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Ludwig Uhland

(1787-1862)

Uhland, Ludwig

 

Der König auf dem Turme

Da liegen sie alle, die grauen Höhn,
Die dunkeln Täler in milder Ruh';
Der Schlummer waltet, die Lüfte wehn
Keinen Laut der Klage mir zu.

Für alle hab' ich gesorgt und gestrebt,
Mit Sorgen trank ich den funkelnden Wein;
Die Nacht ist gekommen, der Himmel belebt,
Meine Seele will ich erfreun.

O du goldne Schrift durch den Sterneraum,
Zu dir ja schau' ich liebend empor;
Ihr Wunderklänge, vernommen kaum,
Wie besäuselt ihr sehnlich mein Ohr!

Mein Haar ist ergraut, mein Auge getrübt,
Die Siegeswaffen hängen im Saal,
Habe Recht gesprochen und Recht geübt;
Wann darf ich rasten einmal?

O selige Rast, wie verlang' ich dein!
O herrliche Nacht, wie säumst du so lang,
Da ich schaue der Sterne lichteren Schein
Und höre volleren Klang!

*

 

Gesang der Jünglinge

Heilig ist die Jugendzeit!
Treten wir in Tempelhallen,
Wo in düstrer Einsamkeit
Dumpf die Tritte widerschallen!
Edler Geist des Ernstes soll
Sich in Jünglingsseelen senken,
Jede still und andachtsvoll
Ihrer heil'gen Kraft gedenken.

Gehn wir ins Gefild hervor,
Das sich stolz dem Himmel zeiget,
Der so feierlich empor
Überm Erdenfrühling steiget!
Eine Welt voll Fruchtbarkeit
Wird aus dieser Blüte brechen.
Heilig ist die Frühlingszeit,
Soll an Jünglingsseelen sprechen!

Fasset die Pokale nur!
Seht ihr nicht so purpurn blinken
Blut der üppigen Natur?
Laßt uns hohen Mutes trinken,
Daß sich eine Feuerkraft
Selig in der andern fühle!
Heilig ist der Rebensaft,
Ist des Jugendschwungs Gespiele.

Seht das holde Mädchen hier!
Sie entfaltet sich im Spiele;
Eine Welt erblüht in ihr
Zarter, himmlischer Gefühle.
Sie gedeiht im Sonnenschein,
Unsre Kraft in Sturm und Regen.
Heilig soll das Mädchen sein,
Denn wir reifen uns entgegen!

Darum geht in Tempel ein,
Edeln Ernst in euch zu saugen!
Stärkt an Frühling euch und Wein,
Sonnet euch an schönen Augen!
Jugend, Frühling, Festpokal,
Mädchen in der holden Blüte,
Heilig sein sie allzumal
Unsrem ernsteren Gemüte!

*

 

Die Abgeschiedenen

So hab' ich endlich dich gerettet
Mir aus der Menge wilden Reihn!
Du bist in meinen Arm gekettet,
Du bist nun mein, nun einzig mein.
Es schlummert alles diese Stunde,
Nur wir noch leben auf der Welt,
Wie in der Wasser stillem Grunde
Der Meergott seine Göttin hält.
Verrauscht ist all das rohe Tosen,
Das deine Worte mir verschlang.
Dein leises liebevolles Kosen
Ist nun mein einiger süßer Klang.
Die Erde liegt in Nacht gehüllet,
Kein Licht erglänzt auf Flur und Teich,
Nur dieser Lampe Schimmer füllet
Noch unsrer Liebe kleines Reich.

*

 

Die Zufriedenen

Ich saß bei jener Linde
Mit meinem trauten Kinde,
Wir saßen Hand in Hand;
Kein Blättchen rauscht' im Winde,
Die Sonne schien gelinde
Herab aufs stille Land.

Wir saßen ganz verschwiegen
Mit innigem Vergnügen,
Das Herz kaum merklich schlug.
Was sollten wir auch sagen?
Was konnten wir uns fragen?
Wir wußten ja genug.

Es mocht' uns nichts mehr fehlen.
Kein Sehnen könnt' uns quälen,
Nichts Liebes war uns fern;
Aus liebem Aug' ein Grüßen,
Vom lieben Mund ein Küssen
Gab eins dem andern gern.

*

 

Der Ungenannten

Auf eines Berges Gipfel,
Da möcht' ich mit dir stehn,
Auf Täler, Waldeswipfel
Mit dir herniedersehn;

Da möcht' ich rings dir zeigen
Die Welt im Frühlingsschein
Und sprechen: »Wär's mein eigen,
So wär' es mein und dein.«

In meiner Seele Tiefen,
Oh, sähst du da hinab,
Wo alle Lieder schliefen,
Die je ein Gott mir gab!
Da würdest du erkennen,
Wenn echtes ich erstrebt,
Und mag's auch dich nicht nennen,
Doch ist's von dir belebt.

*

 

Die Kapelle

Droben stehet die Kapelle,
Schauet still ins Tal hinab,
Drunten singt bei Wies' und Quelle
Froh und hell der Hirtenknab'.

Traurig tönt das Glöcklein nieder,
Schauerlich der Leichenchor;
Stille sind die frohen Lieder,
Und der Knabe lauscht empor.

Droben bringt man sie zu Grabe,
Die sich freuten in dem Tal;
Hirtenknabe, Hirtenknabe!
Dir auch singt man dort einmal.

*

 

Auf der Überfahrt

Über diesen Strom vor Jahren
Bin ich einmal schon gefahren;
Hier die Burg im Abendschimmer,
Drüben rauscht das Wehr wie immer.

Und von diesem Kahn umschlossen
Waren mit mir zween Genossen:
Ach, ein Freund, ein vatergleicher,
Und ein junger, hoffnungsreicher.

Jener wirkte still hienieden,
Und so ist er auch geschieden;
Dieser, brausend vor uns allen,
Ist in Kampf und Sturm gefallen.

So, wenn ich vergangner Tage,
Glücklicher, zu denken wage,
Muß ich stets Genossen missen.
Teure, die der Tod entrissen.

Doch, was alle Freundschaft bindet,
Ist, wenn Geist zu Geist sich findet;
Geistig waren jene Stunden,
Geistern bin ich noch verbunden.

Nimm nur, Fährmann, nimm die Miete,
Die ich gerne dreifach biete!
Zween, die mit mir überfuhren,
Waren geistige Naturen.

*

 

Der Schmied

Ich hör' meinen Schatz,
Den Hammer er schwinget,
Das rauschet, das klinget,
Das dringt in die Weite
Wie Glockengeläute
Durch Gassen und Platz.

Am schwarzen Kamin,
Da sitzet mein Lieber,
Doch, geh' ich vorüber,
Die Bälge dann sausen,
Die Flammen aufbrausen
And lodern um ihn.

