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Justinus Kerner

(1786–1862)

Kerner, Justinus

 

Wanderung

Wohlauf und froh gewandert
Ins unbekannte Land,
Zerrissen, ach! zerrißen
Ist manches teure Band.

Ihr heimatlichen Kreuze,
Wo ich oft betend lag,
Ihr Bäume, ach! ihr Hügel,
O blickt mir segnend nach.

Noch schläft die weite Erde,
Kein Vogel weckt den Hain,
Doch bin ich nicht verlassen,
Doch bin ich nicht allein:

Denn, ach! auf meinem Herzen
Trag' ich ihr teures Pfand,
Ich fühl's, und Erd' und Himmel
Sind innig mir verwandt.

*

 

Kein Geburtstag

An Sie

Wann du geboren, weiß ich nicht,
Will's wissen nicht, wenn ich's auch fände,
Sei mir ein Kreis, ein ew'ges Licht,
Wie ohne Anfang, so ohn' Ende!

*

 

Auf eine schöne Hand

Wär' ich König, spräch' ich: »Du
Schöne Hand, bleib' mir in Ruh'!
Sollst nicht nähen, sollst nicht stricken,
Nichts tun sollst du, als einst drücken
Mir im Tod die müden Augen zu.«

*

 

Der Einsame

Wohl gehest du an Liebeshand,
Ein übersel'ger Mann;
Ich geh' allein, doch mit mir geht,
Was mich beglücken kann.

Es ist des Himmels heilig Blau,
Der Auen Blumenpracht,
Einsamer Nachtigallen Schlag
In alter Wälder Nacht.

Es ist der Wolke stiller Lauf,
Lebend'ger Wasser Zug,
Der grünen Saaten wogend Meer,
Und leichter Vögel Flug.

Du ruhst im zarten Frauenarm,
Am Rosenmund voll Duft;
Einsam geh' ich, im Mantel spielt
Die kühle Abendluft.

Es kommt kein Wandrer mehr des Wegs,
Der Vogel ruht im Baum;
Ich schreite durch die düstre Nacht,
In mir den hellsten Traum.

*

 

Abschied

Geh ich einsam durch die schwarzen Gassen,
Schweigt die Stadt, als wär' sie unbewohnt,
Aus der Ferne rauschen nur die Wasser,
Und am Himmel zieht der bleiche Mond.

Bleib ich lang' vor jenem Hause stehen,
Drin das liebe, liebe Liebchen wohnt,
Weiß nicht, daß sein Treuer ferne ziehet,
Stumm und harmvoll, wie der bleiche Mond.

Breit' ich lange sehnend meine Arme
Nach dem lieben, lieben Liebchen aus,
Und nun sprech' ich: Lebet wohl, ihr Gassen!
Lebe wohl, du stilles, stilles Haus!

Und du Kämmerlein im Haus dort oben,
Nach dem oft das warme Herze schwoll,
Und du Fensterlein, draus Liebchen schaute,
Und du Türe, draus sie ging, leb' wohl!

Geh ich bang nun nach den alten Mauern,
Schauend rückwärts oft mit nassem Blick,
Schließt der Wächter hinter mir die Tore,
Weiß nicht, daß mein Herze noch zurück.

*

 

Erbarmen

Wohl vor dem Fenster im Bauer
Sitzt ein Vöglein im Regenschauer,
Hinaus tat's das Mägdlein im Sonnenschein,
Nun stürmt's, und sie holt es erbarmend herein.

Hand Gottes! bet' ich in Trauer –
Längst stürmt's um mich, fehlt mir der Sonne Schein,
Hand Gottes! hol' mich erbarmend herein!

*

 

Wanderer

Die Straßen, die ich gehe,
So oft ich um mich sehe,
Sie bleiben fremd doch mir.
Herberg', wo ich möcht' weilen,
Ich kann sie nicht ereilen,
Weit, weit ist sie von hier.

So fremd mir anzuschauen
Sind diese Städt' und Auen,
Die Burgen stumm und tot!
Doch fern Gebirge ragen,
Die meine Heimat tragen,
Ein ewig Morgenrot.

