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Friedrich Schiller

(1759–1805)

Schiller, Friedrich

 

Graf Eberhard der Greiner von Württemberg

Kriegslied

Ihr – ihr dort außen in der Welt,
      Die Nasen eingespannt!
Auch manchen Mann, auch manchen Held,
Im Frieden gut und stark im Feld,
      Gebar das Schwabenland.

Prahlt nur mit Karl und Eduard,
      Mit Friedrich, Ludewig!
Karl, Friedrich, Ludwig, Eduard
Ist uns der Graf, der Eberhard,
      Ein Wettersturm im Krieg.

Und auch sein Bub, der Ulerich,
      War gern, wo's eisern klang;
Des Grafen Bub, der Ulerich,
Kein Fußbreit rückwärts zog er sich,
      Wenn's drauf und drunter sprang.

Die Reutlinger, auf unsern Glanz
      Erbittert, kochten Gift
Und buhlten um den Siegeskranz
Und wagten manchen Schwertertanz
      Und gürteten die Hüft'.

Er griff sie an – und siegte nicht
      Und kam gepantscht nach Haus;
Der Vater schnitt ein falsch Gesicht,
Der junge Kriegsmann floh das Licht,
      Und Tränen drangen 'raus.

Das wurmt ihm – Ha! ihr Schurken, wart!
      Und trug's in seinem Kopf.
Auswetzen, bei des Vaters Bart!
Auswetzen wollt' er diese Schart'
      Mit manchem Städtlerschopf.

Und Fehd' entbrannte bald darauf,
      Und zogen Roß und Mann
Bei Döffingen mit hellem Hauf,
Und heller ging's dem Junker auf,
      Und hurra! heiß ging's an.

Und unsers Heeres Losungswort
      War die verlorne Schlacht;
Das riß uns wie die Windsbraut fort
Und schmiß uns tief in Blut und Mord
      Und in die Lanzennacht.

Der junge Graf voll Löwengrimm
      Schwung seinen Heldenstab,
Wild vor ihm ging das Ungestüm,
Geheul und Winseln hinter ihm
      Und um ihn her das Grab.

Doch weh! ach weh! ein Säbelhieb
      Sunk schwer auf sein Genick.
Schnell um ihn her der Helden Trieb,
Umsonst! umsonst! erstarret blieb
      Und sterbend brach sein Blick.

Bestürzung hemmt des Sieges Bahn,
      Laut weinte Feind und Freund –
Hoch führt der Graf die Reiter an:
Mein Sohn ist wie ein andrer Mann!
      Marsch, Kinder! In den Feind!

Und Lanzen sausen feuriger,
      Die Rache spornt sie all,
Rasch über Leichen ging's daher,
Die Städtler laufen kreuz und quer
      Durch Wald und Berg und Tal.

Und zogen wir mit Hörnerklang
      Ins Lager froh zurück,
Und Weib und Kind im Rundgesang,
Beim Walzer und beim Becherklang
      Lustfeiern unser Glück.

Doch unser Graf – was tät er itzt?
      Vor ihm der tote Sohn.
Allein in seinem Zelte sitzt
Der Graf, und eine Träne blitzt
      Im Aug' auf seinen Sohn.

Drum hangen wir so treu und warm
      Am Grafen, unserm Herrn.
Allein ist er ein Heldenschwarm,
Der Donner rast in seinem Arm,
      Er ist des Landes Stern.

Drum ihr dort außen in der Welt,
      Die Nasen eingespannt!
Auch manchen Mann, auch manchen Held,
Im Frieden gut und stark im Feld,
      Gebar das Schwabenland.

*

 

Die Erwartung

Hör' ich das Pförtchen nicht gehen?
      Hat nicht der Riegel geklirrt?
            Nein, es war des Windes Wehen,
            Der durch diese Pappeln schwirrt.