*

 

Wein und Brot

Solche Düfte sind mein Leben,
Die verscheuchen all mein Leid:
Blühen auf dem Berg die Reben,
Blüht im Tale das Getreid.

Donnern werden bald die Tennen,
Bald die Mühlen rauschend gehn,
Und wenn die sich müde rennen,
Werden sich die Keltern drehn.

Gute Wirtin vieler Zecher!
So gefällt mir's, flink und frisch;
Kommst du mit dem Wein im Becher,
Liegt das Brot schon auf dem Tisch.

*

 

Bauernregel

Im Sommer such' ein Liebchen dir
In Garten und Gefild!
Da sind die Tage lang genug.
Da sind die Nächte mild.

Im Winter muß der süße Bund
Schon fest geschlossen sein,
So darfst nicht lange stehn im Schnee
Bei kaltem Mondenschein.

*

 

Frühlingsahnung

O sanfter, süßer Hauch!
Schon weckest du wieder
Mir Frühlingslieder.
Bald blühen die Veilchen auch.

*

 

Frühlingsglaube

Die linden Lüfte sind erwacht,
Sie säuseln und weben Tag und Nacht,
Sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muß sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was noch werden mag,
Das Blühen will nicht enden.
Es blüht das fernste, tiefste Tal;
Nun, armes Herz, vergiß der Qual!
Nun muß sich alles, alles wenden.

*

 

Frühlingsruhe

O legt mich nicht ins dunkle Grab,
Nicht unter die grüne Erd' hinab!
Soll ich begraben sein,
Lieg' ich ins tiefe Gras hinein.

In Gras und Blumen lieg' ich gern,
Wenn eine Flöte tönt von fern,
Und wenn hoch obenhin
Die hellen Frühlingswolken ziehn.

*

 

Frühlingstrost

Was zagst du, Herz, in solchen Tagen,
Wo selbst die Dorne Rosen tragen?

*

 

Freie Kunst

Singe, wem Gesang gegeben,
In dem deutschen Dichterwald!
Das ist Freude, das ist Leben,
Wenn's von allen Zweigen schallt.

Nicht an wenig stolze Namen
Ist die Liederkunst gebannt;
Ausgestreuet ist der Samen
Über alles deutsche Land.

Deines vollen Herzens Triebe,
Gib sie keck im Klange frei!
Säuselnd wandle deine Liebe,
Donnernd uns dein Zorn vorbei!

Singst du nicht dein ganzes Leben,
Sing doch in der Jugend Drang!
Nur im Blütenmond erheben
Nachtigallen ihren Sang.

Kann man's nicht in Bücher binden,
Was die Stunden dir verleihn,
Gib ein fliegend Blatt den Winden!
Muntre Jugend hascht es ein.

Fahret wohl, geheime Kunden,
Nekromantik, Alchimie!
Formel hält uns nicht gebunden,
Unsre Kunst heißt Poesie.

Heilig achten wir die Geister,
Aber Namen sind uns Dunst;
Würdig ehren wir die Meister,
Aber frei ist uns die Kunst!

Nicht in kalten Marmorsteinen,
Nicht in Tempeln dumpf und tot,
In den frischen Eichenhainen
Webt und rauscht der deutsche Gott.

*

 

Dichtersegen

Als ich ging die Flur entlang,
Lauschend auf der Lerchen Sang,
Ward ich einen Mann gewahr,
Arbeitsam mit greisem Haar.

»Segen,« rief ich, »diesem Feld,
Das so treuer Fleiß bestellt!
Segen dieser welken Hand,
Die noch Saaten wirft ins Land!«

Doch mir sprach sein ernst Gesicht:
»Dichtersegen frommt hier nicht;
Lastend wie des Himmels Zorn
Treibt er Blumen mir für Korn.«

»Freund, mein schlichtes Liederspiel
Weckt der Blumen nicht zu viel,
Nur so viel die Ähren schmückt
Und dein kleiner Enkel pflückt.«

*

 

Reisen

Reisen soll ich, Freunde, reisen?
Lüften soll ich mir die Brust?
Aus des Tagwerks engen Gleisen
Lockt ihr mich zu Wanderlust?
Und doch hab' ich tiefer eben
In die Heimat mich versenkt,
Fühle mich, ihr hingegeben,
Freier, reicher, als ihr denkt.

Nie erschöpf' ich diese Wege,
Nie ergründ' ich dieses Tal,
Und die altbetretnen Stege
Rühren neu mich jedesmal;
Öfters, wenn ich selbst mir sage,
Wie der Pfad doch einsam sei,
Streifen hier am lichten Tage
Teure Schatten mir vorbei.

Wann die Sonne fährt von hinnen,
Kennt mein Herz noch keine Ruh',
Eilt mit ihr von Bergeszinnen
Fabelhaften Inseln zu;
Tauchen dann hervor die Sterne,
Drängt es mächtig mich hinan,
Und in immer tiefre Ferne
Zieh' ich helle Götterbahn.

Alt' und neue Jugendträume,
Zukunft und Vergangenheit,
Uferlose Himmelsräume
Sind mir stündlich hier bereit.
Darum, Freunde, will ich reisen;
Weiset Straße mir und Ziel!
In der Heimat stillen Kreisen
Schwärmt das Herz doch allzuviel.

*

 

Morgenlied

Noch ahnt man kaum der Sonne Licht,
Noch sind die Morgenglocken nicht
Im finstern Tal erklungen.

Wie still des Waldes weiter Raum!
Die Vöglein zwitschern nur im Traum,
Kein Sang hat sich erschwungen.

Ich hab' mich längst ins Feld gemacht
Und habe schon dies Lied erdacht
Und hab' es laut gesungen.

*

 

Winterreise

Bei diesem kalten Wehen
Sind alle Straßen leer,
Die Wasser stille stehen,
Ich aber schweif umher.

Die Sonne scheint so trübe,
Muß früh hinuntergehn;
Erloschen ist die Liebe,
Die Lust kann nicht bestehn.

Nun geht der Wald zu Ende,
Im Dorfe mach' ich halt;
Da wärm' ich mir die Hände,
Bleibt auch das Herze kalt.

*

 

Einkehr

Bei einem Wirte wundermild,
Da war ich jüngst zu Gaste;
Ein goldner Apfel war sein Schild
An einem langen Aste.

Es war der gute Apfelbaum,
Bei dem ich eingekehret;
Mit süßer Kost und frischem Schaum
Hat er mich wohl genähret.

Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste;
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
Und sangen auf das beste.

Ich fand ein Bett zu süßer Ruh'
Auf weichen, grünen Matten;
Der Wirt, er deckte selbst mich zu
Mit seinem kühlen Schatten.