*

 

Letzte Bitte

Tief in Waldeinsamkeit ein Grab! ein Grab!
Von allen Menschen ferne, ja! recht ferne!
Da senkt den müden Sänger bald hinab,
Wann funkeln durchs Gezweig die Abendsterne.

Dann aber geht und laßt das Grab in Ruh'!
Verborgen und vergessen werd' die Stätte!
Efeu und Moos deck' ganz den Hügel zu,
Und nur das wunde Reh find' ihn zum Bette.

*

 

Alte Heimat

In einem dunklen Tal
Lag jüngst ich träumend nieder.
Da sah ich einen Strahl
Von meiner Heimat wieder.

Auf morgenroter Au
War Vaters Haus gelegen.
Wie war der Himmel blau!
Die Flur wie reich an Segen!

Wie war mein Heimatland
Voll Gold und Rosenhelle!
Doch bald der Traum verschwand,
Schmerz trat an seine Stelle.

Da irrt ich weit hinaus
Ins öde Land voll Sehnen;
Noch irr' ich, such das Haus
Und find' es nicht vor Tränen.

*

 

Abendschiffahrt

Wenn von heiliger Kapelle
Abendglocke fromm erschallet.
Stiller dann das Schiff auch wallet
Durch die himmelblaue Welle;
Dann sinkt Schiffer betend nieder.
Und wie von dem Himmel helle

Blicken aus den Wogen wieder
Mond und Sterne.
Eines ist dann Wolk' und Welle,
Und die Engel tragen gerne,
Umgewandelt zur Kapelle,
So ein Schiff durch Mond und Sterne.

*

 

Keine Heimat mehr!

O daß du mich verlassen.
Du liebe, treue Hand!
Den Wanderstab zu fassen
Bin ich nicht mehr imstand.
Nur durch die Zimmer geh' ich
Mit Füßen müd' und schwer,
Die alten Wände seh' ich,
Doch keine Heimat mehr.
Geh' durch des Gartens Räume
Im Sonn- und Mondenlicht,
Seh' wohl die alten Bäume,
Die alte Heimat nicht.
Die sank, seit du verschieden,
Ins tiefe, tiefe Meer,
Hab' keinen, keinen Frieden,
Hab' keine Heimat mehr!

*

 

Wie dir so mir

Wie dir geschah, so soll's auch mir geschehn,
Nur wo du hinkamst, will auch ich hingehn:
Ich will ins Licht nur, wirst im Licht du sein,
Bist du in Nacht, so will ich in die Nacht,
Bist du in Pein, so will ich in die Pein.
Von dir getrennt hab' ich mich nie gedacht,
Zu dir, zu dir will ich allein, allein!

*

 

Todesprobe

Wohl ihr Aug' erloschen steht,
Wohl die Pulse nicht mehr schlagen,
Und mit Klagen
Jedes von der Toten geht.
Doch sie kann noch lebend sein!
Todeskälte, Blick der Leichen,
Schlechte Zeichen!

Bringet schnell ihr Kind herein!
Legt ihr das ans kalte Herz!
Rührt auch dann ihr Herz sich nimmer,
Dann auf immer
Ist sie tot – und aus ihr Schmerz.

*

 

Wunsch

Daß du vor mir gestorben,
O Herz! geschah wohl nur,
Weil du dir früh erworben
Hast himmlische Natur.

Ich aber, der voll Erde,
Muß noch auf Erden sein,
Bis daß wie du ich werde
Zum Licht der Himmel rein.

Send' mir ein Zeichen nieder,
Daß ich mich täusche nicht,
Daß ich zu dir komm' wieder,
Bin licht ich wie du licht.

Doch kann mir's nicht gelingen,
Daß je dein Licht mir lacht,
Bitt' Gott: er woll' mich bringen
Doch in die stillste Nacht.

