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J. G. Fischer

(1816-1897)

Fischer, Johann Georg

 

Zeitiger Frühling

Springt der Bub das Dorf hinaus:
»Vater, es ist schon Frühling draus,
Zum Schmetterlingsfangen die beste Zeit.«

Ist zwar kein Frühling noch weit und breit,
Hat kaum der Boden sich aufgetan;
Doch die Jugend will ihren Willen han. – –

Wie, wenn ich nach dem Jungen ging,
Zu schauen, was er im Garne fing?
Freute mich ja so ein Falter selber,
So ein roter oder zitronengelber!
Richtig! Da flattert's schon! – – und wie! –
Sah ich doch all mein Leben nie
Einen so artlichen Schmetterling:
Ein milchjung geschlacht und huschig Ding,
So scheu halb und so flüchtig noch,
So dreist halb und fürwitzig doch,
Minder im Flug, mehr im Lauf,
Ein herziger Kindskopf obenauf,
Schwarzaugen so funkelnd und feuernd schon,
Zöpfe, so lang als die ganze Person,
Eine rote Masche als Halsgeschmeid,
Statt der Flügel ein fliegend Kleid,
Und ein lustiges Kreuzband zum Beschluß,
Das den muntern Knöchel bezeichnen muß.

Ein extra Märzenvogel der!
Mein lustiger Ärgster hinterher,
Das Schmetterlingsgarn verächtlich weggeschmissen.
Ja nun, nun freilich muß Frühling sein,
Er blüht ja mir selber zum Haus herein; – – –
Was doch die Jungen alles besser wissen!

*

 

Unbewußt

Es war am frühen Morgenlicht,
Als Ostern angefangen,
Ein Veilchen aber wußte nicht,
Daß es schon aufgegangen.

*

 

Ans Ziel

Gestern ein Rieseln
Im weichen Eise,
Heute ein Bach
Auf der Frühlingsreise.
Gestern ein Kind
Mit Schleif' und Band,
Heute Jungfrau
Im Festgewand:
Wohin? – Wer weiß?
Und wem der Preis?
Frage die Biene,
Wohin sie fliegt,
Frage die Hoffnung,
Wo Eden liegt.

*

 

Der Preis

Es ist kein hoher Berg so hoch,
So tief kein tiefes Tal,
Es dringt hinauf ein Vögelein,
Hinab ein Sonnenstrahl.

Und wohntest du im Alpengold,
Und wo die Perlen sind,
Ich hätte doch so hoch und tief
Dein Herz geholt, mein Kind.

*

 

Geweihte Stätte

Wo zweie sich küssen zum erstenmal,
Bleibt nach auf Erden ein Duft und Strahl;

Es leuchtet der Platz, es wärmt der Weg,
Von seligem Zittern bebt der Steg;

Und der Baum geht früher in Blüt' und Blatt,
Wenn ein Sonnenregen geregnet hat.

Die Erde wimmelt von Klang und Licht,
Wie Feiertag ist's und ist doch nicht.

Wär' auch die Sonne am Untergehn,
Auf Erden ist's eben wie Auferstehn.

Denn alles ist Seele und Sonnenstrahl,
Wo zweie sich küßten zum erstenmal.

*

 

Eine Abendstunde

Keine Seele weit und breit,
Ich allein bin dein Geleit,
Liebste, sieh, es taut und dunkelt
Und der Stern der Liebe funkelt.

Trinke seinen vollen Schein,
Trinkt, ihr süßen Augenlider,
Liebste, laß den Himmel ein,
So ist keine Stunde wieder.

Sieh', nun lieben alle Sterne,
Und so bring' auch du, und gerne,
Jedem Wunsch Erfüllung zu,
Eh' ich sterben muß und du.

*

 

Trost in Schmerzen

Daß du mir vorangegangen,
Sterb' ich noch einmal so froh,
Drüben ewig uns umfangen,
Welch ein Glück beseligt so?

Von den zeitlichen Gestalten
Jede klagt und weint einmal,
Nur die ewigen Gewalten
Kennen keine Lebensqual.

Ewigkeiten ohnemaßen!
Freue dich, erlöstes Kind –
Wo die Schmerzen uns vergaßen
Und von uns vergessen sind.

*

 

Am hohen Mittag

Er breitet seine vollsten Schwingen,
So hat die Sonne es gewollt,
Ihn freut, wie seine Adler dringen
Durch des erwärmten Äthers Gold.