Nun fragt ich nach der Schuldigkeit,
Da schüttelt er den Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
Von der Wurzel bis zum Gipfel!

*

 

Heimkehr

O brich nicht, Steg! du zitterst sehr.
O stürz nicht, Fels! du dräuest schwer.
Welt, geh nicht unter, Himmel, fall nicht ein,
Eh' ich mag bei der Liebsten sein!

*

 

Zimmerspruch

Das neue Haus ist aufgericht't,
Gedeckt, gemauert ist es nicht,
Noch können Regen und Sonnenschein
Von oben und überall herein:
Drum rufen wir zum Meister der Welt,
Er wolle von dem Himmelszelt
Nur Heil und Segen gießen aus
Hier über dieses offne Haus.
Zu oberst woll' er gut Gedeihn
In die Kornböden uns verleihn,
In die Stube Fleiß und Frömmigkeit,
In die Küche Maß und Reinlichkeit,
In den Stall Gesundheit allermeist,
In den Keller dem Wein einen guten Geist;
Die Fenster und Pforten woll' er weihn,
Daß nichts Unseligs komm' herein,
Und daß aus dieser neuen Tür
Bald fromme Kindlein springen für.
Nun, Maurer, decket und mauret aus!
Der Segen Gottes ist im Haus.

*

 

Trinklied

Was ist das für ein durstig Jahr!
Die Kehle lechzt mir immerdar,
Die Leber dorrt mir ein:
Ich bin ein Fisch auf trocknem Sand,
Ich bin ein dürres Ackerland,
O schafft mir, schafft mir Wein!

Was weht doch jetzt für trockne Luft!
Kein Regen hilft, kein Tau, kein Duft,
Kein Trunk will mir gedeihn.
Ich trink' im allertiefsten Zug,
Und dennoch wird mir's nie genug,
Fällt wie auf heißen Stein.

Was herrscht doch für ein hitz'ger Stern!
Er zehrt mir recht am innern Kern
Und macht mir Herzenspein.
Man dächte wohl, ich sei verliebt:
Ja, ja, die mir zu trinken gibt,
Soll meine Liebste sein.

Und wenn es euch wie mir ergeht,
So betet, daß der Wein gerät,
Ihr Trinker insgemein!
O heil'ger Urban, schaff' uns Trost!
Gib heuer uns viel edeln Most,
Daß wir dich benedein!

*

 

An das Vaterland

Dir möcht' ich diese Lieder weihen,
Geliebtes deutsches Vaterland!
Denn dir, dem neuerstandnen, freien,
Ist all mein Sinnen zugewandt.

Doch Heldenblut ist dir geflossen,
Dir sank der Jugend schönste Zier.
Nach solchen Opfern, heilig großen,
Was gälten diese Lieder dir?

*

 

Ernst der Zeit

Wann ward der erste Kranz gewunden?
Wann flog der erste Ball ans Ziel?
Wann ward der heitre Tanz erfunden,
Und wann das lose Pfänderspiel?

Ach, wohl in fernen, fernen Tagen;
Die unsern hätten's nie erdacht,
Wo bald im Feld die Völker schlagen,
Und bald der innre Zank erwacht.

*

 

An die Mütter

Mütter, die ihr euch erquickt
An der Kinder teuren Zügen
Und mit ahnendem Vergnügen
Vieles Künft'ge drin erblickt.

Schaut einmal recht tief hinein
Und verschafft uns sichre Kunde:
Wird der Väter Kampf und Wunde
In den Kindern fruchtbar sein?

*

 

An die Mädchen

Ihr besonders dauert mich,
Arme Mädchen, inniglich,
Daß ihr just in Zeiten fielet,
Wo man wenig tanzt und spielet.

Eine Mädchenjugend ist
Abgeblüht in kurzer Frist;
Müsset ihr nun Blüte tragen
In so rauhen, trüben Tagen!

Ja, mir dünket oft so sehr
Eure Jugend freudenleer,
Daß euch keine Zuflucht bliebe
Als die wahre, fromme Liebe.

*

 

Am 18. Oktober 1816

Wenn heut ein Geist herniederstiege,
Zugleich ein Sänger und ein Held,
Ein solcher, der im heil'gen Kriege
Gefallen auf dem Siegesfeld,
Der sänge wohl auf deutscher Erde
Ein scharfes Lied wie Schwertesstreich,
Nicht so, wie ich es künden werde,
Nein, himmelskräftig, donnergleich:

»Man sprach einmal von Festgeläute,
Man sprach von einem Feuermeer;
Doch, was das große Fest bedeute,
Weiß es denn jetzt noch irgend wer?
Wohl müssen Geister niedersteigen,
Von heil'gem Eifer aufgeregt,
Und ihre Wundenmale zeigen,
Daß ihr darein die Finger legt.

Ihr Fürsten! seid zuerst befraget:
Vergaßt ihr jenen Tag der Schlacht,
An dem ihr auf den Knieen laget
Und huldigtet der höhern Macht?
Wenn eure Schmach die Völker lösten,
Wenn ihre Treue sie erprobt,
So ist's an euch, nicht zu vertrösten,
Zu leisten jetzt, was ihr gelobt.

Ihr Völker! die ihr viel gelitten,
Vergaßt auch ihr den schwülen Tag?
Das Herrlichste, was ihr erstritten,
Wie kommt's, daß es nicht frommen mag?
Zermalmt habt ihr die fremden Horden,
Doch innen hat sich nichts gehellt,
Und Freie seid ihr nicht geworden,
Wenn ihr das Recht nicht festgestellt.

Ihr Weisen! muß man euch berichten,
Die ihr doch alles wissen wollt,
Wie die Einfältigen und Schlichten
Für klares Recht ihr Blut gezollt?
Meint ihr, daß in den heißen Gluten
Die Zeit, ein Phönix, sich erneut,
Nur um die Eier auszubruten,
Die ihr geschäftig unterstreut?

Ihr Fürstenrät' und Hofmarschälle
Mit trübem Stern auf kalter Brust,
Die ihr vom Kampf um Leipzigs Wälle
Wohl gar bis heute nichts gewußt,
Vernehmt! an diesem heut'gen Tage
Hielt Gott der Herr ein groß Gericht.
Ihr aber hört nicht, was ich sage,
Ihr glaubt an Geisterstimmen nicht.

