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Karl Mayer der Ältere

(1786-1870)

 

Zur Beherzigung

Sollt ich einmal verlorengehn,
Und Treue wollte nach mir sehn,
So lasse sie von Stadt und Welt,
Wo's frischem Herzen nicht gefällt!

Sie dring in grüne Wildnis ein
Und such in dem verschlungnen Hain,
Ob man in Wald und Farrenkraut
Noch was von dem Vermißten schaut.

*

 

Vom Grüßen

Guten Morgen! Gute Nacht!
Wer hat diesen Gruß erdacht?
Ganz gewiß zuerst ein Wandrer.
Glaubt es mir, es war kein andrer.
Er nur im Vorüberwallen
Will so wohl den Menschen allen.

*

 

Höchste Bitte

O Bitte aller Bitten:
Zukomm' uns Gottes Reich
Das andre gelte gleich:
Was wir gelebt, gelitten.

*

 

An den Mond

Mond, ich wandre dir im Rücken,
Doch es leitet mich dein Schein,
Und es wird in allen Stücken
Wohl mit Gott ein Gleiches sein.

*

 

Mein Schiffchen

Sängerschiff, an deinen Borden
Segeln Hohe sich gesellt.
Nur aus kleinem Nachen fällt
Ruderschlag mir in Akkorden.

Segler, dir auf deinem Gleise
Folgt nicht meines Schiffleins Art;
Trautumgrünte Uferfahrt
Ist nur seine Lust und Weise.

*

 

In einem alten Kirchenchor

Geflüchtet aus des Sommers Hitze
Zum kühlen Schoß des Altertumes,
Auf eines Chorherrn braunem Sitze,
Dem Werk erloschnen Bildnerruhmes,
Im Anblick glühend bunter Scheiben,
Bei bildervollen Zeitvertreiben
In fromme Vorzeit ganz versunken,
Wie träumt ich fort in Andacht trunken,
Bis mir, wo dort das Sonnenlicht
Durch ein zertrümmert Fenster bricht,
Im Blauen schaukelnd seine Last,
Ein blumenvoller Rosenast
Ins holde Heut zurückgewunken.

*

 

Die Vesperglocke

Ein Vaterunser dort aus alter Zeit
Entschallt dem Vesperdorfgeläut.
Du treuer Klang, wann wird es werden,
Daß Gottes Sinn geschieht auf Erden?

*

 

Die glückliche Wohnung

Am Walde lugt ein weißes Haus
Vom Wiesenberg herab.
Der geht wohl selig ein und aus,
Dem Gott zum Dach es gab.

*

 

Nach Empfang eines Briefes

Der Himmel ist so blau und tief,
So treu und gut des Freundes Brief.
Die zwei im Grünen mir verkünden,
Die Liebe sei nicht zu ergründen.

*

 

Beim Öffnen eines Liederheftes

Im Feld, zufällig eingepreßt
Ins Heft, auf eines Liedes Schrift,
Die ich entworfen mit dem Stift,
Schläft hier ein Mücklein, still und fest.
Die Sonnenluft ihm Leben gab,
Ein kleines Lied dient ihm zum Grab.

*

 

Das Lied an sich

Es rauscht der Bach, es rauscht der Wind.
Auch ich bin Gottes Kind.
Auch meine Lebenslust soll rauschen,
Mag jemand oder niemand lauschen.

*

 

Das Glockenhaus

Ein Kirchturm sich dort hoch erhebt,
Aus dem Geläute schütternd bebt.
Der Durchblick durch das Glockenhaus
Des finstren Turmes führt hinaus
Ins Abendrot, das hold umringt
Die schwarze Glocke, die sich schwingt.
So neben ihres Schalles Beben
Lausch ich hinaus ins ew'ge Leben.

*

 

Gute Art

Die Blume schwankt den ganzen Tag
In rauhem Wind und Regenschlag,
Behält jedoch ihr froh Gesicht,
Als wie im lieben Sonnenlicht.

*

 

Preis der Sonne

Von Sonne glänzt das junge Laub;
Von Sonne blinkt der Wasserstaub,
Der mit dem Bächlein niederschießt;
Von Sonne strahlt, was ruht und fließt.
Ein Spiegel ist der selben Sonne
Des Herzens junge Frühlingswonne.

*

 

Ersatz

Auf Wiedersehn im Frühlingsgrün,
Es war uns nicht beschieden!
Geduld, wo Hoffnungen verblühn,
Schenk du uns deinen Frieden!

*

 

An ein Mädchen

Dem Frühlingsbild im weiten Land
Eröffnest du das Fensterlein;
Den Sims auch stellt die kleine Hand
Voll Rosen und Gelbveigelein,
Ach, unbewußt der Frühlingszier,
Die du, o Holde, trägst in dir!

*

 

Glück

Wie schlank bist du, wie zart und fein,
Du lichte, liebe Last.
Sag, halt ich denn im Dämmerschein
Nur einen Geist umfaßt?

O du mein stilles Elfenkind,
Aus Flocken Lichts gewebt,
Kaum spür ich, wie die Brust gelind
Dein Atem senkt und hebt.

Und doch kein Traumbild kannst du sein,
Du bebst in meinem Arm,
Und wärst du bloßer Mondenschein,
Du gäbest nicht so warm.

Vertraut, wie Brust an Brust sich schließt,
Schmiegt Aug in Auge sich,
Ein goldnes Licht der Freude fließt
Von dir herab auf mich.

Wenn es ein Maß der Liebe gibt,
Dir ist's und mir gefüllt,
Und wo ein Paar so treu sich liebt,
Ist jeder Wunsch gestillt.

Wie überselig rollt mein Blut
Im Herzen aus und ein.
So ist es gut, so ist es gut,
So sollt es ewig sein!

*

 

Die Blumen

Blumen, eure lieben Augen
Sollten nicht zum Sehen taugen?
Lieblinge des Angesichts,
Schautet ihr vom Maien nichts?

Ihr entzücktet Erd und Lüfte
Und entbehrtet Blick und Düfte,
Und der Vogel fänd euch taub,
Der euch preist aus jungem Laub?

Doch wer kennt die stillen Sinne
Eurer Maienlust und Minne?
Sel'ge Blumen, ihr nur wißt,
Welches Glück euch eigen ist.

*

 

Der alte Dichter

Maienwiese, Maienwald
Waren einst mein Aufenthalt;
Doch die alten Leute sterben,
Und der Dichtkunst junge Erben
Haben anderes zu tun,
Als in Wald und Wies' zu ruhn.

*

 


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