*

 

Mauerinschrift auf der Burg Weibertreu

Getragen hat mein Weib mich nicht,
Aber – – ertragen!
Das war ein schwereres Gewicht
Als ich mag sagen.

*

 

Zur Ruh, zur Ruh ...

Zur Ruh, zur Ruh,
Ihr müden Glieder!
Schließt fest euch zu,
Ihr Augenlider!

Ich bin allein,
Fort ist die Erde;
Nacht muß es sein,
Daß Licht mir werde.

O führt mich ganz,
Ihr innern Mächte!
Hin zu dem Glanz
Der tiefsten Nächte.

Fort aus dem Raum
Der Erdenschmerzen
Durch Nacht und Traum
Zum Mutterherzen.

*

 

Im Grase

Wie sich's so wohl im Grase liegt
Bei Kraut und Blumendüften,
Wenn über uns ein Vogel fliegt
In goldnen Himmelslüften.

Da kann man wahrlich denken nicht,
Daß man bald liegen werde
Tief unten ohne Sang und Licht
Bei Wurzeln in der Erde.

Man denkt nur an des Himmels Schein
Und an den Vogel drinnen,
Denkt: Gott wird wohl so gnädig sein,
Daß wir das auch gewinnen.

*

 

Wanderlied

Wohlauf! noch getrunken
Den funkelnden Wein!
Ade nun, ihr Lieben!
Geschieden muß sein.
Ade nun, ihre Berge,
Du väterlich Haus!
Es treibt in die Ferne
Mich mächtig hinaus.

Die Sonne, sie bleibet
Am Himmel nicht stehn,
Es treibt sie, durch Länder
Und Meere zu gehn.
Die Woge nicht haftet
Am einsamen Strand,
Die Stürme, sie brausen
Mit Macht durch das Land.

Mit eilenden Wolken
Der Vogel dort zieht
Und singt in der Ferne
Ein heimatlich Lied.
So treibt es den Burschen
Durch Wälder und Feld,
Zu gleichen der Mutter,
Der wandernden Welt.

Da grüßen ihn Vögel
Bekannt überm Meer,
Sie flogen von Fluren
Der Heimat hieher;
Da duften die Blumen
Vertraulich um ihn,
Sie trieben vom Lande
Die Lüfte dahin.

Die Vögel, die kennen
Sein väterlich Haus,
Die Blumen einst pflanzt' er
Der Liebe zum Strauß,
Und Liebe, die folgt ihm,
Sie geht ihm zur Hand:
So wird ihm zur Heimat
Das ferneste Land.

*

 

An das Trinkglas eines Freundes

Du herrlich Glas, nun stehst du leer,
Glas, das er oft mit Lust gehoben;
Die Spinne hat rings um dich her
Indes den düstren Flor gewoben.

Jetzt sollst du mir gefüllet sein
Mondhell mit Gold der deutschen Reben!
In deiner Tiefe heil'gen Schein
Schau' ich hinab mit frommem Beben.

Was ich erschau' in deinem Grund,
Ist nicht Gewöhnlichen zu nennen,
Doch wird mir klar zu dieser Stund',
Wie nichts den Freund vom Freund kann trennen.

Auf diesen Glauben, Glas so hold!
Trink' ich dich aus mit hohem Mute.
Klar spiegelt sich der Sterne Gold,
Pokal, in deinem teuren Blute.

Still geht der Mond das Tal entlang,
Ernst tönt die mitternächt'ge Stunde,
Leer steht das Glas, der heil'ge Klang
Tönt nach in dem kristallnen Grunde.

*

 

Trinklied zum neuen Weine

Laßt uns heut' mit Geistern ringen;
Blickt der Alte noch so klar,
Bringet jetzt den Neuen dar,
Der dem Kerker will entspringen!

Hört sein unterirdisch Beben!
Aus der Nacht will er hinaus,
Mächtig dringt sein Geist durchs Haus,
Daß wir stehn von ihm umgeben.