O schmücke dich, du grün belaubtes Dach,
Du sollst die Anmutstrahlende empfangen!
Ihr Zweige, baut ein schattendes Gemach,
Mit holder Nacht sie heimlich zu umfangen!
Und all' ihr Schmeichellüfte, werdet wach
Und scherzt und spielt um ihre Rosenwangen,
Wenn seine schöne Bürde, leicht bewegt,
Der zarte Fuß zum Sitz der Liebe trägt.

      Stille! Was schlüpft durch die Hecken
      Raschelnd mit eilendem Lauf?
            Nein, es scheuchte nur der Schrecken
            Aus dem Busch den Vogel auf.

O lösche deine Fackel, Tag! Hervor,
Du geist'ge Nacht, mit deinem holden Schweigen!
Breit' um uns her den purpurroten Flor,
Umspinn uns mit geheimnisvollen Zweigen!
Der Liebe Wonne flieht des Lauschers Ohr,
Sie flieht des Strahles unbescheidnen Zeugen;
Nur Hesper, der Verschwiegene, allein
Darf, still herblickend, ihr Vertrauter sein.

      Rief es von fern nicht leise,
      Flüsternden Stimmen gleich?
            Nein, der Schwan ist's, der die Kreise
            Ziehet durch den Silberteich.

Mein Ohr umtönt ein Harmonienfluß,
Der Springquell fällt mit angenehmem Rauschen,
Die Blume neigt sich bei des Westes Kuß,
Und alle Wesen seh' ich Wonnen tauschen;
Die Traube winkt, die Pfirsche zum Genuß,
Die üppig schwellend hinter Blättern lauschen;
Die Luft, getaucht in der Gewürze Flut,
Trinkt von der heißen Wange mir die Glut.

      Hör' ich nicht Tritte erschallen?
      Rauscht's nicht den Laubgang daher?
            Nein, die Frucht ist dort gefallen,
            Von der eignen Fülle schwer.

Des Tages Flammenauge selber bricht
In süßem Tod, und seine Farben blassen;
Kühn öffnen sich in holdem Dämmerlicht
Die Kelche schon, die seine Gluten hassen.
Still hebt der Mond sein strahlend Angesicht,
Die Welt zerschmilzt in ruhig großen Massen;
Der Gürtel ist von jedem Reiz gelöst,
Und alles Schöne zeigt sich mir entblößt.

      Seh' ich nichts Weißes schimmern?
      Glänzt's nicht wie seidnes Gewand?
            Nein, es ist der Säule Flimmern
            An der dunklen Taxuswand.

O sehnend Herz, ergötze dich nicht mehr,
Mit süßen Bildern wesenlos zu spielen!
Der Arm, der sie umfassen will, ist leer,
Kein Schattenglück kann diesen Busen kühlen.
O führe mir die Lebende daher.
Laß ihre Hand, die zärtliche, mich fühlen!
Den Schatten nur von ihres Mantels Saum,
Und in das Leben tritt der hohle Traum.

      Und leis wie aus himmlischen Höhen
      Die Stunde des Glücks erscheint,
            So war sie genaht ungesehen
            Und weckte mit Küssen den Freund.

*

 

Der Abend

Nach einem Gemälde

Senke, strahlender Gott – die Fluren dürsten
Nach erquickendem Tau, der Mensch verschmachtet,
            Matter ziehen die Rosse –
                  Senke den Wagen hinab!

Siehe, wer aus des Meers kristallner Woge
Lieblich lächelnd dir winkt! Erkennt dein Herz sie?
            Rascher fliegen die Rosse,
                  Tethys, die göttliche, winkt.

Schnell vom Wagen herab in ihre Arme
Springt der Führer, den Zaum ergreift Kupido,
            Stille halten die Rosse,
                  Trinken die kühlende Flut.

An dem Himmel herauf mit leisen Schritten
Kommt die duftende Nacht; ihr folgt die süße
            Liebe. Ruhet und liebet!
                  Phöbus, der liebende, ruht.