Was ich gesollt, hab' ich gesungen,
Und wieder schwing' ich mich empor;
Was meinem Blick sich aufgedrungen,
Verkünd' ich dort dem sel'gen Chor:
Nicht rühmen kann ich, nicht verdammen,
Untröstlich ist's noch allerwärts:
Doch sah ich manches Auge flammen,
Und klopfen hört' ich manches Herz.«

*

 

Auf den Tod eines Landgeistlichen

Bleibt abgeschiednen Geistern die Gewalt,
Zu kehren nach dem ird'schen Aufenthalt,
So kehrest Du nicht in der Mondennacht,
Wann nur die Sehnsucht und die Schwermut wacht;
Nein, wann ein Sommermorgen niedersteigt,
Wo sich im weiten Blau kein Wölkchen zeigt,
Wo hoch und golden sich die Ernte hebt,
Mit roten, blauen Blumen hell durchwebt,
Dann wandelst Du, wie einst, durch das Gefild
Und grüßest jeden Schnitter freundlich mild.

*

 

Auf den Tod eines Kindes

Du kamst, Du gingst mit leiser Spur,
Ein flücht'ger Gast im Erdenland;
Woher? wohin? Wir wissen nur:
Aus Gottes Hand in Gottes Hand.

*

 

Nachruf

Ein Grab, o Mutter, ist gegraben Dir
An einer stillen, Dir bekannten Stelle,
Ein heimatlicher Schatten wehet hier,
Auch fehlen Blumen nicht an seiner Schwelle.

Drin liegst Du, wie Du starbest, unversehrt,
Mit jedem Zug des Friedens und der Schmerzen;
Auch aufzuleben ist Dir nicht verwehrt:
Ich grub Dir dieses Grab in meinem Herzen.

*

 

Vermächtnis

Ein Sänger in den frommen Rittertagen,
Ein kühner Streiter in dem heil'gen Lande,
Durchbohrt von Pfeilen lag er auf dem Sande,
Doch konnt' er dies noch seinem Diener sagen:

»Verschleuß mein Herz, wann es nun ausgeschlagen,
In jener Urne, die vom Heimatstrande
Ich hergebracht mit manchem Liebespfande!
Drin sollst du es zu meiner Herrin tragen.«

So ich, Geliebte, der nur Dich gefeiert,
Verblute fern von Dir in Liebesschmerzen,
Schon decket meine Wangen Todesblässe.

Wann Deinen Sänger Grabesnacht umschleiert,
Empfange Du das treuste aller Herzen
In des Sonettes goldenem Gefäße!

*

 

Der Blumenstrauß

Wenn Sträuchen, Blumen manche Deutung eigen,
Wenn in den Rosen Liebe sich entzündet,
Vergißmeinnicht im Namen schon sich kündet,
Lorbeere Ruhm, Zypressen Trauer zeigen;

Wenn, wo die andern Zeichen alle schweigen,
Man doch in Farben zarten Sinn ergründet,
Wenn Stolz und Neid dem Gelben sich verbündet,
Wenn Hoffnung flattert in den grünen Zweigen:

So brach ich wohl mit Grund in meinem Garten
Die Blumen aller Farben, aller Arten
Und bring' sie dir, zu wildem Strauß gereihet.

Dir ist ja meine Lust, mein Hoffen, Leiden,
Mein Lieben, meine Treu', mein Ruhm, mein Neiden,
Dir ist mein Leben, dir mein Tod geweihet.

*

 

An Kerner

Es war in traurigen Novembertagen,
Ich war gewallt zum stillen Tannenhaine
Und stand gelehnet an der höchsten eine,
Da hielt ich Deine Lieder aufgeschlagen.

Versunken war ich in die frommen Sagen:
Bald kniet' ich vor Sankt Albans Wundersteine,
Bald schaut' ich Regiswind' im Rosenscheine,
Bald sah ich Helicenas Münster ragen.

Welch lieblich Wunder wirkten Deine Lieder!
Die Höh' erschien in goldnem Maienstrahle,
Und Frühlingsruf ertönte durch die Wipfel.

Doch bald verschwand der Wunderfrühling wieder,
Er durfte nicht sich senken in die Tale,
Im Fluge streift er nur der Erde Gipfel.

*

 

Todesgefühl

Wie Sterbenden zumut, wer mag es sagen?
Doch wunderbar ergriff mich's diese Nacht:
Die Glieder schienen schon in Todesmacht,
Im Herzen fühlt' ich letztes Leben schlagen,

Den Geist befiel ein ungewohntes Zagen,
Den Geist, der stets so sicher sich gedacht,
Erlöschend jetzt, dann wieder angefacht,
Ein mattes Flämmchen, das die Winde jagen.

Wie? hielten schwere Träume mich befangen?
Die Lerche singt, der rote Morgen glüht,
Ins rege Leben treibt mich neu Verlangen.

Wie? oder ging vorbei der Todesengel?
Die Blumen, die am Abend frisch geblüht,
Sie hängen hingewelket dort vom Stengel.

*

 

An Karl Mayer

Das kleine Lied, das ich Dir zugeschickt,
Ich frage nicht, ob es Dein Ohr erquickt,
Ob vor dem Auge farbig Dir gespielet?
Ich frage: wenn Du's an dein Herz gedrückt,
Ob Du's gefühlet?

*

 

Spruch

Das Lied, es mag am Lebensabend schweigen,
Sieht nur der Geist dann heil'ge Sterne steigen.

*

 

Des Goldschmieds Töchterlein

Ein Goldschmied in der Bude stand,
Bei Perl' und Edelstein:
»Das beste Kleinod, das ich fand,
Das bist doch du, Helene,
Mein teures Töchterlein!«

Ein schmucker Ritter trat herein:
»Willkommen, Mägdlein traut!
Willkommen, lieber Goldschmied mein!
Mach mir ein köstlich Kränzchen
Für meine süße Braut!«

Und als das Kränzlein war bereit
Und spielt' in reichem Glanz,
Da hängt' Helen' in Traurigkeit,
Wohl als sie war alleine,
An ihren Arm den Kranz:

»Ach, wunderselig ist die Braut,
Die 's Krönlein tragen soll.
Ach, schenkte mir der Ritter traut
Ein Kränzlein nur von Rosen,
Wie wär ich freudenvoll!«

Nicht lang, der Ritter trat herein,
Das Kränzlein wohl beschaut':
»O fasse, lieber Goldschmied mein,
Ein Ringlein mit Demanten
Für meine süße Braut!«

Und als das Ringlein war bereit
Mit teurem Demantstein,
Da steckt' Helen' in Traurigkeit,
Wohl als sie war alleine,
Es halb ans Fingerlein:

»Ach, wunderselig ist die Braut,
Die 's Ringlein tragen soll.
Ach, schenkte mir der Ritter traut
Nur seines Haars ein Löcklein,
Wie wär' ich freudenvoll!«

Nicht lang, der Ritter trat herein,
Das Ringlein wohl beschaut':
»Du hast, o lieber Goldschmied mein,
Gar fein gemacht die Gaben
Für meine süße Braut.