Horcht! Der weiß von Jugendwonne
Noch zu singen euch ein Lied:
Wie er hat in Duft geblüht,
Wie ihn hat durchglüht die Sonne:

Wie von hohen Bergen nieder
Frei er sah die Welt entlang,
Unter ihm der Flußgott sang,
Um ihn tönten Vogellieder;

Wie mit Sonn' und Stern im Bunde
Mählich seine Traube schwoll,
Bis sie war des Saftes voll,
Der von Geistern nun gibt Kunde.

Füllet mutig bis zum Rande
Den Pokal mit seiner Glut!
Stoßet an! Dem Jugendblut
Heil im weiten deutschen Lande!

Ach! es liegt erstarrt, veraltet
Mancher Völker großes Herz,
Jugendwärme, Lust und Scherz
Sind in ihrer Brust erkaltet.

Laßt der Jugend warmes Leben
Strömen euch ins Herz hinein.
Trinkt in Lust den neuen Wein,
Den der neue Stern gegeben!

*

 

Im Grase

Laßt mich in Gras und Blumen liegen
Und schaun dem blauen Himmel zu:
Wie goldne Wolken ihn durchfliegen,
In ihm ein Falke kreist in Ruh'.

Die blaue Stille stört dort oben
Kein Dampfer und kein Segelschiff,
Kein Menschentritt, kein Pferdetoben,
Nicht des Dampfwagens wilder Pfiff.

Laßt satt mich schauen in die Klarheit,
In diesen keuschen, sel'gen Raum,
Denn bald könnt' werden ja zur Wahrheit
Das Fliegen, der unsel'ge Traum.

Dann flieht der Vogel aus den Lüften
Wie aus dem Rhein der Salme schon,
Und wo einst singend Lerchen schifften,
Schifft grämlich stumm Britannias Sohn.

Blick' ich gen Himmel, zu gewahren
Warum's so plötzlich dunkel sei,
Erschau' ich einen Zug von Waren,
Der an der Sonne schifft vorbei.

Fühl' Regen ich im Sonnenscheine,
Such' ich den Regenbogen keck,
Ist es kein Regen, wie ich meine,
Ward in der Luft ein Ölfaß leck.

Laßt schaun mich von dem Erdgetümmel
Zum Himmel, eh' es ist zu spät,
Eh' wie vom Erdball so vom Himmel
Die Poesie still trauernd geht.

Verzeiht dies Lied des Dichters Grolle,
Träumt er von solchem Himmelsgraus,
Er, den die Zeit, die dampfestolle,
Schließt von der Erde lieblos aus.

*

 

Poesie

Poesie ist tiefes Schmerzen,
Und es kommt das echte Lied
Einzig aus dem Menschenherzen,
Das ein tiefes Leid durchglüht.

Doch die höchsten Poesien
Schweigen wie der höchste Schmerz,
Nur wie Geisterschatten ziehen
Stumm sie durchs gebrochene Herz.

*

 

Spruch

Weiß nicht, woher ich bin gekommen,
Weiß nicht, wohin ich werd genommen,
Doch weiß ich fest: daß ob mir ist
Eine Liebe, die mich nicht vergißt.

*

 

Ein anderer

Was im weinenden Aug' mir oft die Tränen zurückhält,
Ist ein spielendes Kind, oder ein Vogel im Flug.

*

 

Der Wanderer in der Sägmühle

Dort unten in der Mühle
Saß ich in süßer Ruh'
Und sah dem Räderspiele
Und sah den Wassern zu.

Sah zu der blanken Säge,
Es war mir wie ein Traum,
Die bahnte lange Wege
In einen Tannenbaum.

Die Tanne war wie lebend,
In Trauermelodie
Durch alle Fasern bebend
Sang diese Worte sie:

Du kehrst zur rechten Stunde,
O Wanderer, hier ein,
Du bist's, für den die Wunde
Mir dringt ins Herz hinein!

Du bist's, für den wird werden,
Wenn kurz gewandert du,
Dies Holz im Schoß der Erden
Ein Schrein zur langen Ruh'.

Vier Bretter sah ich fallen,
Mir ward's ums Herze schwer,
Ein Wörtlein wollt' ich lallen,
Da ging das Rad nicht mehr.