Man fühlt des Lebens Quellen fließen
So nahe und so himmelweit,
Man hört die Stunden leise gießen
Die Tropfen in das Meer der Zeit.

Es flutet wie für Ewigkeiten
Dahin, was der erfüllte Tag
Bis an der Ufer fernste Weiten
Verströmen und umfassen mag.

Des Weges aber zieht ein Wandrer,
Die Stirn mit Wunderlicht umsäumt,
Der, schon in dieser Welt ein andrer,
Von einer neuen Erde träumt.

*

 

Um die dritte Stunde

Die dritte Stunde des Nachmittags
Das ist die müde Stunde,
Es geht das Zittern ihres Schlags
Wie Lähmung in die Runde.

Da liegt sie stumm, die heiße Welt,
Verschmachtet und begraben,
Der Glutengott alleine hält
Die Fackel noch erhaben.

Wie Wüstenodem tödlich drückt
Sein schwüles Reich die Matten,
Und von des Turmes Kuppel bückt
Sich welk der müde Schatten.

Verlechzend ist auf dürrem Moos
Das Flurgeräusch entschlafen,
Die Welle schlurft gedankenlos
Ums träge Schiff im Hafen.

Wie ein erschlagner Riese schweigt
Die glühe Felsenflanke,
Im Menschenhaupt hat sich geneigt
Zum Schlummer der Gedanke.

Kein Laut ergeht, kein Hauch, kein Lied
Gibt noch von Leben Kunde,
Als ob der Erdengeist verschied'
Um diese dürre Stunde.

Die von des Mittags stolzen Höh'n
So fern ist abgefallen,
Wie von des Abends Lustgetön
Und seinen Nachtigallen.

*

 

Im Licht

Laß ins Herz von deinem Lichte,
Einzig Licht, mich treten,
Und zu deinem Angesichte
Dieses eine beten:

Senk in deine tiefsten Gründe
Meine ganze Seele,
Daß ich liebe ohne Sünde,
Daß ich nimmer fehle.

Gleichwie die, so vor mir kamen,
Selig von dir gingen,
Weil sie deinen Geist vernahmen
Und dein Licht empfingen.

*

 

Vor einer Knospe

Müde hab' ich mich geschaut,
Wann erblühen soll ihr Leben,
Doch es weigert sich die Braut,
Ihren Schleier zu erheben.

Und ich schloß die Lider kaum,
Wie man schnell das Auge feuchtet –
Sieh, da ist sie aus dem Traum
Schon erwacht und blüht und leuchtet.

Und der Blick so sehnsuchtsvoll
Sah es nicht, wie sich's begeben;
Was ein Wunder bleiben soll,
Darf das Auge nicht erleben.

*

 

Weißdornbüschlein

Helles Büschlein am grünen Rain,
Glänzend von Blättern und Blüten,
Sommerlüfte und Sonnenschein
Mögen dich treulich hüten!

Wie so stille in [deinem] Schoß
Zwischen der Dornen Spitzen,
Neugeboren im weichen Moos
Schlafende Vöglein sitzen!

Nacktes Häuflein, in Schlummer und Traum!
Leben so zärtlich gewoben!
Hüpfender Atem, keimender Flaum!
Köpfchen so bittend gehoben!

Öffnet euch leise und duftet lind,
Wonneheimliche Zweige,
Daß mit klopfendem Herz mein Kind
Wundernd hinab sich neige.

Dann ums Büschlein am grünen Rain,
Glänzend von Blättern und Blüten,
Lagert euch, Lüfte und Sonnenschein,
Treu es zu schützen, zu hüten.

*

 

Daheim

Ich habe dein Bild am Himmel fern
Gesucht beim bleichen Morgenstern,
Ich schwebte dir nach mit dem Schwalbenzug,
Der gen Mittag nimmt den geschwinden Flug,
Die Arme hob ich nach deiner Gestalt,
Wenn die Berge des Abends goldumwallt,
An aller hohen Dinge Glanz
Hab' ich dein Bild gebunden,
Und habe dich nirgend so rein und ganz
Als bei dir selbst gefunden.

*

 

Mein stilles Lied

Schenke mir, Himmel, zu Kleid und Brot,
Gib mir in Lebens Lust und Not,
Daß ich dir danke mein stilles Lied.