*

 

Sehnsucht

Ach, aus dieses Tales Gründen,
      Die der kalte Nebel drückt,
Könnt' ich doch den Ausgang finden,
      Ach, wie fühlt' ich mich beglückt!
Dort erblick' ich schöne Hügel,
      Ewig jung und ewig grün!
Hätt' ich Schwingen, hätt' ich Flügel,
      Nach den Hügeln zög' ich hin.

Harmonieen hör' ich klingen,
      Töne süßer Himmelsruh,
Und die leichten Winde bringen
      Mir der Düfte Balsam zu.
Goldne Früchte seh' ich glühen,
      Winkend zwischen dunkelm Laub,
Und die Blumen, die dort blühen,
      Werden keines Winters Raub.

Ach, wie schön muß sich's ergehen
      Dort im ew'gen Sonnenschein!
Und die Luft auf jenen Höhen –
      Oh, wie labend muß sie sein!
Doch mir wehrt des Stromes Toben,
      Der ergrimmt dazwischen braust;
Seine Wellen sind gehoben,
      Daß die Seele mir ergraust.

Einen Nachen seh' ich schwanken,
      Aber, ach! der Fährmann fehlt.
Frisch hinein und ohne Wanken!
      Seine Segel sind beseelt.
Du mußt glauben, du mußt wagen,
      Denn die Götter leihn kein Pfand;
Nur ein Wunder kann dich tragen
      In das schöne Wunderland.

*

 

Der Pilgrim

Noch in meines Lebens Lenze
      War ich, und ich wandert' aus,
Und der Jugend frohe Tänze
      Ließ ich in des Vaters Haus.

All mein Erbteil, meine Habe
      Warf ich fröhlich glaubend hin,
Und am leichten Pilgerstabe
      Zog ich fort mit Kindersinn.

Denn mich trieb ein mächtig Hoffen
      Und ein dunkles Glaubenswort;
Wandle, rief's, der Weg ist offen,
      Immer nach dem Aufgang fort.

Bis zu einer goldnen Pforten
      Du gelangst, da gehst du ein,
Denn das Irdische, wird dorten
      Himmlisch, unvergänglich sein.

Abend ward's und wurde Morgen,
      Nimmer, nimmer stand ich still;
Aber immer blieb's verborgen,
      Was ich suche, was ich will.

Berge lagen mir im Wege,
      Ströme hemmten meinen Fuß,
Über Schlünde baut' ich Stege,
      Brücken durch den wilden Fluß.

Und zu eines Stroms Gestaden
      Kam ich, der nach Morgen floß;
Froh vertrauend seinem Faden,
      Werf ich mich in seinen Schoß.

Hin zu einem großen Meere
      Trieb mich seiner Wellen Spiel;
Vor mir liegt's in weiter Leere,
      Näher bin ich nicht dem Ziel.

Ach, kein Steg will dahin führen,
      Ach, der Himmel über mir
Will die Erde nie berühren,
      Und das Dort ist niemals Hier!

*

 

Die Gunst des Augenblicks

Und so finden wir uns wieder
      In dem heitern bunten Reihn,
Und es soll der Kranz der Lieder
      Frisch und grün geflochten sein.

Aber wem der Götter bringen
      Wir des Liedes ersten Zoll?
Ihn vor allen laßt uns singen,
      Der die Freude schaffen soll.

Denn was frommt es, daß mit Leben
      Ceres den Altar geschmückt?
Daß den Purpursaft der Reben
      Bacchus in die Schale drückt?

Zückt vom Himmel nicht der Funken,
      Der den Herd in Flammen setzt,
Ist der Geist nicht feuertrunken,
      Und das Herz bleibt unergötzt.

Aus den Wolken muß es fallen,
      Aus der Götter Schoß das Glück,
Und der mächtigste von allen
      Herrschern ist der Augenblick.

Von dem allerersten Werden
      Der unendlichen Natur –
Alles Göttliche auf Erden
      Ist ein Lichtgedanke nur.

Langsam in dem Lauf der Horen
      Füget sich der Stein zum Stein,
Schnell, wie es der Geist geboren,
      Will das Werk empfunden sein.