*

 

Der schwere Traum

Mir träumt', ich flög' gar bange
Weit in die Welt hinaus,
Zu Straßburg durch alle Gassen,
Bis vor Feinsliebchens Haus.

Feinsliebchen ist betrübet,
Als ich so flieg', und weint:
Wer dich so fliegen lehret,
Das ist der böse Feind.

Feinsliebchen, was hilft lügen,
Da du doch alles weißt!
Wer mich so fliegen lehrt,
Das ist der böse Geist.

Feinsliebchen weint und schreiet,
Daß ich am Schrei erwacht,
Da lieg' ich, ach! in Augsburg
Gefangen auf der Wacht.

Und morgen muß ich hangen,
Feinslieb mich nicht mehr ruft,
Wohl morgen als ein Vogel
Schwank' ich in freier Luft.

*

 

Stirb, Lieb' und Freud'!

In Augsburg steht ein hohes Haus,
Nah bei dem alten Dom,
Da tritt an hellem Morgen aus
Ein Mägdelein gar fromm;
      Gesang erschallt.
      Zum Dome wallt
      Die liebe Gestalt.
Dort vor Mariä heilig Bild
Sie betend niederkniet,
Der Himmel hat ihr Herz erfüllt
Und alle Weltlust flieht:
      »O Jungfrau rein!
      Laß mich allein
      Dein eigen sein!«

Alsbald der Glocke dumpfer Klang
Die Betenden erweckt.
Das Mägdlein wallt die Hall entlang,
Es weiß nicht, was es trägt;
      Auf dem Haupte, ganz
      Von Himmelsglanz,
      Einen Lilienkranz.

Mit Staunen sehen all die Leut'
Dies Kränzlein licht im Haar,
Das Mägdlein aber wallt nicht weit,
Tritt vor den Hochaltar:
      »Zur Nonne weiht
      Mich arme Maid!
      Stirb, Lieb' und Freud'!«

Gott, gib, daß dieses Mägdelein
Ihr Kränzlein friedlich trag'!
Es ist die Allerliebste mein,
Bleibt's bis zum Jüngsten Tag.
      Sie weiß es nicht. –
      Mein Herz zerbricht –
      Stirb, Lieb' und Licht!

*

 

Der Geiger zu Gmünd

Einst ein Kirchlein sondergleichen,
Noch ein Stein von ihm steht da,
Baute Gmünd der sangesreichen
Heiligen Cäcilia.

Lilien von Silber glänzten
Ob der Heil'gen mondenklar,
Hell wie Morgenrot bekränzten
Goldne Rosen den Altar.

Schuh' aus reinem Gold geschlagen,
Und von Silber hell ein Kleid
Hat die Heilige getragen:
Denn da war's noch gute Zeit,

Zeit, wo überm fernen Meere,
Nicht nur in der Heimat Land,
Man der Gmündschen Künstler Ehre
Hell in Gold und Silber fand.

Und der fremden Pilger wallten
Zu Cäcilias Kirchlein viel;
Ungesehn woher, erschallten
Drin Gesang und Orgelspiel.

Einst ein Geiger kam gegangen,
Ach, den drückte große Not,
Matte Beine, bleiche Wangen,
Und im Sack kein Geld, kein Brot.

Vor dem Bild hat er gesungen
Und gespielet all sein Leid,
Hat der Heil'gen Herz durchdrungen:
Horch! melodisch rauscht ihr Kleid!

Lächelnd bückt das Bild sich nieder
Aus der lebenlosen Ruh',
Wirft dem armen Sohn der Lieder
Hin den rechten goldnen Schuh.

Nach des nächsten Goldschmieds Hause
Eilt er, ganz vom Glück berauscht.
Singt und träumt vom besten Schmause,
Wenn der Schuh um Geld vertauscht.

Aber kaum den Schuh ersehen,
Führt der Goldschmied rauhen Ton,
Und zum Richter wird mit Schmähen
Wild geschleppt des Liedes Sohn.

