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[Vorwort]

Wenn auch Uhland und seine Freunde den Versuch ablehnten, ihren Kreis als Schule zu umgrenzen, so zeigt uns die Vogelschau über die schwäbische Lyrik durch das vorige Jahrhundert hin doch eine Gemeinschaft, worin freilich mehr verwoben ist wie das Band eines gepflegten Lehrgutes.

Es offenbart sich der beispiellos eigenwüchsige Geistes- und Gefühlsbesitz, den wohl das heimatliche Mutterland oberdeutscher Kultur bereitete, indes ihn die besondere Art unserer Bildungsgeschichte aufspeicherte.

Zwei Namen bringen uns an den Quelltopf: Tübingen und das Stift. Schier alle jene Dichter kommen dorther. Aus der Enge solch zäher Zucht fielen die Ketten von Lichtgeschenken in die Truhen der deutschen Dichtung. Den Druck ihrer Hülle, den Geruch ihrer Luft trägt jeder wahre Vers dieser Herkunft leis an sich, auch wenn er losgelöster Wert und zeitlose Kunst wurde; dem Kundigen nicht als Makel, sondern als geheime Zier.

Darum ist es ein beglückender Reiz, das Hinausgegebene wieder einmal in die Schale zurückzunehmen. Bei der Arbeit fragt man sich erstaunt, warum die natürliche nicht schon lang von anderen geschehen sei.

Die fertige Sammlung aber zeigt dann wundersam wechselspielend, welcher Vielfalt sich aus der Verwandtschaft aufblättert, wie alle Sterne des Unbegrenzten in dem Gefäß glänzen.

Keinem anderen Stamm ist ein edleres Buch beschieden, um an ihm zu erkennen, daß Heimat und ihre Schranke auch der Weg ins Weite sind. Vielleicht darf es ein Hausbuch der Schwaben werden; im Reich aber brüderlich willkommen sein, nicht nur den literarisch Neugierigen, sondern allen, die Wasser vom Brunnen lieben.

Die Wahl war schwer des Reichtums wegen. Manch werter Name mußte liegen bleiben, auf daß das Nachempfundene, selbst wenn es gut klang, sich nicht ausbreite. Mein Ohr horchte nur nach dem reinen, eigentümlichen Ton. Doch glaubte ich auch nicht nur da und dort pflücken zu dürfen, wie es jetzt gern in liebhaberhaften Auslesen geschieht, vielmehr zog es mich, wesentliche Fülle zu geben, das Bild und die Bilder, Spiegel und Spiegelungen. Vielleicht kommt wirklich ein jeder der Dichter mit seinem Antlitz und Atem hervor und stellt sich doch insgemein in die eine Luft.

Schiller, Hölderlin, Kerner, Uhland, Mörike, Vischer und Fischer ...

Einziger Gast mit einem Gedicht wurde Nikolaus Lenau.

Freude bereitete mir auch, ein paar aus einer gewissen Vergessenheit zu holen, wie Karl Mayer, den lieben Freund der Natur, David Friedrich Strauß und Gustav Pfizer, die Edelgeister.

Dennoch, eine leichte Trauer bleibt. Es ist wohl verwichene Zeit, die da aufgehoben wird; oder sollte ihre freundliche Gottheit nicht für immer zu uns gekommen sein?

Im Kriegssommer 1918

Hans Heinrich Ehrler


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