Wie im hellen Sonnenblicke
      Sich ein Farbenteppich webt,
Wie auf ihrer bunten Brücke
      Iris durch den Himmel schwebt:

So ist jede schöne Gabe
      Flüchtig wie des Blitzes Schein;
Schnell in ihrem düstern Grabe
      Schließt die Nacht sie wieder ein.

*

 

Dithyrambe

Nimmer, das glaubt mir, erscheinen die Götter,
Nimmer allein.
Kaum daß ich Bacchus, den Lustigen, habe,
Kommt auch schon Amor, der lächelnde Knabe,
Phöbus, der Herrliche, findet sich ein.
      Sie nahen, sie kommen, die Himmlischen alle,
      Mit Göttern erfüllt sich die irdische Halle.

Sagt, wie bewirt' ich, der Erdegeborne,
Himmlischen Chor?
Schenket mir euer unsterbliches Leben,
Götter! Was kann euch der Sterbliche geben?
Hebet zu eurem Olymp mich empor!
      Die Freude, sie wohnt nur in Jupiters Saale;
      O füllet mit Nektar, o reicht mir die Schale!

»Reich' ihm die Schale! Schenke dem Dichter,
Hebe, nur ein!
Netz ihm die Augen mit himmlischem Taue,
Daß er den Styx, den verhaßten, nicht schaue,
Einer der Unsern sich dünke zu sein.«
      Sie rauschet, sie perlet, die himmlische Quelle,
      Der Busen wird ruhig, das Auge wird helle.

*

 

An die Freunde

Lieben Freunde, es gab schönre Zeiten
Als die unsern, das ist nicht zu streiten!
Und ein edler Volk hat einst gelebt.
Könnte die Geschichte davon schweigen,
Tausend Steine würden redend zeugen,
Die man aus dem Schoß der Erde gräbt.
      Doch es ist dahin, es ist verschwunden,
      Dieses hochbegünstigte Geschlecht.
      Wir, wir leben! Unser sind die Stunden,
      Und der Lebende hat recht.

Freunde, es gibt glücklichere Zonen
Als das Land, worin wir leidlich wohnen,
Wie der weitgereiste Wandrer spricht.
Aber hat Natur uns viel entzogen,
War die Kunst uns freundlich doch gewogen,
Unser Herz erwärmt an ihrem Licht.
      Will der Lorbeer hier sich nicht gewöhnen,
      Wird die Myrte unsers Winters Raub,
      Grünet doch, die Schläfe zu bekrönen,
      Uns der Rebe muntres Laub.

Wohl von größerm Leben mag es rauschen,
Wo vier Welten ihre Schätze tauschen,
An der Themse, auf dem Markt der Welt.
Tausend Schiffe landen an und gehen,
Da ist jedes Köstliche zu sehen,
Und es herrscht der Erde Gott, das Geld.
      Aber nicht im trüben Schlamm der Bäche,
      Der von wilden Regengüssen schwillt,
      Auf des stillen Baches ebner Fläche
      Spiegelt sich das Sonnenbild.

Prächtiger als wir in unserm Norden
Wohnt der Bettler an der Engelspforten,
Denn er sieht das ewig einz'ge Rom!
Ihn umgibt der Schönheit Glanzgewimmel,
Und ein zweiter Himmel in den Himmel
Steigt Sankt Peters wunderbarer Dom.
      Aber Rom in allem seinem Glanze
      Ist ein Grab nur der Vergangenheit;
      Leben duftet nur die frische Pflanze,
      Die die grüne Stunde streut.

Größres mag sich anderswo begeben
Als bei uns in unserm kleinen Leben;
Neues – hat die Sonne nie gesehn.
Sehn wir doch das Große aller Zeiten
Auf den Brettern, die die Welt bedeuten,
Sinnvoll still an uns vorübergehn.

*

 

Reiterlied

Wohlauf, Kameraden, aufs Pferd, aufs Pferd!
      Ins Feld, in die Freiheit gezogen!
Im Felde, da ist der Mann noch was wert,
      Da wird das Herz noch gewogen,
Da tritt kein anderer für ihn ein,
Auf sich selber steht er da ganz allein.