Bald ist der Prozeß geschlichtet,
Allen ist es offenbar,
Daß das Wunder nur erdichtet,
Er der frechste Räuber war.

Weh! du armer Sohn der Lieder
Sangest wohl den letzten Sang!
An dem Galgen auf und nieder
Sollst, ein Vogel, fliegen bang.

Hell ein Glöcklein hört man schallen,
Und man sieht den schwarzen Zug
Mit dir zu der Stätte wallen,
Wo beginnen soll dein Flug.

Bußgesänge hört man singen
Nonnen und der Mönche Chor,
Aber hell auch hört man dringen
Geigentöne draus hervor.

Seine Geige mitzuführen,
War des Geigers letzte Bitt'.
»Wo so viele musizieren,
Musizier' ich Geiger mit!«

An Cäcilias Kapelle
Jetzt der Zug vorüber kam,
Nach des offnen Kirchleins Schwelle
Geigt er recht in tiefem Gram.

Und wer kurz ihn noch gehasset,
Seufzt: »Das arme Geigerlein!« –
»Eins noch bitt' ich,« singt er, »lasset
Mich zur Heil'gen noch hinein!«

Man gewährt ihm; vor dem Bilde
Geigt er abermals sein Leid,
Und er rührt die Himmlischmilde:
Horch! melodisch rauscht ihr Kleid!

Lächelnd bückt das Bild sich nieder
Aus der lebenlosen Ruh',
Wirft dem armen Sohn der Lieder
Hin den zweiten goldnen Schuh.

Voll Erstaunen steht die Menge,
Und es sieht nun jeder Christ,
Wie der Mann der Volksgesänge
Selbst der Heil'gen teuer ist.

Schön geschmückt mit Bändern, Kränzen,
Wohl gestärkt mit Geld und Wein
Führen sie zu Sang und Tänzen
In das Rathaus ihn hinein.

Alle Unbill wird vergessen,
Schön zum Fest erhellt das Haus,
Und der Geiger ist gesessen
Obenan beim lust'gen Schmaus.

Aber als sie voll vom Weine,
Nimmt er seine Schuh' zur Hand,
Wandert so im Mondenscheine
Lustig in ein andres Land.

Seitdem wird zu Gmünd empfangen
Liebreich jedes Geigerlein,
Kommt es noch so arm gegangen –
Und es muß getanzet sein.

Drum auch hört man geigen, singen,
Tanzen dort ohn' Unterlaß,
Und wem alle Saiten springen,
Klingt noch mit dem leeren Glas.

Und wenn bald ringsum verhallen
Becherklingeln, Tanz und Sang,
Wird zu Gmünd noch immer schallen
Selbst aus Trümmern lust'ger Klang.

*

 

Der reichste Fürst

Preisend mit viel schönen Reden
Ihrer Länder Wert und Zahl,
Saßen viele deutsche Fürsten
Einst zu Worms im Kaisersaal.

Herrlich, sprach der Fürst von Sachsen,
Ist mein Land und seine Macht,
Silber hegen seine Berge
Wohl in manchem tiefen Schacht.

Seht mein Land in üpp'ger Fülle,
Sprach der Kurfürst von dem Rhein,
Goldne Saaten in den Tälern,
Auf den Bergen edlen Wein!

Große Städte, reiche Klöster!
Ludwig, Herr zu Bayern, sprach,
Schaffen, daß mein Land dem euren
Wohl nicht steht an Schätzen nach.

Eberhard, der mit dem Barte,
Württembergs geliebter Herr,
Sprach: Mein Land hat kleine Städte,
Trägt nicht Berge silberschwer;

Doch ein Kleinod hält's verborgen: –
Daß in Wäldern, noch so groß,
Ich mein Haupt kann kühnlich legen
Jedem Untertan in Schoß.

Und es rief der Herr von Sachsen,
Der von Bayern, der vom Rhein:
Graf im Bart, Ihr seid der reichste,
Euer Land trägt Edelstein!

*

 


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