Doch, daß ich wisse, wie ihr's steh',
Tritt, schöne Maid, herzu,
Daß ich an dir zur Probe seh'
Den Brautschmuck meiner Liebsten!
Sie ist so schön wie du.«

Es war an einem Sonntag früh;
Drum hatt' die feine Maid
Heut angetan mit sondrer Müh',
Zur Kirche hinzugehen,
Ihr allerbestes Kleid.

Von holder Scham erglühend ganz
Sie vor dem Ritter stand;
Er setzt' ihr auf den goldnen Kranz,
Er steckt' ihr an das Ringlein,
Dann faßt' er ihre Hand:

»Helene süß, Helene traut!
Der Scherz ein Ende nimmt.
Du bist die allerschönste Braut,
Für die ich 's goldne Kränzlein,
Für die den Ring bestimmt.

Bei Gold und Perl' und Edelstein
Bist du erwachsen hier;
Das sollte dir ein Zeichen sein,
Daß du zu hohen Ehren
Eingehen wirst mit mir.«

*

 

Der Wirtin Töchterlein

Es zogen drei Bursche wohl über den Rhein,
Bei einer Frau Wirtin, da kehrten sie ein:

»Frau Wirtin, hat Sie gut Bier und Wein?
Wo hat Sie Ihr schönes Töchterlein?«

»Mein Bier und Wein ist frisch und klar.
Mein Töchterlein liegt auf der Totenbahr'.«

Und als sie traten zur Kammer hinein,
Da lag sie in einem schwarzen Schrein.

Der erste, der schlug den Schleier zurück
Und schaute sie an mit traurigem Blick:

»Ach, lebtest du noch, du schöne Maid!
Ich würde dich lieben von dieser Zeit.«

Der zweite deckte den Schleier zu
Und kehrte sich ab und weinte dazu:

»Ach, daß du liegst auf der Totenbahr'!
Ich hab' dich geliebet so manches Jahr.«

Der dritte hub ihn wieder sogleich
Und küßte sie an den Mund so bleich:

»Dich liebt' ich immer, dich lieb' ich noch heut
Und werde dich lieben in Ewigkeit.«

*

 

Die Mähderin

Guten Morgen, Marie! So frühe schon rüstig und rege?
Dich, treuste der Mägde, dich machet die Liebe nicht träge.
Ja, mähst du die Wiese mir ab von jetzt in drei Tagen,
Nicht dürft' ich den Sohn dir, den einzigen, länger versagen.«

Der Pächter, der stattlich begüterte, hat es gesprochen.
Marie, wie fühlt sie den liebenden Busen sich pochen!
Ein neues, ein kräftiges Leben durchdringt ihr die Glieder:
Wie schwingt sie die Sense, wie streckt sie die Mahden danieder!

Der Mittag glühet, die Mähder des Feldes ermatten,
Sie suchen zur Labe den Quell und zum Schlummer den Schatten;
Noch schaffen im heißen Gefilde die summenden Bienen;
Marie, sie ruht nicht, sie schafft in die Wette mit ihnen.

Die Sonne versinkt, es ertönet das Abendgeläute.
Wohl rufen die Nachbarn: »Marie, genug ist's für heute.«
Wohl ziehen die Mähder, der Hirt und die Herde von hinnen;
Marie, sie dengelt die Sense zu neuem Beginnen.

Schon sinket der Tau, schon erglänzen der Mond und die Sterne,
Es duften die Mahden, die Nachtigall schlägt aus der Ferne;
Marie verlangt nicht zu rasten, verlangt nicht zu lauschen,
Stets läßt sie die Sense, die kräftig geschwungene, rauschen.

So fürder von Abend zu Morgen, von Morgen zu Abend,
Mit Liebe sich nährend, mit seliger Hoffnung sich labend.
Zum drittenmal hebt sich die Sonne, da ist es geschehen;
Dort seht ihr Marien, die wonniglich weinende, stehen.

»Guten Morgen, Marie! Was seh' ich? O fleißige Hände!
Gemäht ist die Wiese, das lohn' ich mit reichlicher Spende;
Allein mit der Heirat ... du nahmest im Ernste mein Scherzen,
Leichtgläubig, man sieht es, und töricht sind liebende Herzen.«

Er spricht es und gehet des Wegs; doch der armen Marie
Erstarret das Herz, ihr brechen die bebenden Knie
Die Sprache verloren, Gefühl und Besinnung geschwunden,
So wird sie, die Mähderin, dort in den Mahden gefunden.

So lebt sie noch Jahre, so stummer, erstorbener Weise,
Und Honig, ein Tropfen, das ist ihr die einzige Speise.
O haltet ein Grab ihr bereit auf der blühendsten Wiese!
So liebende Mähderin gab es doch nimmer wie diese.

*

 

Das Schifflein

Ein Schifflein ziehet leise
Den Strom hin seine Gleise;
Es schweigen, die drin wandern,
Denn keiner kennt den andern.

Was zieht hier aus dem Felle
Der braune Weidgeselle?
Ein Horn, das sanft erschallet;
Das Ufer widerhallet.

Von seinem Wanderstabe
Schraubt jener Stift und Habe
Und mischt mit Flötentönen
Sich in des Hornes Dröhnen.

Das Mädchen saß so blöde,
Als fehlt' ihr gar die Rede;
Jetzt stimmt sie mit Gesange
Zu Horn und Flötenklange.

Die Rudrer auch sich regen
Mit taktgemäßen Schlägen;
Das Schiff hinunterflieget,
Von Melodie gewieget.

Hart stößt es auf am Strande,
Man trennt sich in die Lande:
»Wann treffen wir uns, Brüder,
Auf einem Schifflein wieder?«

*

 

Der gute Kamerad

Ich hatt' einen Kameraden,
Einen bessern findst du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
Er ging an meiner Seite
In gleichem Schritt und Tritt.

Eine Kugel kam geflogen;
Gilt's mir oder gilt es dir?
Ihn hat es weggerissen,
Er liegt mir vor den Füßen,
Als wär's ein Stück von mir.

Will mir die Hand noch reichen,
Derweil ich eben lad':
»Kann dir die Hand nicht geben;
Bleib du im ew'gen Leben,
Mein guter Kamerad!«

*

 

Bertran de Born

Droben auf dem schroffen Steine
Raucht in Trümmern Autafort,
Und der Burgherr steht gefesselt
Vor des Königs Zelte dort:
»Kamst du, der mit Schwert und Liedern
Aufruhr trug von Ort zu Ort,
Der die Kinder aufgewiegelt
Gegen ihres Vaters Wort?