Aus der Welt die Freiheit verschwunden ist,
      Man sieht nur Herren und Knechte;
Die Falschheit herrschet, die Hinterlist
      Bei dem feigen Menschengeschlechte.
Der dem Tod ins Angesicht schauen kann,
Der Soldat allein ist der freie Mann!

Des Lebens Ängsten, er wirft sie weg,
      Hat nicht mehr zu fürchten, zu sorgen;
Er reitet dem Schicksal entgegen keck,
      Trifft's heute nicht, trifft es doch morgen,
Und trifft es morgen, so lasset uns heut
Noch schlürfen die Neige der köstlichen Zeit.

Von dem Himmel fällt ihm sein lustig Los,
      Braucht's nicht mit Müh' zu erstreben.
Der Fröner, der sucht in der Erde Schoß,
      Da meint er den Schatz zu erheben.
Er gräbt und schaufelt, so lang er lebt,
Und gräbt, bis er endlich sein Grab sich gräbt.

Der Reiter und sein geschwindes Roß,
      Sie sind gefürchtete Gäste.
Es flimmern die Lampen im Hochzeitschloß,
      Ungeladen kommt er zum Feste,
Er wirbt nicht lange, er zeiget nicht Gold,
      Im Sturm erringt er den Minnesold.

Warum weint die Dirn' und zergrämet sich schier?
      Laß fahren dahin, laß fahren!
Er hat auf Erden kein bleibend Quartier,
      Kann treue Lieb nicht bewahren.
Das rasche Schicksal, es treibt ihn fort,
Seine Ruhe läßt er an keinem Ort.

Drum frisch, Kameraden, den Rappen gezäumt,
      Die Brust im Gefechte gelüftet!
Die Jugend brauset, das Leben schäumt,
      Frisch auf, eh' der Geist noch verdüftet!
Und setzet ihr nicht das Leben ein,
Nie wird euch das Leben gewonnen sein.

*

 

Ritter Toggenburg

»Ritter, treue Schwesterliebe
      Widmet euch dies Herz;
Fordert keine andre Liebe,
      Denn es macht mir Schmerz.
Ruhig mag ich euch erscheinen,
      Ruhig gehen sehn.
Eurer Augen stilles Weinen
      Kann ich nicht verstehn.«

Und er hört's mit stummem Harme,
      Reißt sich blutend los,
Preßt sie heftig in die Arme,
      Schwingt sich auf sein Roß,
Schickt zu seinen Mannen allen
      In dem Lande Schweiz;
Nach dem heil'gen Grab sie wallen,
      Auf der Brust das Kreuz.

Große Taten dort geschehen
      Durch der Helden Arm;
Ihres Helmes Büsche wehen
      In der Feinde Schwarm;
Und des Toggenburgers Name
      Schreckt den Muselmann;
Doch das Herz von seinem Grame
      Nicht genesen kann.

Und ein Jahr hat er's getragen,
      Trägt's nicht länger mehr,
Ruhe kann er nicht erjagen
      Und verläßt das Heer;
Sieht ein Schiff an Joppes Strande,
      Das die Segel bläht,
Schiffet heim zum teuren Lande,
      Wo ihr Atem weht.

Und an ihres Schlosses Pforte
      Klopft der Pilger an;
Ach, und mit dem Donnerworte
      Wird sie aufgetan:
»Die Ihr suchet, trägt den Schleier,
      Ist des Himmels Braut,
Gestern war des Tages Feier,
      Der sie Gott getraut.«

Da verlässet er auf immer
      Seiner Väter Schloß,
Seine Waffen sieht er nimmer
      Noch sein treues Roß;
Von der Toggenburg hernieder
      Steigt er unbekannt,
Denn es deckt die edeln Glieder
      Härenes Gewand.

