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Wilhelm Waiblinger

(1804-1830)

Waiblinger, Wilhelm

 

Niobe

Oh, solang eine Mutter noch heilig ist, und nur eine
Mutterbrust noch fürs Kind ihrer Umarmungen glüht;
Eine Seele noch leidet, und eine den Schmerz noch der Liebe,
Den unsäglichen, fühlt, eine für andre noch seufzt,
Eine mit menschlicher Kraft noch gefüllt ist, eine mit Treue,
Eine das klopfende Herz liebend dem Tod noch weiht,
Bleibst du das heiligste, rührendste Bild, denn es schuf dich die Liebe,
Sanft wie ein Muttergemüt, stark wie Olympische sind.
Reiche dem Tod nur den Busen, empfange den Pfeil nur und drücke
Sterbend dein furchtsames Kind schirmend und zärtlich an dich!
Dein erbarmen die Götter sich schon, ja die himmlische Schönheit
Zaubert ihr süßestes Licht schon auf die Stirne dir hin.
Kaum noch gewahr' ich den menschlichen Schmerz, dein erhabenes Antlitz
Ist mir verklärt, und du sinkst eben dem Himmel in Arm.

*

 

Aus den Liedern aus Capri

Dem Fischer, der das Netz den falschen Wellen
So manches Jahr geduldig anvertrauet,
Mag ich mich gern am Strande zugesellen.

Fast ist er nackt; vom heißen Sonnenscheine
Gedunkelt und verbrannt ist Kopf und Nacken,
Und Brust und Schulter, und auch Arm und Beine.

Sein einziger Schmuck ist eine Wollenmütze,
Beglückt ist er vielleicht in eines Kahnes,
In einer Hütte sparsamem Besitze.

Ein Mädchen ist die Sehnsucht seiner Jugend,
Und ihm getraut, so bringt's ihm frische Kinder,
Und übt bewußtlos eine strenge Tugend.

Die Kleinen lernen bald die Kunst der Alten,
Das Netz zu ziehn, das Ruder keck zu führen,
Den Dienst des Boots ausdauernd zu verwalten.

Oft sah ich's, daß mit liebevollem Bangen
Am Strand sie Mutter oder Weib erwartet,
Und offnen Arms die Kehrenden empfangen.

Friedfertig, nur im Kampf oft mit dem Meere,
Betreiben sie das Urgeschäft der Väter,
Ein volles Netz gibt ihnen Ruhm und Ehre.

Welch Bild der Menschheit! Mit vermess'nem Willen
Wagt ins Unendliche hinein sich jeder,
Das tägliche Bedürfnis nur zu stillen.

*

 

Ans Vaterland

... Ob auch vom Vaterlande
Mein Leib auf ewig schied,
Weih ich zum treuen Bande
Doch ihm mein Herz und Lied.

*

 


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