, wo man sie haben wollte.

Der Legationsrat betrachtete aus der Ferne den Mazedonier durch das Einglas und rang mit einem Entschluß. Es war schon spät, nur noch wenige Leute im Klub, der Mazedonier schien etwas angetrunken zu sein, vielleicht konnte man es riskieren, sich für einen Augenblick zu ihm zu setzen. Wenn der Mann einen kleinen Schwips hat, hm, na ja, das wäre so übel nicht.

Peter Karakinow hatte die Augen halb geschlossen und markierte den Betrunkenen. Zwischen den halb geschlossenen Lidern beobachtete er den Legationsrat aufmerksam. Ihn drückt etwas, und er möchte mit mir sprechen, aber er kann sich noch nicht entschließen. Kommen wir ihm ein wenig zu Hilfe.

Peter Karakinow reckte sich, gähnte gewaltig und erhob sich halb aus seinem Ledersessel, um aufzustehn.

»Einen Augenblick noch, wenn ich bitten dürfte, falls Sie nichts Besseres zu tun haben.«

Peter Karakinow rieb sich die Augen. »Ach Sie, Herr Graf, entschuldigen Sie, daß ich so offenherzig gegähnt habe, ich dachte, ich wäre allein hier.«

Der Legationsrat setzte sich.

»Lange haben wir uns nicht gesprochen, Herr Karakinow. Wie geht es Ihnen?«

»Danke, Herr Graf, ausgezeichnet.« Er schenkte zwei Gläser Sekt ein, was der Legationsrat aber nicht zu beachten schien.

»Auch zu Hause alles wohl und munter? Ich wollte Ihrer Frau Gemahlin schon längst einmal wieder die Hand küssen, aber Sie wissen ja, wie das so geht bei uns, man kommt vor Arbeit zu gar nichts anderem mehr.«

»Das kann ich mir denken, Herr Graf.«

»Sagen Sie, mein lieber Herr Karakinow, was ich Sie längst schon mal hätte fragen wollen, wie macht sich denn eigentlich dieser, dieser Herr von Kaufmann?«

»Wie meinen Sie das, Herr Graf?«

»Hm, na ja, sind Sie zufrieden, daß wir den Mann Ihnen besorgt haben?«

»Es geht, Herr Graf.«

»Also nicht so ganz, wie mir scheint?«

»Wann wäre ein Mazedonier ganz zufrieden, Herr Graf.«

Der Legationsrat lächelte. »Da haben Sie freilich nicht so ganz unrecht.«

»Ja ja, Sie haben es nicht leicht mit uns, Herr Graf.«

»Nun, nun, dafür sind wir ja sozusagen da. Hm, na ja, aber das mit diesem Herrn von Kaufmann interessiert mich sozusagen, das heißt natürlich, nur dienstlich, sozusagen, Sie verstehen?«

Peter Karakinow nickte. Vorläufig verstand er noch kein Wort.

»Der Mann möchte nämlich eventuell wieder fort von hier, wie ich erfahren habe.«

So, hast du das endlich auch erfahren, dachte Karakinow spöttisch, laut aber sagte er: »Davon weiß ich ja noch gar nichts, Herr Graf. Können Sie mir sagen, warum er fort möchte?«

»Darüber habe ich mir noch keine Meinung gebildet, weder privatim noch amtlich. Da Sie aber doch mit dem Mann ab und zu zu tun haben ...«

»Keine Ahnung, Herr Graf, ich weiß von gar nichts. Ich genieße in dieser Hinsicht jedenfalls nicht das Vertrauen des Herrn Barons.«

Der Legationsrat ließ erstaunt das Monokel fallen und schob es dann hastig wieder ins Auge. »Der Herr Baron, hm, na ja, also Herr von Kaufmann möchte tatsächlich fort, wie ich Ihnen im Vertrauen mitteilen kann. Wie werden Sie und Ihre Herren sich zu dieser Eventualität stellen?«

»Gott, Herr Graf, es kommt selten was Besseres nach, sagte man in Bonn.«

»Besonderen Wert würden Sie auf sein Bleiben nicht legen, wenn ich Sie recht verstehe?«

»Das ist so eine Sache, Herr Graf, ich weiß nicht, ob ich offen mit Ihnen reden darf.«

»Ich bitte darum.«

Peter Karakinow überlegte einen Augenblick oder tat wenigstens so, dann meinte er: »Besonderen Wert würden wir in der Tat nicht darauf legen.«

»Das freut mich zu hören, Herr Karakinow.«

»Wenn freilich, wie gesagt, auch selten was Besseres nachkommt, Herr Graf.«

»Das, das lassen Sie bitte nur meine Sorge sein, mein lieber Herr Karakinow. Hm, na ja, damit wäre diese Sache also erledigt.«

Der Legationsrat erhob sich, reichte dem Mazedonier die Hand, sagte: »Darf ich Sie bitten, mich der gnädigen Frau zu Füßen zu legen«, und entfernte sich, nachdem er die Uhr gezogen und gesehen hatte, daß es schon auf drei Uhr ging. Zufrieden dachte er, als er den Klub verließ: Der Mann scheint den Mazedoniern nicht besonders sympathisch zu sein, der Mann bleibt.


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