Gib mir, wenn sie im Ruhmesdrang
Laut erheben des Kampfs Gesang,
Daß ich bewahre mein stilles Lied.

Oder, ein Herrlicher rauscht empor,
Wenn ich im Dunkel mich verlor,
Daß mich stärke mein stilles Lied.

Schenke mir, der du erhebst und schlägst,
Wenn du die Herzen und Taten wägst,
Daß ich dir danke mein stilles Lied.

*

 

Der Brückengeist

Nun sitz ich wie viel Jahr und Tag
Schon unter dieser Brücken!
Und nur ein Geist von meinem Schlag
Hält aus das lange Bücken.
Die Balken drücken sich die Hand
Unter den alten Jochen
Und halten sie in Rand und Band
Als wie Urväterknochen.

Manchmal verlangte mich's hinauf
Zum Weideroß ins Wilde,
Manchmal mit dieser Wellen Lauf
Hinab ans Meergefilde;
Dann sprach ich: Schlag's dir in den Wind,
Du Stirne mit den Falten,
Und sieh dein eigen Hausgesind'
Umher sein Wesen halten:

Den Trupp der Fische groß und klein,
Die goldhell feuchten Augen,
Wie den gekühlten Sonnenschein
Vom Wassergrund sie saugen;
Das schwüle Menschenangesicht
In Sommergluten droben,
Das froh sich abkehrt von dem Licht,
Um deine Flut zu loben.

Ein ganzes Reich umgibt dich hier
Mit allen Ufersassen,
Die Wasservögel fangen dir
Die Mücken von der Nasen;
Wird dir die Zeit am Tag zu lang,
Die Welle gluckst und brodelt,
Und willst du einen Schlafgesang,
Das Nachtgevögel jodelt.

Dann sieh dir beide Ufer an,
Wie sie herab sich senken
Und ewig keins zum andern kann,
Es ist nicht auszudenken;
Den ganzen Wellentaumel sieh,
Das Drängen und das Wühlen,
Den Uferblumen Hüft' und Knie
Mit weichem Druck zu fühlen.

Und wenn die Schar der Mädchen husch
Im Bad sich duckt mit Lachen,
Dann heiß verschwiegen sein den Busch
Und zu die Augen machen;
Doch öffne sie dem Burschen da,
Dem nichts bei uns will taugen,
Dem nachweint bis Amerika
Ein Paar der treusten Augen.

Denn alle spiegelt ab die Flut,
Die ob der Brücke jagen,
Den Frieden mit dem Erntehut,
Den Krieg mit Roß und Wagen,
Und alle, die in Hast und Schweiß
Hinüber, herüber sausen,
Weil eins daheim zu Haus sich weiß
Und keins zu Haus da draußen.

Ström' zu, du fahrendes Getreib,
Nach drüben und nach hüben!
Ich lobe mir das Bettelweib
Am andern Ende drüben,
Seh' ihre Hände, welk und kalt,
Herab am Stabe hangen,
Wie in das Wasser braun und alt
Baumwurzeln niederlangen.

Sie denkt nur eins, das Erst' und Letzt',
Den Posten festzuhalten,
Wie meine Stärke einst und jetzt
Ich selber hab im Alten;
Sie läßt das Zeug vorübergehn,
Dazu hat man die Brücken – – –
Und bleibt –; so laß ich's auch geschehn
Und trag's auf meinem Rücken.

Beim letzten Eisgang ist es schier
Zu unverschämt gekommen
Und hat die linke Hüfte mir
Bedenklich mitgenommen;
Noch einmal so, dann ist's verspielt,
Dann, Brücklein, munter, munter
Mitsamt dem Geist, der lang dich hielt,
Zum großen Bach hinunter!

*

 

Ein Prophet

Ihr könnt mir glauben, er hat's gesehn,
Ganz wie es kommt und ist und wird.

Im Hornungsspätrot ist's geschehn,
Vom Zweig ein Fink ist abgeschwirrt,
Der spürte ein Saften zuerst im Baum,
Spürte, spürte und nickte kaum,
Schwirrt ab und sagt: Auf Ehrenwort,
Schon rieselt's innen im Ast und kriecht
Wie Füße herauf an einer Wand,
Mir war's, wie wenn man Tauwind riecht,
Daß mir das Haar zu Berge stand;
Ich hab's gespürt, es rückt so fort
Und muß noch stärker und muß uns bald
Herüberlauten vom hohen Wald:
Es treibt und steigt und ist im Lauf,
Und unser keiner hält es auf;
Es kommt!
Es kommt!