Steht vor mir, der sich gerühmet
In vermeßner Prahlerei,
Daß ihm nie mehr als die Hälfte
Seines Geistes nötig sei?
Nun der halbe dich nicht rettet,
Ruf den ganzen doch herbei,
Daß er neu dein Schloß dir baue,
Deine Ketten brech' entzwei!«

»Wie du sagst, mein Herr und König,
Steht vor dir Bertran de Born,
Der mit einem Lied entflammte
Perigord und Ventadorn,
Der dem mächtigen Gebieter
Stets im Auge war ein Dorn,
Dem zuliebe Königskinder
Trugen ihres Vaters Zorn.

Deine Tochter saß im Saale,
Festlich eines Herzogs Braut,
Und da sang vor ihr mein Bote,
Dem ein Lied ich anvertraut,
Sang, was einst ihr Stolz gewesen,
Ihres Dichters Sehnsuchtlaut,
Bis ihr leuchtend Brautgeschmeide
Ganz von Tränen war betaut.

Aus des Ölbaums Schlummerschatten
Fuhr dein bester Sohn empor,
Als mit zorn'gen Schlachtgesängen
Ich bestürmen ließ sein Ohr.
Schnell war ihm das Roß gegürtet,
And ich trug das Banner vor,
Jenem Todespfeil entgegen,
Der ihn traf vor Montforts Tor.

Blutend lag er mir im Arme;
Nicht der scharfe, kalte Stahl –
Daß er sterb' in deinem Fluche,
Das war seines Sterbens Qual.
Strecken wollt' er dir die Rechte
Über Meer, Gebirg und Tal;
Als er deine nicht erreichet,
Drückt' er meine noch einmal.

Da, wie Autafort dort oben,
Ward gebrochen meine Kraft;
Nicht die ganze, nicht die halbe
Blieb mir, Saite nicht, noch Schaft.
Leicht hast du den Arm gebunden,
Seit der Geist mir liegt in Haft;
Nur zu einem Trauerliede
Hat er sich noch aufgerafft.«

Und der König senkt die Stirne:
»Meinen Sohn hast du verführt,
Hast der Tochter Herz verzaubert,
Hast auch meines nun gerührt.
Nimm die Hand, du Freund des Toten,
Die verzeihend ihm gebührt!
Weg die Fesseln! Deines Geistes
Hab' ich einen Hauch verspürt.«

*

 

König Karls Meerfahrt

Der König Karl fuhr über Meer
Mit seinen zwölf Genossen,
Zum heil'gen Lande steuert' er
Und ward vom Sturm verstoßen.

Da sprach der kühne Held Roland:
»Ich kann wohl fechten und schirmen;
Doch hält mir diese Kunst nicht stand
Vor Wellen und vor Stürmen.«

Dann sprach Herr Holger aus Dänemark:
»Ich kann die Harfe schlagen;
Was hilft mir das, wenn also stark
Die Wind' und Wellen jagen?«

Herr Oliver war auch nicht froh;
Er sah auf seine Wehre:
»Es ist mir um mich selbst nicht so,
Wie um die Altekläre.«

Dann sprach der schlimme Ganelon
(Er sprach es nur verstohlen):
»Wär' ich mit guter Art davon,
Möcht' euch der Teufel holen!«

Erzbischof Turpin seufzte sehr:
»Wir sind die Gottesstreiter;
Komm, liebster Heiland, über das Meer
Und führ' uns gnädig weiter!«

Graf Richard Ohnefurcht hub an:
»Ihr Geister aus der Hölle,
Ich hab' euch manchen Dienst getan;
Jetzt helft mir von der Stelle!«

Herr Naimes diesen Ausspruch tat:
»Schon vielen riet ich heuer,
Doch süßes Wasser und guter Rat
Sind oft zu Schiffe teuer.«

Da sprach der graue Herr Riol:
»Ich bin ein alter Degen
Und möchte meinen Leichnam wohl
Dereinst ins Trockne legen.«

Es war ein Herr Gui, ein Ritter fein,
Der fing wohl an zu singen:
»Ich wollt', ich wär' ein Vögelein;
Wollt' mich zu Liebchen schwingen.«

Da sprach der edle Graf Garein:
»Gott helf' uns aus der Schwere!
Ich trink' viel lieber den roten Wein,
Als Wasser in dem Meere.«

Herr Lambert sprach, ein Jüngling frisch:
»Gott woll' uns nicht vergessen!
Äß' lieber selbst 'nen guten Fisch,
Statt daß mich Fische fressen.«

Da sprach Herr Gottfried lobesan:
»Ich lass' mir's halt gefallen;
Man richtet mir nicht anders an,
Als meinen Brüdern allen.«

Der König Karl am Steuer saß;
Der hat kein Wort gesprochen,
Er lenkt das Schiff mit festem Maß,
Bis sich der Sturm gebrochen.

*

 

Taillefer

Normannenherzog Wilhelm sprach einmal:
Wer singet in meinem Hof und in meinem Saal?
Wer singet vom Morgen bis in die späte Nacht
So lieblich, daß mir das Herz im Leibe lacht?«

»Das ist der Taillefer, der so gerne singt
Im Hofe, wenn er das Rad am Brunnen schwingt,
Im Saale, wann er das Feuer schüret und facht,
Wann er abends sich legt und wann er morgens erwacht.«

Der Herzog sprach: »Ich hab' einen guten Knecht,
Den Taillefer; der dienet mir fromm und recht,
Er treibt mein Rad und schüret mein Feuer gut
Und singet so hell; das höhet mir den Mut.«

Da sprach der Taillefer: »Und wär' ich frei,
Viel besser wollt' ich dienen und singen dabei.
Wie wollt' ich dienen dem Herzog hoch zu Pferd!
Wie wollt' ich singen und klingen mit Schild und mit Schwert!«

Nicht lange, so ritt der Taillefer ins Gefild
Auf einem hohen Pferde mit Schwert und mit Schild.
Des Herzogs Schwester schaute vom Turm ins Feld:
Sie sprach: »Dort reitet, bei Gott, ein stattlicher Held.«

Und als er ritt vorüber an Fräuleins Turm,
Da sang er bald wie ein Lüftlein, bald wie ein Sturm.
Sie sprach: »Der singet, das ist eine herrliche Lust;
Es zittert der Turm, und es zittert mein Herz in der Brust.«

Der Herzog Wilhelm fuhr wohl über das Meer,
Er fuhr nach Engelland mit gewaltigem Heer.
Er sprang vom Schiffe, da fiel er auf die Hand;
»Hei,« rief er, »ich fass' und ergreife dich, Engelland!«

Als nun das Normannenheer zum Sturme schritt,
Der edle Taillefer vor den Herzog ritt:
»Manch Jährlein hab' ich gesungen und Feuer geschürt,
Manch Jährlein gesungen und Schwert und Lanze gerührt.

