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Christian Fr. D. Schubart

(1739-1791)

Schubart, Christian Fr. D.

 

Der Kreuzgang

Als der Mittler Gottes auf dem Rücken,
      Den die Geißel blutig schlug,
      Einst sein Kreuz zur Schädelstätte trug,
Ach, da sankst du; denn das Drücken
      Deines Kreuzes war zu schwer;
      Ach, da sankst du, Heiliger!

Und ein Wandrer, Simon von Kyrene,
      Nahm von dir das Kreuzgewicht;
      Trug's voll Mitleid – Hell im Angesicht
Schimmerte des Pilgers Träne –
      Trug's den Golgatha hinauf,
      Richtet's unter Schädeln auf.

Mittler, der ich auch im Zährentale
      Trage meines Kreuzes Last,
      Der du mir es vorgetragen hast,
Hilf mir, eh' ich unterm Pfahle
      Sink' und lieg'! ich flehe dir;
      Mittler Gottes, trag es mir.

*

 

Aus dem Gedicht »Die Linde«

Einst knospete ich, o Linde!
      Schöner als du. Trug Blüten
Des Knaben, des Jünglings, die süßer
      Dufteten, als du im Frühlingsschmuck.

Meine geringelten Seidenlocken
      Waren schöner als dein grünes Haar.
Schöner, als deines Finken und Distelvogels,
      Scholl mein Gesang und Flügelspiel.

Ich war ein Mann, breitwipflig
      Und lieblich im Sonnenstrahl spielend.
Meines Geistes Fittich deckte die Meinen,
      Wie dein schattender Wipfel den Pilger.

Aber ach! mein Herbst ist gekommen;
      So früh ist schon mein Herbst gekommen!
Das Schicksal blies mit kaltem stürmendem Odem;
      Und meine Blätter fielen.

Heiser ist mein Gesang;
      Die geflügelte Rechte lahmt
Auf den braunen Tasten
      Des goldnen Saitenspiels.

Meine Phantasie, der Riese,
      Zuckt ausgestreckt, wie ein Geripp',
Im Staube. Mein Witz, die Rose,
      Liegt entblättert, zerknickt.

Fern ist meine Liebe;
      Meine Kinder sind ferne;
Der schwarze, starre, enthaarte Ast
      Vermag nicht mehr zu schatten die Lieben!

*

 

An meinen Sohn

Ludwig, du Sohn meines Herzens!
Als dein Tag rötlich heraufstieg
Und die Stäbe meines Gitters küßte.
Da weint ich gen Himmel: o Vater,
Über alles, was Kinder heißt
Im Himmel und auf Erden!
Auch ich bin Vater,
Hab' einen blühenden Sohn!
Hab' eine blühende Tochter!
Ach, ein armer Vater bin ich!
Denn ferne tatest du mich von meinen Lieben!
Du winktest mit eisernem Arme
Mir ins Gefängnis; ich folgte,
Ohne mit der Zähre des Abschieds
Zu netzen die Wange der Kinder!
Zu netzen die bleichere Wange
Der Mutter meiner Kinder!
Ach, nun sind schon viele, viele Jammermonde
Am rostzerfreßnen Gitter meines Kerkers
Mit schwerem nächtlichem Fluge vorübergeflogen,
Und noch streck' ich die Vaterarme
Vergeblich aus nach dem Sohn meines Herzens,
Vergeblich nach der Tochter meines Herzens.
Im Kleide des Waisenknaben
Steht mein Sohn vor mir, im Schleier
Des verwaisten Mädchens meine Tochter –
Zwei Bilder aus Duft gewebt,
Die sich bewegen im Hauche meiner Seufzer,
Und zerfließen vor dem ausgebreiteten Arme!

            Ach, ich muß sein, wie einer,
            Der seiner Kinder beraubt ist.
            Ich werde mit Herzleid fahren
            Hinunter in die Grube,
            Eh' ich seh' Ludwig, meinen Sohn!
            Juliana, meine Tochter!

Vergib mir's, o du aller Väterlichkeit,
Aller Mütterlichkeit Urquell,
Wenn ich in der Nacht meines Kerkergewölbes
Einsam steh' und weine!
Auch du bist Vater,
Und ließest fallen eine Zähre,
Daß die Sonne erlosch,
Als dein Sohn Jesus
Herunterhing am blutigen Kreuze!
Ach, drum vergib mir, du Bilder
Des Vaterherzens – o du!
Der den Silberquell der Mutterbrust
Strömen hieß! Vergib mir,
Wenn ich in der Nacht meines Kerkergewölbes
Einsam steh' und weine!
Ach, laß mich dir danken mit Tränen,
Daß du mir einen Sohn gabst,
Daß du ihn beträuftest
Mit des wiedergebärenden Bades
Heiligem Wasser; daß du ihn schütztest,
Als der nahe Tod giftige Blattern
Wie Ruß auf seinen Körper streute;
Ihm halfest, wenn der Wurm
Sein Eingeweid' zerwühlte;
Ihn mit luftigem Flügel kühltest,
Als das Fieber ihn verzehren wollte
In sengender Flamme;
Ihn zogest aus der verschlingenden Donau,
Als er schon zuckte in ihrem schwarzen Rachen;
Ach! daß du ihm gabst einen Vater,
Als deine erbarmende Zucht mich entriß
Dem Strudel der Welt, und mich verbarg
In des Kerkers büßende Kluft.

*

 

Winterlied eines schwäbischen Bauernjungen

Mädel, 's ist Winter, der wollige Schnee,
Weiß wie dein Busen, deckt Täler und Höh'.
Horch, wie der Nordwind um 's Häuslein her pfeift!
Hecken und Bäume sind lieblich bereift.

Mädel, 's ist Winter, die Bäche sind Eis;
Dächer der ländlichen Hütten sind weiß.
Grau und ehrwürdig, im silbernen Flor,
Streckt sich der stattliche Kirchturm empor.

Mädel, 's ist Winter. Mach's Stüblein fein warm;
Setz dich zum Ofen, und nimm mich in Arm!
Lieblich und kosend, wie rosigen Mai,
Führt uns die Liebe den Winter vorbei.

Drehst du mit Fingern, so reinlich wie Wachs,
Seidene Fäden vom silbernen Flachs,
Schüttl' ich die Acheln dir schäkernd vom Schurz,
Mache die Nächte mit Märlein dir kurz.

Mädel, 's ist Winter. O wärst du schon mein!
Schlüpft' ich ins blähende Bettlein hinein;
Nähm' dich, mein herziges Liebchen! in Arm,
Trotzte dem Winter; denn Liebe macht warm.


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