So sagt er, und wie Lebensduft
Ging heimliches Schüttern durch die Luft.

*

 

Der rechte Frühlingstag

Das ist der rechte Frühling nicht,
Wenn alle Welt vom Frühling spricht.

Der Frühling ist ein holdverstohlen
Getauschtes Wort, mit Herzenspochen
Von zwei'n am Gartenhag gesprochen,
Ein Händedrücken süß verstohlen,
Gleicht einem Bande, das im Spiel,
Drin es dem liebsten Kind entfiel,
Geheimnisfroh in Jugendhast
Eine beseligte Hand erfaßt,
Die ihre Wonne nun verborgen
Entgegenträumt dem nächsten Morgen.

Der Frühling ist ein süßerschrocken,
Kaum grüßendes Vorübergehn,
Ein göttlich stilles Auferstehn,
Schon früh vorm Schall der Osterglocken;

Und was kein Lied erklären mag,
Das ist der rechte Frühlingstag.

*

 

Elysium

Und ist's mit dieser Welt herum,
Und komm' ich ins Elysium,
Meiner Ahne Haus muß mit hinein,
Sonst mag ich nicht darinnen sein.
Hinter dem Hause muß am Hag
Die Sonne lagern den ganzen Tag,
Daß golden durch der Blätter Lucken
Wie Engelsbacken die Kürbiss' gucken,
Daß die Nachbarn wieder herüberschaun,
Die Arme aufgestellt am Zaun,
Wie sie am Sonntag aus den Pfeifen
Lassen die blauen Wolken schweifen;
Lustige Mägde ziehen am Haus
In weißer Schürze den Weg hinaus,
Doch draußen schütteln am Gartensaum
Wir Buben den frühesten Birnenbaum.

So sei es im Elysium,
Sonst scher' ich mich den Teufel drum.

*

 

Eure Weisheit

Ich sah am liebsten hoch im Turm
Weit nach den blauen Landen,
Bin jauchzend bei dem lauten Sturm
Des Glockenschwungs gestanden;
Ich kam hernieder, doch empor
Schlägt noch mein Herz nach Jahren.
So blieb ich immer euch ein Tor,
Die niemals droben waren.

*

 

Elegie der Freundin

Daß die Erde schöner sei,
Leuchten über ihr die Sterne,
Jedes Jahr hat seinen Mai,
Ihre Reize jede Ferne.

Breite du der Schönheit Licht,
Freund, ob meinen Lebenstagen,
Und wenn deine Treue bricht,
Nie soll dich ein Wort verklagen.

Ach, ich war der Götter Gast,
Seit du, wie ein Fels die Ranken,
Mich zu dir erhoben hast!
Noch im Sterben will ich's danken.

Soll erlöschen deine Huld,
Stille will ich, stille bleiben,
Ewig will ich alle Schuld
Auf des Himmels Fügung schreiben.

Blick der Liebe, o wie hell
In die Nacht wirst du geboren!
Blick der Liebe, o wie schnell
Bist du in die Nacht verloren!

*

 

Ihr Auge

Aug' der Besten, groß und tief,
Das mit mir gelacht,
Das an meiner Seite schlief
Und mit mir gewacht!

Stündlich jetzt, ich zähl' es kaum,
Frag' ich deinen Geist:
Ist es möglich? Ist's ein Traum,
Daß du nimmer seist?

Sagt mir's weinend, die ihr wißt,
Wie man's tragen mag,
Daß ein Himmel nicht mehr ist,
Auch nur einen Tag.

*

 

Abends

Die letzten Sonnenstreifen schweben
An meiner Hütte gleitend ab,
So sinkt ein Tag, so sinkt ein Leben
Und alles, was die Sonne gab.

O wär't ihr Teuren festzuhalten!
Doch eure Neige schon zerfloß,
Gewohnte, süße Lichtgestalten,
Wie sich das liebste Auge schloß.

Nun seid ihr weg, es ist geschehen,
Und wie der letzte Dämmer schied,
So wirst du selber niedergehen,
Du meine Seele, du mein Lied.