Und erbaut sich eine Hütte
      Jener Gegend nah,
Wo das Kloster aus der Mitte
      Düstrer Linden sah;
Harrend von des Morgens Lichte
      Bis zu Abends Schein,
Stille Hoffnung im Gesichte,
      Saß er da allein.

Blickte nach dem Kloster drüben,
      Blickte stundenlang
Nach dem Fenster seiner Lieben,
      Bis das Fenster klang,
Bis die Liebliche sich zeigte,
      Bis das teure Bild
Sich ins Tal herunter neigte,
      Ruhig, engelmild.

Und dann legt' er froh sich nieder,
      Schlief getröstet ein,
Still sich freuend, wenn es wieder
      Morgen würde sein.
Und so saß er viele Tage,
      Saß viel Jahre lang,
Harrend ohne Schmerz und Klage,
      Bis das Fenster klang,

Bis die Liebliche sich zeigte,
      Bis das teure Bild
Sich ins Tal herunter neigte,
      Ruhig, engelmild.
Und so saß er, eine Leiche,
      Eines Morgens da;
Nach dem Fenster noch das bleiche
      Stille Antlitz sah.

*

 

Die Teilung der Erde

Nehmt hin die Welt! rief Zeus von seinen Höhen
      Den Menschen zu; nehmt, sie soll euer sein.
Euch schenk' ich sie zum Erb' und ew'gen Lehen;
      Doch teilt euch brüderlich darein.

Da eilt', was Hände hat, sich einzurichten,
      Es regte sich geschäftig jung und alt.
Der Ackermann griff nach des Feldes Früchten,
      Der Junker birschte durch den Wald.

Der Kaufmann nimmt, was seine Speicher fassen,
      Der Abt wählt sich den edeln Firnewein,
Der König sperrt' die Brücken und die Straßen
      Und sprach: der Zehente ist mein.

Ganz spät, nachdem die Teilung längst geschehen,
      Naht der Poet, er kam aus weiter Fern';
Ach, da war überall nichts mehr zu sehen.
      Und alles hatte seinen Herrn.

Weh mir! so soll denn ich allein von allen
      Vergessen sein, ich, dein getreuster Sohn?
So ließ er laut der Klage Ruf erschallen
      Und warf sich hin vor Jovis Thron.

Wenn du im Land der Träume dich verweilet,
      Versetzt der Gott, so hadre nicht mit mir.
Wo warst du denn, als man die Welt geteilet?
      Ich war, sprach der Poet, bei dir.

Mein Auge hing an deinem Angesichte,
      An deines Himmels Harmonie mein Ohr;
Verzeih dem Geiste, der, von deinem Lichte
      Berauscht, das Irdische verlor!

Was tun? spricht Zeus, – die Welt ist weggegeben,
      Der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein.
Willst du in meinem Himmel mit mir leben,
      So oft du kommst, er soll dir offen sein.

*

 

Das Mädchen aus der Fremde

In einem Tal bei armen Hirten
Erschien mit jedem jungen Jahr,
Sobald die ersten Lerchen schwirrten,
Ein Mädchen schön und wunderbar.

Sie war nicht in dem Tal geboren,
Man wußte nicht, woher sie kam;
Und schnell war ihre Spur verloren,
Sobald das Mädchen Abschied nahm.

Beseligend war ihre Nähe,
Und alle Herzen wurden weit;
Doch eine Würde, eine Höhe
Entfernte die Vertraulichkeit.

Sie brachte Blumen mit und Früchte,
Gereift auf einer andern Flur,
In einem andern Sonnenlichte,
In einer glücklichern Natur.

Und teilte jedem eine Gabe,
Dem Früchte, jenem Blumen aus;
Der Jüngling und der Greis am Stabe,
Ein jeder ging beschenkt nach Haus.

Willkommen waren alle Gäste;
Doch nahte sich ein liebend Paar,
Dem reichte sie der Gaben beste,
Der Blumen allerschönste dar.

*

 

Hoffnung

Es reden und träumen die Menschen viel
      Von bessern künftigen Tagen;
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
      Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
      Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling locket ihr Zauberschein,
      Sie wird mit dem Greis nicht begraben;
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er – die Hoffnung auf.

Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn,
      Erzeugt im Gehirne des Toren.
Im Herzen kündet es laut sich an:
      Zu was Besserm sind wir geboren;
Und was die innere Stimme spricht.
Das täuscht die hoffende Seele nicht.

*

 

Würde der Frauen

Ehret die Frauen! sie flechten und weben
Himmlische Rosen ins irdische Leben,
Flechten der Liebe beglückendes Band,
Und in der Grazie züchtigem Schleier
Nähren sie wachsam das ewige Feuer
Schöner Gefühle mit heiliger Land.

      Ewig aus der Wahrheit Schranken
      Schweift des Mannes wilde Kraft;
      Unstet treiben die Gedanken
      Auf dem Meer der Leidenschaft;
      Gierig greift er in die Ferne,
      Nimmer wird sein Herz gestillt;
      Rastlos durch entlegne Sterne
      Jagt er seines Traumes Bild.

Aber mit zauberisch fesselndem Blicke
Winken die Frauen den Flüchtling zurücke,
Warnend zurück in der Gegenwart Spur.
In der Mutter bescheidener Hütte
Sind sie geblieben mit schamhafter Sitte,
Treue Töchter der frommen Natur.

      Feindlich ist des Mannes Streben,
      Mit zermalmender Gewalt
Geht der wilde durch das Leben,
      Ohne Rast und Aufenthalt.
      Was er schuf, zerstört er wieder,
      Nimmer ruht der Wünsche Streit,
      Nimmer, wie das Haupt der Hyder
      Ewig fällt und sich erneut.

Aber, zufrieden mit stillerem Ruhme,
Brechen die Frauen des Augenblicks Blume,
Nähren sie sorgsam mit liebendem Fleiß,
Freier in ihrem gebundenen Wirken,
Reicher als er in des Wissens Bezirken
Und in der Dichtung unendlichem Kreis.

      Streng und stolz, sich selbst genügend,
      Kennt des Mannes kalte Brust,
      Herzlich an ein Herz sich schmiegend,
      Nicht der Liebe Götterlust,
      Kennet nicht den Tausch der Seelen,
      Nicht in Tränen schmilzt er hin;
      Selbst des Lebens Kämpfe stählen
      Härter seinen harten Sinn.

Aber, wie leise vom Zephyr erschüttert
Schnell die äolische Harfe erzittert,
Also die fühlende Seele der Frau,
Zärtlich geängstigt vom Bilde der Qualen,
Wallet der liebende Busen, es strahlen
Perlend die Augen von himmlischem Tau.

      In der Männer Herrschgebiete
      Gilt der Stärke trotzig Recht;
      Mit dem Schwert beweist der Skythe,
      Und der Perser wird zum Knecht.
Es befehden sich im Grimme
      Die Begierden wild und roh,
      Und der Eris rauhe Stimme
      Waltet, wo die Charis floh.

Aber mit sanft überredender Bitte
Führen die Frauen den Zepter der Sitte,
Löschen die Zwietracht, die tobend entglüht,
Lehren die Kräfte, die feindlich sich hassen,
Sich in der lieblichen Form zu umfassen,
Und vereinen, was ewig sich flieht.

*

 

Der Kaufmann

Wohin segelt das Schiff? Es trägt sidonische Männer,
      Die von dem frierenden Nord bringen den Bernstein, das Zinn.
Trag es gnädig, Neptun, und wiegt es schonend, ihr Winde,
      In bewirtender Bucht rausch' ihm ein trinkbarer Quell.
Euch, ihr Götter, gehört der Kaufmann. Güter zu suchen,
      Geht er, doch an sein Schiff knüpfet das Gute sich an.

*

 

Nenie

Auch das Schöne muß sterben! Das Menschen und Götter bezwinget,
      Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus.
Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher,
      Und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk.
Nicht stillt Aphrodite dem schönen Knaben die Wunde,
      Die in den zierlichen Leib grausam der Eber geritzt.
Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,
      Wann er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt.
Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus,
      Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.
Siehe, da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
      Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten, ist herrlich,
      Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.