Und hab' ich Euch gedient und gesungen zu Dank,
Zuerst als ein Knecht und dann als ein Ritter frank,
So laßt mich das entgelten am heutigen Tag,
Vergönnet mir auf die Feinde den ersten Schlag!«

Der Taillefer ritt vor allem Normannenheer
Auf einem hohen Pferde mit Schwert und mit Speer;
Er sang so herrlich, das klang über Hastingsfeld;
Von Roland sang er und manchem frommen Held.

Und als das Rolandslied wie ein Sturm erscholl,
Da wallete manch Panier, manch Herze schwoll,
Da brannten Ritter und Mannen von hohem Mut;
Der Taillefer sang und schürte das Feuer gut.

Dann sprengt' er hinein und führte den ersten Stoß,
Davon ein englischer Ritter zur Erde schoß;
Dann schwang er das Schwert und führte den ersten Schlag,
Davon ein englischer Ritter am Boden lag.

Normannen sahen's, die harrten nicht allzulang,
Sie brachen herein mit Geschrei und mit Schilderklang.
Hei, sausende Pfeile, klirrender Schwerterschlag!
Bis Harald fiel und sein trotziges Heer erlag.

Herzog Wilhelm steckte sein Banner aufs blutige Feld;
Inmitten der Toten spannt' er sein Gezelt;
Da saß er am Mahle, den goldnen Pokal in der Hand,
Auf dem Haupte die Königskrone von Engelland:

»Mein tapfrer Taillefer, komm! trink mir Bescheid!
Du hast mir viel gesungen in Lieb' und in Leid;
Doch heut im Hastingsfelde dein Sang und dein Klang,
Der tönet mir in den Ohren mein Leben lang.«

*

 

Graf Eberstein

Zu Speier im Saale, da hebt sich ein Klingen,
Mit Fackeln und Kerzen ein Tanzen und Springen.
            Graf Eberstein
            Führet den Reihn
Mit des Kaisers holdseligem Töchterlein.

Und als er sie schwingt nun im luftigen Reigen,
Da flüstert sie leise (sie kann's nicht verschweigen):
            »Graf Eberstein,
            Hüte dich fein,
Heut nacht wird dein Schlößlein gefährdet sein.«

»Ei,« denket der Graf, »Euer kaiserlich Gnaden,
So habt Ihr mich darum zum Tanze geladen!«
            Er sucht sein Roß,
            Läßt seinen Troß
Und jagt nach seinem gefährdeten Schloß.

Um Ebersteins Feste, da wimmelt's von Streitern,
Sie schleichen im Nebel mit Haken und Leitern.
            Graf Eberstein
            Grüßet sie fein,
Er wirft sie vom Wall in die Gräben hinein.

Als nun der Herr Kaiser am Morgen gekommen,
Da meint er, es seie die Burg schon genommen.
            Doch auf dem Wall
            Tanzen mit Schall
Der Graf und seine Gewappneten all';

»Herr Kaiser, beschleicht Ihr ein andermal Schlösser,
Tut's not, Ihr verstehet aufs Tanzen Euch besser.
            Euer Töchterlein
            Tanzet so fein,
Dem soll meine Feste geöffnet sein.«

Im Schlosse des Grafen, da hebt sich ein Klingen,
Mit Fackeln und Kerzen ein Tanzen und Springen.
            Graf Eberstein
            Führet den Reihn
Mit des Kaisers holdseligem Töchterlein.

Und als er sie schwingt nun im bräutlichen Reigen,
Da flüstert er leise, nicht kann er's verschweigen:
            »Schön Jungfräulein,
            Hüte dich fein!
Heut nacht wird ein Schlößlein gefährdet sein.«

*

 

Der letzte Pfalzgraf

Ich Pfalzgraf Götz von Tübingen
Verkaufe Burg und Stadt
Mit Leuten, Gülten, Feld und Wald;
Der Schulden bin ich satt.

Zwei Rechte nur verkauf' ich nicht,
Zwei Rechte, gut und alt:
Im Kloster eins, mit schmuckem Turm,
Und eins im grünen Wald.

Am Kloster schenkten wir uns arm
Und bauten uns zugrund,
Dafür der Abt mir füttern muß
Den Habicht und den Hund.

Im Schönbuch, um das Kloster her,
Da hab' ich das Gejaid;
Behalt' ich das, so ist mir nicht
Am all mein andres leid.

Und hört ihr Mönchlein eines Tags
Nicht mehr mein Jägerhorn,
Dann zieht das Glöcklein, sucht mich auf!
Ich lieg' am schatt'gen Born.

Begrabt mich unter breiter Eich'
Im grünen Vogelsang
Und lest mir eine Jägermess'!
Die dauert nicht zu lang.

*

 

Der Überfall im Wildbad

In schönen Sommertagen, wenn lau die Lüfte wehn,
Die Wälder lustig grünen, die Gärten blühend stehn,
Da ritt aus Stuttgarts Toren ein Held von stolzer Art,
Graf Eberhard der Greiner, der alte Rauschebart.

Mit wenig Edelknechten zieht er ins Land hinaus;
Er trägt nicht Helm noch Panzer, nicht geht's auf blut'gen Strauß;
Ins Wildbad will er reiten, wo heiß ein Quell entspringt,
Der Sieche heilt und kräftigt, der Greise wieder jüngt.

Zu Hirsau bei dem Abte, da kehrt der Ritter ein
Und trinkt bei Orgelschalle den kühlen Klosterwein;
Dann geht's durch Tannenwälder ins grüne Tal gesprengt,
Wo durch ihr Felsenbette die Enz sich rauschend drängt.

Zu Wildbad an dem Markte, da steht ein stattlich Haus;
Es hängt daran zum Zeichen ein blanker Spieß heraus.
Dort steigt der Graf vom Rosse, dort hält er gute Rast;
Den Quell besucht er täglich, der ritterliche Gast.

Wann er sich dann entkleidet und wenig ausgeruht
Und sein Gebet gesprochen, so steigt er in die Flut;
Er setzt sich stets zur Stelle, wo aus dem Felsenspalt
Am heißesten und vollsten der edle Sprudel wallt.

Ein angeschoßner Eber, der sich die Wunde wusch,
Verriet voreinst den Jägern den Quell in Kluft und Busch;
Nun ist's dem alten Recken ein lieber Zeitvertreib,
Zu waschen und zu strecken den narbenvollen Leib.