*

 

Das Weib

O Weib, wie sollt' ich reden
Und dein Verkünder sein?
Du müßtest mir aus Eden
Der Worte Zauber leihn;

Sei selber dein Bekenner
Und lehre du den Mann,
Was keine Kunst der Männer
Im Weib ergründen kann.

Doch über alles Fragen
Ist, wie du nahst und schweigst.
Und über alles Sagen,
Wie du die Stirne neigst.

*

 

Nur einen Mann aus Millionen

Februar 1849. (Gekürzt.)

Tritt aus der Führer wildem Zanken
Kein so antiker, ganzer Mann,
Der den unsterblichen Gedanken
Der deutschen Größe fassen kann?
Der ohne Ansehn und Erbarmen
Zuhauf uns treibt im Schlachtenschweiß
Und dann mit unbeugsamen Armen
Die deutsche Mark zu runden weiß!

Nur einen aus den Millionen,
So weit die deutsche Langmut haust!
Zum Heil der Völker und der Thronen
Nur eine eisern harte Faust,
Die wie ein Blitz durch alle Grade
Empor sich zum Diktator schwingt
Und die Rebellen ohne Gnade
Ins starre Joch der Einheit zwingt!

Die, nicht erwägend und nicht wählend,
Aufstelle das Kolumbusei,
Daß nicht der Deutschen Schmach und Elend
Ein Spottlied aller Völker sei.
Komm, Einz'ger, wenn du schon geboren,
Tritt auf, wir folgen deiner Spur,
Du letzter aller Diktatoren,
Komm mit der letzten Diktatur!

*

 

Am Tag der Schlacht

Wie still die Stadt an allen Enden!
Wie seltsam atmet diese Ruh!
Die Frauen von den Wällen senden
Den Blick des Westens Ferne zu.

Dort kämpft der Süden und der Norden
Auf Tod und Leben um die Welt,
Und eh' es Abend ist geworden,
Der eine siegt, der andere fällt.

Und hier? – Du liebster aller Schmerzen,
Wenn sich der Mann im Felde schlägt,
Indessen unterm Frauenherzen
Sich neues Leben keimend regt! – –

Der Gegner fiel, die Glocken melden:
Das kaum Erhörte ist getan,
Und eure ruhmgekrönten Helden,
Ihr sollt sie heute noch umfahn.

Die Sieger kommen! Auf, ihr Frauen,
Entgegen! Alles ist bewegt,
Und helfet eine Zeit erbauen,
Die unser Heil im Schoße trägt.

Ihr seid's, die durch der Zeiten Ferne
Als Welterhalterinnen gehn,
Wenn an dem Himmel Völkersterne
Verschwinden oder auferstehn.

Ihr, die ihr jetzt von diesen Wällen
Den Blick ins Weltgeschicke senkt
Und von des eignen Lebens Quellen
Des Kindes Lebensquelle tränkt.

*

 

An die Unsterblichen

Ihr streuet unter euren Himmelsräumen
Und pflanzet zwischen eurer Erde Säumen
Unendlich Wünschen euren Kindern hin,
Und jedes freue sich nach seinem Sinn;
Ihr laßt sie zweifeln, wählen, laßt gewähren,
Laßt andre sich zu frommer Bitte kehren,
Weil stille sie vertrauen eurem Rat,
Und unter diesen bin auch ich genaht
Und bat euch um das Kleinste und das Größte:
Verleiht, wenn ich entsinke eurer Hand,
Daß ich allein des Worts von euch mich tröste:
»Es lebt kein Schönes, das er nicht empfand.«

*

 

Wenn ich auf immer dereinst entschlief

Und wenn ich auf immer dereinst entschlief,
Dann machet mein Grab auch noch so tief,
Ich weiß ja, daß es kein tiefres gibt
Als die Erde, die ich so warm geliebt,

Weiß, daß ich in aller Geborenen Schar
Ich selber und nicht ein anderer war,
Daß keinem andern gehören kann,
Was ich gelebt, was ich begann.

Und wenn ich lange vergessen bin,
Wird über meinem Grabe hin
Eine neue Kette von Herzen sich
Fortschlingen, die fühlen so froh als ich:

Daß nimmer der herrliche Mut vergeht,
Welchem der Sinn nach dem Höchsten steht,
Und für jedes schönen Begehrens Lust
Die erfüllende Kraft in der Menschenbrust.

*

 


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