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Georg Herwegh

(1817-1875)

Herwegh, Georg

 

Reiterlied

Die bange Nacht ist nun herum,
Wir reiten still, wir reiten stumm,
      Und reiten ins Verderben.
Wie weht so scharf der Morgenwind!
Frau Wirtin, noch ein Glas geschwind
      Vorm Sterben, vorm Sterben.

Du junges Gras, was stehst so grün?
Mußt bald wie lauter Röslein blühn,
      Mein Blut ja soll dich färben.
Den ersten Schluck, ans Schwert die Hand,
Den trink' ich, für das Vaterland
      Zu sterben, zu sterben.

Und schnell den zweiten hinterdrein,
Und der soll für die Freiheit sein,
      Der zweite Schluck vom Herben!
Dies Restchen – nun, wem bring' ich's gleich?
Dies Restchen dir, o römisch Reich,
      Zum Sterben, zum Sterben!

Dem Liebchen – doch das Glas ist leer,
Die Kugel saust, es blitzt der Speer;
      Bringt meinem Kind die Scherben!
Auf! in den Feind wie Wetterschlag!
O Reiterlust, am frühen Tag
      Zu sterben, zu sterben!

*

 

Ich möchte hingehn

Ich möchte hingehn wie das Abendrot
Und wie der Tag mit seinen letzten Gluten –
      O leichter, sanfter, ungefühlter Tod! –
Mich in den Schoß des Ewigen verbluten.

      Ich möchte hingehn wie der heitre Stern,
Im vollsten Glanz, in ungeschwächtem Blinken;
      So stille und so schmerzlos möchte gern
Ich in des Himmels blaue Tiefen sinken.

      Ich möchte hingehn wie der Blume Duft,
Der freudig sich dem schönen Kelch entringet
      Und auf dem Fittich blütenschwangrer Luft
Als Weihrauch auf des Herren Altar schwinget.

      Ich möchte hingehn wie der Tau im Tal,
Wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken;
      O wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl,
Auch meine lebensmüde Seele trinken!

      Ich möchte hingehn wie der bange Ton,
Der aus den Saiten einer Harfe dringet,
      Und, kaum dem irdischen Metall entflohn,
Ein Wohllaut in des Schöpfers Brust verklinget.

      Du wirst nicht hingehn wie das Abendrot,
Du wirst nicht stille wie der Stern versinken,
      Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod,
Kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken.

      Wohl wirst du hingehn, hingehn ohne Spur,
Doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen,
      Sanft stirbt es einzig sich in der Natur,
Das arme Menschenherz muß stückweis brechen.

*

 

Sonett

Sei mir gesegnet, frommes Volk der Alten,
      Dem unglückselig sein hieß: selig sein,
      Das jedes Haus, in das der Blitz schlug ein,
Für ein dem Zeus geweihetes gehalten!

Du fühltest wohl, des Himmels heimlich Walten
      Enthüll' sich den Geschlagenen allein,
      Und da leucht' erst der Wahrheit voller Schein,
Wo sich das Herz, der Wolke gleich, gespalten.

O sprecht, war's nicht zumeist des Unglücks Stunde,
      Die euch hinan zum Ewigen gehoben,
Der Himmelsoffenbarung klang vom Munde?

Der Frieden nicht, der Sturm trägt uns nach oben,
      Die höchsten Freuden sind auf dunklem Grunde,
Gleichwie des Äthers Sterne, eingewoben.

*

 

Die deutsche Flotte Gekürzt.

Erwach, mein Volk, mit neuen Sinnen!
         Blick in des Schicksals goldnes Buch,
         Lies aus den Sternen dir den Spruch:
              Du sollst die Welt gewinnen!
Erwach, mein Volk, heiß' deine Töchter spinnen!
Wir brauchen wieder einmal deutsches Linnen
                  Zu deutschem Segeltuch.

      Hinweg die feige Knechtsgebärde;
         Zerbrich der Heimat Schneckenhaus,
         Zieh mutig in die Welt hinaus,
              Daß sie dein eigen werde!
Du bist der Hirt der großen Völkerherde,
Du bist das große Hoffnungsvolk der Erde,
                  Drum wirf den Anker aus!

      War Hellas einst von beßrem Stamme
         Als du? von beßrem Stamme Rom?
         Daß Hermann, dein gepries'ner Ohm,
              Mein Volk, dich nicht verdamme –
Hinaus ins Meer mit Kreuz und Oriflamme!
Sei mündig und entlaufe deiner Amme,
                  Wie seinem Quell dein Strom!

      Das Meer wird uns vom Herzen spülen
         Den letzten Rost der Tyrannei,
         Sein Hauch die Ketten wehn entzwei
              Und unsre Wunden kühlen.
O laßt den Sturm in euren Locken wühlen,
Um frei wie Sturm und Wetter euch zu fühlen;
                  Das Meer, das Meer macht frei!

      Kühn, wie der Adler kommt geflogen,
         Nimmt der Gedanke dort den Lauf,
         Kühn blickt der Mann zum Mann hinauf,
              Den Rücken ungebogen.
Noch schwebt der Geist des Schöpfers auf den Wogen,
Und in den Furchen, die Kolumb gezogen,
                  Geht Deutschlands Zukunft auf.

      Wie dich die Lande anerkennen,
         Soll auch das Meer dein Lehen sein,
         Das alle Zungen benedein
              Und einen Purpur nennen.
Er soll nicht mehr um Krämerschultern brennen –
Wer will den Purpur von dem Kaiser trennen?
                  Ergreif ihn, er ist dein.

      Ergreif ihn, und mit ihm das Steuer
         Der Weltgeschichte, faß es keck!
         Ihr Schiff ist morsch, ihr Schiff ist leck,
              Sei du der Welt Erneuer!
Du bist des Herrn Erwählter und Getreuer;
O sprich, wann lodern wieder deutsche Feuer
                  Von jenes Schiffes Deck?

      Hör', Deutschland, höre deine Barden:
         Dir blüht manch lustig Waldrevier –
         Erbaue selbst die Segler dir,
              Der Freiheit beste Garden,
Mit eignen Flaggen, eigenen Kokarden;
Bleib nicht der Sklave jenes Leoparden
                  Und seiner schnöden Gier!

      Es wird geschehn! sobald die Stunde
         Ersehnter Einheit für uns schlägt,
         Ein Fürst den deutschen Purpur trägt,
              Und einem Herrschermunde
Ein Volk vom Po gehorchet bis zum Sunde;
Wenn keine Krämerwage mehr, wie Pfunde,
                  Europas Schicksal wägt.

Schon schaut mein Geist das nie Geschaute,
      Mein Herz wird segelgleich geschwellt,
      Schon ist die Flotte aufgestellt,
      Die unser Volk erbaute;
Schon lehn' ich selbst, ein deutscher Argonaute,
An einem Mast und kämpfe mit der Laute
                  Ums goldne Vlies der Welt.

*

 


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