*

 

Aus dem »Glück«

Zürne der Schönheit nicht, daß sie schön ist, daß sie verdienstlos,
      Wie der Lilie Kelch, prangt durch der Venus Geschenk!
Laß sie die Glückliche sein; du schaust sie, du bist der Beglückte!
      Wie sie ohne Verdienst glänzt, so entzücket sie dich.
Freue dich, daß die Gabe des Lieds vom Himmel herabkommt,
      Daß der Sänger dir singt, was ihn die Muse gelehrt!
Weil der Gott ihn beseelt, so wird er dem Hörer zum Gotte;
      Weil er der Glückliche ist, kannst du der Selige sein.
Auf dem geschäftigen Markt, da führe Themis die Wage,
      Und es messe der Lohn streng an der Mühe sich ab:
Aber die Freude ruft nur ein Gott auf sterbliche Wangen,
      Wo kein Wunder geschieht, ist kein Beglückter zu sehn.
Alles Menschliche muß erst werden und wachsen und reifen,
      Und von Gestalt zu Gestalt führt es die bildende Zeit;
Aber das Glückliche siehest du nicht, das Schöne nicht werden,
      Fertig von Ewigkeit her steht es vollendet vor dir.
Jede irdische Venus ersteht, wie die erste des Himmels,
      Eine dunkle Geburt aus dem unendlichen Meer;
Wie die erste Minerva, so tritt, mit der Ägis gerüstet,
      Aus des Donnerers Haupt jeder Gedanke des Lichts.

*

 

Die Worte des Glaubens

Drei Worte nenn' ich euch, inhaltschwer,
      Sie gehen von Munde zu Munde;
Doch stammen sie nicht von außen her,
      Das Herz nur gibt davon Kunde.
Dem Menschen ist aller Wert geraubt,
Wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt.

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
    Und würd' er in Ketten geboren,
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
    Nicht den Mißbrauch rasender Toren!
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht!

Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
    Der Mensch kann sie üben im Leben,
Und sollt' er auch straucheln überall.
    Er kann nach der göttlichen streben,
Und was kein Verstand der Verständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüt.

Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
    Wie auch der menschliche wanke;
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
    Lebendig der höchste Gedanke,
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.

Die drei Worte bewahret euch, inhaltschwer,
    Sie pflanzet von Munde zu Munde,
Und stammen sie gleich nicht von außen her,
    Euer Innres gibt davon Kunde.
Dem Menschen ist nimmer sein Wert geraubt,
Solang er noch an die drei Worte glaubt.

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Unterschied der Stände

Adel ist auch in der sittlichen Welt. Gemeine Naturen
Zahlen mit dem, was sie tun, edle mit dem, was sie sind.

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Erwartung und Erfüllung

In den Ozean schifft mit tausend Masten der Jüngling;
Still, auf gerettetem Boot, treibt in den Hafen der Greis.

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Menschliches Wirken

An dem Eingang der Bahn liegt die Unendlichkeit offen,
Doch mit dem engesten Kreis höret der Weiseste auf.

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Güte und Größe

Nur zwei Tugenden gibt's. Oh, wären sie immer vereinigt,
Immer die Güte auch groß, immer die Größe auch gut!

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Pflicht für jeden

Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes
Werden, als dienendes Glied schließ an ein Ganzes dich an.

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Aufgabe

Keiner sei gleich dem andern, doch gleich sei jeder dem Höchsten!
Wie das zu machen? Es sei jeder vollendet in sich.

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Der Naturkreis

Alles, du Ruhige, schließt sich in deinem Reiche; so kehret
Auch zum Kinde der Greis kindisch und kindlich zurück.

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Quelle der Verjüngung

Glaubt mir, es ist kein Märchen: die Quelle der Jugend, sie rinnet
Wirklich und immer. Ihr fragt, wo? In der dichtenden Kunst.

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