Da kommt einsmals gesprungen sein jüngster Edelknab':
»Herr Graf, es zieht ein Haufe das obre Tal herab;
Sie tragen schwere Kolben, der Hauptmann führt im Schild
Ein Röslein rot von Golde und einen Eber wild.«

»Mein Sohn, das sind die Schlegler, die schlagen kräftig drein.
Gib mir den Leibrock, Junge! Das ist der Eberstein.
Ich kenne wohl den Eber, er hat so grimmen Zorn;
Ich kenne wohl die Rose, sie führt so scharfen Dorn.«

Da kommt ein armer Hirte in atemlosem Lauf:
»Herr Graf, es zieht 'ne Rotte das untre Tal herauf;
Der Hauptmann führt drei Beile, sein Rüstzeug glänzt und gleißt,
Daß mir's wie Wetterleuchten noch in den Augen beißt.«

»Das ist der Wunnensteiner, der gleißend Wolf genannt.
Gib mir den Mantel, Knabe! Der Glanz ist mir bekannt,
Er bringt mir wenig Wonne, die Beile hauen gut.
Bind mir das Schwert zur Seite! Der Wolf, der lechzt nach Blut.

Ein Mägdlein mag man schrecken, das sich im Bade schmiegt;
Das ist ein lustig Necken, das niemand Schaden fügt;
Wird aber überfallen ein alter Kriegesheld,
Dann gilt's, wenn nicht sein Leben, doch schweres Lösegeld.«

Da spricht der arme Hirte: »Des mag noch werden Rat;
Ich weiß geheime Wege, die noch kein Mensch betrat;
Kein Roß mag sie ersteigen, nur Geißen klettern dort.
Wollt Ihr sogleich mir folgen, ich bring' Euch sicher fort.«

Sie klimmen durch das Dickicht den steilsten Berg hinan;
Mit seinem guten Schwerte haut oft der Graf sich Bahn.
Wie herb das Fliehen schmecke, noch hatt' er's nie vermerkt;
Viel lieber möcht' er fechten, das Bad hat ihn gestärkt.

In heißer Mittagsstunde bergunter und bergauf;
Schon muß der Graf sich lehnen auf seines Schwertes Knauf.
Darob erbarmt's den Hirten des alten, hohen Herrn,
Er nimmt ihn auf den Rücken: »Ich tu's von Herzen gern.«

Da denkt der alte Greiner: »Es tut doch wahrlich gut,
So sänftlich sein getragen von einem treuen Blut.
In Fährden und in Nöten zeigt erst das Volk sich echt;
Drum soll man nie zertreten sein altes, gutes Recht.«

Als drauf der Graf gerettet zu Stuttgart sitzt im Saal,
Heißt er 'ne Münze prägen als ein Gedächtnismal.
Er gibt dem treuen Hirten manch blankes Stück davon,
Auch manchem Herrn vom Schlegel verehrt er eins zum Hohn.

Dann schickt er tücht'ge Maurer ins Wildbad alsofort;
Die sollen Mauern führen rings um den offnen Ort,
Damit in künft'gen Sommern sich jeder greise Mann,
Von Feinden ungefährdet, im Bade jüngen kann.

*

 

Die Ulme zu Hirsau

Zu Hirsau in den Trümmern,
Da wiegt ein Ulmenbaum
Frischgrünend seine Krone
Hoch überm Giebelsaum.

Er wurzelt tief im Grunde
Vom alten Klosterbau;
Er wölbt sich statt des Daches
Hinaus ins Himmelsblau.

Weil des Gemäuers Enge
Ihm Lust und Sonne nahm,
So trieb's ihn hoch und höher,
Bis er zum Lichte kam.

Es ragen die vier Wände,
Als ob sie nur bestimmt,
Den kühnen Wuchs zu schirmen,
Der zu den Wolken klimmt.

Wenn dort im grünen Tale
Ich einsam mich erging,
Die Ulme war's, die hehre,
Woran mein Sinnen hing.

Wenn in dem dumpfen, stummen
Getrümmer ich gelauscht,
Da hat ihr reger Wipfel
Im Windesflug gerauscht.

Ich sah ihn oft erglühen
Im ersten Morgenstrahl;
Ich sah ihn noch erleuchtet,
Wann schattig rings das Tal.

Zu Wittenberg im Kloster
Wuchs auch ein solcher Strauß
Und brach mit Riesenästen
Zum Klausendach hinaus.

O Strahl des Lichts, du dringest
Hinab in jede Gruft!
O Geist der Welt, du ringest
Hinauf in Licht und Luft!

*

 

Schwäbische Kunde

Als Kaiser Rotbart lobesam
Zum heil'gen Land gezogen kam,
Da mußt' er mit dem frommen Heer
Durch ein Gebirge wüst und leer.
Daselbst erhub sich große Not,
Viele Steine gab's und wenig Brot,
Und mancher deutsche Reitersmann
Hat dort den Trunk sich abgetan;
Den Pferden war's so schwach im Magen,
Fast mußt' der Reiter die Mähre tragen.
Nun war ein Herr aus Schwabenland,
Von hohem Wuchs und starker Hand,
Des Rößlein war so krank und schwach,
Er zog es nur am Zaume nach;
Er hätt' es nimmer aufgegeben,
Und kostet's ihn das eigne Leben.
So blieb er bald ein gutes Stück
Hinter dem Heereszug zurück;
Da sprengten plötzlich in die Quer
Fünfzig türkische Reiter daher.
Die huben an, auf ihn zu schießen,
Nach ihm zu werfen mit den Spießen.
Der wackre Schwabe forcht sich nit,
Ging seines Weges Schritt vor Schritt,
Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
Und tät nur spöttlich um sich blicken,
Bis einer, dem die Zeit zu lang,
Auf ihn den krummen Säbel schwang.
Da wallt dem Deutschen auch sein Blut,
Er trifft des Türken Pferd so gut,
Er haut ihm ab mit einem Streich
Die beiden Vorderfüß' zugleich.
Als er das Tier zu Fall gebracht,
Da faßt er erst sein Schwert mit Macht,
Er schwingt es auf des Reiters Kopf,
Haut durch bis auf den Sattelknopf,
Haut auch den Sattel noch zu Stücken
Und tief noch in des Pferdes Rücken;
Zur Rechten sieht man wie zur Linken
Einen halben Türken heruntersinken.
Da packt die andern kalter Graus;
Sie fliehen in alle Welt hinaus,
Und jedem ist's, als würd' ihm mitten
Durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten.
Drauf kam des Wegs 'ne Christenschar,
Die auch zurückgeblieben war;
Die sahen nun mit gutem Bedacht,
Was Arbeit unser Held gemacht.
Von denen hat's der Kaiser vernommen.
Der ließ den Schwaben vor sich kommen;
Er sprach: »Sag' an, mein Ritter wert!
Wer hat dich solche Streich' gelehrt?«
Der Held bedacht' sich nicht zu lang:
»Die Streiche sind bei uns im Schwang;
Sie sind bekannt im ganzen Reiche,
Man nennt sie halt nur Schwabenstreiche.«

*

 


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