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Franz Werfel

Gesang einer Frau

Warum warum diese neue Angst? Die Welt ist schon so oft!
Und Oft ein Wort, das fort und fort ins Ohr tropft unverhofft,
Ein rundes Wort, ein runder Laut, der endet und beschließt.
Mir graut vor meinem Haar,
Es war so oft, meine Hand war oft, mein Mund war oft, war, war!
Meine Zunge war oft, meine Brust und was er genießt.
Mir graut, es graut auch meinem Haar.
Oft ist unfaßliche Gefahr.

Ich kann die Blumen nicht sehn auf dem Tisch, sie machen mich krank.
Mein Geliebter hat einen verräterischen Gang,
Oft und Gewohnt sein aufgeknöpftes Freundespaar
Wischt sich die Stiefel nicht ab. Sie spucken gar
Und blasen Zigarrenrauch in mein Haar.
Oft ist mein Feind und schon lang.
O diese schrecklichen Früher! Sie tragen Altes auf ihren Glocken her,
Wie bin ich von Weitem und lang schon her.
Nun kann ich mich gar nicht erinnern mehr.
Wie man sich lachend auf die Fußspitzen stellt,
Das entfiel dem Gedächtnis meiner Füße, dem viel entfällt.

Trübsinn heißt vierfach meine Jahreszeit,
Im Winter fürcht ich den Frühling, im Frühling die scharfe Zeit,
Und doch möcht ich alles halten, was mich vermaledeit.

Nein nein! Ach! Wie ist mir das doch hassenswert.
Wie alles an mir vergeht, möchte auch ich vergehn.
Verzehrt sein, vergehn, eingehn in einen hohen Wert.
Lieben lieben zum erstenmal,
Wo Liebe nicht verlischt mit dem Wangenmal,
Nicht jeder Kuß, verhauchend, wird Betrug,
Und aus der Freuden Morgenlumpen Ekel lugt.
Eingehn in ein reines weißes Weiß!
Weiße Schürzen tragen, weißes Kleid und eine Farbe nur sehn: Weiß!
Mein Gesicht vergessen, keine Zeit haben, immer ein Werk haben, immer tun,
Nur am Abend ins Gebet hinüberruhn!
O Leidenschaft!

Nun schimpft zum Fenster ein Regen herein.
Auch der Regen ist oft. Ich zähle die Feinde nicht.
Ich fühle nur meine Augen. Wohin ist mein Gesicht?
Früher lebte ich seine Farben und flog unendlich in alles ein
Von unten, von der Seite, streichelte alles mit meinem Schein.
Jetzt ist in mir solch eine Beschwerlichkeit.
Ich bin leicht, ich bin leicht, aber mein Antlitz neigt
Neigt sich zu allem nieder, als wär ich sehr groß und sehr weit,
Und alles ist nur bedacht, daß es sich höflich zeigt.

Wo bin ich denn? O Himmelsrose, die mich in die Mitte klemmt!
Ich sitze auf meinem Bettrand im Hemd,
Und schaue auf meinen edel ermatteten Fuß,
Der mich entzückt, daß ich fast weinen muß.
Und doch ist in meinen süßen Beinen schon etwas, das man verhängt ...


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